„Miss Hochdruck“ – Oder: Immer unter Strom

Heute früh um 8 Uhr stand ich im Hausflur vor der Eingangstür meiner bis dato verschlossenen Hausarztpraxis. Meine linke Hand hielt ein Folterinstrument umklammert, das ich erst eine knappe Stunde zuvor selbsttätig abgelegt bzw. mich davon „entkabelt“ hatte. Denn gestern stand mein LZ-RR-Termin an, kurz: die Langzeit-Blutdruckmessung, die man noch vor meiner Dienstreise als dringend vonnöten deklariert hatte. Und so hatte ich mir gestern um 8 Uhr das Gerät, das sich als Folterinstrument entpuppte, anlegen lassen und alle Maßgaben beachtet, denn die Messung sollte ja genau sein und Aufschluss über das mir innewohnende Problem leisten.

Die erste Messung gestern, als Testmessung bezeichnet, war bereits ein Schlag ins Kontor, da viel zu hoch. Mir graute. Wie würde das weitergehen, wenn der erste Wert am frühen Morgen schon so bescheiden hoch war? Allerdings habe ich seit dem Besuch bei meinem Gyn, da das Problem entdeckt wurde, auch ein massives Problem, was das Messen meines Blutdrucks anbelangt. Kurz: Ich habe den Eindruck, dass dieser bereits eklatant hochschnelle, wenn ich nur ein Blutdruckmessgerät sehe … 😉 Das Phänomen ist rasch erklärt: Ich rechne seit erstem Auftreten bei Anblick eines Messgerätes bereits mit dem Schlimmsten, und schon haben wir das altbekannte Phänomen der self-fulfilling prophecy. Ich scheine für so etwas durchaus anfällig zu sein, und sogar meine Hausärztin meinte heute: „Sie sind einfach ein sehr sensibler Mensch, Frau B. – Sie strahlen das bereits aus!“

Echt? Es gibt Menschen, die mich für einen unsensiblen Klotz und Haudegen halten – vermutlich liegen die falsch. 😉

Heute früh nahm man noch ein EKG vor, das laut Ärztin „sehr gut“ aussehe. Dann gingen wir die Langzeit-Blutdruckmessung durch, und ich reichte ihr mein dazu erstelltes Protokoll. Sie lachte mehrfach und rief: „Faszinierend, Ihr Arbeitstag! Sie haben einen Blutdruck von 178:100 mmHg, wenn Sie in die Finanzabteilung gehen? Und kaum sitzen Sie wieder an Ihrem Arbeitsplatz, sinkt Ihr Blutdruck schlagartig auf 129:81 mmHg? Der Gang war wohl nicht angenehm?“ – „Ach, eigentlich völlig harmlos – aber wenn ich jetzt sehe, wie da die Unterschiede beim Blutdruck sind, scheine ich erheblich nervöser vor dem Gang gewesen zu sein, als mir bewusst war. Völlig zu Unrecht! Aber … Sagten Sie ernsthaft 178:100? Das ist ja grauenhaft! Das sind ja völlig abstruse Werte! Solche Werte kenne ich von mir nicht. Abstruse Werte schon – aber eher in die andere Richtung gehend! So etwas wie 90:45 mmHg und bei maximaler Aufregung 110:70 – aber doch so etwas nicht!“

Sie lachte noch mehrfach, als sie meine Werte sah und ich versuchte, ein entsprechendes Tagesereignis zuzuordnen, was beileibe nicht immer gelang, versicherte mir jedoch, dass das keine wirklich entgleisten Werte seien, wenn auch immer ein bisschen zu hoch. Meine Nachtwerte seien hervorragend normal, bis auf einen kleinen Ausreißer (wahrscheinlich hatte ich schlecht geträumt) – nur tagsüber sei mein Blutdruck das kalte Grauen, da er stets zu hoch sei bzw. – in manchen Fällen – schlagartig von zu hoch auf vergleichsweise normale Werte stürze. (Bei allen normalen Werten befand ich mich laut Protokoll in meinem Büro. 😉 )

„Und nun?“ fragte ich. Sie meinte: „Ihre Werte sind im Schnitt etwas zu hoch, aber nicht im wirklich schlimmen Bereich. Dennoch sollten wir etwas tun.“ Und sie schrieb ein Rezept aus: „Ich schreibe Ihnen hier einen Betablocker auf – da Ihre Nachtwerte so erfreulich normal und nur Ihre Tageswerte kritikwürdig sind, nehmen Sie den bitte morgens. Es kann sein, dass Sie zunächst etwas abgedämpft sind, aber das spielt sich schon ein! Da Sie ohnehin ein kleiner Hibbel zu sein scheinen, kann das sicherlich nicht schaden. Und messen Sie bitte regelmäßig Ihren Blutdruck, damit wir sehen können, ob die Dosierung reicht!“

Na, hervorragend! „Kleiner Hibbel“! Ja, ich bin eine etwas hektische Person, aber „kleiner Hibbel“? Das klingt nicht nett, und das sagte ich der Ärztin auch. Da lachte sie und meinte: „Das war nicht böse gemeint. Ich glaube einfach nur, dass Sie sich manchmal etwas zu viele Gedanken machen und sich selber derart pushen, dass das den Blutdruck noch mehr steigert.“ Na, dann … 😉

Ich fuhr nach dem Arztbesuch zur Arbeit, und als ich mich einstempelte, rief der diensthabende Pförtner: „Mahlzeit, Frau B.! Kommen Sie heute auch noch mal vorbei?“ Ich rief zurück: „Ich komme vom Arzt, Herr Schnäther! Da ist das ja wohl erlaubt.“ Und ich grinste.

Herr Schnäther kam zu mir herüber und meinte: „Was sagt denn die Langzeit-Blutdruckmessung?“ (Er hatte gestern mitbekommen, dass ich den ganzen Tag mit dem Messgerät herumrannte, zumal Herr Schnäther und ich ohnehin ein lustiges Frotzelverhältnis pflegen und ich im Zuge dessen weiß, dass er auch unter Bluthochdruck leidet.) – „Nix Gutes – ich muss einen Betablocker nehmen!“ – „Was bekommen Sie denn da?“ – „Hier, das! Habe ich gerade aus der Apotheke geholt!“ Und ich zeigte das Präparat.

Herr Schnäther nickte anerkennend und meinte: „Das Zeug ist okay – damit kommt man klar. Ich glaube, ich bekomme das Gleiche.“ Ich stutzte, dann wurde mir die Absurdität der Situation klar, und ich lachte laut: „Cool, Herr Schnäther! Da kennen wir uns so lange, und jetzt können wir endlich die uns verschriebenen Medikamente vergleichen!“ Herr Schnäther stutzte ebenfalls, und dann lachten wir beide los. Es war wirklich grotesk. 😉

Nachmittags rief meine Mutter mich an, die von dem unangenehmen Langzeit-Blutdruck-Ding wusste: „Und? Wie lief es?“ – „Bescheiden. Mein linker Arm ist zwar unerwarteter Weise nicht grün und blau, aber er tut weh, und ich muss einen Betablocker nehmen.“ – „Um Himmels willen! Mach das nicht – das ist ganz großer Mist! Ich habe den einzigen Betablocker, den ich je nehmen sollte, nach zwei Wochen abgesetzt, weil es mir derart bescheiden ging!“ – „Danke! Das hat mir jetzt noch gefehlt! Vielen Dank! Ich muss den nehmen, sagte man mir!“ – „Ach so … Naja, dann wird sicher alles gut werden, mach dir keine Sorgen …“ Ja. Das wirkte sehr überzeugend. 😉

Ich werde morgen früh die erste Tablette nehmen und dann sehen, was mit mir passiert. 😉

Zur Not rufe ich meine derzeit krankgeschriebene Kollegin Kerstin an, die mich heute überraschend anrief und meinte, unsere ansonsten täglichen Gespräche fehlten. 😉 Wir unterhielten uns über eine Stunde lang und planten unseren Besuch beim Weihnachtssingen auf Schalke. Beide derzeit angeschlagen, aber wir singen trotzdem auf Schalke! 😉

Drückt mir die Daumen für morgen, bitte … Ich habe ein bisschen Angst … 😉

Ein echter „Lauf“! ;-)

Vorgestern war ein Tag, an dem ich etwa 22 Stunden am Stück auf den Beinen und mehr oder minder geistig anwesend war.

In Riga war ich um halb vier morgens aufgestanden – da war es hier halb drei. Schnell unter die Dusche, schnell angezogen und fertiggemacht. Schnell noch die letzten Teile in den Trolley geworfen, der – als Handgepäck deklariert – 12 kg nicht überschreiten durfte. So die Vorgaben meines Flugtarifes der Koninklijke Luchtvaart Maatschappij, kurz KLM, mit der ich nicht zum ersten Mal unterwegs war. In Kooperation mit airBaltic. Der Hinflug war auch wirklich gelungen, und auch bei vorherigen Flügen hatte es keinen Anlass zu Beschwerden gegeben.

Als ich um 05:25 Uhr aus dem rotzgrüngelben Baltic Taxi sprang, das mich fünfundzwanzig Minuten zuvor vom Hotel abgeholt hatte – die Fahrt war sehr nett gewesen, da der Fahrer und ich einander blendend verstanden und einen ganz ähnlich schwarzen Humor hatten -, mir Rinalds, der Fahrer, noch alles Gute gewünscht und gemeint hatte, es wäre sehr nett, mich einmal wieder zu treffen, stochte ich mit meinem kleinen roten Trolley gen Flughafenlobby. Schnell eingecheckt – der kleine rote Trolley wurde entgegen den Bestimmungen, die mit meinem Ticket einhergingen, einmal mehr als Aufgabegepäck behandelt und diesmal bis Düsseldorf durchgebucht -, ging es direkt zum Security Check. Wusste der Henker, wie lange es da dauern würde … Und das war eine blendende Entscheidung, denn dort tobte bereits der Bär. 😉

Ich hasse den Security Check aus ganzem Herzen. Zumindest habe ich immer ein ziemlich schlechtes Gefühl, obwohl ich mich sicherheitshalber stets an die Regeln halte. Und obwohl ich ganz harmlos aussehe – wie ich zumindest glaube -, werde ich wieder und wieder hinausgewinkt, muss nicht nur Hände vorzeigen und Arme heben, um daraufhin abgetastet zu werden, nein! Meist muss ich auch noch meine Schuhe ausziehen, denn es könnten ja Handgranaten oder Spionagematerial darin enthalten sein – ganz sicher, und man weiß ja nie …

So auch Samstag früh, gegen 06:00 Uhr, als die Uhr hier noch 5 schlug und ihr alle zu Recht in tiefem Schlaf lagt. 😉 Zur Entspannung musste ich dringend den Duty-Free-Shop aufsuchen und ein Parfum von Burberry kaufen. 😉

Der Flug von Riga nach Amsterdam startete einigermaßen pünktlich – erheblich pünktlicher jedenfalls als alles, was ich von deutschen Flughäfen und anderen Airlines kenne. Der Pilot hieß Andreij Wassilijew und war offenbar Russe. So nahm ich zumindest an, und sofort schlug der kleine Klischeedetektor an: „Der kann sicher besonders gut fliegen, weil er beim russischen Militär war und ganz hervorragend Jagdbomber geflogen hat!“ (Ja, ich schämte mich auch sofort! Zumal Andreij Wassilijew wirklich hervorragend flog und ich ihn von ganzem Herzen beneidete, dass er etwas konnte, was ich so gerne können würde. 😊 ) Andreij flog uns aufs Beste die knapp 1500 Kilometer, steuerte uns durch wundervolle Wolkenformationen gen Boden, und als wir gelandet waren, war noch hinreichend Zeit, sich zum Nachfolge-Gate zu begeben. Anders als beim Hinflug, wo ich rennen musste. Danke, Andreij! 😉 Nie wieder werde ich blöde Klischees bemühen, wenn ich auf einem Flug einen russischen Namen höre, der den Piloten betrifft. (Bisher war es allerdings auch nicht dazu gekommen, da ich innereuropäisch noch nie so weit östlich geflogen war.) 😊

In Amsterdam-Schiphol angekommen (was die lettischen/russischen Flugbegleiterinnen immer so reizend als „(Chch-)Hamsterdam“ deklariert hatten), eilte ich sogleich ans Folge-Gate, und es war völlig klar – da in Riga so angekündigt -, dass mein kleiner roter Trolley bis Düsseldorf durchgebucht sei. Also stieg ich vertrauensvoll in den Cityhopper, und er und ich landeten auch in Düsseldorf voller Zuversicht.

Aber die Zuversicht nahm ab, je mehr unabgeholte Gepäckstücke auf dem unentwegt kreisenden Gepäckband zirkulierten und keines hinzukam. Als das Band dann stoppte, war auch mir klar, dass da nichts mehr kommen würde. 😉

Ich begab mich an den entsprechend zuständigen Schalter, und nachdem ich diverse Angaben getätigt hatte, versicherte man mir, dass mein Trolley und ich alsbald wieder vereint sein würden – sobald man ihn gefunden habe, werde er mir mit dem entsprechenden Lieferservice nach Hause gebracht. (Inzwischen hatte ich diverse Angaben erhalten: Mein Trolley sei kurz nach mir von AMS nach DUS gereist, inzwischen gelandet, und man werde sich alsbald melden. Kurz darauf die Nachricht, mein Gepäck sei gefunden worden und nun alsbald nach DUS unterwegs – ich solle warten.)

Innerlich fluchend, äußerlich immer schlimmer erkältet machte ich mich gen Flughafenbahnhof auf, um den RE Richtung Hamm zu nehmen, der über GE fährt. Am Bahnhof angelangt, stellte ich fest: Dieser Zug fuhr heute … nicht. Warum? Keine Ahnung, denn es gab keine Erklärung dafür. Also nahm ich den nächsten Zug, der über Essen fuhr und auch erst eine knappe halbe Stunde später kam, in der ich frierend und fröstelnd ausharrte, mit eklatanten Gliederschmerzen: Es ging mir gar nicht gut.

Endlich fuhr der Zug ein, und mit Mühe zwängte ich mich hinein, denn er war zum Bersten voll. Da dachte ich: „Danke, KLM, dass mein Trolley nicht mitgekommen ist! Nicht auszudenken, hätte ich jetzt noch einen Koffer bei mir!“ 😉

Beim nächsten Halt in Duisburg war auch noch alles okay. Aber beim übernächsten in Mülheim standen wir schon erstaunlich lange am Gleis, als eine Durchsage kam: „Meine Damen und Herren, es klingt vielleicht bescheuert, aber: Die Türen lassen sich nicht öffnen!“ Wir, die wir dort im Einstiegsbereich unseres Wagens standen, starrten einander ungläubig an – wie bitte? Die neben mir stehende Frau meinte lachend: „Das ist doch kaum zu glauben!“ Und sie grinste mich an. Ich sagte: „Nun ja, ich habe heute eh einen Lauf – mich würde daher gar nicht wundern, würde gleich die Feuerwehr kommen, um uns alle aus diesem Zug hier zu schneiden, weil sich die Türen nicht öffnen lassen.“ Die Frau lachte schallend, ich grinste etwas gequält. Ich wollte nur nach Hause. Es war nach halb 1 – ich war seit vielen Stunden auf den Beinen, eine Stunde länger als alle Mitreisenden, die hier in Deutschland auch mitten in der Nacht um halb vier aufgestanden waren, denn in Lettland gehen die Uhren eine Stunde vor.

Nachdem wir endlich hatten weiterfahren können, in Essen das gleiche Spiel. Mein zuvor als hervorragend angesehener ziemlich rascher Anschluss weg. Aber ich versuche immer, möglichst pragmatisch vorzugehen, und da ich ohnehin noch hatte einkaufen wollen, dies nun eben in Essen. Der nächste Anschluss in einer Dreiviertelstunde. Ich stürmte die Kettwiger Straße und dort die erste Apotheke, deren ich ansichtig wurde – es mussten Mittel gegen diese immer schlimmer werdende Erkältung her. Meine Stimme war bereits da etwas brüchig, und der Apotheker hatte wohl Mitleid mit mir und rückte ganz freiwillig einen Kalender für das kommende Jahr heraus. Wahrscheinlich dachte er: „Arme Frau – die klingt so scheiße, dass sie sich sicher freut, wenn ich ihr zutraue, noch das nächste Jahr zu erleben.“ 😉

Dann rasch in einen Supermarkt und das Nötigste erworben, bevor es zurück zum Hauptbahnhof ging. Noch fünf Minuten bis zur Abfahrt des Zuges an einem entlegenen Gleis. Doch da! Da stand am Zugang zum Gleis ein Schild, auf dem stand: „Der Tunnel zu den Gleisen […] und […] ist derzeit gesperrt. Sie erreichen die Gleise durch […]“ Und ein Weg wurde genannt, der zu weit war, den in fünf Minuten abfahrenden Zug noch zu erreichen, vor allem mit meinem durch die Erkältung kurzatmigen Handicap.

Ich bin ein friedliebender Mensch, gestehe jedoch, in diesem Moment das Bedürfnis verspürt zu haben, dem nächsten Menschen, der mich aus Unachtsamkeit anrempeln würde, lachend rechts und links ins Gesicht zu schlagen. (Ich würde so etwas nie tun. Das Bedürfnis war dennoch da.)

Ich bin schließlich mit der U11 nach GE-Horst gefahren – ein Akt der Verzweiflung, da die U11 die letztpriorisierte Möglichkeit war, die ich überhaupt in Betracht zog, da ich die U11 sehr gut kenne. Ein Erlebnis, das ich auch nicht jeden Tag haben muss. Neben mir saßen zwei ältere Frauen, die darüber sinnierten, „datt die Heidi“ sich nun einen Hund anschaffen wolle und auch schon einen Vertrag auf einen Abkömmling bzw. einen Welpen aus einem Züchterwurf abgeschlossen hatte – „iiiaagendsonne Jachthundaat – fraach mich nich‘!“

Ergo einen Jagdhund, keinen Hund, der auf Jachten zu Hause ist – man muss die hiesige „Mundart“ nur berücksichtigen, und fragen wollte ich, die von der berichtenden Frau dabei misstrauisch beäugt wurde, gewiss nicht, da ich mich ab initio vor der Antwort fürchtete… 🙂

Doch sie fuhr gleich fort: „Un‘ der Hund heiß‘ Leo – den hatt se auch schon zweimal besucht. Bekloppt, ey!“ – „Ja, vooaa allem, weil sonn Hund doch Haare väaaliiaat!“ Ja, nee, is klar – total bescheuert! So’n Hund verliert doch Haare! Wie kann man sich nur einen Hund anschaffen, wenn der doch Haare verliert – und dann liegen die aum Sofa rum, ne! (Ich fragte mich, ob „die Heidi“ keinen Staubsauger besitze und wie oft die beiden um Heidis Sofa besorgten Damen denn selber so staubsaugten, aber schon kam Ablenkung …)

Denn im Einstiegsbereich, der dem Vierersitzbereich, auf dem die beiden Damen und ich saßen, am nächsten lag, standen zwei stark alkoholisierte Personen. Die eine weiblich, die andere männlich, beide eine Flasche Bier in der Hand bzw. wechselweise am Kopp. Und an einer Haltestelle bremste die U11 etwas stärker … Und da ließ der Mann sich eben etwas noch einmal durch den Kopp gehen und trank rückwärts … Ein erhebender Moment. Nach dem ersten Schock dachte ich: „Wenn du irgendjemandem das alles erzählst, wird der sagen: ‚Amüsant, aber unwahrscheinlich – in der Häufung gibt es doch solch doofe Ereignisse gar nicht!‘“ Doch. Gibt es. Ich war auch verblüfft.

Ich machte drei Kreuze, als ich in GE-Horst in die Straßenbahn umsteigen konnte, und noch mehr Kreuze machte ich, als ich in meiner Wohnung war und die Schuhe von den schmerzenden Füßen ziehen konnte. Für den restlichen Samstag hatte ich Ruhe – ein Gefühl wie Weihnachten. Und zum Glück rief mich auch niemand mehr an – meine Stimme war kurz vor dem Versagen.

Am Sonntagmorgen, ich erwachte noch schlimmer erkältet als zuvor, wollte ich meine Stimme testen, denn mein Handy hatte mir für diesen Tag den Anruf des KLM-Gepäck-Lieferservice prophezeit, der meinen Trolley bringen sollte. Es ereilte mich das Grauen, denn es kam … nichts. Nur heiße Luft und jämmerliche quietschende Laute, die klangen, als solle eine Katze ersäuft werden, die mit letzter Kraft um Hilfe ruft. In dem Moment hoffte ich, der Lieferservice möge sich noch einen Tag Zeit lassen – so dringend war das mit meinem Trolley ja nun auch nicht. Immerhin waren keine verderblichen Dinge darin. 😉

Keine zehn Minuten später klingelte mein Handy. Eine mir unbekannte Nummer stand auf dem Display – mit höchster Wahrscheinlichkeit war das der Lieferservice! 😉 Ich raffte mich nebst Stimmbändern zusammen und meldete mich, indem ich trotzig und massiv Luft durch die Stimmwerkzeuge stemmte, aber es kam nur ein armseliges Quieken. Mein Gesprächspartner legte direkt auf. Ich konnte es ihm nicht verdenken – ich hätte mich auch verarscht gefühlt. Er versuchte es noch einmal – ich desgleichen, aber das Ergebnis war das gleiche. Ich sank ermattet aufs Sofa – übrigens ganz hundehaarfrei, da ich keinen Hund besitze. Würde ich meinen kleinen roten Trolley je wiedersehen? Ich hackte eine Whatsapp an KLM und schickte sie ab, aber man teilte mir nur mit, ich solle den Lieferservice anrufen. Hallo? Ich hatte doch mitgeteilt, dass ich erkältungsbedingt keine Stimme hatte … 😉

Wie durch ein Wunder meldete sich mein bester Freund Fridolin über den Messenger eines Sozialen Mediums: Wie es denn in Riga gewesen sei, wollte er wissen. Ich schrieb: „Dazu später. Könntest du mir einen Gefallen tun? […]“ Und ich schilderte ihm meine absurde Situation. Er fand es lustig und fragte, warum mir so oft solch völlig groteske Dinge passierten wie Sprachlosigkeit, wenn ausnahmsweise mal Sprachfähigkeit zwingend vonnöten, versprach jedoch, die von mir übermittelte Nummer anzurufen und mitzuteilen, dass ich in freudiger Erwartung meines Trolleys zu Hause sei. Und keine fünf Minuten später wusste ich: Zwischen 18 und 20 Uhr würde mein Trolley geliefert werden.

Doof war dann nur, dass der Lieferant zehn Minuten vor Auslieferung noch einmal anrief, wohl, um mir mitzuteilen, dass die Lieferung alsbald stattfinden würde. Als ich mich stimmlos meldete, legte er auf, und mich wundert noch jetzt, dass er danach tatsächlich noch angefahren kam, um mir das Gepäck zu bringen. 😉

Eine Kette unangenehmer Dinge, die grotesk endete – so etwas Bescheuertes war mir in dieser Häufung auch noch nie passiert. Aber immerhin sind mein Gepäck und ich wieder vereint. 😉

Und in Riga war es wirklich schön gewesen – am liebsten wäre ich gleich dageblieben, obwohl es die meiste Zeit wie aus Eimern schüttete. Mir wäre dann wohl auch der Samstag/Sonntag in dieser Form erspart geblieben. 😉

„There was a young lady of Riga” … ;-)

So fängt ein Limerick an, der einst in einem meiner Unterstufen-Englischbücher stand und den ich nie vergessen habe:

There was a young lady of Riga
Who rode with a smile on a tiger.
They returned from the ride
With the lady inside
And the smile on the face of the tiger.

Wie gut, dass ich mehr oder minder aus dem Raster der young lady  herausfalle. 😉 Wie auch immer: Am kommenden Montag werde ich in aller Herrgottsfrühe aufbrechen, um nach Riga zu reisen. Natürlich nicht auf dem Rücken eines Tigers, sondern zunächst mit einem profanen Taxi gen Flughafen Düsseldorf, das ich heute zum Festpreis von 78,- € und mit der Kondition Kreditkartenzahlung buchte. Bei meinem plötzlichen Aufbruch gen Baltikum handelt es sich um eine Dienstreise, da dort – am Geburtsort Heinz Erhardts in Lettland – eine Tagung stattfindet, die mit dem Inhalt meines Berufs konform geht.

All die Menschen, die mich mit all meinen Macken und Schrullen kennen, zumindest die, die bei meiner Taxi-Buchung anwesend waren, lachten sich scheckig, als ich ganz selbstbewusst und mit fröhlichem Timbre am Telefon sagte: „Ihr Fahrer holt mich also um 5 Uhr 10 morgens ab – sehr gut! Ich warte vor der Haustür.“

Saskia brach in helles Lachen aus, als ich aufgelegt hatte; Gina fiel ein, und sie meinten: „Hast du gerade von dir gesprochen, als du sagtest, die Person, die da transportiert werden soll, stünde um 5 Uhr 10 vor der Haustür?“ – „Ja, lacht ihr nur – ich bin ganz sicher pünktlich!“ Gina rief: „Sagt die, die erst kürzlich hier proklamiert hat, dass regelmäßiges Zuspätkommen auch eine Art von Zuverlässigkeit sei!“

Wir lachten alle laut, und ich meinte: „Und wenn ich die ganze Nacht wachbleibe! Ich werde um 5 Uhr 10 vor der Haustür stehen – mit all meinem Gepäck!“ (Und ich hoffe, dass es wirklich so sei! 😉 )

Außerdem bin ich immer pünktlich, was die Öffnungszeiten meiner Abteilung anbelangt, und ich kann meist sogar noch Kaffee aufsetzen, bevor das zu erwartende Publikum eintrifft. Meist mindestens zwei Minuten vor Öffnung der „Tore“. Und fast immer mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. 😉 Gut, man könnte etwas eher eintreffen, zumal man sich dann nicht so abhetzen müsste … 😉

Mit dem Abhetzen wird es sowieso ein Ende haben müssen, seit ich am vergangenen Montag bei meinem Gyn war, der mir hinsichtlich der diesjährigen MRT-Untersuchung zweier Anhängsel meiner Wenigkeit eine Überweisung ausstellen sollte. Standardmäßig wurde mein Blutdruck gemessen. Und als ich nach Ende der Messung auf das Display des digitalen Messgerätes blickte, stockte mir erst der Atem, doch dann rief ich selbstbewusst: „Ihr Messgerät ist wohl defekt!“ Denn das, was da abzulesen war, konnte unmöglich stimmen: 151:106! Ein dreistelliger diastolischer Wert konnte nur ein Gerätefehler sein – ebenso der systolische Wert!

Man maß erneut. Ähnliche Werte, und ich stutzte. Ich hatte seit jeher eher niedrige Werte und war froh, wenn ich den Standard 120:80 mmHg erreichte. Die Arzthelferin meinte: „Nach der Untersuchung kommen Sie noch einmal ins Labor, bitte. Dann alles in Ruhe. Ich kann das unmöglich so in Ihre Akte schreiben – der Arzt reißt mir die Ohren ab!“ Ich sagte: „Ja, klar.“ Aber so richtig klar war mir das alles nicht – ich hatte doch immer eher niedrige Werte gehabt. Und ich wollte ganz gewiss nicht, dass der Arzt dieser immer so netten Helferin die Ohren abrisse.

Nach der Untersuchung dann eine weitere Messung, und ich sagte unheilschwanger: „Ich glaube nicht, dass das niedriger sein wird!“ Aber ein wenig niedriger war es schon, wenn auch immer noch im ziemlich kritischen Bereich, und mein polnischer Gyn, der hinzugekommen war, sagte nur: „Frrraauuu B., gäähäään Sie unväärrzieglich zu Ihrräääm Haauuusaarzt!“

O Gott! Das sagte dieser ruhige Mensch, der stets deeskalierend agiert – hier bestand wohl wirklich Handlungsbedarf! 😉

Ich fuhr nicht sonderlich ruhig zum Einkaufen und danach nach Hause, und am nächsten Morgen rief ich um 8 gleich in meiner Hausarztpraxis an und schilderte mein Problem. Man gab mir einen Termin für heute. Da der mich regulär behandelnde Arzt – es ist eine Gemeinschaftspraxis – nicht zur Verfügung stand, wurde ich der einzigen Ärztin in diesem Dreierbund zugeteilt, bei der ich vor zwei Jahren schon einmal war, als ich einen kurzfristigen Termin benötigte.

Und ganz ehrlich: Bei dieser Ärztin möchte ich bitte auch bleiben. Kein paternalistisches „Ach, Frau B., alles wird gut, machen Sie sich keine Sorgen! Ganz ruhig …“ Sie hörte zu, grinste mich an und meinte: „Sie gefallen mir, da Sie Ihre Aufgaben wohl ernstnehmen. Willkommen in der Liga der Betablocker.“ – „Betablocker?“ rief ich entsetzt. – „Ja. Was ist so schlimm daran?“ – „Aber die bekommen nur alte Leute!“ – „Nee, die bekommen alle Leute, die genauso sympathisch-hibbelig hier vor mir sitzen, einen bisweilen etwas zu hohen Blutdruck haben und ein kleines bisschen gedimmt werden müssen, damit der Blutdruck wieder normal ist. Aber das checken wir nach Ihrer Rückkehr erst einmal mit einer 24-Stunden-Blutdruckmessung und sehen dann, was Sache ist. Nehmen Sie Ihr Blutdruck-Messgerät nach Riga mit, und wenn es nötig sein sollte, nehmen Sie eine Tablette hiervon. Aber erst ab 180:110 mmHg, was Sie bisher ja beileibe nicht erreicht haben.“ („Hiervon“ ist ein ACE-Hemmer, wie ich erst erfuhr, nachdem ich ihn aus der Apotheke abholte, nach Hause trug und googelte. Wir breiten mal besser den Mantel des Schweigens über die Nebenwirkungen – besser nie googeln! Und beileibe: Solche Werte wie die oben genannten sind mir bis dato fremd! 😉)

Großartig. Genauso habe ich mir diese Dienstreise und auch den Rest meines Lebens vorgestellt: Ich messe meinen Blutdruck und werfe nach Bedarf Tabletten ein. 😉

Wahrscheinlich aber ist es gut, sich möglichst früh daran zu gewöhnen – dann fällt es leichter, wenn es wirklich nötig ist. Meine Ärztin fand übrigens gut, dass ich immerhin in der Lage zu sein scheine, Hochdruck-Symptome zu verspüren, nachdem sie mir erklären wollte, dass die nicht spürbar seien. Ich lachte und meinte: „Sorry, aber dieses Dröhnen und Druckgefühl im Kopp und das Rauschen in den Ohren kann doch ein normaler Mensch kaum nicht spüren!“ 😉 Da sagte sie: „Sie glauben kaum, was manche Menschen nicht spüren! Sie scheinen da feinfühliger zu sein.“ – „Nicht freiwillig!“ Und dann lachten wir beide.

Ich fliege nun als „medium old lady“ nach Riga, werde ganz sicher weder von einem Tiger gefressen noch sonstwie „vernascht“ werden, aber ich freue mich unbändig auf diese Dienstreise. Und natürlich messe ich brav meinen Blutdruck! 😉

Euch ein schönes langes Wochenende, falls Ihr ein solches haben solltet. Und mir einen schönen Hinflug, eine wunderschöne Zeit in Riga und einen noch besseren Rückflug. 😊