Nomen est omen

So heißt es seit jeher. Oder aber: „Der Name ist Programm.“

Das stimmt nicht immer. Ich bin mit zwei Namen behaftet, die in Kombination besagen, dass ich ein besonders edelmütiger und rechtschaffener Mensch sei. Ich bemühe mich zwar stets, der Vorgabe gerecht zu werden („Sie hat sich stets bemüht …“), aber ich bin auch nur ein Mensch. 😉 Und manchmal denke ich: „Verdammt, zumindest beim Vornamen hatte man doch keine so strengen Vorgaben!“ 😉

Doch immerhin habe ich keinen Doppelnamen als Nachnamen. Denn Doppel-Nachnamen sind seit geraumer Zeit gebrandmarkt. Natürlich keine Namen wie „von Ebner-Eschenbach“ oder „Mendelssohn-Bartholdy“, beides echte Kulturschaffende – nein, solche Namen nicht.

Eher geht es um Namen, die zumeist von Frauen geführt werden, die – zunächst den Gesetzen Folge leisten müssend – bei Heirat ihren Mädchennamen beibehalten wollten, eine Sache, die ich durchaus verstehen kann. Zumindest in Bezug auf Zeiten, da eine freie Namenswahl für Frauen nicht möglich war und sie ganz automatisch den Nachnamen ihres Ehemannes annehmen mussten, als seien sie dessen Besitz. (Nein, ich bin gewiss keine Feministin. 😉)

In Zeiten, bevor die freie Wahl in puncto Nachnamen im Falle einer Eheschließung galt, blieb Frauen nach einigen legislativen Zugeständnissen und leisen Lockerungen nur die Möglichkeit, einen Doppelnamen zu führen, wollten sie ihren Mädchennamen weiterführen. Und da war die Reihenfolge noch vorgegeben.

Doch gab es mehr und mehr Lockerungen, und seit geraumer Zeit dürfen Ehepaare sogar unterschiedliche Nachnamen führen – Doppelnamen sind gar nicht mehr notwendig. Und doch gab und gibt es auch nach den verschiedenen Lockerungen noch immer Frauen, die unbedingt einen Doppelnamen wünsch(t)en. Als es gar nicht mehr notwendig war, seit es nicht mehr notwendig ist. Warum?

Ich habe mich auch oft gefragt, warum manch Frau so zwingend einen Doppelnamen wünschte. Speziell dann, wenn der „Mädchenname“ schon drei oder mehr Silben umspannte und der des Ehemannes ebenso viele.

Doch wenn es nur um die Anzahl der Silben geht, ist der Fall zwar bisweilen grotesk, aber noch nicht gar nicht so schlimm, wie wenn man sich offenbar überhaupt gar keine Gedanken darüber machte, dass es auch ganz bizarre Namenskombinationen gibt.

So rief mich einst eine Dame an, die mir etwas verkaufen wollte. Arglos ging ich ans Telefon, und schon schallte mir: „Guten Tag, Frau B.! Herbst hammer!“ entgegen. Nach der ersten Schrecksekunde rief ich: „Äh – es ist Frühling!“ – „Herbst hammer hier!“ – „Nein, wirklich nicht! Frühling hammer!“ rief ich zurück, im Glauben, ich würde verarscht. Die Dame reagierte völlig humorlos und pikiert: „Mein Name ist Herbst. Verheiratete Hammer. Herbst-Hammer!“ – „Oh! Entschuldigen Sie, bitte, Frau Herbst-Hammer – das war mir nicht bewusst …“ Und dann brach das Lachen aus mir heraus – Situationskomik hat mich seit jeher amüsiert. Frau Herbst-Hammer fühlte sich ihrerseits verarscht, und unter wenig freundlichen Worten legte sie auf. Nun ja – offenbar kein Verlust. Kann ich denn etwas für irreleitende Doppelnamen, die aus einer Laune heraus gestaltet wurden, ohne zuvor (und offenbar auch danach) darüber zu sinnieren, wie diese sich wohl auswirken würden? 😉

Mit einer Frau Silber-Fuchs habe ich auch schon telefoniert. Und einmal wurde ich einer Frau Spielvogel-Ast vorgestellt („Ast bitte mit Doppel-S!“) – ich bewundere mich noch heute ungemein für meine Selbstbeherrschung! 😉

Dreckmann-Schlingmeier, Stäblein-Stolz, Grünfeld-Roth, Daxheimer-Wolf – liebe Doppelnamen-Frauen: Wisst ihr eigentlich, was ihr mir antut? Und dann wundert ihr euch auch noch, wenn ich lachen muss? Ich bin ein Mensch, der nicht nur nahe am Wasser gebaut hat, sondern – vice versa – auch verdammt schnell laut herauslacht und sich kaum bremsen kann. 😉

Es geht auch nicht darum, dass Doppelnamen per se Mist seien – manch einer kann gar nichts dafür! Männer haben sich das meist nicht ausgesucht, ebensowenig die Frauen, die vor Lockerung der Namensbestimmungen einen Doppelnamen annehmen mussten, wollten sie ihren „Mädchennamen“ doch noch weiterführen.

Es geht um die Frauen, die aus purer Selbstverliebtheit (oder einem Gefühl der Minderwertigkeit – ich weiß es nicht!) einen Doppelnamen annahmen, einfach nur, um einen Doppelnamen zu haben. Ich frage mich nach wie vor, was für einen Sinn und Zweck das Ganze habe. Ist man dann mehr wert?

Wohl kaum und schon gar nicht, wenn man auf einer Karnevalsveranstaltung auf den gerade performierenden „Komiker“ zustürzt und völlig humorbefreit moniert, dass man so etwas ja kaum ertrage und damit Doppelnamenträgerinnen veräppelt würden. Ich gebe zu, ich bin kein Karnevalsfan und auch kein Fan platter Witze. Aber hier hielt ich mit dem „Komiker“, für den ich eigentlich auch gar nicht soviel übrig habe und staunte einmal mehr:

Manche Menschen beklagen sich über Klischees und sind doch in sich das, was sie da beklagen: ein Klischee. 😉

Hätte ich mich bei Aufkommen der Blondinenwitze derart echauffiert wie die Dame, die den „Komiker“ angriff, hätte ich schon lange keine blonden, sondern eher graue Haare. Und die wären sehr früh aufgetreten.

Inzwischen frage ich mich, ob derlei Vorkommnisse an den Zeiten liegen, in denen wir leben – oder ob das Klischee bezüglich der Frauen, die ohne Not einen Doppelnamen tragen, stimme, das besagt: meist humorlos, ideologisch geprägt. Und nicht selten Lehrerinnen.

Aber an so einen klischeehaften Mist glaube ich natürlich nicht. Niemals. Und nie habe ich diesbezüglich Erfahrungen gemacht. Nie! 😉

Und ich entschuldige mich sogleich bei den Frauen, die aus ästhetischen Gründen und ohne Hintergedanken einen Doppelnamen annahmen – es sind ja nicht alle gleich. 😉

Was man mit berühmten Autoren gemeinsam haben kann ;-)

Ich finde immer wieder faszinierend, Dinge mit Menschen zu teilen, die man gar nicht persönlich kennt und durch Zufall kennenlernt. Wie mit meiner neuen Brieffreundin Leslie aus Texas, die es vorzieht, durch echte Briefe, also via snail mail, zu kommunizieren.

Ich hoffe, sie hat meinen ersten Brief bekommen, den ich abschickte, als ich schon zwei von ihr bekommen hatte, weil sie wohl hochfrequent schreibt. Denn sie schreibt und wirkt so liebenswert. Nachdem ich nun noch nichts bekommen habe, befürchte ich, dass sie meinen noch nicht bekommen habe oder er ihr nicht gefiel. Dabei fand ich gerade so liebenswert, wie sie mir erzählte, ihr Vater sei Ingenieur, und Gute-Nacht-Geschichten, die er ihr und ihren Geschwistern erzählte, wären gar keine solchen im herkömmlichen Sinne gewesen, sondern mehr Lehrstunden über Ingenieur- und Naturwissenschaften. Da – ich gestehe es – habe ich hellauf gelacht! Nicht etwa, weil ich das albern fand, nein. Weil ich das kannte und absolut nachvollziehen konnte. Das habe ich ihr auch geschrieben, einmal mehr fasziniert davon, dass zwei einander völlig unbekannte Menschen, die tausende Kilometer entfernt voneinander ihr Dasein fristen, durchaus vieles gemeinsam haben können, auch wenn sie in völlig unterschiedlichen Situationen, gar Systemen, leben. (Obwohl mein Vater mir, als ich vierjährig einmal fiebernd und krank im Bett lag, Goethes Zauberlehrling vorlas, weil er wohl der Meinung war, dass man allgemein- und nicht nur einseitig bildend tätig werden müsse. Und er hat das so liebenswert und lebhaft-amüsant gemacht, dass ich es nie vergaß und den Zauberlehrling seit damals ins Herz geschlossen habe, zumal dieser in der Tat einen gewissen Humor in sich trägt. 😉 )

Gestern Abend hatte ich einmal mehr ein solches Erlebnis, als ich – nach des Tages Fron und einer schlafgestörten Nacht sehr, sehr müde – in die U11 stieg, die mich nach Essen bringen sollte. Dort war ich mit Jana verabredet, vor der „Lichtburg“, einem sehr alten und ehrwürdigen Kino mit einem ehrwürdigen Kinosaal. Denn dort sollte eine Autorenlesung stattfinden, und nicht nur irgendeine! Nein! T. C. Boyle höchstselbst sollte dort lesen – und tat es dann auch.

Ich gehöre nicht zu den ausgesprochenen Boyle-Fans – zumindest gehörte ich bis gestern nicht dazu -, und so erstaunte mich, wie unterschiedlich das Publikum aussah, als ich vor dem altehrwürdigen Kino auf Jana wartete.

Als sie ankam, nahmen wir alsbald unsere Plätze ein, und als wir einmal aufstehen mussten, um später eingetroffene Leute auf ihre Plätze zu lassen, sah ich zwar diesen bärtigen Mann nebst Begleitung, der mir irgendwie bekannt vorkam. Aber ich schaltete nicht, zumal Jana mir gerade etwas zuraunte, weswegen ich meinen Kopf zu ihr wandte. Da hörte ich von links plötzlich: „Guten Abend, liebe Ali!“

Ich war wirklich ziemlich geschafft, gestern, und so sah ich mich zunächst erstaunt um: Noch eine Frau, die „Ali“ hieß, und das ganz in meiner Nähe? Dann sah ich nach links und dem bärtigen Herrn ins Gesicht: Der war mir so bekannt! Aber ich schaltete nicht, und so meinte er: „Erkennst du mich nicht mehr?“ – „Äääh …“ – „Ich bin es, Norman!“ Da fiel der Groschen! Norman, natürlich! Ein früherer Kollege! Erst vor knapp drei Jahren ausgeschieden – und schon erkannte ich ihn nicht mehr! (Her mit dem Ginkgo-Extrakt! 😉 ) Aber mit dem Bart, den er früher nicht gehabt hatte, war das auch kein Wunder. Ich sprang auf und entschuldigte mich zunächst für meine Ladehemmung, dann nahm ich Norman in den Arm, woraufhin seine Frau mich böse anstarrte und ich dachte: „Keine Angst, ich mache ihn dir gewiss nicht streitig! Wir waren nur einst Kollegen!“

Wir wünschten einander einen interessanten Abend und ließen das Ehepaar, das – was für ein Zufall! – in derselben Reihe wie wir saß, durch.

Und dann ging es auch schon los. Nach einer kurzen Ankündigung kam der Maestro in Begleitung einer Journalistin und eines Schauspielers, der die deutschen Passagen, die man ausgewählt hatte, vorlesen sollte, höchstselbst auf die Bühne. Applaus brandete auf, aber Mr Boyle war keineswegs eingebildet, sondern winkte ganz natürlich ins Publikum und rief markige Begrüßungsworte.

Ich fand ihn gleich absolut sympathisch. Er sieht aus wie ein flippiger Alt-Hippie, verfügt über einen wunderbaren Humor, und die Journalistin, die im Gegensatz zu ihm recht konservativ aussah, war ebenso hervorragend. Der Schauspieler, der die deutschen Passagen lesen sollte, saß im Halbdunkel, nachdem man erklärt hatte, dass er derzeit als Vogelscheuche im Zauberer von Oz Erfolge feiere.

Jana und ich kicherten ein wenig – was für eine Vorstellung für den Schauspieler! Dabei ist der Wizard of Oz doch ein wunderbares Stück. Dennoch: Als Vogelscheuche vorgestellt zu werden, und sei es auch dieser wichtige Charakter aus dem Zauberer von Oz, wirkt recht erheiternd.

Nach einem einleitenden Interview las dann Mr Boyle den ersten Part, nachdem er mehrfach Frrrau Boyle erwähnt hatte, seine Frau, die er wohl wirklich „Frau Boyle“ nennt, da sie deutsche Vorfahren hat. Alle lauschten gebannt in diesem riesigen, altehrwürdigen Kinosaal, der insgesamt 1250 Sitzplätze umfasst. Er las wirklich hervorragend – wir waren alle gefesselt von seinem neuesten Roman, in dem er über Timothy Leary erzählt.

Weiter ging es mit „Plauderei“, und irgendwann fragte die Journalistin, ob er uns denn seinen Lieblingsfilm benennen könne. Da kam wie aus der Pistole geschossen: „The Big Lebowski“! Und schon johlten und applaudierten diverse Menschen aus dem Publikum – auch ich, und das zur Überraschung Janas und der sonstigen Sitznachbarn, denn in unserer Ecke war ich wohl die Einzige. 😉

Und was Mr Boyle auch sonst so zu erzählen hatte, begeisterte mich. Mit dem hätte ich mich gern mal unterhalten – er sprach mir in manchen Dingen aus der schwarzen Seele! 😊

Der Schauspieler las dann eine sehr lange Passage aus der Übersetzung – hervorragend gelesen, wunderbare Stimme, wunderbare Betonung. Danach las Mr Boyle noch einmal selbst und auf Englisch.

Und danach konnten wir uns Bücher signieren lassen. Da merkte ich, dass ich etwas vergessen hatte: Ich hatte kein Buch! Dabei werden solche Lesungen doch gerade deswegen veranstaltet, um Bücher zu verkaufen! 😉

Aber einmal mehr muss ich Jana, meine liebenswerte Kollegin, preisen: Sie hatte zwei Exemplare dabei! Eines hatte sie zwar – wie sie sagte – ggf. für ihre Kinder gedacht, aber da diese noch klein seien, im Grunde auch für mich. Ich kaufte es ihr spontan ab, und schon standen wir – und das auch für die nächste knappe Stunde noch – in einer endlos scheinend langen Schlange vor der Bühne. Und lernten einmal mehr, dass kleiner gewachsene Menschen in jedem Falle schon sehr früh eines gelernt haben: sich durchzusetzen! 😉

Denn wir – Jana ist exakt 2 Zentimeter kürzer als ich – standen hinter zwei sehr hochgewachsenen Herren, die jedoch wie festgewurzelt stehenblieben, obwohl von rechts Menschen sich vordrängelten! So etwas macht mich wahnsinnig – und Jana offenbar auch. Es mag daran liegen, dass wir, da kleiner gewachsen, als Kinder und auch später so oft abgedrängt wurden, weil wir eben nicht so groß sind. Man lernt als kleinerer Mensch aber sehr schnell, und während Jana ein wenig eingekeilt dastand, hatte ich bessere Möglichkeiten – und wir wollten doch nicht dort übernachten, oder? 😉 Ich bahnte einen Weg, natürlich diskret, aber nachhaltig, und rasch standen Jana und ich relativ weit vorn.

Und nach über einer Stunde dann auch auf der Bühne. Und schon rückten wir näher, und dann war ich schon dran. Verdammt! Ich hatte mir gar nicht überlegt, was ich sagen wollte! Und ich wollte doch nicht einfach nur schwachsinnig grinsend mein Buch hinlegen und signieren lassen …

Doch schon brach es aus mir heraus, als T. C. Boyle mich aufmerksam anblickte, und ich rief fröhlich: „Good evening, Mr Boyle!“ – „Good evening, young lady!“ Ich lachte. Dann meinte ich: „Thank you very much for this wonderful evening. I was so pleased to learn one of your favourite films is one of my favourite films as well: The Big Lebowski!” Da lachte er und meinte: “Really?” – “Yes – I like the Dude!“ Da meinte er: „You should see O Brother Where Art Thou and Fargo as well if you like the Dude!” Und da lachte ich und rief: “I know and like both films, and I especially love Fargo! Frances McDormand is so brilliant, and I’ll never forget her yelling Aw, Jeez! And everything is so bizarre, nobody’s perfect, and this makes you feel good!” Mr Boyle sah mich an, lachte und meinte, das fände er ja mal total gelungen, und ich hätte einen guten Geschmack. Und was Frances McDormand eigentlich in der Synchronisation sagen würde. Ich sagte: „In the German synchro she always yells Jesses!” – “Does that mean the same as Jeez?” – “Absolutely. In Southern Germany.” T. C. Boyle kniff mir ein Auge zu, ich zwinkerte zurück, und obwohl ich nur eine aus einer nervig langen Reihe war, fand ich das alles prima, zumal er meinte, er glaube, mit mir könne er sich lange über Filme unterhalten. Keiner der zahllosen Leute zuvor hätte so begeistert auf seine Filmvorlieben reagiert. 😉

Ich fand das nett. Halt ein paar freundliche Worte an eine völlig unbekannte Person. Unverbindlich, aber freundlich. Der Abend war definitiv gerettet. Außerdem ist Mr Boyle Anglist – noch etwas, das ich sympathisch finde.

Nun besitze ich das neue Buch von T. C. Boyle, von ihm höchstselbst signiert, habe mich mit ihm persönlich unterhalten und über Filmvorlieben ausgetauscht. Damit hätte ich zu Beginn des Tages nie gerechnet! 😉

Ebensowenig, dass ich ausgerechnet mit T. C. Boyle so einiges gemeinsam haben würde … 😉