DAS will ich sehen!

Als ich gestern – ich hatte Büroschicht – den kleinen Monty auf dem vorderen Parkplatz meines Arbeitgebers parkte und gen Arbeitsstätte strebte, wurde ich hinterrücks gerufen: „He, Ali!“ Ich drehte mich um und sah Kollegin Ines aus einer anderen Abteilung angelaufen kommen. „Guten Morgen!“ rief sie fröhlich, und ich erwiderte ihren Gruß ebenso fröhlich. Wir gingen zusammen weiter, und ich nahm einen anderen Eingang als sonst, so dass wir noch ein wenig plaudern konnten.

Auf dem Weg zu unseren jeweiligen Büros begegneten wir zwei Kollegen, die in der Nähe der Pforte standen und sich unter gebührendem Abstand miteinander unterhielten. Beide grüßten, wir grüßten zurück, und da rief der eine: „Im nächsten Leben komme ich als Frau zur Welt – ihr habt es ja immer gut! So gut will ich es auch mal haben!“

Man muss sich dabei nichts Böses denken – er sagt immer so etwas in der Art und meint es lustig, wenn es auch inzwischen vorhersagbar ist, und so lachten wir auch. Ich rief: „Viel Spaß schon einmal!“ Und Ines rief lachend: „Das will ich sehen!“

Im Weitergehen sagte sie gut hörbar zu mir: „Wird der eh schnell bereuen: Spätestens dann, wenn er sich wiederholt einmal im Monat vor Schmerzen krümmt. Ich wünsche ihm, dass es dann nur Binden gebe und er dauernd Angst hat, sie könnten nicht halten, was sie versprechen.“ Ich lachte schallend und fügte hinzu: „Und dann verträgt er die Pille nicht und wird völlig ungeahnt und ungewollt schwanger. Oder es geschieht ein Verhütungsunfall mit einem leicht anzuwendenden mechanischen Verhütungsmittel, das man überall ohne Rezept bekommt, und er muss die Pille danach nehmen, weil es gerade so überhaupt nicht passt und der beteiligte Typ sich direkt nach Entdeckung des Unfalls vom Acker gemacht hat. Der wird sich umgucken, danach aber auf andere Verhütungsmethoden umsteigen. Zum Beispiel eine Spirale – und das wird dann richtig lustig, vor allem beim Einsetzen. Das Gejammer möchte ich mir gar nicht vorstellen, nachdem der Arzt sagte: ‚Jetzt bitte husten!‘“ Ines lachte sich scheckig, ich mich desgleichen, und schaurig hallte unser Gelächter von den Wänden wider. 😉

Ines meinte: „Als alleinerziehende Mutter kann ich ihn mir auch nicht so gut vorstellen, falls er sich dafür entscheiden sollte, das Kind aus dem von dir genannten One-Night-Stand tatsächlich zu bekommen.“ – „Ich auch nicht.“ Und schon wieder lachten wir, was allerdings etwas unfair war, denn ich war nie in solch einer Situation und kann daher nicht sagen, ob ich das besser gemacht hätte. 😉

Zugegeben, auch mit dem ONS-Verhütungsunfall habe ich keinerlei Erfahrung. Aber so etwas gehört einfach zu den einzukalkulierenden Risiken, über die der Kollege sich wohl bei seinem spontan-leichtfertigen Ausruf so gar keine Gedanken gemacht hatte. Möglich, dass man sich als Frau da eher Gedanken macht, weil man ja die Person ist, die danach möglicherweise noch aktiver als in der Situation werden muss, die zu der Notwendigkeit, dies zu tun, erst führte. 😉

Ich drehte mich um und sah den Kollegen da völlig stupéfait stehen – offenbar hatte das von Ines und mir ausgemalte Szenario ihn geschockt. Ich winkte fröhlich und wünschte einen schönen Arbeitstag. Ines lachte erneut und meinte: „O je – wahrscheinlich steht er gleich bei mir im Büro und fragt mich, warum wir so gelacht haben.“ – „Dann sag ihm doch einfach, dass wir uns vorgestellt hätten, wie überrascht er wäre, würde er herausfinden, dass er mit Zitronen gehandelt habe. Ich vermute, im umgekehrten Falle wäre es ähnlich.“ – „Ich habe mir eigentlich nie vorgestellt, dass Männer es leichter hätten.“ – „Ich auch nicht. Ich habe mir auch nie gewünscht, ein Mann zu sein.“ – „Dasselbe hier,“, sagte Ines, „ich finde es okay so, wie es ist. Ich will mir aber keine Sprüche anhören müssen, wir hätten es leichter.“ – „Ach, ich glaube, er meinte das gar nicht so ernst. Falls doch, wäre so eine Art ‚Bodyswitching‘ sicherlich hilfreich, und er würde so etwas nie wieder sagen.“

Dessen bin ich mir sicher. 😉 Ich habe Männer eigentlich nie beneidet. Höchstens als Kind, wenn „die Jungs“ mal wieder geschont wurden, wenn sie eine Fensterscheibe beim Fußballspielen zerschossen hatten. „Sind doch Jungs – die müssen sowas machen!“ hieß es damals, und ich hätte mir das Donnerwetter gar nicht vorstellen mögen, hätten wir Mädels das Gleiche getan. 😉

Glücklicherweise heißt es heute: „Sind doch Kinder – die müssen sowas machen!“ Und von daher werde ich auch milde lächelnd und frauentypisch (denn gemäß altertümlicher Vorstellung, die bei manchen Menschen noch heute Bestand hat, seien Frauen ja viel duldsamer … ) über den Kratzer an meinem kleinen Monty hinwegsehen, den Kinder – allesamt Jungs – gestern bei ihrem kindgerecht-impulsiven Versteckspiel in unserem Garagenhof an ihm und zwei anderen Autos hinterließen. Die Jungs wohnen einige Häuser weiter, haben zwar einen eigenen Hof, aber unser Garagenhof scheint besonders verlockend zum Versteck- und Fußballspielen zu sein. Dabei ist er so gut einsehbar. Gut möglich, dass sie mit Gründen in ihrem Hof nicht spielen dürfen. Ich ärgerte mich, regte mich aber nur minimal auf – ich kann es eh nicht ändern, denn: „Sind halt Jungs… ooops… Kinder“ 😉 Und die sind ja sakrosankt. 😉

Ich glaube, ich wünsche mir, im nächsten Leben eine Katze zu sein – eine echte Hauskatze, natürlich. Die werden im Allgemeinen gehätschelt und gepampert – sie müssen sich keine Gedanken um ihre Versorgung machen und haben auch kein Auto. 😉

„Ich bin der Eugen – ich schneid‘ hier die Wurst!“

Drückt mir bitte die Daumen, dass ich übermorgen nicht an diesen Satz denken muss, wenn ich – erstmalig in meinem Leben – als Interviewerin tätig werde, und das per Zoom, der Corona-Situation wegen. Ich habe schon als Übersetzerin gearbeitet. Auch als Dolmetscherin auf einem dreitägigen Kongress. Als Interviewerin indes noch nie.

Zu Anfang jedes Jahres und in dessen Mitte veranstaltet mein Arbeitgeber eine Art kleine Messe für Interessierte, während derer unsere Angebote vorgestellt und daran Interessierte beraten werden. Bis dato und vor Corona als Präsenzveranstaltung. Dieses Jahr anders. Dieses Jahr virtuell. Da mein Arbeitsbereich heftig involviert ist, muss ich – ausgerechnet ich! 😉 – nun zwei Interviews mit ehemaligen Klienten führen, die dann online zu sehen sind. Also: die Klienten, ich – und die Interviews en tout.

Aber warum so negativ? Es ist einfach eine völlig neue Herausforderung. Speziell für jemanden, der kamerascheu ist. Gut möglich, dass ich mich als „Stimme aus dem Off“ einfach besser mache, aber wer weiß das schon? 😉

Übermorgen – Brückentag – habe ich zwar eigentlich frei, aber da es sich, so der Koordinator dieser Veranstaltung, ein sehr netter Kollege, um eine „sportliche Punktlandung“ handle und die Zeit daher drängt, habe ich mich mit meiner ersten Klientin für just diesen Tag zum Video-Interview verabredet. Mit viel Zeit im Gepäck. 😉

Gestern „trainierte“ ich bereits, um mich vorzubereiten. Ich startete ein Zoom-Meeting mit mir als Host. Es war kurz nach elf, und ich saß in meinem Esszimmer. Verbindlich lächelnd und wie eine gute Gastgeberin sprach ich meine kurze Einleitung gen Kamera, wobei ich das Ganze mitschnitt.

Kaum zum Ende gekommen, überfiel mich das Grauen: Ich klang so wie ein Typ, den ich in Aachen eher unfreiwillig kannte und am liebsten von hinten sah, ergo im Abschiedsmodus, und meine Ansprache klang wie: „Ich bin der Eugen – ich schneid‘ hier die Wurst!“

Der Typ tauchte während meiner Studentenjob-Zeit in einer Studentenkneipe unregelmäßig auf und wirkte stets irgendwie … derangiert. Nicht wie die hellste Kerze auf der Torte. Er war es wohl auch nicht, sondern eher eine unverschämte und penetrante Nervensäge. Es waren immer alle froh, wenn er wieder ging, ich – hatte ich Thekenschicht – zuvörderst. Denn war Eugen da, waren Beleidigungen an der Tagesordnung, Beleidigungen in alle nur denkbaren Richtungen, und ich musste mehrfach an mich halten, ihm nicht den Inhalt des Eiswürfelbehälters über den Kopf zu schütten und mit dem leeren Eiswürfelbehälter seinen Scheitel noch einmal korrekt nachzuziehen. Aber nach außen blieb ich stets so cool wie der Inhalt des Eisbehälters, der niemals über Eugens Haupt ausgeleert wurde. 😉

Die einzig lustige Geschichte, die aber auch wie „Arsch auf Eimer“ zu ihm passte, war folgende: Eugen hatte all seine angefangenen Lehren nie beendet, aber da der Mensch von etwas leben muss und andere Menschen bisweilen (zu) gutmütig sind, stellte ein Metzger in einer recht zentral gelegenen Straße ihn ein, in seinem Ladengeschäft zu arbeiten. Hinter den Kulissen. Und ungelernt. Man stellte Eugen an die Wurstschneidemaschine in den Raum hinter dem Verkaufslokal, und nach einiger Einarbeitungszeit beherrschte Eugen das Wurst-in-Scheiben-verschiedener-Stärke-Schneiden auch mehr oder minder gut. 😉

Eines unschönen Tages kam die Gewerbeaufsicht in Gestalt zweier Beamter in den Metzgerladen, natürlich unangekündigt. Man prüfte im Verkaufsraum hier, man prüfte da – alles glücklicherweise (für den Metzger) zur Zufriedenheit. Dann strebte man in die hinteren Räume, in deren einem Eugen seiner schnittigen Tätigkeit nachkam …

Dem Metzger graute. O Gott! Eugen war in seiner Gänze nicht zwingend publikumspräsentabel. Aber die beiden Beamten drängten darauf, auch die Hinterräume zu besichtigen. Verständlich. Wenn schon, denn schon, und man muss ja auch prüfen, ob in Gänze alles okay sei. 😉

Ich kann mir die Not des Metzgers lebhaft vorstellen, auch den gesteigerten Blutdruck und das Gefühl von Ohnmacht und Verlust der geschäftlichen Existenz. 😉 Aber was sollte er tun? Und schon betraten die beiden Beamten den Wurstschneideraum, in dem Eugen stupide grinsend seines Amtes waltete …

Einer der beiden Beamten sprach ihn an: „Wie heißen Sie, und was ist Ihre Aufgabe in diesem Betrieb?“ – „Hä?“ – „Wie heißen Sie, und was ist Ihre Aufgabe in diesem Betrieb?“ – „Ääh …“ – „Haben Sie meine Frage verstanden?“ – „Ääh, ja.“ – „Ja, und?“

Und da kam, nicht ohne Stolz: „Ich bin der Eugen! Ich schneid‘ hier die Wurst!“

Auf Fragen nach seinem Nachnamen und seiner entsprechenden Ausbildung wie Arbeitsvertrag kam keine Antwort, aber so präzise wie ein Uhrwerk schnitt Eugen Cervelatwurst … Das konnte er, das tat er. 😉 Man hatte es ihm so gezeigt. 😉

Nach diesem Besuch der Gewerbeaufsicht bekam der Metzger eine Geldstrafe, und Eugen war erneut joblos und noch weniger erträglich als zuvor.

Nachdem ich gestern bei dem „Video-Testlauf“ meine reizende, kleine Einleitung absolviert hatte, kam mir dieser „Ich bin der Eugen – ich schneid‘ hier die Wurst“-Satz in den Sinn, und dann musste ich mich wirklich sehr zusammenreißen, platzte leider aber doch heraus. Lieber noch einmal ganz von vorn anfangen …

So geschah es. Erneute Einleitung, und ich sprach sogar weiter, um elf Uhr zehn. War doch gar nicht so schwer – immer diese Anstellerei!

Doch da ertönte aus dem Nachbarhaus ein dröhnendes „Wrrroooom“! Eine Bohrmaschine. Größeres Kaliber. Meine Mundwinkel hoben sich, fingen zu beben an, und schon platzte ich heraus. 😉

Dritter Versuch – da noch der Überzeugung, dass die von den Klienten  und meine davon unabhängig (Corona!) getätigte Aufzeichnung einfach zusammengeschnitten werden würden – wenige Minuten später. Die Bohrmaschine pausierte offenbar. Mittels freundlicher und einladender Attitüde erklärte ich, was meine Aufgabe sei, und ich stellte die Fragen, die abgesprochen waren.

Danach betrachtete ich das Video. O Gott! Meine Augen schweiften hilf- und ziellos wie erschreckend groß von links nach rechts und retour! Es ist – hat man nicht eine Ausbildung als Schauspieler hinter sich – wirklich schwierig, sich einen nichtvorhandenen Gesprächspartner zu imaginieren. Und selbst dann, wenn man weiß, dass man sich das doch einfach nur vorstellen müsse, kann es passieren, dass die Augen des Interviewers hin und her schweifen, als würden sie erwarten, dass endlich jemand durch die Tür oder wie ein Hirsch „durchs Gebüsch gebrochen“ komme, der auch Antworten gebe. 😉

Versuch No. 4: Ich reminiszierte heftig den Film Cast Away mit Tom Hanks, als der nach einem Flugzeugabsturz eine Art Robinson Crusoe darstellt, ganz allein auf einer kleinen Insel. Sein einziger Freund: ein Volleyball der Marke Wilson. Mit „Wilson“ spricht der Verschollene, weil er sonst keinen Ansprechpartner hat. Offenbar half ihm das – warum also mir nicht? 😉

Ich holte einen Blumentopf herbei, aus dem fröhlich-buntes Gewächs leuchtet, und ich stellte diesen schräg neben mich. Das war jetzt der nette Fabian! Und schon nahm ich ein neues Test-Video auf! 😉

Erfolg: null. Das Gewächs ist nun einmal nicht Fabian und ist einfach stumm – meine Augen schweiften wie zuvor, als hingen sie plan- und ziellos in den Wanten eines Segelschiffs, auf der Suche nach dem echten Interview-Partner. 😉

Immerhin war gestern ein sehr lustiger Homeoffice-Tag – ich hatte viel zu lachen, weil ich stets dachte: „Cool! Was soll nur werden?“ Immerhin bin ich zum Schluss gekommen, dass zwei separate Zoom-Meetings unter Mitschnitt derselben das Beste seien, was ich tun könne. Und so habe ich übermorgen ein solches Meeting mit Madeleine, die ich interviewen muss. Madeleine ist ein wunderbarer Mensch, sehr liebenswert und freundlich, und das wird sicher lustig. Hoffe ich zumindest. 😉

Drückt mir trotzdem die Daumen, dass ich bei meiner freundlichen Einleitung nicht an den wurstschneidenden Eugen denken muss, denn ich kenne mich: An völlig unpassenden Stellen breche ich schon einmal gern in überbordendes und schier unstillbares Gelächter aus … 😉

Drückt mir die Daumen – auch wenn diese Schilderung beileibe nicht wirklich ernst gemeint ist. 😉

Dann doch lieber fliegen!

Manchmal staune ich darüber, wie unterschiedlich sich persönliche Schwächen und Eigenheiten auswirken können. Ich leide anerkannter- und zugegebenermaßen unter Höhenangst. Auf ziemlich lächerliche Art und Weise.

Kürzlich hatte ich mir einen neuen, zusätzlichen Rauchmelder angeschafft, der nun schon seit etwa vier Wochen in seiner Verpackung seiner Bestimmung harrte. Immerhin hatte ich pragmatisch gedacht und diesmal ein Produkt angeschafft, dessen Batterie zwölf Jahre hält und das zusätzlich mit einem praktischen Magnet-Klebepad befestigt wird. Ist die Batterie „um“, muss das gesamte Gerät ausgetauscht werden. Aber man muss eben auch nur alle zwölf Jahre mit zitternden Knien auf eine Leiter steigen und dann ein ganz neues Gerät anbringen (nachdem man das alte mühsam und – in meinem Falle – unter Stoßgebeten von dem praktischen Magnet-Klebepad gelöst hat).

Heute war der Tag, da ich das noch immer unangetastete Päckchen nicht mehr sehen konnte: Der verdammte Rauchmelder musste endlich installiert werden, koste es, was es wolle.

Mit Todesverachtung stellte ich im Flur meine Haushaltsleiter auf, öffnete das Päckchen, zerrte den Rauchmelder heraus, las die Bedienungsanleitung, aktivierte den Rauchmelder und kletterte dann – ebenfalls mit Todesverachtung – auf die Leiter, den Rauchmelder zunächst in der rechten Hand. Bis ich feststellte, dass ich sogar, zumindest mit einem Fuß, auf die Plattform der Haushaltsleiter steigen musste, die nicht ganz so niedrig ist. Zumindest aus meiner Perspektive – ich bin, zumindest physisch, beileibe nicht die Größte. 😉

Oben angekommen, wechselte ich die aktive Hand lieber gen links, um mich mit der rechten am Türrahmen des Badezimmers festzukrallen. 😉 Den doofen Rauchmelder würde ich doch locker mit links anbringen! Vergessen alle von unten als optimal angesehenen Plazierungen oder Positionen des Gerätes! Ich blickte kurz gen Decke, richtete die linke Hand einigermaßen aus und presste mit selbiger dann das Gerät mit der Klebefläche fest an die Flurdecke. Und schon wurde mir schwindlig – nicht nach oben sehen! „Sieh nach unten!“ war der logische Schluss, der mir durch den Kopf schoss.

Völlig falsch, denn mir wurde noch viel schwindliger. Und so heftete ich meinen Blick stur auf die Wohnungstür, während meine Knie zu zittern begannen, und das so sehr, dass sogar die stabile Leiter in Schwingung versetzt wurde. Aber ich musste den Rauchmelder hinreichend lange an die Flurdecke drücken, damit die Klebemasse des Pads auch eine geschmeidige Einheit mit der Decke einginge. Ich gebe zu, meine Knie schlotterten, und ich hatte kalten Schweiß auf der Stirn, als ich schließlich von der Leiter stieg, und von unten sah das Resultat nicht sonderlich befriedigend aus. Aber: Wo gehobelt wird, fallen Späne – und Hauptsache, das Ding klebt an der Decke und versieht seine Aufgabe pflichtbewusst. Oder besser nicht, denn ich möchte eigentlich gar nicht, dass es Alarm schlagen müsse. 😉

Ich staune nur immer wieder darüber, wie es sein könne, dass ich auf Leitern und in nur geringer Höhe derart schwächele, während ich mit Begeisterung in Flugzeuge steige – je weiter, je höher, desto besser! Kann mir das jemand erklären?

Ja, ich gerate da nicht einmal in Panik, wenn um mich herum schon Chaos herrscht, während ich auf einer simplen Haushaltsleiter schon hyperventiliere und zitternde Knie habe, weil die Decke dann doch höher ist, als ich sie von unten einschätzte. 😉
Gut, meine erste grenzwertige Flugerfahrung hatte ich, als ich zwanzigjährig erstmalig in den USA war und von New York nach Brüssel flog. Mit reichlich Verspätung flogen wir von JFK los, und ich war froh, als wir endlich in der Luft waren. Alles lief prima, und nach einiger Zeit wies der Kapitän dann darauf hin, dass unter uns gerade Boston liege, besonders gut zu sehen von der linken Seite des Fliegers aus.

Ich saß links, hatte einen Fensterplatz, und ich blickte nach unten – wunderschön, all diese Lichter! Ich weiß noch, dass ich dachte: „Das sieht so schön aus – und Boston! Wie gerne wäre ich jetzt da!“ Ein bisschen haderte ich ja damit, dass der Teil meiner weitläufigen Familie, den ich damals besucht hatte, an der Westküste lebte – am Tag zuvor war ich von Seattle nach New York geflogen – und nicht an der Ostküste, die mich immer mehr gereizt hatte (aber ich war jung und hatte kein Geld – stimmt zwar, aber meine amerikanische Familie ist total lieb und nett, und ich habe sie gern besucht! 😊). Aber kurz darauf machte ich mir darüber nur noch wenig Gedanken. 😉

Kurz „hinter Boston“ hatte der Kapitän bereits eine Ansage gemacht, dass über dem Atlantik möglicherweise mit Turbulenzen zu rechnen sei und wir uns bitte anschnallen sollten. Das hatten eigentlich auch alle gemacht, nur einer nicht, wie sich später herausstellte.

Da es zwar draußen schon dunkel, aber noch Restlicht vorhanden war, blickte ich interessiert aus dem Fenster (zumal mein Nachbar zur Rechten ein – Verzeihung! – arroganter Armleuchter aus Amherst war, der zu einem Austauschsemester an die Uni „Bahn“ unterwegs war, was sich als „Bonn“ herausstellte. 😉 Eine Unterhaltung mit ihm wurde erst möglich, nachdem das Grauen passiert war). Der Himmel war sternklar – aber was war das da vor uns? Eine Nebelbank, so solide aussehend wie eine Schrankwand! Ich prüfte lieber noch einmal meinen Sitzgurt. Ich hatte damals noch nicht so viel Flugerfahrung, aber solide aussehende Nebelbänke bei ansonsten klarem Himmel und angekündigten möglichen Turbulenzen schienen recht dubios.

Und da ging es auch schon los! Kaum waren wir in diese Nebelbank geflogen, wurde es dramatisch: Die Maschine sackte nicht nur durch, sie schien im freien Fall zu stürzen, und um den arroganten Amherst-Studi und mich schrien zahlreiche Menschen in Todesangst. Der arrogante Amherst-Adept saß stumm auf seinem Platz, ebenso wie ich, keiner von uns in der Lage, auch nur einen kleinen Ton von sich zu geben, und ich krallte mich lediglich an den Armlehnen fest. Mein einziger Gedanke: „Das ist jetzt aber irgendwie doof und schade. Du wirst deinen Geburtstag gar nicht mehr erleben.“ (Denn ich würde während des Fluges Geburtstag haben.)

Es schien kein Ende zu nehmen, das Gefühl, dass wir stürzten und stürzten, und eigentlich wartete ich nur auf den Aufprall auf dem brettharten Atlantik. Und um mich herum nur dieses panische Geschrei … Als ich dachte, dass nun doch gleich der finale Aufprall kommen müsse, fing der Pilot den Flieger ab, und wir stiegen wieder. Pheoowww …

Als alles wieder stabil war, wollte ich zur Toilette. Im Toilettenbereich war die Deckenverkleidung partiell zerstört, und Blut klebte daran. Der einzig nicht angeschnallte Passagier war da wohl während des Sturzes unter die Decke gekracht und verletzt worden. Ich hatte das gar nicht mitbekommen – ich war wohl, wenn auch nach außen ruhig, mehr mit mir selber beschäftigt gewesen.

Der Amherst-Adept hat dann, wohl auch erleichtert, erst einmal eine Flugbegleiterin herangerufen, als ich ihm erzählte, ich hätte Geburtstag und fühlte mich inzwischen, als sei dies auch mein zweiter solcher. Er bestellte zwei Gläser Sekt, um mit mir anzustoßen. Und irgendwann später sah ich, wie die Sonne aufging, und so etwas Schönes hatte ich zuvor nie gesehen. War im Flieger etwas besonders Schönes. 😊

Danach flog ich öfter, aber stets ohne Komplikationen. Bis auf den Rückflug von London mit meinem besten Freund Fridolin, als wir über Weihnachten in dieser Stadt gewesen waren.

Wir flogen beide wohl nicht gern zurück nach Düsseldorf an jenem dreißigsten Dezember. Und so waren wir mit unserem Gepäck zunächst noch in einem Restaurant, um ein Abschiedsessen zu uns zu nehmen. Dann schlenderten wir ein letztes Mal die Oxford Street entlang, und Fridolin wollte noch einen Kaffee trinken. Danach drängte ich zum Aufbruch – wir mussten ja noch die ganze Strecke bis Heathrow fahren. Fridolin meinte, ich solle doch nicht so drängeln, es sei Zeit genug, aber schließlich saßen wir doch in der Piccadilly Line auf dem Weg zum Flughafen.

Als wir zum Check-in-Schalter kamen, erklärte uns die Dame vom British-Airways-Bodenpersonal nur kurz und knapp: „You’re late! Neither you nor your luggage can be operated anymore.“ O Gott! Ich wandte mich Fridolin zu und meinte: „Na, super! Jetzt haben wir den Salat! Und alles, weil du so getrödelt hast.“ Fridolin war irritiert und fragte, wo denn das Problem sei – sie habe doch nur gesagt, dass wir ein bisschen spät dran seien. „Nein! Sie sagte, wir seien zu spät und dass sie unser Gepäck nicht mehr einchecken könne – und uns auch nicht! Wir verpassen den Flieger!“ Und ich raufte mir publikumswirksam die Haare und blickte die Dame vom Bodenpersonal ehrlich verzweifelt an. Die griff zum Telefonhörer, wählte eine Nummer, sprach einige kurze Sätze, dann legte sie auf und sagte: „Take your luggage, and hurry! Just show your passports to the officers over there – they will let you pass by! Hurry up!“

Fridolin packte unser Gepäck wieder auf den Trolley, ich rief: „Gib mir deinen Pass, schnell!“ Und mit beiden Pässen in der Hand rannte ich los, Fridolin folgte mit dem Gepäcktrolley. An den Beamten rannte ich vorbei, indem ich ihnen die Pässe entgegenstreckte und rief, der Mann mit dem Trolley gehöre dazu. Sie nickten und riefen: „Hurry on – and good luck!“ Und schon rasten wir weiter – unser Gate war natürlich am Arsch der Welt bzw. des Terminals …

Dort angelangt, fragte ich japsend einen British-Airways-Mitarbeiter: „We’re late! What about our luggage?“ – „Oh, just put it over there.“ Und er deutete freundlich lächelnd auf eine Art Einwurfschacht an der gegenüberliegenden Wand und bedeutete uns, wir sollten es dort abstellen. Ich verabschiedete mich im Stillen von meinem Gepäck, überzeugt, es niemals wiederzusehen. Dann legten wir am Schalter unsere Pässe vor und waren dann tatsächlich die letzten Passagiere, die mit lautem Gepolter durch die Fluggastbrücke zum Flieger rannten, einer Boeing 757. Man wartete schon auf uns, und kaum waren wir drin, wurde auch schon die Einstiegstür geschlossen und die Fluggastbrücke abgedockt und zurückgefahren.

Aufatmend sanken wir auf unsere Sitze, schnallten uns an, und ich sagte zu Fridolin: „Kaum zu glauben, aber wir sind tatsächlich an Bord! Und das Schlimmste haben wir hinter uns – schlimmer kann es ja nicht kommen.“ Im Brustton der Überzeugung. Und ich blickte erleichtert aus dem Fenster – der Abschied fiel nicht ganz so schwer, denn draußen stürmte es jetzt und schüttete wie aus Eimern.

Während wir zur Startbahn rollten, kam die Ansage der Purserette, die uns freundlich begrüßte und erklärte, es werde voraussichtlich ein ruhiger Flug, wenn auch mit einzelnen kleinen Turbulenzen zu rechnen sei. Erfreulicherweise sei seit heute auch der Flughafen Düsseldorf wieder geöffnet, der die vorausgegangenen drei Tage aufgrund von Winterstürmen geschlossen gewesen sei. Was hatten wir doch für ein Glück!

Und dann raste der Flieger auch schon los und hob ab. Aufgrund des stürmischen Wetters war der Start etwas unruhig, aber das würde ja bald erledigt sein, wenn wir erst über den Wolken wären.

So war es dann auch. Aber dann – es wurde draußen immer dunkler – wurde es immer ungemütlicher. Blickte man aus dem Fenster, sah man nicht mehr viel – die linke Tragfläche war im Nebel verschwunden, und dass sie noch da war, sah man nur an einer Positionsleuchte an ihrem Ende, die in regelmäßigen Abständen blinkte. Die konnte man zumindest noch wahrnehmen, wenn auch undeutlich. Vielleicht war auch ganz gut, dass man sie nicht sah, denn als die Umgebung einmal durch einen Blitz – inzwischen gewitterte es – erleuchtet wurde, sah ich, wie sich die Tragfläche durch den Sturm bog … 😉

Je näher wir dem Ärmelkanal kamen, desto unangenehmer wurde es. Es begann damit, dass die Maschine zu rollen anfing und ständig wechselseitig über linke wie rechte Tragfläche schwankte. Ab und an „nickte“ die Maschine auch. Sowohl Rollen, als auch Nicken war zu ertragen, aber über dem Kanal wurde es richtig widerlich, denn die Maschine fing an, Rotationsbewegungen nicht nur über Längs- und Querachse zu vollführen, sondern auch noch über die Gierachse, und da hob es mich trotz Sitzgurtes mehrfach aus dem Sitz, und von dieser Schlingerbewegung wurde mir ganz kodderig. Und obwohl ich stets die Meinung vertrat, dass Fliegen ohne Turbulenzen ja öde sei und ich mich dann ja gleich in die Straßenbahn setzen könne, dachte ich da erstmalig: „Hoffentlich sind wir bald in Düsseldorf!“

Ich war nicht die Einzige, die litt, denn zwei Reihen hinter uns auf der rechten Seite saß eine Japanerin mit ihrem knapp dreijährigen Sohn, der seit Beginn der Eskapaden, die der Flieger vollführte, ununterbrochen schrie und kreischte. Mir tat der kleine Wicht leid, denn für so ein kleines Kind musste es wirklich das Inferno sein, wenn schon die erwachsenen Passagiere schweigend und teils grün im Gesicht in den Sitzen mehr hingen als saßen. Aber ein bisschen nervte es auch, denn es war anstrengend genug, bei diesem „dreidimensionalen“ Geschlinger den Mageninhalt bei sich zu behalten. 😉

Der Flug kam mir viel länger als gewöhnlich vor, aber irgendwann befanden wir uns immerhin im Landeanflug, und da meldete sich der Käpt’n, der uns in sehr freundlichem und positiv klingendem Tonfall mitteilte, bald hätten wir es geschafft. Er müsse allerdings darauf aufmerksam machen, dass die Landung wohl etwas härter ausfallen würde und wir bitte auf sein Kommando die Köpfe herunternehmen, uns an den vorderen Sitzlehnen abstützen und mit den Armen unsere Köpfe schützen sollten, denn die Gefahr bestehe, dass aus den overhead lockers Gegenstände fallen würden.

Und während wir immer weiter sanken, wurde die Maschine von Scher- und Seitenwinden hin und her gerüttelt und geschleudert – wirklich widerlich. Ich starrte aus dem Fenster – mussten wir nicht bald unten sein? Man konnte allerdings draußen wohl die Hand vor Augen nicht sehen, zumal es heftig schneite, und da kam auch schon das Kommando des Kapitäns, und alle nahmen die Köpfe herunter, stützten sich nach vorne ab und schützten ihre Köpfe mit Armen und Händen. Ich hatte mich kurz vorher noch umgedreht und sah, wie die japanische Mutter sich über ihr Kind warf, dessen Geschrei dadurch stark gedämpft wurde.

Dann setzten wir auf, obwohl „Aufsetzen“ die Sache nicht adäquat beschreibt, denn eigentlich krachten wir auf die Landebahn, sprangen wieder hoch und krachten erneut auf die Bahn. Der Hinweis, die Köpfe herunterzunehmen und zu schützen, war eindeutig gerechtfertigt, denn diverse Gepäckfächer sprangen auf, und viele lose Objekte – am meisten beeindruckte mich hinterher beim Aussteigen das große Modell-Segelflugzeug – flogen uns um die Ohren, als der Pilot Schubumkehr einleitete und dann eine Vollbremsung einlegte, wobei der Flieger sich leicht seitlich drehte. Wir wurden erst nach vorn, dann nach hinten gegen die Sitze geschleudert. Doch da ertönte schon die Stimme des Piloten, typisch englisch, gelassen und positiv, und er teilte uns mit, wir könnten nun entspannen. Übrigens seien wir an diesem Tag die letzte Maschine gewesen, die in Düsseldorf gelandet sei – direkt nach unserer Landung sei der Flughafen erneut geschlossen worden. Alle anderen Maschinen würden nach Frankfurt umgeleitet. Zu riskant die Starts und Landungen. Ach …

Unvergessen, dieser Flug, der mir den Spaß aber beileibe nicht verdorben hat – ich liebe Fliegen noch immer. Und unser Gepäck war auch ratz-fatz auf dem Gepäckband – es war trotz Zuspätkommens tatsächlich auf unserer Maschine gewesen.

Nur wenn ich auf eine Leiter steigen muss, wird mir ganz kodderig. Beim Fliegen nur selten. Dann doch lieber fliegen! 😉