Ich bin vorhin aus H., einer der Nachbarstädte, zurückgekehrt, wo ich bei einer Hochzeitsfeier war. Einer meiner Kollegen, Özcan, hat heute seine Verlobte Sevgi geheiratet, und all meine Kolleginnen und ich waren eingeladen.
Von uns allen war ich die Einzige, die überhaupt schon einmal an einer türkischen Feier und Zeremonie teilgenommen hatte, wenn es auch keine Hochzeitsfeier gewesen war, damals in Aachen. Doch dazu später.
Immerhin war ich somit diejenige, die die meisten „Vorkenntnisse“ hatte, auch bezüglich der Geschenkübergabe an die zu Feiernden, die sich sehr von dem, was meine Kolleginnen und ich von klein auf kennen, unterscheidet. Wie sich so einiges unterscheidet.
Ich greife vorweg: Es war eine wunderschöne Feier, auch wenn uns vieles ungewohnt und fremdartig erschien, aber das ist ja nun beileibe kein Hinderungsgrund, etwas schön zu finden. Ich fand es jedenfalls klasse und freue mich sehr, dass ich daran teilnehmen durfte.
Gegen 18:30 h sollte die Trauzeremonie in einem türkischen Festsaal in H. stattfinden. Ich kenne mich – obwohl meine Heimatstadt direkt an H. grenzt – dort nicht wirklich aus, und so musste das Smartphone als Navi herhalten. Um 17:45 h fuhren der kleine Monty und ich vom Hof. Ich kam zügig voran, aber die Strecke, die das Navi mir wies, war nicht mein Favorit, zumal ich über eine größere Distanz über eine komplett unbeleuchtete und einsame Straße fahren musste – war ich in der Walachei gelandet? Ich habe für so etwas ein Händchen … Ausgestiegen wäre ich dort jedenfalls nicht gern, hätte ich eine Reifen- oder Motorpanne gehabt, zumal weder hinter noch vor mir andere Autos fuhren.
Endlich kam das Ortseingangsschild, und ich war froh, wieder in der Zivilisation zu sein, und so nahm ich das 30-Schild am rechten Fahrbahnrand nur peripher wahr. Ich fuhr 55, als ich plötzlich vor mir eine Polizeikontrolle sah. Und schon winkten sie mich an den Rand! Nun ja, es wunderte mich nicht sehr, und doch rief ich: „Scheiße!“
Einer der Polizisten, der, der mich an den Rand gewinkt hatte, machte mir Zeichen, ich solle das Fenster auf der Beifahrerseite hinunterlassen, was ich auch tat und dann schnell meine Brieftasche aus meiner Tasche zog, da ich dachte, man wolle meine Papiere sehen. Doch der Polizist rief entschuldigend: „Tut mir leid – wir müssen das machen! Die Papiere können Sie ruhig wieder wegtun!“ Und schon leuchtete er Montys Innenraum mit einer Taschenlampe ab, während ich rief: „Kein Problem – Sie machen nur Ihre Arbeit!“ Dann musste ich noch den Kofferraum öffnen, der dann auch ausgeleuchtet wurde, wofür sich der Polizist erneut entschuldigte. Ich vergaß, zu fragen, was eigentlich kontrolliert oder gesucht werde, war aber auch froh, dass ich weiterfahren konnte und niemand sagte: „Äääh – einen Moment noch! Sie waren viel zu schnell …“
Ich war nur etwa 500 Meter weiter, als ich schon in die nächste Polizeikontrolle fuhr. Was zum Henker war hier los? Netterweise ließ man mich passieren, und ich bog links ab – wo schon das nächste Polizeiaufgebot wartete. Ich komme ja selber aus einer Stadt, die nicht ganz unproblematisch ist, manchmal zumindest, aber H. scheint – zumindest heute – noch „interessanter“ zu sein. Was war hier los? Rasterfahndung? Razzia? War jemand aus dem Knast ausgebrochen, war ein Schwerkrimineller auf der Flucht? Ich aktivierte lieber die Zentralverriegelung.
Glücklicherweise war ich dann auch bald da und parkte bei einem Einkaufsmarkt, da ich davon ausging, dass direkt vor dem Festsaal die Parksituation eher ungünstig sein würde. Zu Fuß legte ich dann den Rest der Strecke zurück und fand meine Kolleginnen schon im Saal vor. Dann harrten wir der Dinge, die da kommen sollten. Genauer: der Braut. Endlich fuhr der Wagen vor, und Sevgi betrat den Saal bzw. blieb in der Tür stehen. Ihr Kleid musste noch zurechtgezupft und -gerückt werden. Sie sah sehr schön aus und wurde dann von ihrem Vater in den Saal geführt, wo sie von Özcan in Empfang genommen wurde. Zu zweit gingen sie zu einem Tisch vor der Bühne. Kollegin Rita meinte: „Kommt jetzt gleich der Rabbi?“ Wir anderen fingen zu lachen an, und ich meinte: „Rita, wenn ich gleich mitten in der Zeremonie herausplatze, bist du schuld!“ Und sehr gedämpft rief ich: „Rabbi!“ Und ich kniff Rita ein Auge zu. Die lachte auch und meinte: „Verdammt! Klar, Rabbi ist natürlich falsch! Aber ich komme ums Verrecken nicht auf den Namen des muslimischen Pendants – das kann doch nicht wahr sein!“ – „Imam!“ riefen Jana, Steffi und ich, und das unisono und leider einen Tick zu laut. Einige Hochzeitsgäste sahen uns irritiert an, aber Steffi, Jana und ich lächelten gewinnend, und da wurde zurückgelächelt.
Die Zeremonie war dann sehr schön, durchgeführt von einem Imam. 😉 Das Brautpaar wurde eine vor dem anderen gefragt, ob sie aus freien Stücken und ohne Zwang die Ehe eingehen würden, und beide sagten laut: „Evet!“ Also Ja. Und auch die beiden Trauzeugen sagten: „Evet!“ Und wir alle freuten uns und applaudierten.
Danach kam der Brauttanz, und zuvor lüftete Özcan Sevgis Schleier und küsste sie auf die Stirn. Wirklich schön, und es freute mich für die beiden.
Inzwischen wurden die Vorspeisen serviert, und die waren hervorragend. Später gab es das Hauptgericht, Rindergeschnetzeltes mit Reis und Fladenbrot, und das war ebenfalls hervorragend und schmeckte exakt so wie der Gulasch, den meine Mutter kocht. Also sehr gut. 😉
Wir waren alle pappsatt, als Özcan an unseren Tisch kam und besorgt fragte, ob wir denn auch alle hinreichend zu essen bekommen hätten – endlich könne er uns auch begrüßen. Wir versicherten ihm, alles sei hervorragend, und dann standen wir auf, gratulierten ihm, drückten ihn und versicherten ihm, dass es sehr schön sei und wir sehr freundlich fänden, dass er eigens zu uns gekommen sei. „Aber ihr seid doch meine Kolleginnen und immer nett – natürlich komme ich da zu euch! Ich möchte doch, dass es euch gut geht!“ Wir versicherten ihm, es gehe uns sehr gut.
Später gab es dann auch noch Gelegenheit, Sevgi zu beglückwünschen, und wir wurden gedrückt, geküsst und geherzt und drückten, küssten und herzten zurück, kurz bevor Steffi und ich uns verabschiedeten. Sie fror, und ich merkte, dass ich Kopfschmerzen bekam, weil die Musik derart laut war, dass ich sicher war, dass sie mich noch im Traum verfolgen würde. Doch zunächst bestand einer der zahlreichen Fotografen darauf, dass noch ein Foto des Brautpaares mit Özcans sämtlichen Kolleginnen gemacht werde. 😉 Und so bauten wir uns rund ums Brautpaar auf, das in einem Pavillon auf zwei thronartigen Polstersesseln Hof hielt. Wie gut, dass ich mir noch ein neues Kleid gekauft hatte (ja, ich trug ein Kleid! 😉).
Es war ungewohnt, aber wirklich eine wunderschöne Feier. 😊
Den Taki haben Steffi und ich nicht mehr mitgemacht, die feierliche Geschenkübergabe, bei der dem oder den zu Feiernden die Geschenke, meist in Gestalt von Geld, angesteckt werden, während per Mikrophon mitgeteilt wird, wer was bzw. wieviel gegeben habe.
Das habe ich in Aachen einmal miterlebt, als ich zu einer türkischen Beschneidungsfeier eingeladen war, zusammen mit meinem damaligen Freund, Frank. Keine Sorge, die beiden kleinen Jungen, Brüder, waren bereits operiert worden, und die Feier fand einige Wochen danach statt …
Frank und ich waren die einzigen nichttürkischen Teilnehmer der Feier, und wenn wir auch das Prozedere als recht fremd empfanden, fanden wir sehr nett, eingeladen zu sein. Ich erkundigte mich jedoch lieber vorher bei den Eltern des kleinen Ömer und des kleinen Ünal, wie denn so eine Feier vonstattengehe. Harun und Şengül erklärten mir alles, und Frank und ich beschlossen, beim Taki je 25 DM zu geben – wir studierten beide noch.
Als dann unsere beiden Namen mitsamt der Höhe des Geldgeschenks per Mikrophon verkündet wurden, schossen alle Köpfe zu uns herum: „Ali und Frank“ hatten 50 DM gegeben – zwei Männer! In einem Atemzug genannt, als wären sie ein Pärchen! Die Gäste konnten ja nicht ahnen, dass „Ali“ hier kein Männername war … 😉 Schnell sagte ich zu Frank: „Komm, lass uns aufstehen und uns kurz verneigen, denn ich habe den Eindruck, dass hier gerade ein Missverständnis entstanden sei!“
Gesagt – getan. Und da lächelten uns alle zu. Als mich hinterher jedoch jemand ansprach und sich darüber wunderte, dass ich „Frank“ hieße, was er immer für einen Männernamen gehalten hatte, wurde mir klar, dass noch immer ein Missverständnis vorzuliegen schien … 😉
Wie auch immer: Eine schöne Feier war es heute – aber meine Ohren klingen noch immer von der (zu) lauten Musik. Nun ja – ich werde es sicher überleben. 😊