Im Tierpark

Da ich Tiere sehr liebe, halte ich mich auch gern in ihrer Nähe auf und sie sich vice versa offenbar auch gern in meiner. Daher besuche ich auch Tierparks durchaus gern, und im Zuge meiner Eselsbrücken-„Abhandlung“ fiel mir plötzlich ein Jahre zurückliegender Besuch des Aachener Tierparks zusammen mit meinem guten Freund Fridolin wieder ein. Ein sehr abwechslungsreicher Besuch dieses Tierparks, der keineswegs als Zoo durchgeht, obwohl es dort sogar Erdmännchen gab und hoffentlich noch immer gibt.

Es war ein Sonntag, und irgendwann vormittags rief Fridolin mich an und meinte: „Hättest du Lust, mit mir in den Tierpark zu gehen?“ Ich rief: „Ja!“ Und kurz darauf fuhr auch schon Fridolins weißer Suzuki-Kleintransporter vor, in dem man sich immer wie in einer Konservenbüchse fühlte. 😉 Seine Firma war damals noch am Anfang – inzwischen fährt er andere Autos. 😉

Am Eingang des Tierparks kaufte ich vorsorglich drei Tüten Tierfutter, obwohl Fridolin meinte, ich würde wohl übertreiben. Ich lächelte nur – Fridolin war noch nie mit mir im Tierpark gewesen. 😉

Es ging harmlos los. Unser erstes Ziel der Enten- und Gänseteich, wo ich bereits einen kleinen Teil des Futters loswurde. Als eine große Kanadagans auf mich zu eilte, die sehr zahm wirkte, gab ich ihr das Futter von der Hand. Man musste die Körner, aus denen es bestand, nur auf die flache Hand legen – schon kam die Gans heran, legte ihren Schnabel flach auf die Hand und fraß sehr vorsichtig das Futter auf. Reizend. 😊

Wenige Meter neben uns tauchte ein Pärchen auf, das Mädel mit einer Kamera in der Hand, der junge Mann mit einer Tüte Tierfutters. Und die Frau meinte: „Los, Thorsten, ich will Fotos machen, wie du eine der Gänse fütterst!“ Thorsten spurte, und an Gänsen, die gefüttert werden wollten, gab es keinen Mangel. Doch die junge Frau fügte noch hinzu: „Aber nicht einfach hinstreuen – füttere die Gans mit der Hand, so wie die Frau da!“ Sie meinte mich. 😉

Thorsten ging in die Knie und streute sich Futter auf die ausgestreckte Hand. Eine der Kanadagänse, die ziemlich große „Brocken“ sind, nahte unverzüglich und machte bereits Anstalten, das Futter von Thorstens Hand zu nehmen. Doch da sprang Thorsten auf und rannte einige Meter weit weg! Die Gans staunte. Die andere Gans kreischte: „Thorsten! Verdammt nochmal! Was soll das? Warum rennst du weg? Los! Nochmal!“

Und Thorsten begab sich erneut in die Knie. Die Gans näherte sich. Und es passierte das Gleiche wie zuvor … Ein dritter Versuch scheiterte desgleichen, und Thorstens Freundin kreischte: „Wo ist das Problem? Du sollst einfach nur diese doofe Gans füttern, damit ich ein Foto machen kann, wie du die Gans fütterst!“ – „Aber … Ich habe Angst!“ – „Mein Gott! Angst! Die Frau da [ich war gemeint] macht das doch auch ohne Problem, und die ist viel kleiner als du!“

Da mir Thorsten leid tat, und das nicht nur wegen der Kanada-, sondern auch der anderen „Gans“, erhob ich mich, und Fridolin und ich gingen weiter, zunächst verfolgt von einer Graugans, die mit unserem spontanen Aufbruch und der damit abrupt abgebrochenen Fütterung so gar nicht einverstanden war. Ich musste rennen, da sie mich empört schreiend und flügelschlagend verfolgte …

Vorbei am Nandu-Gehege, an dessen Zaun Schilder standen, die darüber informierten, dass die Nandus nicht nur bissen, sondern auch stahlen! 😉 Vorbei an den Emus, die aussahen, als wäre ihr „Designer“ im Drogenrausch gewesen, als er ihre „Frisuren“ kreierte. Am Gehege der Helmkasuare blieben wir stehen.

Helmkasuare sind große, flugunfähige Vögel, Laufvögel, die eine absurd wirkende Hornplatte vertikal auf dem Schädel haben, weswegen sie ohnehin etwas albern aussehen. Dieser zutrauliche Geselle, der ganz dicht ans Gitter kam, verfügte obendrein auch noch über eine recht intensive und bunte „Gesichtskolorierung“. Wirklich leuchtende Farben, die dem ansonsten eher hässlichen Vogel eine gewisse Attraktivität verliehen. Ich vermutete, dass er wohl sogar im Dunkeln leuchte. Fridolin meinte: „Guck mal, Ali, wie überschminkt! Naja, manche meinen wohl auch, dass sie dadurch attraktiver wirkten!“ Und er lachte laut.

Neben uns ertönte: „Frechheit!“ Als wir hinsahen, standen da Thorsten und seine Freundin, die sich wohl angesprochen gefühlt hatte. Zu Recht, denn sie war dermaßen geschminkt, als stünde sie auf einer Theaterbühne. 😉 Und so meinte ich: „Entschuldigung, aber er meinte den Vogel. Also – diesen hier!“ Als hätte es mehrere Vögel zur Auswahl gegeben … Doch ich deutete auf den Helmkasuar, der prompt nach meiner Hand schnappte. Fridolin zog mich lieber weg, und wir passierten recht schnell das Gehege mit den Sattelschweinen und steuerten den  „Kinderbauernhof“ an.

Aaah! Das war etwas für mich, denn den „Kinderbauernhof“ durfte man betreten. Esel, Ziegen, Hühner, Enten und Gänse lebten dort. Sofort öffnete ich das Gatter und betrat den „Kinderbauernhof“, das Gatter hinter mir sorgfältig verschließend. Da ich meine Futtertüten noch immer in der Hand hielt, trat gleich sehr aufmerksam ein Esel auf mich zu, den ich auch sofort fütterte und dann seinen Hals klopfte. Staubschwaden stiegen auf, und ich musste mehrfach niesen. Und so sagte ich lachend zu dem Esel: „Was für eine Mogelpackung! Du bist gar kein Esel – du bist ja ein Schwein!“

Der Esel schien zu überlegen und interpretierte das Gesagte als Beleidigung, und zur Strafe versetzte er mir einen massiven Schubser mit seinem Kopf, so dass ich Mühe hatte, mich auf den Füßen zu halten und mich etliche Meter weiter entfernt vom Esel wiederfand. Lektion gelernt: Beleidige niemals einen Esel – das sind sehr sensible und intelligente Tiere! Dieser hier war so sensibel, intelligent und gekränkt, dass er sich auch nicht mehr umstimmen ließ, sondern mir nur noch die Kehrseite zuwandte. Seitdem bin ich bei Eseln stets vorsichtig – offenbar verstehen sie mehr, als man gemeinhin annehmen würde. 😉

Schnell gingen wir zu den Erdmännchen und Luchsen. Vor dem Luchsgehege stand ein junger Vater mit seinem kleinen Sohn. Der Kleine rief laut und begeistert: „Kuckma, Papa – Löwen!“ – „Das sind keine Löwen – das sind Luchse!“ – „Nein! Löwen!“ beharrte der Kleine. Der Vater tat erneut sein Bestes, dem Kleinen zu erklären, dass dies keine Löwen, sondern Luchse seien und damit erheblich kleiner. Davon wollte der kleine Junge aber gar nichts wissen, und es endete damit, dass er sich schreiend auf den Boden warf und darauf beharrte, dass die Luchse Löwen seien! 😉

Und weiter ging es, Richtung Waschbären- und Polarfuchsgehege. Die Polarfüchse trugen ihr Winterfell ganz in Weiß, und sie lagen allesamt auf einem Haufen, schliefen und sahen süß aus. Man sah hauptsächlich weiß – bis auf die schwarzen Näschen. Nebenan im Waschbärengehege hingegen war es weniger süß. Denn einer der Waschbären hing am Gitter, hatte wohl etwas klettern wollen, und das möglichst ungestört. Aber ein alter Herr, der wohl mit seinem Enkelsohn im Tierpark war, fand es wohl witzig, den noch relativ kleinen Waschbären mit seinem Spazierstock zu sekieren. Keine Ahnung, was er damit erreichen wollte, aber mich packte der kalte Zorn, als ich sah, wie er mit dem Spazierstock wieder und wieder den Waschbären piekte, und das nicht einmal vorsichtig. Der Waschbär hing da hilflos am Gitter, versuchte ebenso hilflos, die Attacken abzuwehren, was aber nicht gelang. Und da platzte mir der Kragen! Ich rief: „Ja, toll und so mutig, eingesperrte Tiere zu quälen! Was soll das? Lassen Sie sofort den Waschbären in Ruhe!“ – „Was geht Sie das an? Der Waschbär gehört Ihnen nicht! Dumme Pute!“ – „Ihnen auch nicht! Und was wollen Sie damit sagen? Dass man Lebewesen, die einem ‚gehören‘, ruhig quälen darf? Was für ein Vorbild sind Sie eigentlich für Ihren Enkel – das ist ja echt peinlich!“

Fridolin zog mich schnell weiter, aber im Weggezogenwerden sah ich noch, wie Opa und Enkel ihrerseits hastig weitergingen. 😉 Wenigstens hatte der Waschbär nun seine Ruhe.

„Warum zerrst du mich eigentlich weg? Bin ich dir peinlich?“ fragte ich Fridolin. „Nein. Du hattest recht, aber der Alte ging mir auf den Keks. Der wurde dir gegenüber ja auch noch frech. So ein Blödmann!“

Da ich noch eine ganze Tüte Tierfutter übrig hatte, ging es zum Ziegengehege, und die Ziegen – eine Tierart, die ich auch sehr mag – wurden mit viel Hingabe gefüttert. Nur war ich kurz abgelenkt, und da riss mir einer der frechen Paarhufer die Tüte aus der Hand! Ich griff danach, aber die Ziege zog, als ich die Tüte beinahe erreicht hatte, ihren Kopf ein wenig zurück, so dass ich so gerade eben nicht mehr heranreichte. Das geschah mehrfach, und hilflos musste ich mitansehen, wie die Ziege gleichmütig das Futter mitsamt der Tüte fraß … 😉 Zum Glück war es eine Papiertüte.

Danach wurden wir durch lautes und durchdringendes Eselgeschrei angelockt. Genauer: zum Stall, in dem die Esel die Nacht verbrachten. Ein einsamer Esel stand darin, der laut schrie. Da gerade ein Pfleger in der Nähe war, fragte ich, was es mit dem offenkundigen Protestgeschrei des Esels auf sich habe.

Der Pfleger lächelte und meinte: „Das ist unsere Lotti. Sie steht im Stall, weil sie trächtig ist und kurz vor der Niederkunft steht. Es ist ihr erstes Fohlen, und da dachten wir, dass es sicherer sei, wenn sie im Stall stehe. Wahrscheinlich vermisst sie ihre Kollegen, aber wir haben ihr extra eine Ziege in den Stall gestellt, damit sie nicht so einsam ist.“

Nun, offenbar erfüllte die Ziege nicht die Anforderungen, die die arme Lotti an ihre Umgebung stellte und daraufhin laut und eselartig penetrant schrie. Ich blieb am Stall stehen und sprach mit dem unglücklichen Esel, der daraufhin die bis dato angelegten langen Ohren aufstellte, nach vorn klappte und sich zu mir umdrehte. Da war jemand, der sich für sie, Lotti, interessierte! Und sie lauschte gebannt.

Ich sprach etwa fünf Minuten zum Esel, dann wandte ich mich zum Gehen, da Fridolin ungeduldig wurde. Doch kaum wandte ich mich zum Gehen, legte Lotti erneut die Ohren an und erhob wieder ihr Wehgeschrei. Wir blieben fünf weitere Minuten …

Und unter den klagenden Schreien der armen Lotti eilten wir gen Ausgang. Kaum waren wir draußen, meinte Fridolin: „Was für ein ereignisreicher Nachmittag! Ich hatte mir das Ganze ruhiger vorgestellt, aber so war es viel interessanter. Verfolgt von einer Gans, eine Frau vermeintlich beleidigt, du wirst von einem Esel quer durchs Gelände katapultiert, Löwen, die eigentlich Luchse sind, und dann schreist du diesen doofen Opa an … Nicht zu vergessen die diebische Ziege. Und zum Schluss noch die gelangweilte werdende Eselmutter. Ein schöner Nachmittag und ganz und gar nicht langweilig. Das sollten wir öfter machen!“ 😉

Ich war danach noch einmal mit Fridolin in einem Zoo, einem echten. Aber im Tierpark in Aachen war es doch erheblich spannender. 😉

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