„Bella ciao!“

Es ist erstaunlich, welche Auswirkungen die Corona-Krise hat. Ich rase seit kurzem jede Woche nach D. und kurz darauf wieder zurück nach G., nachdem ich den Wocheneinkauf für meine Eltern vor deren Haustür gestellt und gewartet habe, dass sie diesen aus dem Mehrweg-Einkaufskarton geholt haben, den ich dann wieder in Montys Kofferraum stelle. Sie legen Geld in den Karton, auch mal einen Brief, den ich in den Briefkasten werfen soll. Sie – immer sehr selbstbestimmt – finden zum Kotzen, dass sie nunmehr zu Hause bleiben sollen, und ihnen wie mir ist klar, dass sie irgendwann sterben werden – aber bitte nicht so, nicht an diesem Virus!

Ich könnte losheulen, wenn ich sie da in der Tür stehen sehe. Ich kann sie nicht einmal in den Arm nehmen, kann sie nicht drücken, nur so gut einkaufen, wie es eben möglich ist. Letzten Samstag war ich zur rechten Zeit am rechten Ort und habe das letzte Stück Tafelspitz ergattert – ich glaube, so stolz war ich zuletzt am Tage meines Uni-Examens. Sie geben mir Geld, das ich eigentlich gar nicht haben möchte. Aber sie sind korrekt, und so kaufe ich von meinem Geld immer ein paar kleine Dinge, von denen ich hoffe, dass sie sich darüber freuen. Auseinanderrechnen muss ich es anschließend, denn beim allerersten Einkauf, bei dem ich ihren und meinen Einkauf bereits an der Kasse trennen wollte, stellte ich fest, dass es nicht gut möglich sei, da immense Hektik im Supermarkt herrschte.

Man besinnt sich in dieser Krise auf die wirklich notwendigen Dinge – und doch kann man ein bisschen „Luxus“ dazupacken. Denn vom Luxus gibt es nach wie vor reichlich. Weniger dann von wirklich wichtigen Dingen. Ich habe am Samstag auf der Rückfahrt von D. tanken müssen. Im Tankstellen-Shop sah ich ein Achterpack Toilettenpapier bei den Hygieneartikeln, wie es politisch korrekt heißt. Klopapier! Ein ungewohnter Anblick, zumindest im Verkauf! Da mein Bestand empfindlich zur Neige ging, stürzte ich mich – zu meinem eigenen Schrecken – wie ein Aasgeier darauf und sagte zur Verkäuferin noch mit annähernd fassungs- und schier atemlosem Timbre: „Klopapier!“ (In etwa so ähnlich, wie Verdurstende mit letzter Kraft: „Wasser …“ absondern. Ich schämte mich auch sogleich.) Sie lachte und sagte: „Ja, greifen Sie schnell zu! Es sei denn, Sie hamstern! Das finde ich nämlich abstoßend!“ – „Ich auch! Nein, ich hamstere nicht – ich finde das massiv unsozial, und ich möchte nur diese acht Rollen, weil ich selber nur noch wenig habe. Ich würde sogar teilen!“

Ich habe für acht Rollen zweilagiges „Nein!“-Toilettenpapier 3,99 € bezahlt! Aus purer Verzweiflung. Hätte man mir das vor zwei Monaten gesagt, hätte ich gönnerhaft grinsend mit meinem Zeigefinger gegen meine Stirn getippt. Als ich den Tankstellen-Shop verließ, zog ich meine Jacke aus und verbarg das Corpus delicti lieber darunter. Naja – so ähnlich zumindest. Nicht ganz so, und doch sah ich die kritischen Blicke derer, die draußen noch ihre Autos betankten. Ich fuhr mit quietschenden Reifen davon … 😉

Kürzlich haben einige Leute in Bamberg, um den extrem schwer geschlagenen Menschen in Italien Solidarität zu bekunden, Bella ciao! gesungen und das Ganze im entsprechenden Medium gepostet. Die Aktion fand Anklang in den Medien – und auch in Italien, wie ich hörte. Und prompt trat der Typus Mensch auf den Plan – häufig als typisch deutsch bezeichnet -, der an allem etwas zu motzen und zu meckern hat! Zum Kotzen!

„Das ist ein Kommunistenlied!“ – „Da will man sich nur in Szene setzen!“ – „Da könnte ja jeder kommen – ein linkes Lied, ekelhaft!“

Aha. Ekelhaft also eine Aktion, in der Solidarität bekundet wird. Bella ciao! ist ein Partisanenlied. Das Lied italienischer Partisanen speziell aus dem Zweiten Weltkrieg. In der Tat waren Partisanen wohl eher das Gegenteil von „rechts“, und, ja, es gab auch Trittbrettfahrer, aber in Gänze weiß ich nicht, was derart gegen ein Lied von Partisanen zu sagen ist, die ihr Land und ihre Freiheit verteidigt haben. Ein Kampflied in der Tat, ja, eines, das anfeuert, aber vielleicht sollten die Kritiker – so des Italienischen mächtig – sich den Text mal genau ansehen und vielleicht ein paar Geschichtsbücher studieren. Und es einfach doch selber besser machen, statt gar nichts zu tun oder nur zu motzen.

Aus mehreren berufenen italienischen Quellen hörte ich jedenfalls, dass man das toll und sehr sympathisch und aufmunternd gefunden hätte. Und genau darum ging es ja auch. Nicht um mehr.
Was mich dieser Tage total ankotzt, ist diese defätistische Haltung, die besagt: „Ach ja, an irgendwas sterben wir doch alle!“ Ja, richtig, aber ich möchte eigentlich jetzt noch nicht sterben! Kopp hoch, nicht so negativ! Das nervt.

Und richtig wütend werde ich, wenn ich höre: „Ach, ja, aber das trifft doch eh hauptsächlich die Alten!“ Ganz toll! Wie arschig muss man sein, so etwas zu sagen! Egal, wie alt – keiner möchte sterben, wenn er nicht ohnehin schon todkrank darniederliegt und Schmerzen leidet. Kopp einschalten, liebe Leute – möchtet ihr denn jetzt so einfach ohne vorheriges Leiden sterben? Sterben, wenn es euch ansonsten gut geht? Sicherlich nicht. Und ich schwöre Euch: Auch wenn ihr älter werdet, werdet ihr im Normalfalle gern noch weiterleben wollen, wenn ihr nicht an einer schlimmen Krankheit leidet und/oder massive Schmerzen habt. Wie ignorant, so damit umzugehen – und wie dumm!

Haltet Abstand, wenn ihr zum Einkaufen müsst – nicht einmal das schaffen alle, obwohl es recht einfach ist! Bleibt zu Hause, so oft es geht.

Ich hoffe, dieser Spuk möge bald zu Ende sein. Ich finde es auch nicht schön. Aber das Gejammer und die Verschwörungstheorien, die inzwischen wie Pilze aus dem Boden sprießen, helfen niemandem.

Alles Gute für euch – und bleibt gesund und munter! 😊

„Boom!“  

Meine neue Brille ist da. Gestern habe ich sie abgeholt, und heute sollte die Premiere bei der Arbeit sein, denn normalerweise kennt man mich nur ohne Brille und mit Kontaktlinsen. Aber diese Brille finde ich so schön, dass ich sie sogar in der Öffentlichkeit tragen möchte. 😊

Und so machte ich mich heute mit exakt dem gleichen Gefühl auf den Weg, mit dem ich früher zur Grundschule ging, wenn ich ein neues T-Shirt besaß. Ein schönes Gefühl war es, und völlig sorglos bog ich, kaum aus dem Hof gefahren, nach links ab. Ich fuhr mit Tempo 30 durch die Kurve, ich fuhr mit Tempo 30 weiter – da, Rechts vor Links, aber es kam keiner. Und fröhlich fuhr ich weiter Richtung Kreisverkehr.

Da kam mir von weit vorn ein Auto entgegen. Ein alltägliches Phänomen, und vorsichtshalber nahm ich meinen Fuß vom Gas, schaltete in den zweiten Gang und tuckerte mit 20 km/h weiter, während der Entgegenkommende unbeirrt weiterbretterte, und das gewiss mit mehr als 30 Kilometern in der Stunde.

Auf meiner Seite parkten zur Rechten Autos, aber so, dass sie fast zur Gänze auf dem Bürgersteig standen. Auf der anderen Seite können sie so nicht parken, sondern ragen in die Fahrbahn hinein. Der Fall war klar: Ich hatte Vorfahrt, aber ich war bereit, diese notfalls zu opfern – warum hielt der Entgegenkommende nicht oder bremste wenigstens ab?! Und ich stieg auf die Bremse und wollte rechts einscheren. Aber da gab es nichts einzuscheren – keine Ausweichmöglichkeit.

Und so konnte ich nur innehalten und hoffen: „Vielleicht passt es ja doch so haarscharf!“ Kaum zu Ende gedacht, knallte und rummste es auch schon, und fasziniert und wie in Trance sah ich zu, wie mein linker Außenspiegel in erstaunlich viele Einzelteile zerlegt wurde. Die Glühbirne, die sich im Inneren befindet, nur noch an ihrer Leitung und ansonsten albern heraushängend, leuchtete zumindest zuerst noch, erlosch dann jedoch … Es ging alles so schnell, und mein erster Gedanke war: „Ich muss zur Arbeit!“ Mein zweiter: „Fahr vor den ersten Parkenden, Warnblinkanlage an, und dann steigst du aus und killst den Idioten, der so bescheuert fährt!“

Ich stieg aus, hob das Hinterteil meines linken Außenspiegels auf, das auf der Straße lag, bevor ein nachfolgendes Auto es völlig in Schutt und Asche legen konnte, und stürmte auf die Frau zu, die hinter mir auf der anderen Seite mit eingeschalteter Warnblinkanlage rechts angehalten hatte. Ich rief ihr zu: „Sehen Sie das? Das kommt davon, wenn man einfach weiterbrettert! Danke auch! Mein Außenspiegel ist völlig fratze – ganz herzlichen Dank! Sie hatten keine Vorfahrt!“

Ich gebe zu, dass ich in derlei Ausnahmesituationen nicht immer das an den Tag lege, was mir seitens meiner Eltern in puncto Höflichkeit für den Alltag beigebracht wurde. Ich muss allerdings dazusagen, dass es so laut geknallt hatte, dass ich im Grunde mit Schlimmerem gerechnet hatte und unter Adrenalin stand.

Die Frau deutete ebenso hektisch auf ihren linken Außenspiegel, und nachdem längs der Häuserfronten zur Rechten und zur Linken ein Fenster nach dem anderen geöffnet worden war und immer mehr Köpfe sichtbar wurden, kamen die Frau und ich überein, dass ich zunächst wenden und hinter ihr parken würde, bevor die Polizei – von uns gerufen – käme. Und so geschah es dann auch.

Als ich hinter ihr geparkt hatte, sah ich, dass sie die hintere Tür auf der Fahrerseite geöffnet hatte, aus der infernalisches Geschrei in den höchsten Tönen quoll. Ich trat hinter sie und sah zu meinem Entsetzen, dass ein Kleinkind in einem Kindersitz an Bord war, das so infernalisch schrie, dass mir ganz schlecht wurde: O Gott – ein Kleinkind involviert. Hoffentlich war der kleine Wicht nicht verletzt! Immerhin hatte es doch einen heftigen Knall gegeben.

Sowohl meine Stimmung, als auch meine Stimme veränderten sich sofort, und ich sagte: „O mein Gott, Sie haben ein Kleinkind im Auto! Ist alles in Ordnung?“ Die junge Frau war inzwischen auch ruhiger geworden, und sie sagte: „Ich glaube, sie hat sich nur erschreckt.“

Und von da an war zwar nicht alles tutti, aber wir unterhielten uns freundlich, und die kleine Janina wurde immer fröhlicher. Ich glaube, sie war die Einzige, die das Ganze sogar total spannend und lustig fand. Jedenfalls lachte sie die ganze Zeit fröhlich und schenkte mir sogar die Abdeckung ihres Teefläschchens, während ihre Mutter und ich, inzwischen unter meinem Regenschirm vereint, auf die Polizei warteten.

Da kam auch endlich ein VW-Bus mit Polizei-Aufschrift und -Lackierung. Ein Polizeibeamter, der sowohl Janinas Mutter als auch mich nicht nur bei weitem überragte, sondern im Gegensatz zu dem Weiberclub, bestehend aus Janina, Janinas Mutter und mir, auch noch über erheblich mehr Testosteron verfügte, stieg aus, begrüßte uns und sah sich dann die Schäden an den beiden noch immer warnblinkenden Autos an. Und dann sagte er: „Tja, das ist ja wohl einmal mehr ein völlig vermeidbarer Unfall.“ Ach! Nee! Im Ernst? Ist das jetzt die neue Formulierung für „Frau am Steuer“?

Ich schnaubte leicht und sagte: „Ja, das ist uns auch klar, und wir haben das auch nicht aus Spaß oder Absicht getan! Es ist nun einmal passiert, und wir finden das beide selber richtig blöd, zumal wir beide keinen linken Außenspiegel mehr haben, was ärgerlich genug ist!“ Da grinste der Polizist und meinte: „Sorry, war nicht böse gemeint. Wie ist das Ganze denn passiert, und wer kam aus welcher Richtung?“

Und nachdem er das von uns Erklärte analysiert hatte, erklärte er Janinas Mutter: „So, wie Sie beide das beschrieben haben, sind Sie die Unfallverursacherin. Sie haben Frau B. die Vorfahrt genommen und dadurch diesen Unfall verursacht – Frau B. hatte keine Möglichkeit, auszuweichen. Und Sie hätten hinter den parkenden Autos anhalten müssen.“ Und nachdem er das Ganze noch einmal zusammengefasst hatte, fragte er sie: „Haben Sie eine EC-Karte dabei?“ – „Ja.“ – „Denn Sie müssen ein Verwarngeld zahlen, da Sie den Unfall verursacht haben. Hiermit verwarne ich Sie.“ Janina lachte fröhlich dazu, und sie griff nach des Polizisten Hand, der sie wohl auch süß fand und meinte: „Na, immerhin konnte heute einer hier eine Freude gemacht werden.“ Dann kniff er mir ein Auge zu. Ich kniff zurück.

Ich bekam ein Formular in die Hand gedrückt, vorzulegen bei meiner Werkstatt, die anhand des gegnerischen Autokennzeichens die entsprechende Versicherung in Kenntnis setzen werde.

Am Freitag habe ich den Termin zum Wechsel meines Außenspiegels. Mir war nach alldem so kodderig, dass ich von der Werkstatt direkt nach Hause fuhr – nicht ganz so angeschlagen wie mein Außenspiegel, aber ähnlich …

Ich hoffe, ich habe nie einen schwereren Unfall, und das aus ganz verschiedenen Gründen.

Immerhin hatte Janinas Mutter zum Abschied gesagt: „Das ist zwar alles totaler Mist, aber wenn dieser Unfall schon passiert ist, bin ich froh, dass Sie meine Gegnerin sind, denn Sie sind sehr nett gewesen. Nicht auszudenken, wäre ich an jemand anderen geraten!“ Na, dann! 😉

Von Schusterjungen, Hurenkindern und Heidelberger Druckmaschinen …

Ich bin gestern völlig erschlagen nach Hause gekommen. Nicht nur, dass ich vorletzte Nacht kaum geschlafen hatte, was daran lag, dass ich grauenhafte Zahnschmerzen hatte, nein – ich hatte von Montag bis gestern eine zunächst harmlos wirkende Schulung. Wirklich harmlos, denn ich sollte dort nur die Grundlagen einer praktischen Layout-Software einer namhaften Firma erlernen. Inzwischen bin ich – das Druckereigewerbe betreffend – zumindest weit über die arg- und harmlose Kenntnis hinaus, dass ein 500-seitiges Gebinde bzw. eine entsprechende Verpackungseinheit von Papier sich Ries nenne. Das wusste ich schon lange.

Inzwischen bin ich weit besser im Bilde und mit Papiermusterbüchern vertraut. Mit diversen Grammaturen – bis dato kannte ich qua eigener Berufung nur Grammatik -, mit Offset weiß und so vielen anderen Aspekten aus dem Druckgewerbe, da unser Dozent offenbar ein Faible dafür hat. Zum Schluss der anstrengenden, wenn auch sehr interessanten, Schulung legte er uns einen Besuch der Drupa ans Herz, obwohl er befürchtete, dass die vielleicht wegen Corona gar nicht stattfinden würde …

Die Drupa sagte mir etwas, da ein Cousin meines Vaters in der Papierbranche war (daher auch die Ries-Kenntnis). Das brachte mir gleich Pluspunkte. Verwandt mit einem Menschen, der eine gewisse Bedeutung bei einem Papierhersteller aus Süddeutschland hatte – wenn das nichts ist! 😉 Darüber hinaus hatte ich – als ich noch in Ratingen lebte – eines schönen Freitagabends nach Feierabend zusammen mit Giacomo in unserer Stammkneipe gleich zwei Iren kennengelernt, die zur Drupa nach Düsseldorf gekommen waren, jedoch nur noch in Ratingen Hotelzimmer bekommen hatten. Ein sehr lustiger Abend war es – unvergessen. 😊 Ich sprach danach ein paar Worte Gaeilge oder Irisch-Gälisch, hatte – nach einem Telefonat Pádraigs mit seiner Frau – ein originalirisches Rezept für Irish Stew, während er im Gegenzug ein Originalrezept – nach einem Telefonat mit meiner Mutter – für Sauerbraten mit Klößen und Blaukraut hatte (hatte ich damals noch nie selber zubereitet). 😉 Er war begeistert – seine Frau, Siobhán ihr Name, würde sich freuen. Schon so oft wäre sie gern mit nach Deutschland zur Messe gekommen, was der Kinder wegen nicht ging. Und er selber freue sich immer auf die Drupa, nicht zuletzt des rheinischen Sauerbratens wegen, den er dann immer äße. Ich gab zu bedenken, dass das Rezept meiner Mutter nicht für rheinischen, sondern fränkischen Sauerbraten sei (ohne Rosinen, dafür mit Saucenlebkuchen), aber er meinte, Rosinen möge er eh nicht („No sultanas! Never ever!“). Die würde er immer aus der Sauce heraussortieren, denn: „They look like drowned houseflies“. Sehr sympathisch. Rosinen in einer Sauce sehen auch für mich wie ertrunkene und darob aufgeblähte Stubenfliegen aus.😉

Die Schulung war auf drei Tage angesetzt – jeweils von 9 bis 16 Uhr. Ich lachte zunächst noch – am letzten Tag würde es sicherlich schon früher enden. Weit gefehlt, denn am zweiten und dritten Tag überzogen wir sogar! 😉

Wir lernten im Schnelldurchlauf, wie man mit der faszinierenden Software nicht nur kleine Anzeigen, sondern auch Flyer (in Wickel- und Leporellofalz!) druckfertig vorbereite – und am letzten Tag wagten wir uns sogar an eine kleine Broschüre im Buchformat, die eine Bindung verlangte.

Im Gegensatz zu den anderen Teilnehmern war ich die Einzige, die wirklich noch nie mit diesem Programm gearbeitet hatte, und es war wirklich anstrengend. Und so sah am Ende des zweiten Tages mein Flyer auch anders aus als die der anderen Teilnehmer – zumindest zwei Seiten davon. Ich betete, dass der Dozent nicht noch einmal durch den PC-Schulungsraum schreiten möge, um sich die Resultate anzusehen!

In der Nacht auf den dritten Schulungstag schlief ich schlecht, wobei hinzukam, dass ich monströse Zahnschmerzen hatte. Wenn ich denn schlief, träumte ich von Prüfungssituationen. Das ist eigentlich nicht meine Art, aber hier war ich wirklich peinlich berührt meines defizitären Flyers wegen. 😉

Am dritten Tag, ergo gestern, lernte ich allerdings ratzfatz etwas, das man uns gar nicht beigebracht hatte, durch learning by doing, und noch bevor der Dozent seine Runde drehen konnte, hatte ich meinen Flyer soweit re- bzw präpariert, dass man ihn vorzeigen konnte. Zumindest die Seiten 4 bis 6. Die Seiten 1 bis 3 sahen zwar für Laien auch so aus, dass sie den Seiten der anderen Teilnehmer insofern frappierend ähnelten, als nur geringfügige Unterschiede bei genauem Hinsehen – wirklich nur für Laien! – erkennbar waren. Der Dozent hätte es sofort erkannt, aber als er sich meinem Arbeitsplatz näherte, scrollte ich schnell auf die Seiten 4 bis 6, die exakt so waren, wie sie sein sollten. 😉 Und er sagte: „Ja, super!“ (Klar, ich hätte ihn beizeiten bitten können, zu helfen, aber ich wollte den Kurs nicht aufhalten.)

Das dachte ich auch. Super, Ali, wie schnell du unter Druck improvisiert hast. Glücklicherweise geht dein unter Druck entstandenes Werk nie in den Druck! Und ich lächelte den Dozenten fröhlich an. 😊

Und ich schrak dann nicht einmal zusammen, als wir an Tag 3 eine vielseitige und gebundene Broschüre mit Buchrücken und unter Benutzung einer Musterseite in Angriff nahmen – komischerweise klappte da (fast) alles auf Anhieb, sogar Zeichen-, Absatz- und sonstige Optionen und Funktionen, und hinterher sah es so aus, wie es aussehen sollte. Ich war begeistert!

Ich werde mir das Ganze aber dann doch im Alleingang mit einer Anleitung ganz in Ruhe aneignen müssen – das war schon immer so und klappte dann auch immer.

Eine Meisterin werde ich beileibe nie werden – es muss zuviel gerechnet werden, und räumliches Denken kann auch nicht schaden. Beides nicht meine größten Stärken. Klar, rechnen kann ich – aber in Kombination mit mehr oder minder räumlichem Denken stoße ich dann doch schneller, als erhofft an meine Grenzen. Das gebe ich auch zu! 😉

Zum Schluss sang der Dozent dann noch ein Loblied auf das Druckereigewerbe, und ich musste an die Worte eines Professors während der ersten Zeit meines Studiums denken, als wir gerade die Geschichte der Druckkunst abrissen, so nebenbei, als Johannes Gutenberg erwähnt wurde, auf dem Weg von Höhlenmalereien zum Buch. Prof. Weinberg sagte: „Der beste Freund des Philologen ist und bleibt der Drucker, denn er fertigt das kunstvoll an, womit sich der Philologe dann beschäftigt. Ohne Drucker wären wir hier ziemlich aufgeschmissen.“ Vorlaut rief ich: „Und auch ohne Papiermühlen bzw.
-fabriken!“ (Wahrscheinlich war ich durch den Cousin meines Vaters „vorgeschädigt“ … 😉) Prof. Weinberg meinte: „Genau!“, während ich – mir meiner Rolle als kleines Erstsemester bewusst werdend – über meine eigene vorlaute Art erschrak. Das Hierarchiebewusstsein wirkte. 😉 Aber Prof. Weinberg lachte und kniff mir ein Auge zu. 😉 (Dem Himmel war dank, und – wenn auch so nicht geplant – ich machte mein Examen dann bei Prof. Weinberg, der sich meinen „Papierfabrik“-Kommentar sogar bis dahin gemerkt hatte. Als er es während meines mündlichen Examens kurz erwähnte, war ich etwas peinlich berührt, aber da grinste er mich an und meinte: „Das fand ich sehr sympathisch, keine Sorge. Ich war so immerhin gewiss, dass zumindest eine mir zugehört hatte, denn bei der Geschichte des Buchdrucks schalten viele Studenten erfahrungsgemäß schnell ab. Sie offenbar nicht.“)

Stimmt. Ich schaltete erst ab, als das Thema vertieft wurde – zum Glück fragte mich nie wieder jemand im Alltag, was eine Quarto-Edition sei. (Ein ganz altes Buchformat, und Anglisten kennen das von Shakespeare. Oder sollten es zumindest wie aus der Pistole geschossen erklären können – wenn sie nicht zuvor abgeschaltet haben … 😉 ).  Zumindest nicht während meines und kurz nach meinem Studium. Das Bedürfnis, es erklären zu können, kam dann erst nach dem Examen. 😉

Arbeitsreiche Zeiten kommen auf mich zu, denn in der Schulung ging alles ratzfatz … Aber ich kenne mich – das wird. 😉 Und ich weiß nun immerhin, dass man mit 3 mm Anschnitt immer auf der sicheren Seite sei … Und letzte Nacht träumte ich von Büchern … Immerhin hatte ich im Kurs Punkte machen können, als ich als Einzige wusste, was Schusterjungen und Hurenkinder seien (obwohl man diese Phänomene heutzutage wohl auch anders nennt) und mir die Heidelberger Druckmaschinen AG etwas sagte. Ich glaube, der Dozent war dann auch mit mir ausgesöhnt.  😉

Euch ein schönes Wochenende! 😊