Endlich Urlaub! So dachte ich, als ich heute früh zu einer Zeit erwachte, da ich im normalen Arbeitsalltag nie erwache, denn es war zwanzig vor fünf. Mein Unterbewusstsein schien mir signalisieren zu wollen, dass ich vergessen hatte, meinen Wecker zu stellen … (Macht es leider nur in solchen Situationen und nie dann, wenn ich wirklich zur Arbeit muss und tatsächlich vergessen habe, den Wecker zu stellen – so typisch.) 😉
Zunächst fluchte ich leise in mich hinein, dann fiel mir ein, dass ich vom 23. Dezember bis 09. Januar Urlaub habe, und ich freute mich – wenn auch gedämpft, da noch so früh – halbtot und drehte mich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Das Ausmaß dieser Freude erschließt sich sicherlich nur den Menschen, die exakt in der Vorweihnachtszeit jobtypisch jedes Jahr immer besonderen Stress haben. Und keine Morgenmenschen sind.
Alles war erledigt, was ich noch erledigen wollte – naja, fast alles. Ich konnte tun, was immer ich wollte – im Zweifel auch gar nichts. Gestern hatte ich noch eine Fuhre Wäsche gewaschen, und das mit meiner flammneuen Maschine, die mir mehr und mehr ans Herz wächst, denn sie tut, was man von ihr verlangt, ist nicht aufmüpfig und hat bis dato noch nicht einmal versucht, sich von dem Waschmaschinensockel im Keller zu Tode zu stürzen und im Zuge dessen den Keller zu fluten. Ganz anders als die alte Maschine, die allerdings wirklich alt war. Und eigenwillig, was unter Umständen daran lag, dass sie ein Erbstück meiner Oma Margareta war, die auch einen ausgeprägten eigenen Willen hatte – ich vermisse sie, also die Oma, noch heute sehr, seit sie Anfang Dezember 2011 starb.
Da ich heute tun und lassen konnte, was auch immer ich wollte, hatte ich einen wunderbaren Gammeltag. Bis mir einfiel, dass ja das Paket, das ich einer Bekannten zu Weihnachten hatte schicken wollen, qua Sendungsverfolgung als „nicht zustellbar“ erkannt worden war und als Retoure an meine Wohnadresse zurückgeschickt werden würde. Und wahrscheinlich würde es heute eintreffen. DHL und ich – eine neverending story! Selbst wenn ich einen expliziten Wunschtag zur Auslieferung von Paketen angebe, hat es bis dato noch nie geklappt, dass mal ein DHL-Bote sich die Mühe machte, bei mir zu klingeln. Und ich befürchtete, dass der Nachbar im Hochparterre einmal mehr das Paket angenommen haben könnte – wahrscheinlich schon aus purer Bosheit! 😉
Denn mit dem Nachbarn hatte ich mich neulich anne Köppe gehabt! Und bin ihm seitdem sehr gekonnt aus dem Weg gegangen. Ich hatte mich schon mehrfach über ihn geärgert, sehr sogar, und kürzlich kam es zur Eskalation, als ich abends nach Hause kam, nach einem wirklichen Scheißtag, und da lauerte er mir auf und ging mich wegen einer Sache an, die ohnehin schon spießig-albern war. Ein Wort gab das andere, und ich wünschte ihm, nachdem ich erklärt hatte, dass das Gespräch nunmehr für mich beendet sei, obwohl er noch weiter diskutieren wollte, einen schönen Abend und ging meiner Wege die Treppe hinauf in den ersten Stock. (Nein, es ging nicht um die Treppenhausreinigung, der ich stets nachkomme. Es ging mehr um selbstherrliches Gebaren des vor erst kurzer Zeit hinzugezogenen Nachbarn in puncto Waschkeller, und man kann sich ja nicht alles gefallen lassen. 😉 Ich hasse es wie die Pest, mich über solche Dinge streiten zu müssen, aber alles kann man sich in der Tat nicht gefallen lassen. 😉 )
Und so hatte ich meine Stimme nicht nur gehoben, sondern sogar anklagend mit dem Finger auf ihn gezeigt, als wolle ich ihn erstechen! 😉
Zu Recht war das geschehen, aber ich tue mich bisweilen schwer damit, mein Recht einzufordern und mich trotz der Tatsache, im Recht zu sein, gut zu fühlen. Und so hatte ich es seither erfolgreich geschafft, dem Nachbarn aus dem Weg zu gehen, der, seit er hier wohnt, schon drei Pakete für mich angenommen hat (worum ich beileibe nicht gebeten hatte).
Ich hoffte, der DHL-Bote möge die Retoure einfach an den nächsten DHL-Paketshop geliefert haben, als ich mir ein schönes, warmes Bad einlaufen ließ, gegen 17 Uhr.
Als ich gegen 18 Uhr der Wanne entstieg, klingelte es an meiner Wohnungstür. Ich rief: „Einen Moment, bitte!“ Und rasch wickelte ich ein Handtuch um meine nassen Haare und mich selber in meinen Bademantel. Dann eilte ich gen Tür und öffnete sie … Hoffentlich war es Frau Wolski oder die neue Nachbarin.
„Hallo, Frau B. – ich habe dieses Paket für Sie entgegengenommen. Wollte ich Ihnen nur rasch bringen.“ Es war Herr Fischer, der Nachbar, mit dem ich mich neulich gestritten hatte, wie ich erkannte, obwohl ich weder Kontaktlinsen, noch Brille trug. Ich musste daher auch erst zweimal hinsehen. Herr Fischer sicherlich auch, da ich eher ungewohnt aussah im Vergleich zu den sonstigen Gelegenheiten. „Turban“ auf dem Kopp, Bademantel, eher derangiert. Als ich sah, wer mir da ein Paket brachte, wurde mir ganz anders – ausgerechnet!
Dann aber dachte ich: „Wahrscheinlich bringt er dir das Paket extra – eine Etage höher -, weil er denkt, dass du es sonst niemals bei ihm abholen würdest, trotz Benachrichtigung im Briefkasten. Er findet die Situation wohl auch scheiße.“ Und so sagte ich: „Herzlichen Dank, dass Sie mir das Paket extra bringen. Sorry, dass ich neulich etwas giftig war. Ich war zwar zu Recht verärgert, aber ich war wohl etwas unhöflich. Das hätte man auch anders machen können – es tut mir leid, denn das ist normalerweise nicht meine Art.“ – „Alles okay, Frau B. – vergessen wir das einfach. Okay?“ – „Ja, klar – gerne.“ – „Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute fürs neue Jahr.“ – „Ich Ihnen auch. Viel Glück und Gesundheit.“
Ich hätte das Paket zwar auch bei diesem Nachbarn abgeholt, aber es hätte Überwindung gekostet. Umgekehrt gegebenenfalls aber ähnlich. Immerhin. Doof nur, aber typisch, dass ich in Bademantel und Handtuchturban die Tür öffnen musste. Wann auch sonst? 😉
Mein Tipp zum Weihnachtsfest und Jahresende: Verzeiht euren Feinden, auch wenn ihr hinsichtlich des Verzeihungsprozesses in vergleichsweise wenig präsentablem Zustand seid. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben und/oder Herausforderungen. 😉
Ich hoffe trotzdem oder gerade deswegen, Herrn Fischer in der nächsten Zeit nicht zu begegnen … 😉