„Flight EW 08/15, operated by LGW – do you read me?”

Nachdem seitens einer Gewerkschaft einmal mehr zum Ausstand, vulgo: Streik einer bestimmten Airlines-Kooperation aufgerufen wurde, bin ich schon vorgestern etwas nervös geworden, denn am kommenden Montag gedachte oder -denke ich, gen NUE zu fliegen, wie das Kürzel des entsprechenden Flughafens so hübsch lautet.

Ja, klar, ich hätte auch klimaschonend mit der Deutschen Bahn fahren können, aber das ist – ungelogen – fast doppelt so teuer und dauert mehr als doppelt so lange. Mindestens. (Und ich heiße nicht Krösus. Oder Krösa – wenn man denn besonders genderaffin ist. 😉 )

So berichteten zumindest nicht nur meine Eltern, sondern auch noch diverse andere Menschen, die sich guten Willens auf den Weg im Bahn-Fernverkehr begaben, um das Klima zu schonen, und dabei interessante Erfahrungen machten, auf die sie strenggenommen auch hätten verzichten können, wie sie unisono und trotz unterschiedlicher Toleranzgrenzbereiche verkündeten.

Da war ein Bekannter, der von Amrum im äußeren Norden dieses Landes in die mittelfränkische Peripherie – ausgehend von Nürnberg – zurückreisen wollte, nachdem er drei Wochen auf dieser Insel in Nordfriesland verbracht und sich hervorragend erholt hatte. Im Vertrauen: Die Erholung war dahin, nachdem er die Rückfahrt mit der Bahn endlich überstanden hatte, die ihn auf Umwegen – offenbar sehr beliebt bei der Bahn – sogar über Luxemburg geführt hatte!

Anderen Bekannten erging es ähnlich, und als meine Eltern sich Anfang Oktober gen Franken aufmachten – die Heimat meiner Mutter -, frotzelten sie noch und meinten, so ein Mist könne unmöglich in größerer Häufung geschehen. Ganz falsch!

Zwar durchfuhren sie nicht Luxemburg, kurvten aber auf erstaunliche Weise kreuz und quer und von Süd gen Nord, dann wieder West und Ost und sogar Nordnordwest et al. durch Deutschland, obwohl sie doch eigentlich nur auf kürzestem Wege von Bamberg ins Ruhrgebiet zurückfahren wollten, erster Klasse und nicht wirklich preisgünstig. Zwei unfreiwillige Taxifahrten waren auch noch dabei, da auf der Hinfahrt der ICE unerwartet – und unangekündigt! – eine größere und ungeplante Schleife fuhr und schließlich in SEV mündete. Schienenersatzverkehr. Erfurt stand eigentlich per se nicht auf dem Plan, noch weniger jedoch der schleppende Bus-Ersatzverkehr, während dem meine Eltern viele neue Orte mit spannenden Ortsnamen wie Zimmernsupra kennenlernten. Man fragt sich, wie solche Ortsnamen entstanden seien … Da lachten meine Eltern immerhin noch.

Die Rückfahrt – womit keiner nach dem doofen Einstand auf der schließlich neuneinhalb (statt viereinhalb) Stunden andauernden Hinfahrt gerechnet hatte – war ähnlich blöd, da erneut unerwartete Schleifen und Umwege gefahren, gar mehrere Bahnhöfe angesteuert wurden, die fern der eigentlichen Strecke lagen. Ich vermute, es handle sich um ein besonderes Angebot der Bahn: „Lerne dein Land und die angrenzenden Länder besser kennen!“ Oder so etwas in der Art.

Meine Eltern brauchten zurück jedenfalls auch über acht Stunden, nachdem ihr ICE, der eigentlich bis Dortmund fahren sollte, außerplanmäßig in Düsseldorf endete. Wegen der eklatanten Verspätung – wohl entstanden durch die „Schleifen“ und Umwege, die man gefahren war -, wie man den Reisenden bei Einfahrt ins Düsseldorfer Gleis völlig überraschend mitteilte, die noch ganz gemütlich in den Sitzen lehnten und wähnten, dies auch noch ein wenig länger tun zu können. Meine Mutter meinte zynisch: „Ich weiß zumindest inzwischen, dass außer den ehemaligen Metropolen-Bahnhöfen auch noch ganz viele andere Bahnhöfe, die ich nie kennenlernen wollte, zumal nicht an der Strecke liegend, Kopfbahnhöfe sind. Es wurde einem schon ganz schwindlig bei dem ewigen Richtungswechsel!“

Es tat mir leid, das zu hören. Ich war und bin Kummer gewohnt, aber mehr im ÖPNV. Dass es im Fernverkehr der Bahn inzwischen genauso bescheiden zu sein scheint, war mir nicht bekannt, denn ich versuche, und das aufgrund meiner gruseligen ÖPNV-Erfahrungen, Bahnfahrten nach Möglichkeit per se zu vermeiden.

Daher auch meine schändliche Angewohnheit, von DUS nach NUE zu fliegen, obwohl ich sicherlich Flugscham empfinden sollte. Tue ich aber nicht, solange die Bahn es nicht schafft, die ureigenen Gegebenheiten anständig und kundenfreundlich darzubieten. Und ich sehe partout nicht ein, neuneinhalb Stunden zu fahren, um von A nach B zu kommen, die lächerliche 500 Kilometer voneinander entfernt sind (ja, reißt mir nur den Kopp ab! 😉 ). Und das für einen derart hohen Preis. Monetär. Von den Nerven wollen wir gar nicht erst sprechen. 😉

Aus diesem Grunde buchte ich Anfang des Monats auch ein Ticket – hin und rück – bei einer bekannten Airline, die eine Tochter einer noch viel bekannteren Airline, der deutschen Airline, ist. Dem europäischen Gedanken angelehnt ist ihr Name, obwohl es noch eine weitere Tochtergesellschaft gibt, deren Name ähnlich klingt, aber eher national begrenzt. 😉

Letztere wird am Montag in Streik treten, wie heute bekanntgegeben wurde. Mit einiger Nervosität hatte ich die Kundgebung der Flugbegleiter-Gewerkschaft erwartet, und ich jubelte zwar nicht, als ich hörte, dass nur „Avio German“ betroffen sei, war aber dennoch etwas erleichtert. Es ist doof, kurz vor Toresschluss mitgeteilt zu bekommen, dass man dann doch auf die Bahn umbuchen müsse, die um diese Jahreszeit auch voll ausgebucht sein dürfte und in der man noch von Glück sagen kann, wenn man durch Zufall einen Sitzplatz bekommt – und sei es auf der Zugtoilette! (Wenn man nicht gleich im Einstiegsbereich auf dem Fußboden kampieren muss, dicht an dicht mit anderen Reisenden, was ich als Studentin öfter erlebte, ohne dass dies in den Medien veröffentlicht oder eine von uns „Ölsardinen“ bemitleidet wurde …)

Dann fiel mir ein, dass „Avio German“ ein Drittel der Flüge der anderen, europäisch „benamsten“, Airline durchführt – und da wurde mir kurz noch einmal ganz anders. Bis ich meine Buchungsbescheinigung sichtete, die sich in den Tiefen meiner in Riga gekauften großen Tasche nach einiger Recherche wiederfand (kauft nie große Taschen, wenn es auch praktischer erscheint – man findet darin nichts so schnell wieder!): Operated by LGW stand da! Das bedeutete wohl, dass mein Flug wirklich nichts mit „Avio German“ zu tun habe. Sicherheitshalber aber fragte ich auf der Seite der Airline auf einem bekannten Sozialen Medium noch einmal nach, auf der sich zwei Servicemitarbeiter der Airline gerade von wildgewordenen Kunden verbal die Köppe einschlagen lassen mussten, obwohl sie wieder und wieder beteuerten, ihr Arbeitgeber könne nichts dafür und wolle diesen Streik auch nicht. Man bestätigte mir, mein Flug sei nicht betroffen, und ich wünschte allen Anwesenden, speziell aber den Servicemitarbeitern, nur das Allerbeste und zog mich zurück. Beruhigt.

Ich werde am Montag fliegen. Und hoffentlich am Samstag darauf wieder zurück. Ansonsten bleibe ich einfach in Franken. In einen Zug bekommen mich keine zehn Pferde, auch wenn es sicherlich reizvoll ist, auch noch Abstecher nach Österreich, Luxemburg, Belgien, die Niederlande oder Frankreich zu machen oder alle Kopfbahnhöfe Deutschlands kennenzulernen … 😉

Na, dann – frohe Weihnachten!

Endlich Urlaub! So dachte ich, als ich heute früh zu einer Zeit erwachte, da ich im normalen Arbeitsalltag nie erwache, denn es war zwanzig vor fünf. Mein Unterbewusstsein schien mir signalisieren zu wollen, dass ich vergessen hatte, meinen Wecker zu stellen … (Macht es leider nur in solchen Situationen und nie dann, wenn ich wirklich zur Arbeit muss und tatsächlich vergessen habe, den Wecker zu stellen – so typisch.) 😉

Zunächst fluchte ich leise in mich hinein, dann fiel mir ein, dass ich vom 23. Dezember bis 09. Januar Urlaub habe, und ich freute mich – wenn auch gedämpft, da noch so früh – halbtot und drehte mich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen. Das Ausmaß dieser Freude erschließt sich sicherlich nur den Menschen, die exakt in der Vorweihnachtszeit jobtypisch jedes Jahr immer besonderen Stress haben. Und keine Morgenmenschen sind.

Alles war erledigt, was ich noch erledigen wollte – naja, fast alles. Ich konnte tun, was immer ich wollte – im Zweifel auch gar nichts. Gestern hatte ich noch eine Fuhre Wäsche gewaschen, und das mit meiner flammneuen Maschine, die mir mehr und mehr ans Herz wächst, denn sie tut, was man von ihr verlangt, ist nicht aufmüpfig und hat bis dato noch nicht einmal versucht, sich von dem Waschmaschinensockel im Keller zu Tode zu stürzen und im Zuge dessen den Keller zu fluten. Ganz anders als die alte Maschine, die allerdings wirklich alt war. Und eigenwillig, was unter Umständen daran lag, dass sie ein Erbstück meiner Oma Margareta war, die auch einen ausgeprägten eigenen Willen hatte – ich vermisse sie, also die Oma, noch heute sehr, seit sie Anfang Dezember 2011 starb.

Da ich heute tun und lassen konnte, was auch immer ich wollte, hatte ich einen wunderbaren Gammeltag. Bis mir einfiel, dass ja das Paket, das ich einer Bekannten zu Weihnachten hatte schicken wollen, qua Sendungsverfolgung als „nicht zustellbar“ erkannt worden war und als Retoure an meine Wohnadresse zurückgeschickt werden würde. Und wahrscheinlich würde es heute eintreffen. DHL und ich – eine neverending story! Selbst wenn ich einen expliziten Wunschtag zur Auslieferung von Paketen angebe, hat es bis dato noch nie geklappt, dass mal ein DHL-Bote sich die Mühe machte, bei mir zu klingeln. Und ich befürchtete, dass der Nachbar im Hochparterre einmal mehr das Paket angenommen haben könnte – wahrscheinlich schon aus purer Bosheit! 😉

Denn mit dem Nachbarn hatte ich mich neulich anne Köppe gehabt! Und bin ihm seitdem sehr gekonnt aus dem Weg gegangen. Ich hatte mich schon mehrfach über ihn geärgert, sehr sogar, und kürzlich kam es zur Eskalation, als ich abends nach Hause kam, nach einem wirklichen Scheißtag, und da lauerte er mir auf und ging mich wegen einer Sache an, die ohnehin schon spießig-albern war. Ein Wort gab das andere, und ich wünschte ihm, nachdem ich erklärt hatte, dass das Gespräch nunmehr für mich beendet sei, obwohl er noch weiter diskutieren wollte, einen schönen Abend und ging meiner Wege die Treppe hinauf in den ersten Stock. (Nein, es ging nicht um die Treppenhausreinigung, der ich stets nachkomme. Es ging mehr um selbstherrliches Gebaren des vor erst kurzer Zeit hinzugezogenen Nachbarn in puncto Waschkeller, und man kann sich ja nicht alles gefallen lassen. 😉 Ich hasse es wie die Pest, mich über solche Dinge streiten zu müssen, aber alles kann man sich in der Tat nicht gefallen lassen. 😉 )

Und so hatte ich meine Stimme nicht nur gehoben, sondern sogar anklagend mit dem Finger auf ihn gezeigt, als wolle ich ihn erstechen! 😉

Zu Recht war das geschehen, aber ich tue mich bisweilen schwer damit, mein Recht einzufordern und mich trotz der Tatsache, im Recht zu sein, gut zu fühlen. Und so hatte ich es seither erfolgreich geschafft, dem Nachbarn aus dem Weg zu gehen, der, seit er hier wohnt, schon drei Pakete für mich angenommen hat (worum ich beileibe nicht gebeten hatte).

Ich hoffte, der DHL-Bote möge die Retoure einfach an den nächsten DHL-Paketshop geliefert haben, als ich mir ein schönes, warmes Bad einlaufen ließ, gegen 17 Uhr.

Als ich gegen 18 Uhr der Wanne entstieg, klingelte es an meiner Wohnungstür. Ich rief: „Einen Moment, bitte!“ Und rasch wickelte ich ein Handtuch um meine nassen Haare und mich selber in meinen Bademantel. Dann eilte ich gen Tür und öffnete sie … Hoffentlich war es Frau Wolski oder die neue Nachbarin.

„Hallo, Frau B. – ich habe dieses Paket für Sie entgegengenommen. Wollte ich Ihnen nur rasch bringen.“ Es war Herr Fischer, der Nachbar, mit dem ich mich neulich gestritten hatte, wie ich erkannte, obwohl ich weder Kontaktlinsen, noch Brille trug. Ich musste daher auch erst zweimal hinsehen. Herr Fischer sicherlich auch, da ich eher ungewohnt aussah im Vergleich zu den sonstigen Gelegenheiten. „Turban“ auf dem Kopp, Bademantel, eher derangiert. Als ich sah, wer mir da ein Paket brachte, wurde mir ganz anders – ausgerechnet!

Dann aber dachte ich: „Wahrscheinlich bringt er dir das Paket extra – eine Etage höher -, weil er denkt, dass du es sonst niemals bei ihm abholen würdest, trotz Benachrichtigung im Briefkasten. Er findet die Situation wohl auch scheiße.“ Und so sagte ich: „Herzlichen Dank, dass Sie mir das Paket extra bringen. Sorry, dass ich neulich etwas giftig war. Ich war zwar zu Recht verärgert, aber ich war wohl etwas unhöflich. Das hätte man auch anders machen können – es tut mir leid, denn das ist normalerweise nicht meine Art.“ – „Alles okay, Frau B. – vergessen wir das einfach. Okay?“ – „Ja, klar – gerne.“ – „Ich wünsche Ihnen ein schönes Weihnachtsfest und alles Gute fürs neue Jahr.“ – „Ich Ihnen auch. Viel Glück und Gesundheit.“

Ich hätte das Paket zwar auch bei diesem Nachbarn abgeholt, aber es hätte Überwindung gekostet. Umgekehrt gegebenenfalls aber ähnlich. Immerhin. Doof nur, aber typisch, dass ich in Bademantel und Handtuchturban die Tür öffnen musste. Wann auch sonst? 😉

Mein Tipp zum Weihnachtsfest und Jahresende: Verzeiht euren Feinden, auch wenn ihr hinsichtlich des Verzeihungsprozesses in vergleichsweise wenig präsentablem Zustand seid. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben und/oder Herausforderungen. 😉

Ich hoffe trotzdem oder gerade deswegen, Herrn Fischer in der nächsten Zeit nicht zu begegnen … 😉

Und all das für ein läppisches Unentschieden? ;-)

Ich hatte heute einen schönen Abend. Zumindest, nachdem ich endlich dort angekommen war, wo ich hatte ankommen wollen – in einem Lokal, in dem ich mit Kerstin, einer meiner Lieblingskolleginnen, zum Essen verabredet war. Der Tisch war für 18:30 h reserviert, und wir freuten uns beide auf den Abend, nachdem wir es – anders als geplant – nicht mehr geschafft hatten, Tickets fürs Weihnachtssingen auf Schalke zu bekommen.

Immerhin ist das Lokal, in dem wir uns treffen wollten, nicht weit von der Veltins-Arena entfernt. Gesungen haben wir dennoch nicht. Nein, was ich zuvor im Auto tat, war kein Gesang. Beileibe nicht. Und ich schwöre, das, was da meinen sogenannten Sprechwerkzeugen entfleuchte, habe ich nicht in meinem Elternhaus gelernt. 😉

Ich lebe zwar hier in dieser Stadt, in der der lokale Fußballclub bei vielen eine Art Religion ist, ich bin auch auf dem Laufenden, was die Bundesliga-Tabelle anbelangt, und auch ich freue mich mit, wenn Schalke siegt. Ich bin aber kein Fan, und so habe ich nie auf dem Schirm, wann ein Heimspiel stattfindet. Sollte man als Bewohner dieser Stadt besser wissen …

Denn als ich mich heute für den Abend fertigmachte, zuvor noch die Treppe putzte, kam mir irgendwann zu Bewusstsein, dass die aus einer gewissen Entfernung zu mir gedrungene Geräuschkulisse, aus vielen Kehlen stammend und von mir meist nur beiläufig und als normal wahrgenommen, dafür sprach, dass wohl „auf Schalke“ gespielt wurde. Ich schaltete leider erst, als ich bereits mit Tasche und Weihnachtsgeschenk für Kerstin zur Wohnungstür schritt. Genauer: Es durchzuckte mich – und da klingelte auch schon mein Handy. Mir war sofort klar, dass es sich beim Anrufer nur um Kerstin handeln konnte, die mir garantiert mitteilen wollte, dass Schalke heute gespielt habe und ein riesiges Verkehrschaos herrsche, inklusive Straßensperrungen. Und genauso war es – um 18:10 h.

Ich brauche für die Strecke normalerweise maximal fünfzehn Minuten inklusive Parken. Es war klar, dass ich das nicht schaffen würde, und so bat ich Kerstin, schon einmal den reservierten Tisch in Anspruch zu nehmen – ich käme so schnell, wie möglich (was auch immer das heißen möge).

Und rasant fuhr ich vom Hof und geriet alsbald auf dem konventionellen Weg in einen Stau. Rasch wendete ich auf recht risikofreudige Weise und fuhr erst einmal ein Stück zurück, um dann eine andere Strecke zu wählen. Eine Strecke, die Auswärtige nicht so gut kennen dürften. Da musste ich leider erneut wenden, erneut risikofreudig, und so nahm ich eine dritte, besonders raffinierte Route – wie ich dachte. Dort stand ich dann im Stau, und ich fluchte wie ein Kesselflicker. Wieder gewendet, neue Strecke. Am Marktkauf geparkt, weil ich keine Lust mehr hatte, noch bis zum Parkplatz des Lokals zu fahren, der sicherlich inzwischen proppenvoll war – nach Schalke-Heimspielen nicht ungewöhnlich -, um dort festzustellen, dass ich dann doch nicht dort parken könne, da auch der hinterletzte Platz belegt. Ist mir schon zweimal passiert, und ich kalkulierte, dass das dann noch mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als nun hier etwas weiter entfernt zu parken und zu Fuß zum Lokal zu stochen.

Um 18:55 h enterte ich das Lokal und hatte so immerhin einen kleinen Spaziergang gemacht. 😉 Kerstin saß in Sichtweite, und sie sprang auf, als sie mich kommen sah. Riss mich erst einmal in den Arm und meinte ganz auf Kerstin-Art: „Ich dachte schon, ich müsste eine Suchhundestaffel aussenden! Da sind wir auch ein bisschen spät losgefahren, Frau B., ne?“ – „Wäre mir klar gewesen, dass Schalke heute ein Heimspiel hatte, wäre ich eher losgefahren. Aufgefallen ist es mir auch erst ganz kurz vor deinem Anruf. Normalerweise brauche ich maximal eine Viertelstunde – mit Parken!“ – „Ist doch alles halb so wild – ich wollte nur etwas frotzeln. Hauptsache, du bist jetzt da!“

Und wir bestellten Essen und Getränke und überreichten einander unsere Weihnachtsgeschenke. Meines wirkte nicht ganz so liebevoll wie Kerstins – fand ich zumindest -, aber ich hatte ohnehin vorgehabt, sie zum Essen einzuladen, was sie – auch ganz Kerstin – erst nicht annehmen wollte.

Es war ein sehr schöner Abend mit viel Lachen und grandiosen Geschichten. Als es ans Zahlen ging, holte Kerstin ihr Portemonnaie heraus, aber ich sagte: „Weg damit – zurück in deine Tasche, aber zackig! Ich dachte, wir hätten das geklärt.“ Und ich kniff ihr ein Auge zu. Kerstin meinte zum Kellner: „Die Frau hier ist manchmal echt schwer zu ertragen – man kommt nur selten gegen sie an! Und ich bin darin normalerweise ziemlich gut!“ Ich meinte: „Wir sind beide einzeln schon schwer zu ertragen, und zusammen sind wir unausstehlich, aber ich zahle trotzdem alles zusammen, egal, was sie sagt!“ Der Kellner lachte und meinte: „Ich finde Sie beide sehr nett und sympathisch, und Sie scheinen einander doch sehr gut zu verstehen.“ – „Ja, das tun wir auch!“ rief Kerstin. – „Dann ist doch alles prima, und Sie können sich ja einfach abwechseln.“ – „Das werden wir tun,“, rief Kerstin, „denn das machen wir bald wieder, ne, Ali?“ – „Auf jeden Fall!“

Sie fuhr mich dann noch zum Marktkauf, wir drückten einander, und Kerstin meinte: „Danke für die Einladung, Ali – ich fand den Abend richtig schön.“ – „Ich auch – es war sehr lustig, auch wenn es mir leidtat, dass du so lange warten musstest.“ – „Ach, halb so wild! Ich wusste ja, warum, und ich wusste, du würdest auf alle Fälle kommen. Und das machen wir auf alle Fälle bald wieder – aber dann zahle ich!“ – „Sehr gern – und wir wechseln uns einfach ab.“

Zu Hause eingetroffen – ich war noch an der Packstation, bei der Sparkasse und an der Tanke, da mein Tank fast leer war – erwarteten mich schon einige WhatsApp-Nachrichten von Kerstin. Eine lautete: „Boah, die haben heute nur unentschieden gespielt! Und dafür reißen wir uns den … auf, um einfach nur mehr oder minder pünktlich zum Lokal zu kommen, trotz Schikanen, Sperrungen und Staus!“

Ich schrieb zurück: „Waaas? Für ein läppisches Unentschieden überschreite ich mehrfach die erlaubte Höchstgeschwindigkeit? Da, wo kein Stau herrschte? Mache Wendemanöver unter größter Todesverachtung und drohender Lebensgefahr? Fluche im Auto, bis meine Stimme fast versagt? So nicht, Schalke! So nicht!“

Nein. Sowas nicht noch einmal, denn Kerstin und ich kamen überein, beim nächsten Treffen besser vorbereitet zu sein, was Heimspiele anbelange. Aber sowas von! 😉

Liegt das etwa an Weihnachten? ;-)

Irgendwie lief in letzter Zeit nicht alles so geschmeidig. Tut es ja öfter, aber vielleicht nimmt man es in der Vorweihnachtszeit schwerer – ich weiß es nicht. Sollte denn nicht gerade in dieser Zeit alles besinnlich-muckelig sein? 😉

Immerhin ist zumindest mir nichts wirklich Schlimmes widerfahren – toi, toi, toi! Aber ein Bekannter von mir muss mit einer Trennung zurechtkommen. Das ist immer schlimm, wenn man im Grunde (noch) am Partner hängt. Kurz vor Weihnachten aber ist es die Hölle.

Es ist schon einige Jahre her, da musste ich diese wahrlich verzichtbare Erfahrung auch machen: Eine Woche vor Heiligabend teilte mein damaliger Freund mit, dass er „eine alte Flamme“ – so sagte er – wiedergetroffen habe, und nun gehe es halt nicht mehr. Gut, in der Beziehung hatte es bereits gekriselt, aber das war dann doch ein Schlag. Noch dazu, da er es mir bei der Arbeit sagte, direkt morgens. (Seither sehe ich Beziehungen mit Arbeitskollegen erheblich kritischer als vorher – man läuft denen danach unter Umständen tagtäglich über den Weg, und ganz gleich, von wem die Trennung ausging: Das ist nicht angenehm.)

Damals taumelte ich nach der Verkündigung des Status quo ziel- wie blicklos als erstes in die Teeküche, wo ich auf Lydia traf. Sie rief: „Ali! Hallo – na, wie geht es dir?“ Sofort brach ich ob der freundlichen Ansprache in Tränen aus, und Lydia sah mich erschrocken an, nahm mich sofort in den Arm und fragte mit gedämpfter Stimme: „Was ist passiert?“ Ich brachte schluchzend und stockend hervor, was passiert sei, und sie wurde wütend: „Warum das denn? Und wenn es schon so ist: Warum bei der Arbeit? Ist der bescheuert?“ Sie sah mich an und meinte: „Ali, wenn du möchtest: Ich gehe sofort zu ihm und sage ihm meine Meinung dazu! Schlimm genug, dass er das gemacht hat! Aber auch noch bei der Arbeit – ist der total bekloppt? Du musst jetzt hier achteinhalb Stunden sitzen – mit Publikumsverkehr! Und du darfst nicht einmal weinen! Der Typ hat sie doch wohl nicht mehr alle – wie unsensibel ist das denn?“

Ich drückte Lydia und meinte, sie solle das vielleicht besser nicht tun – schade eigentlich, und ich habe es hinterher bereut. 😉 Lydia meinte, falls ich meine Meinung ändern sollte: Sie säße bereit, denn das fände sie so arschig, dass sie es nicht einmal adäquat in Worte fassen könne. Und sie sah danach mehrfach nach mir, die ich wie gelähmt, aber so tränenlos an meinem damaligen Arbeitsplatz saß, dass nicht einmal Kollege Birger mitbekam, was passiert war. Einzig Giacomo, der mich überraschend gegen Mittag anrief, um zu fragen, wie es mir denn gehe und ob ich mich schon auf Weihnachten freue, sagte ich, was geschehen sei (da war Birger gerade essen), und er rief: „Wann machst du Feierabend? Du kannst unmöglich allein sein – das ist ja wohl der Hammer!“ – „Keine Ahnung, mir ist alles egal. Warum willst du das wissen?“ – „Weil ich dich abhole. Nein, keine Widerrede!“ – „Ich widerspreche doch gar nicht. Mir ist eh alles egal.“ – „Gut, dann stehe ich um 17 Uhr vor dem Gebäude deines Arbeitgebers. Oder soll ich dich im Büro abholen?“ – „Nein, ich komme raus. Aber wieso holst du mich ab – du arbeitest in Alsdorf und wohnst in der Nähe von Düsseldorf, und ich arbeite in Gelsenkirchen.“ – „Weil mir das leidtut und ich finde, dass dich wenigstens jemand abholen sollte, wenn du schon so einen Scheißtag hattest. Ich rufe an, kurz bevor ich ankomme. Gib mir bitte die Adresse.“

Gegen 17 Uhr wankte ich mit zitternden Knien aus dem Gebäude. Da stand Giacomo schon, nahm mich in den Arm und führte mich wie eine Invalidin zu seinem noblen Dienstwagen. Im Auto brach ich in Tränen aus und schluchzte: „Wir wollten Weihnachten doch zusammen feiern – ich wollte kochen. Er hat sich Wildschweinbraten gewünscht, und der ist auch schon bestellt! Und die meisten anderen Zutaten habe ich auch schon gekauft! Das kann ich jetzt alles wegschmeißen!“ – „Aber nein! Das kann man doch noch verwerten!“ Typisch Giacomo – er liebt Kochen und Essen. Wahrscheinlich würde er auch noch an Essen denken, wenn das Jüngste Gericht kurz bevorstünde. Er ist Italiener. Mir hingegen hatte es komplett den Appetit verschlagen.

Giacomo meinte: „Und wenn ich mal mit ihm spreche? Wir kennen einander ja recht gut.“ – „Ich glaube kaum, dass das etwas bringt.“ – „Ich versuche es trotzdem – ich kann nicht ertragen, dich so zu sehen! Mir bricht das Herz!“ (Das mag übertrieben klingen, aber Giacomo ist Italiener, und manchmal treffen Klischees zu. 😉)

Und er stieg aus und rief meinen Ex an. Ich sah, wie er via Handy auf ihn einredete und dabei wild und sehr energisch gestikulierte. Als er wieder einstieg, meinte er: „Und jetzt fahren wir los und kaufen einen Weihnachtsbaum!“ – „Was hat er denn gesagt?“ – „Ihr beide feiert zumindest Heiligabend zusammen! Das ist das Mindeste, was er tun sollte! Denk an das Wildschwein!“ Na, großartig … 😉

Wir fuhren los, kauften einen Weihnachtsbaum und viel Bier. Giacomo rief seine Freundin an und sagte, er müsse die Nacht durcharbeiten. Dahinter steckte nichts Böses, nur mochte sie mich nicht, und Giacomo wollte mich nicht alleinlassen, obwohl die übergroße Sorge unbegründet war. Mir war eh alles egal. Wir schmückten den Weihnachtsbaum und leerten dabei die eine oder andere Bierflasche.

Eine Woche später, es war Heiligabend, schob ich am späten Nachmittag einen Bräter mit dem Wildschweinbraten bei Niedertemperatur in den Backofen. Mein Ex öffnete eine Flasche Rotwein. Als nach der Vorspeise das Wildschwein und die Klöße nebst Beilage fertig waren, speisten wir durchaus diszipliniert, aber die drei Gläser Rotwein über Vorspeise und Hauptgang verteilt machten sich sehr unschön bemerkbar, als ich aus der Küche das Dessert holen wollte. Ich hatte die Woche davor kaum essen können, hatte diverse Kilos verloren und war darob recht geschwächt. Außerdem vertrage ich keinen Rotwein – aber mir war ja eh alles egal. Kurz: Mir wurde schwindlig, und ich stürzte wie ein gefällter Baum um, als ich die Türschwelle gerade überschreiten wollte. Immerhin bekam ich noch mit, dass mein Ex wie angestochen aufsprang und – offenbar besorgt – zu mir hechtete. Danach lag ich mit einem kalten, nassen Waschlappen im Gesicht auf der Couch, um die Blutung zu stillen, die aus einer Platzwunde über meiner Nase resultierte. O Gott! Wie bei Prolls! Mama sternhagelvoll – und das schon vor dem Dessert! 😉  Durchaus und absolut nicht üblich bei mir – daher auch die geschockte Reaktion meines Ex.  Recht geschah ihm.

Mein Ex blieb über Nacht, schlief auf der Couch und machte sich am nächsten Tag grauenvolle Vorwürfe, als er meine zerbeulte Visage sah. 😉 Mir war eh alles egal – mein Leben vorbei. 😉

Abends machte er sich dann vom Acker, nachdem er mehrere mysteriöse Anrufe entgegengenommen und geführt hatte, und er gebot mir, sofort anzurufen, wenn es mir schlecht gehe. Ich lachte dreckig und fragte, ob ich ihn jetzt gleich und sofort anrufen solle oder erst, wenn er schon weg sei … Eine Standleitung vielleicht …?

Ich bereute sehr, Weihnachten nicht bei meiner in Sachsen lebenden Schwester verbracht zu haben, wo auch meine Eltern zu Besuch aus NRW waren, und der Rest des ersten sowie der zweite Weihnachtstag gehören bis heute zu den schlimmsten Tagen, die ich überhaupt je erlebt habe. Hätten Giacomo und Richie, der inzwischen auch im Bilde war, mich nicht mehrfach angerufen, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen, wäre es noch schlimmer gewesen.

Am zweiten Feiertag riefen meine Eltern aus Sachsen an und legten mir nahe, doch Silvester nach Dresden zu kommen – da wäre ich wenigstens nicht allein. Ich solle sofort einen Hin- und Rückflug buchen. Da es in der Tat das Vernünftigste war, das ich zu dem Zeitpunkt tun konnte, setzte ich mich an den PC und buchte …

Und am 28., als ich gerade einmal mehr düsteren Gemüts blicklos auf den Bildschirm des Fernsehers starrte, klingelte mein Telefon. Giacomo war dran, und er sagte: „Was machst du gerade?“ – „Ich sitze hier herum …“ – „… und deine Gedanken kreisen, und du bist wahrscheinlich nicht zurechtgemacht?“ – „Wozu auch?“ – „Du machst dich jetzt fertig. In einer Stunde bin ich bei dir und hole dich ab.“ – „Wohin?“ – „Zu mir.“ – „Aber das wird Sylvana nicht passen.“ – „Doch. Es tut ihr leid, was dir passiert ist – sie findet das auch nicht schön. Ich hole dich ab, und dann koche ich etwas. Du hast doch, wie ich dich kenne, sicher noch nichts gegessen.“ – „Das ist vergebliche Liebesmühe – ich bekomme eh nichts hinunter.“ – „Ah, komm, etwas Pasta geht immer. Du machst dich jetzt fertig – in einer Stunde stehe ich vor der Tür! Pack etwas für die Nacht ein – heute kommst du nicht mehr nach Hause.“

Sylvana nahm mich in den Arm, als wir in der Nähe von Düsseldorf ankamen, zog sich dann aber dezent zurück, und Giacomo kochte für mich Strozzapreti („Die magst du doch so gerne!“) mit einer wunderbaren Pilz-Tomatensauce. Er gab sich solche Mühe, aber ich konnte kaum etwas essen und brach erneut in Tränen aus. „Nicht weinen! Hier – etwas Weißwein! Und deine Nase sieht doch auch gar nicht so schlimm aus. Gar nicht so geschwollen, wie du behauptet hast. Nur bist du erschreckend dünn geworden – versuch doch noch einmal von der Pasta! Komm, nur ein bisschen!“

Da ich nicht nur nicht essen, sondern auch nicht schlafen konnte, schlug sich Giacomo die Nacht mit mir um die Ohren, und wir redeten und hörten Musik. Und am nächsten Tag bekam ich Kaffee an die Couch geliefert, und am späten Nachmittag fuhr mich Giacomo nach Hause. „Wenn es dir schlecht geht, rufst du sofort an!“ gebot er mir.

Silvester war ich dann in Dresden und litt dort ebenso wie zuvor – nur mit mehr Leuten um mich herum, die mich abzulenken trachteten. So richtig gelungen ist es ihnen nicht, aber ich fand rührend, dass sie es versuchten, und ich gab mir große Mühe.

Am besten gelang die Ablenkung übrigens dem Hund, der den Vermietern meiner Schwester und meines Schwagers gehörte: einer Colliehündin. Am Silvesterabend hatte sie, die offenbar sehr kommunikativ und menschenfreundlich war, an der Wohnungstür gekratzt, war eingelassen worden und hatte alle Anwesenden freundlich begrüßt. Meine Mutter wusste zu berichten, dass sie bereits Heiligabend dagewesen sei, um ihr Weihnachtsgeschenk zu präsentieren: ein Stofftier, einen kleinen Fuchs aus Plüsch, den sie stolz allen Anwesenden zeigte, indem sie rund um den Tisch schritt und das Plüschtier jedem präsentierte! 😉

Bei mir blieb sie Silvester länger, sah mich lange an, setzte sich neben mich, legte mir die Schnauze aufs Knie und leckte wiederholt meine Hand. Und am nächsten Tag begegnete ich ihr im Garten, wo sie mich freudig begrüßte und mich dazu animierte, mit ihr Fangen zu spielen. In einer kurzen Pause ging ich vor ihr in die Knie, um sie zu streicheln, und sie legte mir eine Vorderpfote auf den Arm, sah mich an und leckte mir über die Nase. Offenbar spürte das Tier, dass hier Ansprache dringend vonnöten war. 😊 Am liebsten hätte ich es mitgenommen, als ich nach Hause reiste. 😉

Ich hatte hervorragende Unterstützung damals, und ich habe das Ganze auch überstanden. Es war scheußlich, aber ich bin noch heute ganz gerührt, wenn ich daran denke, wie sich -zig Leute, darunter gar ein Hund, bemüht haben. 😉 Und heute greife ich mir an die Stirn, wenn ich an diese exorbitante Trauer denke – im Grunde war es verschwendete Energie gewesen, aber das weiß man ja immer erst später. Nicht, wenn man jemanden noch liebt. Erst hinterher fragt man sich oft, warum eigentlich. Aber das braucht seine Zeit. 😉

Dennoch – und wenn Trennungen immer Scheiße sind – sollte man sich nicht gerade kurz vor Weihnachten trennen. Das macht alles noch schlimmer. Ich weiß, wovon ich spreche. Zum Glück aber kann mir das derzeit immerhin nicht passieren. Wenn es nur solche Petitessen sind, wie sie mir kürzlich passiert sind, ist es nicht so schlimm.

Euch ein schönes Weihnachtsfest ohne Stress, Streit oder gar Trennungen! 😊