Im Hotel

Ich bin ja jemand, der durchaus gern reist. Ich fliege auch gern. Und ich mag auch das, was manche Menschen gar nicht so gern mögen: Ich wohne gern im Hotel. Nix gegen Camping-Urlaub – auch das macht mir viel Spaß, aber wenn man ein schönes Hotel mit nettem Team hat, ist es eben auch schön.

Man steht morgens auf, geht unter die Dusche, macht sich zurecht und geht frühstücken. Für die Zubereitung des Frühstücks sind andere verantwortlich, anders als sonst muss man sich den Kaffee oder Tee nicht selber aufbrühen, nein, er wird einem an den Tisch gebracht. Nicht, dass es eine allzu große Zumutung wäre, sich einen Kaffee aufzusetzen, aber bei mir reicht es – bevor ich zur Arbeit fahre – meist nur zu einem Blick Richtung Kaffee- oder Teedose. Ich bin meist spät dran, zugegeben. 😉

Und so ist es richtig schön, sich hinzusetzen, ganz in Ruhe, der Kaffee wird gebracht, und man trinkt erst einmal eine halbe Tasse, bevor man sich ans Buffet begibt, auf dem sich im Optimalfall dann eine Vielzahl an Dingen befindet, die man – wenn man morgens eben nicht frühstückt – zu Hause eher selten hat.

Mir hat mal ein Zimmermädchen gesagt, ich sei ein sehr angenehmer Gast, da ich Duschhandtücher nicht bereits nach einmaliger Benutzung auf den Fußboden im Bad werfe, sondern zweimal benutze, das Badezimmer nicht komplett unter Wasser setze, sondern zusehe, kein unnötiges Chaos zu hinterlassen. Stattdessen hinterlasse ich in regelmäßigen Abständen ein Trinkgeld, zusammen mit einem freundlichen Schreiben und meinem Dank. Als ich Anfang Januar aus meinem Hotel in Bamberg ausgecheckt hatte und mit meinem Trolley Richtung Bahnhof aufbrach, begegnete mir das Zimmermädchen, das für den Bereich zuständig war, in dem mein Zimmer lag, und gerade auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz war. „Grrüß Gott!“ rief mir die junge Frau zu. „Ssie rreisen ab? Des is obba schod‘ – und des soggich fei ned weecha demm Drringgeldd. Ssie ssan fei immer sso frreundlich zu mei Kolleechinnen und mir g’wes’n – mancha Gäst‘ mooch mer hold lieber als annere.“ Ich rief zurück, ich käme sicherlich wieder vorbei, zumal es nicht mein erster Besuch dort gewesen sei, und sie wünschte mir eine gute Reise. Nett. 😊

Natürlich ist es immer wichtig, eine Unterkunft zu buchen, die nicht einem Horrorkabinett ähnelt, sowohl Einrichtung, als auch Mitarbeiter betreffend. Manchmal erlebt man ja durchaus unangenehme Überraschungen, zumal im Internet auf der Hotelbuchungsplattform die Fotos alle irgendwie viel freundlicher aussahen, als man arglos seine Buchung vornahm, stolz, einen echten „Schnapper“ getätigt zu haben.

Ich erinnere mich an eine Irland-Rundreise anno 2014. Ich liebe Irland. Immer, wenn ich dort bin, würde ich am liebsten gleich bleiben. Ich war mit Stephie unterwegs, und nach der Landung in Dublin fuhren wir zu unserer ersten Unterkunft in Blessington im County Wicklow. Die Hotelanlage lag gut versteckt im Grünen und war für Auswärtige gar nicht so einfach zu finden, da nur ein winziger Wegweiser, leicht zu übersehen, vorhanden war, an dem man so rasch vorbeigefahren ist. Auf dem Weg dorthin und nach meiner ratsuchenden Frage an einer Texaco-Tankstelle, wie man wohl hinkomme, begegneten uns mehrere ebenso ziel-, plan- und hilflos umherkreisende Autos, die wir dann später auf dem großen Parkplatz der Hotelanlage erneut trafen, als ihre Fahrer aufatmend dort einparkten. 😉

Eine tolle Hotelanlage übrigens – ein Golfresort. Sehr schöne Zimmer, sehr schöne Umgebung – alles grün. Nichts zu klagen, gutes irisches Frühstück, nette Mitarbeiter. Alles da, was man braucht, und ich schwöre, ich habe sogar das niedliche kleine Bügeleisen mitsamt niedlichem kleinen Bügelbrett benutzt, obwohl ich so ungern bügle. 😉 Ich war richtig traurig, als wir weiterfuhren. Ins County Waterford ging es, nach Dungarvan. Das Hotel sah bereits von außen so aus, als hätte es mal bessere Tage gesehen. Auf ins Abenteuer! Und schwungvoll parkte Stephie den putzigen Nissan Micra vor dem ehemals noblen Haus.

Schon beim Betreten merkte man, dass man hier bereits am Wasser war. Es roch durchdringend nach … Fisch. Gebratenem Fisch. Es roch wie gebratene grüne Heringe, und das im ganzen Hotel bis ins oberste Stockwerk. Einen Aufzug gab es auch nicht, und so schleppten wir unser Gepäck im Schweiße unserer Angesichter in den dritten Stock, umwabert von dem ein- wie aufdringlichen Fischgeruch. Immerhin war ich, als ich schließlich vor meiner Zimmertür stand, wohl schon so imprägniert, dass mir gar nicht mehr auffiel, dass es in meinem Zimmer ganz sicher auch nach Bratfisch roch. Der Vorteil des Zimmers: Es war recht hell, und wenn man aus den Fenstern sah, blickte man direkt auf das Ästuar, das sich jenseits der Straße, von der wir gekommen waren, ausbreitete. Öffnete man die Fenster, roch es weniger nach Bratfisch, dafür mehr nach Tang. Es klopfte. Stephie wollte sich mein Zimmer ansehen. Es schien ihr besser zu gefallen als das ihre, das ich dann kurz darauf besichtigte. Ich konnte sie verstehen. In ihrem Zimmer hätte ich garantiert Alpträume bekommen: Es war dunkel, das Bett sah aus, als würde man darauf eher aufgebahrt, und das Bad war ebenfalls nicht sonderlich ansprechend. Die Vorliebe für dunkle Farben zeigte sich auch hier: Die Badewanne hatte eine Verkleidung aus sehr dunklem Holz und erinnerte an einen Sarg. Schaudernd wandte ich mich ab. Stephie zeigte anklagend Richtung Fenster: „Hörst du die Lüftungsanlage, oder was das ist?“ Klar hörte ich sie. Man musste mindestens schwerhörig, wenn nicht stocktaub sein, um sie nicht zu hören. „Möchtest du tauschen?“ fragte ich großherzig, aber Stephie lehnte ab: „Danke, das ist nett, aber wir bleiben ja nur eine Nacht.“ Es klang wie die famous last words, und ich warf noch einen letzten zweifelnden Blick auf das monströse Bett, das den Anschein erweckte, als würde es jeden, der sich arglos hineinlegte, heimtückisch mit Haut und Haaren verschlingen. Wir machten erst einmal einen langen Spaziergang, auf dem ich mehrfach äußerte, sosehr ich Irland liebte: Hierher würde mich nicht so viel ziehen. Dann tranken wir noch zwei Bier und schlichen auf unsere Zimmer. Meines war in der Tat das bessere, wenn auch die Badezimmertür immer ein unheilvolles Quietschen und Knarren absonderte, wenn man sie öffnete – wie in einem Horrorfilm.

Nach dem Frühstück am nächsten Tag, eingenommen in einem relativ dunklen Frühstücksraum, reisten wir ab. Stephie meinte im Auto: „Wir sollten die Fenster öffnen, sogar hier im Auto stinkt es nach Fisch. Fandest du nicht auch, dass es heute früh im Hotel noch schlimmer danach roch als gestern? Meinst du, die frischen den Geruch täglich auf, weil es das Markenzeichen des Hotels ist?“ Ich vermutete, dass es sich um einen Bestandteil des Frühstücks handelte: kipper, gebratenen Bückling …

Und weiter ging es nach Cork, mit einem mehr oder minder kurzen Abstecher ins County Tipperary bzw. zum Rock of Cashel. Wir mussten uns danach ziemlich beeilen, nach Cork zu kommen (denn Stephie hat ein Faible für historische Monumente, und der Rock of Cashel ist in der Tat sehr beeindruckend, so dass unser Aufenthalt dann doch länger als geplant ausfiel).

Dort, in Carrigaline, bezogen wir ein relativ großes Hotel und bekamen je ein Vierbettzimmer … Das Hotel-Abendessen war aber gut, nur das dargebotene Wasser war Leitungswasser und stark gechlort. Dann doch lieber ein Weiß- (ich) und ein Rotweinchen (Stephie). Dafür war es in Cork am nächsten Tag richtig schön – die Sonne strahlte.

Von Cork aus ging es ins County Kerry, genauer: nach Tralee. Dort wartete das Hotel auf uns, das ich am gemütlichsten fand. Es war richtig „cosy“ dort, und Stephie und ich hatten einander gegenüberliegende Zimmer, die richtig nett und gemütlich eingerichtet waren. Gut, zu Hause würde ich mir solche Möbel nicht aufstellen, aber hier war es total gemütlich. Tagsüber fuhren wir durch die Gegend, besichtigten dies und das, fuhren über den Ring of Kerry – wunderschön. Ganze zwei Übernachtungen in diesem muckeligen Hotel mit total netten Angestellten und gutem Frühstück. Nur den Tee – in England, Schottland, Irland trinke ich meist Tee statt Kaffee, weil der Tee gemeinhin besser schmeckt – bekam ich nicht hinunter. Das Wasser, mit dem er zubereitet worden war, war so stark gechlort, dass sich in mir alles sträubte. Also doch Kaffee, und der war hervorragend und so gut, dass man kein Fitzelchen Chlor mehr durchschmeckte. 😉

Die erste Nacht war auch prima gewesen, und sehr erholt war ich aufgewacht. Die zweite Nacht, am nächsten Tag war mein Geburtstag, war dann … ganz anders. Noch heute vermute ich, es fand dort eine hen party oder etwas Vergleichbares statt: also ein Junggesellinnenabschied. Bis in die frühen Morgenstunden hatte ich den Eindruck, mein Zimmer befinde sich direkt über einem Großraum-Club, und die Bässe schienen das gesamte Zimmer in Schwingung zu versetzen. Sogar die Vorhänge zitterten. Dazu lautes Grölen und Johlen. Ich stopfte mir mein In-ear-Headset in die Ohren und übertönte das Ganze mit anderer Musik. Irgendwann muss ich erschöpft eingeschlafen sein.

Doch morgens um halb sieben riss mich mein Handy aus dem Schlaf. Was zum Henker … Es waren meine Eltern, die mir zum Geburtstag gratulieren wollten. Bei ihnen war es eine Stunde später. Ja, wieder ein Jahr älter – obwohl ich nach dieser weniger „cosy“ Nacht das Gefühl hatte, um mindestens zwei, wenn nicht fünf Jahre gealtert zu sein … 😉

Nach dem Frühstück – ich nahm wohlweislich gleich Kaffee – ging es weiter. Unsere nächste Station war ein kleiner Ort nahe Galway. In Galway selber hatten wir leider kein Quartier mehr bekommen – ausgerechnet in meiner irischen Lieblingsstadt. Aber der kleine Nachbarort hieß Claregalway, immerhin eine Gemeinsamkeit.

Und das war dann auch die einzige solche. Wir kamen in ein schmuckloses Kaff, das mich zu denken bewog: „Wenn ich zwischen Dungarvan und dem hier als Lebensmittelpunkt entscheiden müsste, würde ich mit fliegenden Fahnen nach Dungarvan rennen und dort um Asyl bitten.“ Es hatte etwas Deprimierendes an sich, dieses Claregalway. Und dabei hatte ich das Hotel nebst Zimmer noch nicht einmal gesehen!

Es war ein mittelschwerer Schock. Das Zimmer war nicht wirklich sauber, das Fenster ging zur Straße hinaus, und just unter meinem Fenster war eine Leuchtreklame in Pink, die in regelmäßigen Abständen auch noch blinkte! O Gott! Und nur so dünne Vorhänge … Das Zimmer wirkte so schmuddelig, dass ich am liebsten im Stehen geschlafen hätte. Als ich dann auch noch das Bad sah, beschloss ich, besser erst im nächsten Hotel wieder zu duschen. Immerhin blieben wir hier ja nur eine Nacht, dachte ich, als ich niedergeschlagen in die Dusche blickte: abgesprungene Fliesen, Haare vom Vor- oder gar Vor-Vorbewohner dieses Zimmers – und Schimmel. Nein, danke. Lieber notdürftig waschen. Nichts bekäme mich in diese Dusche, die auch noch über einen stockfleckigen Duschvorhang verfügte. Wenn ich badtechnisch eines hasse, speziell in Hotels, sind dies Duschvorhänge. Die machen oft einen versifften Eindruck und haben während des Duschens die unschöne Angewohnheit, sich ganz anhänglich an die Beine oder sonstwohin zu schmiegen. Iih!

Irgendwie zog mich das Ganze so herunter – zumal Stephie aus Zeitgründen auch Galway aussparen wollte, obwohl sie gemeint hatte, an meinem Geburtstag dürfe ich mir aussuchen, wohin wir fahren würden -, dass ich auf das Bett sank und in Tränen ausbrach. Das ist sonst gar nicht meine Art, aber hier passierte es. Blöd, dass just da meine Patentante anrief, die mir zum Geburtstag gratulieren wollte. Ich riss mich zusammen und meldete mich einigermaßen normal. Als sie aber dann fragte: „Na, ist es denn schön dort? Erzähl doch mal – was macht ihr denn heute noch Schönes?“, ließ ich meinen trüben Blick über die Einrichtung des Zimmers schweifen. An einer unsagbar kitschigen Nachttischlampe, die in allen Farben schillerte, ebenso schillernde Fransen hatte und meines Erachtens nur ein Trostpreis einer Kirmes-Losbude gewesen sein konnte, blieb er hängen, und schon plärrte ich erneut los. Meine Tante war schockiert: „Alichen, was ist denn los?“ – „Ach, nichts, es ist nur so furchtbar hi-hi-hier …“ – „Aber du hast dich doch so auf Irland gefreut!“ – „Aber nicht auf das hier …“, schluchzte ich. Doch ich riss mich schnell zusammen und schilderte meiner Tante, dass Claregalway nun mal nicht Galway sei und dieses Hotel einfach gruselig und schmuddelig. Und dann nicht einmal nach Galway, weil Stephie auf dem Weg von Tralee hierher so viele Kirchen und sonstige Bauwerke wie Souvenirläden gesehen hatte, die sie unbedingt besuchen wollte, dass nun für Galway keine Zeit mehr sei. Und das Ganze auch noch ein Jahr älter – irgendwie hatte mich all dies in Kombination umgehauen, nachdem ich die Alternative zum Besuch Galways in Gestalt des Hotelzimmers gesehen hatte. 😉

Immerhin war ich dann später in der Lage, zwei, drei Bier auf meinen Geburtstag zu trinken. Mit geröteten Augen. Und am nächsten Tag waren wir dann immerhin noch drei Stunden in Galway, bis es weiter ging.

Genauer: ins County Mayo, nach Belmullet, das auf Irisch Béal an Mhuirthead heißt und etwa 950 Einwohner hat. Und doch so ein großes Hotel! Man konnte sich glatt darin verlaufen, vor allem ich, die ein Zimmer in einem weiter entfernten Gebäudetrakt hatte, wo ich zuallererst unter die Dusche stürzte. Stephie bekam ein Zimmer mit einem normalen Bett, während ich in einem riesigen Zimmer mit vier Betten residierte. Mit Blick auf das hoteleigene Kinderschwimmbecken, das in einem Nebengebäude lag. Neben dem großen Pool. (Ich erzählte einem Freund, der anrief, um mir nachträglich zu gratulieren, ich blickte von meinem Hotelzimmer aus direkt aufs Wasser … 😉)

Frühstück gut, die Bar abends auch gut – ansonsten sehr viel Torfmoore, Wasser, Gegend und Gelegenheit zum Wandern. Es war doch etwas einsamer in dieser Gegend des Countys Mayo, und trotzdem mochte ich es. Auch das Hotel – es war ganz anders als das in Claregalway, auch wenn ich mich in meinem riesigen Zimmer etwas verloren fühlte. 😉

Drei Tage blieben wir in Belmullet. Stephie meinte, vielleicht hätten wir besser drei Tage in Tralee bleiben sollen – ich glaube, sie fand es im County Mayo etwas sehr einsam … 😉 Dann fuhren wir zurück gen Dublin, sahen uns Ballina an, was schnell ging, besichtigten unterwegs noch einiges, tranken Tee in verschiedenen tea rooms und langten schließlich in Dublin an, wo wir die letzte Nacht in einem sehr großen Hotel in Flughafennähe verbrachten. Da gab es rein gar nichts zu bemängeln, nur war es halt etwas „steril“. Aber besser das als so etwas wie in Claregalway … 😉

Mein Lieblingshotel in Irland befindet sich natürlich in … Galway. Da habe ich damals während einer Dienstreise gewohnt, und es war so hübsch verwinkelt. In den wenigen Tagen habe ich sogar einen Zimmerwechsel mitgemacht und mich eindeutig verbessert: größeres Zimmer, gemütlicher noch als das erste, mit Badewanne. Da ich im November dieses erste Mal in Galway und es draußen kalt war, habe ich das damals gleich ausgenutzt und ein schönes Bad genommen. Und da hat mich dann nicht einmal gestört, dass aus der Wasserleitung auch das eine oder andere Stückchen Torf kam. Wenn ansonsten alles stimmt, kann einen auch Torf im Badewasser nicht schrecken. 😉

Ich liebe diese individuellen Hotels – Hotelketten, wo jedes Zimmer gleich aussieht, egal, ob in Sydney oder München, sind auch nicht so mein Ding.

So, und jetzt haben wir den Salat: Ich habe Fernweh. Und das in Zeiten von Corona … 😉