Manchmal staune ich darüber, wie unterschiedlich sich persönliche Schwächen und Eigenheiten auswirken können. Ich leide anerkannter- und zugegebenermaßen unter Höhenangst. Auf ziemlich lächerliche Art und Weise.
Kürzlich hatte ich mir einen neuen, zusätzlichen Rauchmelder angeschafft, der nun schon seit etwa vier Wochen in seiner Verpackung seiner Bestimmung harrte. Immerhin hatte ich pragmatisch gedacht und diesmal ein Produkt angeschafft, dessen Batterie zwölf Jahre hält und das zusätzlich mit einem praktischen Magnet-Klebepad befestigt wird. Ist die Batterie „um“, muss das gesamte Gerät ausgetauscht werden. Aber man muss eben auch nur alle zwölf Jahre mit zitternden Knien auf eine Leiter steigen und dann ein ganz neues Gerät anbringen (nachdem man das alte mühsam und – in meinem Falle – unter Stoßgebeten von dem praktischen Magnet-Klebepad gelöst hat).
Heute war der Tag, da ich das noch immer unangetastete Päckchen nicht mehr sehen konnte: Der verdammte Rauchmelder musste endlich installiert werden, koste es, was es wolle.
Mit Todesverachtung stellte ich im Flur meine Haushaltsleiter auf, öffnete das Päckchen, zerrte den Rauchmelder heraus, las die Bedienungsanleitung, aktivierte den Rauchmelder und kletterte dann – ebenfalls mit Todesverachtung – auf die Leiter, den Rauchmelder zunächst in der rechten Hand. Bis ich feststellte, dass ich sogar, zumindest mit einem Fuß, auf die Plattform der Haushaltsleiter steigen musste, die nicht ganz so niedrig ist. Zumindest aus meiner Perspektive – ich bin, zumindest physisch, beileibe nicht die Größte. 😉
Oben angekommen, wechselte ich die aktive Hand lieber gen links, um mich mit der rechten am Türrahmen des Badezimmers festzukrallen. 😉 Den doofen Rauchmelder würde ich doch locker mit links anbringen! Vergessen alle von unten als optimal angesehenen Plazierungen oder Positionen des Gerätes! Ich blickte kurz gen Decke, richtete die linke Hand einigermaßen aus und presste mit selbiger dann das Gerät mit der Klebefläche fest an die Flurdecke. Und schon wurde mir schwindlig – nicht nach oben sehen! „Sieh nach unten!“ war der logische Schluss, der mir durch den Kopf schoss.
Völlig falsch, denn mir wurde noch viel schwindliger. Und so heftete ich meinen Blick stur auf die Wohnungstür, während meine Knie zu zittern begannen, und das so sehr, dass sogar die stabile Leiter in Schwingung versetzt wurde. Aber ich musste den Rauchmelder hinreichend lange an die Flurdecke drücken, damit die Klebemasse des Pads auch eine geschmeidige Einheit mit der Decke einginge. Ich gebe zu, meine Knie schlotterten, und ich hatte kalten Schweiß auf der Stirn, als ich schließlich von der Leiter stieg, und von unten sah das Resultat nicht sonderlich befriedigend aus. Aber: Wo gehobelt wird, fallen Späne – und Hauptsache, das Ding klebt an der Decke und versieht seine Aufgabe pflichtbewusst. Oder besser nicht, denn ich möchte eigentlich gar nicht, dass es Alarm schlagen müsse. 😉
Ich staune nur immer wieder darüber, wie es sein könne, dass ich auf Leitern und in nur geringer Höhe derart schwächele, während ich mit Begeisterung in Flugzeuge steige – je weiter, je höher, desto besser! Kann mir das jemand erklären?
Ja, ich gerate da nicht einmal in Panik, wenn um mich herum schon Chaos herrscht, während ich auf einer simplen Haushaltsleiter schon hyperventiliere und zitternde Knie habe, weil die Decke dann doch höher ist, als ich sie von unten einschätzte. 😉
Gut, meine erste grenzwertige Flugerfahrung hatte ich, als ich zwanzigjährig erstmalig in den USA war und von New York nach Brüssel flog. Mit reichlich Verspätung flogen wir von JFK los, und ich war froh, als wir endlich in der Luft waren. Alles lief prima, und nach einiger Zeit wies der Kapitän dann darauf hin, dass unter uns gerade Boston liege, besonders gut zu sehen von der linken Seite des Fliegers aus.
Ich saß links, hatte einen Fensterplatz, und ich blickte nach unten – wunderschön, all diese Lichter! Ich weiß noch, dass ich dachte: „Das sieht so schön aus – und Boston! Wie gerne wäre ich jetzt da!“ Ein bisschen haderte ich ja damit, dass der Teil meiner weitläufigen Familie, den ich damals besucht hatte, an der Westküste lebte – am Tag zuvor war ich von Seattle nach New York geflogen – und nicht an der Ostküste, die mich immer mehr gereizt hatte (aber ich war jung und hatte kein Geld – stimmt zwar, aber meine amerikanische Familie ist total lieb und nett, und ich habe sie gern besucht! 😊). Aber kurz darauf machte ich mir darüber nur noch wenig Gedanken. 😉
Kurz „hinter Boston“ hatte der Kapitän bereits eine Ansage gemacht, dass über dem Atlantik möglicherweise mit Turbulenzen zu rechnen sei und wir uns bitte anschnallen sollten. Das hatten eigentlich auch alle gemacht, nur einer nicht, wie sich später herausstellte.
Da es zwar draußen schon dunkel, aber noch Restlicht vorhanden war, blickte ich interessiert aus dem Fenster (zumal mein Nachbar zur Rechten ein – Verzeihung! – arroganter Armleuchter aus Amherst war, der zu einem Austauschsemester an die Uni „Bahn“ unterwegs war, was sich als „Bonn“ herausstellte. 😉 Eine Unterhaltung mit ihm wurde erst möglich, nachdem das Grauen passiert war). Der Himmel war sternklar – aber was war das da vor uns? Eine Nebelbank, so solide aussehend wie eine Schrankwand! Ich prüfte lieber noch einmal meinen Sitzgurt. Ich hatte damals noch nicht so viel Flugerfahrung, aber solide aussehende Nebelbänke bei ansonsten klarem Himmel und angekündigten möglichen Turbulenzen schienen recht dubios.
Und da ging es auch schon los! Kaum waren wir in diese Nebelbank geflogen, wurde es dramatisch: Die Maschine sackte nicht nur durch, sie schien im freien Fall zu stürzen, und um den arroganten Amherst-Studi und mich schrien zahlreiche Menschen in Todesangst. Der arrogante Amherst-Adept saß stumm auf seinem Platz, ebenso wie ich, keiner von uns in der Lage, auch nur einen kleinen Ton von sich zu geben, und ich krallte mich lediglich an den Armlehnen fest. Mein einziger Gedanke: „Das ist jetzt aber irgendwie doof und schade. Du wirst deinen Geburtstag gar nicht mehr erleben.“ (Denn ich würde während des Fluges Geburtstag haben.)
Es schien kein Ende zu nehmen, das Gefühl, dass wir stürzten und stürzten, und eigentlich wartete ich nur auf den Aufprall auf dem brettharten Atlantik. Und um mich herum nur dieses panische Geschrei … Als ich dachte, dass nun doch gleich der finale Aufprall kommen müsse, fing der Pilot den Flieger ab, und wir stiegen wieder. Pheoowww …
Als alles wieder stabil war, wollte ich zur Toilette. Im Toilettenbereich war die Deckenverkleidung partiell zerstört, und Blut klebte daran. Der einzig nicht angeschnallte Passagier war da wohl während des Sturzes unter die Decke gekracht und verletzt worden. Ich hatte das gar nicht mitbekommen – ich war wohl, wenn auch nach außen ruhig, mehr mit mir selber beschäftigt gewesen.
Der Amherst-Adept hat dann, wohl auch erleichtert, erst einmal eine Flugbegleiterin herangerufen, als ich ihm erzählte, ich hätte Geburtstag und fühlte mich inzwischen, als sei dies auch mein zweiter solcher. Er bestellte zwei Gläser Sekt, um mit mir anzustoßen. Und irgendwann später sah ich, wie die Sonne aufging, und so etwas Schönes hatte ich zuvor nie gesehen. War im Flieger etwas besonders Schönes. 😊
Danach flog ich öfter, aber stets ohne Komplikationen. Bis auf den Rückflug von London mit meinem besten Freund Fridolin, als wir über Weihnachten in dieser Stadt gewesen waren.
Wir flogen beide wohl nicht gern zurück nach Düsseldorf an jenem dreißigsten Dezember. Und so waren wir mit unserem Gepäck zunächst noch in einem Restaurant, um ein Abschiedsessen zu uns zu nehmen. Dann schlenderten wir ein letztes Mal die Oxford Street entlang, und Fridolin wollte noch einen Kaffee trinken. Danach drängte ich zum Aufbruch – wir mussten ja noch die ganze Strecke bis Heathrow fahren. Fridolin meinte, ich solle doch nicht so drängeln, es sei Zeit genug, aber schließlich saßen wir doch in der Piccadilly Line auf dem Weg zum Flughafen.
Als wir zum Check-in-Schalter kamen, erklärte uns die Dame vom British-Airways-Bodenpersonal nur kurz und knapp: „You’re late! Neither you nor your luggage can be operated anymore.“ O Gott! Ich wandte mich Fridolin zu und meinte: „Na, super! Jetzt haben wir den Salat! Und alles, weil du so getrödelt hast.“ Fridolin war irritiert und fragte, wo denn das Problem sei – sie habe doch nur gesagt, dass wir ein bisschen spät dran seien. „Nein! Sie sagte, wir seien zu spät und dass sie unser Gepäck nicht mehr einchecken könne – und uns auch nicht! Wir verpassen den Flieger!“ Und ich raufte mir publikumswirksam die Haare und blickte die Dame vom Bodenpersonal ehrlich verzweifelt an. Die griff zum Telefonhörer, wählte eine Nummer, sprach einige kurze Sätze, dann legte sie auf und sagte: „Take your luggage, and hurry! Just show your passports to the officers over there – they will let you pass by! Hurry up!“
Fridolin packte unser Gepäck wieder auf den Trolley, ich rief: „Gib mir deinen Pass, schnell!“ Und mit beiden Pässen in der Hand rannte ich los, Fridolin folgte mit dem Gepäcktrolley. An den Beamten rannte ich vorbei, indem ich ihnen die Pässe entgegenstreckte und rief, der Mann mit dem Trolley gehöre dazu. Sie nickten und riefen: „Hurry on – and good luck!“ Und schon rasten wir weiter – unser Gate war natürlich am Arsch der Welt bzw. des Terminals …
Dort angelangt, fragte ich japsend einen British-Airways-Mitarbeiter: „We’re late! What about our luggage?“ – „Oh, just put it over there.“ Und er deutete freundlich lächelnd auf eine Art Einwurfschacht an der gegenüberliegenden Wand und bedeutete uns, wir sollten es dort abstellen. Ich verabschiedete mich im Stillen von meinem Gepäck, überzeugt, es niemals wiederzusehen. Dann legten wir am Schalter unsere Pässe vor und waren dann tatsächlich die letzten Passagiere, die mit lautem Gepolter durch die Fluggastbrücke zum Flieger rannten, einer Boeing 757. Man wartete schon auf uns, und kaum waren wir drin, wurde auch schon die Einstiegstür geschlossen und die Fluggastbrücke abgedockt und zurückgefahren.
Aufatmend sanken wir auf unsere Sitze, schnallten uns an, und ich sagte zu Fridolin: „Kaum zu glauben, aber wir sind tatsächlich an Bord! Und das Schlimmste haben wir hinter uns – schlimmer kann es ja nicht kommen.“ Im Brustton der Überzeugung. Und ich blickte erleichtert aus dem Fenster – der Abschied fiel nicht ganz so schwer, denn draußen stürmte es jetzt und schüttete wie aus Eimern.
Während wir zur Startbahn rollten, kam die Ansage der Purserette, die uns freundlich begrüßte und erklärte, es werde voraussichtlich ein ruhiger Flug, wenn auch mit einzelnen kleinen Turbulenzen zu rechnen sei. Erfreulicherweise sei seit heute auch der Flughafen Düsseldorf wieder geöffnet, der die vorausgegangenen drei Tage aufgrund von Winterstürmen geschlossen gewesen sei. Was hatten wir doch für ein Glück!
Und dann raste der Flieger auch schon los und hob ab. Aufgrund des stürmischen Wetters war der Start etwas unruhig, aber das würde ja bald erledigt sein, wenn wir erst über den Wolken wären.
So war es dann auch. Aber dann – es wurde draußen immer dunkler – wurde es immer ungemütlicher. Blickte man aus dem Fenster, sah man nicht mehr viel – die linke Tragfläche war im Nebel verschwunden, und dass sie noch da war, sah man nur an einer Positionsleuchte an ihrem Ende, die in regelmäßigen Abständen blinkte. Die konnte man zumindest noch wahrnehmen, wenn auch undeutlich. Vielleicht war auch ganz gut, dass man sie nicht sah, denn als die Umgebung einmal durch einen Blitz – inzwischen gewitterte es – erleuchtet wurde, sah ich, wie sich die Tragfläche durch den Sturm bog … 😉
Je näher wir dem Ärmelkanal kamen, desto unangenehmer wurde es. Es begann damit, dass die Maschine zu rollen anfing und ständig wechselseitig über linke wie rechte Tragfläche schwankte. Ab und an „nickte“ die Maschine auch. Sowohl Rollen, als auch Nicken war zu ertragen, aber über dem Kanal wurde es richtig widerlich, denn die Maschine fing an, Rotationsbewegungen nicht nur über Längs- und Querachse zu vollführen, sondern auch noch über die Gierachse, und da hob es mich trotz Sitzgurtes mehrfach aus dem Sitz, und von dieser Schlingerbewegung wurde mir ganz kodderig. Und obwohl ich stets die Meinung vertrat, dass Fliegen ohne Turbulenzen ja öde sei und ich mich dann ja gleich in die Straßenbahn setzen könne, dachte ich da erstmalig: „Hoffentlich sind wir bald in Düsseldorf!“
Ich war nicht die Einzige, die litt, denn zwei Reihen hinter uns auf der rechten Seite saß eine Japanerin mit ihrem knapp dreijährigen Sohn, der seit Beginn der Eskapaden, die der Flieger vollführte, ununterbrochen schrie und kreischte. Mir tat der kleine Wicht leid, denn für so ein kleines Kind musste es wirklich das Inferno sein, wenn schon die erwachsenen Passagiere schweigend und teils grün im Gesicht in den Sitzen mehr hingen als saßen. Aber ein bisschen nervte es auch, denn es war anstrengend genug, bei diesem „dreidimensionalen“ Geschlinger den Mageninhalt bei sich zu behalten. 😉
Der Flug kam mir viel länger als gewöhnlich vor, aber irgendwann befanden wir uns immerhin im Landeanflug, und da meldete sich der Käpt’n, der uns in sehr freundlichem und positiv klingendem Tonfall mitteilte, bald hätten wir es geschafft. Er müsse allerdings darauf aufmerksam machen, dass die Landung wohl etwas härter ausfallen würde und wir bitte auf sein Kommando die Köpfe herunternehmen, uns an den vorderen Sitzlehnen abstützen und mit den Armen unsere Köpfe schützen sollten, denn die Gefahr bestehe, dass aus den overhead lockers Gegenstände fallen würden.
Und während wir immer weiter sanken, wurde die Maschine von Scher- und Seitenwinden hin und her gerüttelt und geschleudert – wirklich widerlich. Ich starrte aus dem Fenster – mussten wir nicht bald unten sein? Man konnte allerdings draußen wohl die Hand vor Augen nicht sehen, zumal es heftig schneite, und da kam auch schon das Kommando des Kapitäns, und alle nahmen die Köpfe herunter, stützten sich nach vorne ab und schützten ihre Köpfe mit Armen und Händen. Ich hatte mich kurz vorher noch umgedreht und sah, wie die japanische Mutter sich über ihr Kind warf, dessen Geschrei dadurch stark gedämpft wurde.
Dann setzten wir auf, obwohl „Aufsetzen“ die Sache nicht adäquat beschreibt, denn eigentlich krachten wir auf die Landebahn, sprangen wieder hoch und krachten erneut auf die Bahn. Der Hinweis, die Köpfe herunterzunehmen und zu schützen, war eindeutig gerechtfertigt, denn diverse Gepäckfächer sprangen auf, und viele lose Objekte – am meisten beeindruckte mich hinterher beim Aussteigen das große Modell-Segelflugzeug – flogen uns um die Ohren, als der Pilot Schubumkehr einleitete und dann eine Vollbremsung einlegte, wobei der Flieger sich leicht seitlich drehte. Wir wurden erst nach vorn, dann nach hinten gegen die Sitze geschleudert. Doch da ertönte schon die Stimme des Piloten, typisch englisch, gelassen und positiv, und er teilte uns mit, wir könnten nun entspannen. Übrigens seien wir an diesem Tag die letzte Maschine gewesen, die in Düsseldorf gelandet sei – direkt nach unserer Landung sei der Flughafen erneut geschlossen worden. Alle anderen Maschinen würden nach Frankfurt umgeleitet. Zu riskant die Starts und Landungen. Ach …
Unvergessen, dieser Flug, der mir den Spaß aber beileibe nicht verdorben hat – ich liebe Fliegen noch immer. Und unser Gepäck war auch ratz-fatz auf dem Gepäckband – es war trotz Zuspätkommens tatsächlich auf unserer Maschine gewesen.
Nur wenn ich auf eine Leiter steigen muss, wird mir ganz kodderig. Beim Fliegen nur selten. Dann doch lieber fliegen! 😉