Der perfekte Mohnkuchen

Ja, ich weiß, dass es nichts von Menschenhand Geschaffenes gibt, das perfekt wäre. 😉 Bis auf den Weihnachtsstollen und den Mohnkuchen meiner Oma, genauer: alles, was man aus Hefeteig und Mohn zubereiten kann. Also Mohnkuchen, Mohnstriezel, Mohnstrudel (den dann natürlich aus handgefertigtem Strudelteig), Mohnplätzchen – jegliches Gebäck aus Mohn.

Gleiches galt und gilt für Streuselkuchen, Pflaumen- und Quarkkuchen (nein, ich meine keine Käsesahnetorte, sondern einen Blechkuchen auf Hefeteigbasis mit einem Belag aus Quark, Rosinen und leicht zitroniger Note). Nie wieder habe ich solchen Kuchen bekommen, seit meine Oma nicht mehr selber kochen und backen konnte. Dabei waren Pflaumen- und Quarkkuchen noch die einfacheren Gesellen, und auch meine Mutter kann sehr gut kochen und backen, tendiert aber dazu, ihr Licht allzu sehr unter den Scheffel zu stellen, so dass man als unbeteiligter Dritter irgendwann selber daran glaubt, das von ihr Geschaffene, das eigentlich immer sehr gut schmeckt, könne gar nicht wirklich gut sein. Ich habe das von ihr geerbt …

Richtig heikel aber ist Mohnkuchen. Ich muss jedoch sagen, dass in der Tat jegliches Backwerk, das Mohn enthielt und von meiner Oma angefertigt worden war, das beste war, das ich je gegessen habe. Mohn war und ist eine Art Heiligtum in meiner Familie mütterlicherseits, und kam die weiterläufige Verwandtschaft Omas zusammen, gab es nicht selten Diskussionen darüber, wie mit Mohn in seiner Verarbeitung zu Gebäck optimal zu verfahren sei.

Die einen schworen darauf, ihn zu mahlen. Gott behüte, riefen die anderen, denn Mohn dürfe nur gequetscht werden, bevor man ihn zügig weiterverarbeite. Eine dritte Partei war dafür, ihn erst grob zu quetschen, dann sicherheitshalber noch einmal zu mahlen, und das gaben sie mit derartiger Inbrunst kund und zu wissen, dass in mir als kleinem Mädchen immer Mitgefühl mit dem ölhaltigen Saatgut aufkam. In einem waren aber alle einig: Nie, niemals ein vorbearbeitetes Fertigprodukt kaufen! Mohn wird so leicht ranzig, und es wusste ja auch niemand, ob der Mohn nicht vielleicht in eine angeranzte Mühle geworfen worden war, in der er so ganz ohne Liebe und echte Verve kurz und klein gemahlen wurde … Man kann mit Mohn so viel falsch machen! 😉

Bei Oma wurde der Mohn gequetscht, es wurde großer Aufwand betrieben, aber das Ergebnis gab ihren Mühen immer Recht, und bis heute betrachte ich gekauften oder anderweitig gebackenen Mohnkuchen immer mit einem gewissen Argwohn. Ich bin wirklich nicht heikel oder gar zickig, was Essen anbelangt, aber hier ist das anders, ähnlich wie mit Weihnachtsplätzchen. Da bin ich wirklich verwöhnt worden und daher sehr heikel. Meine eigenen Machwerke, die ich bis dato als Plätzchen angefertigt habe, habe ich stets verschämt verklappt, da sie einfach nur grauenhaft waren. Die einzigen Weihnachtsplätzchen, die mit denen gleichwertig waren, die ich von klein auf kannte, brachte mein ehemaliger Kollege Chuck vor Weihnachten mit – von seiner Mutter gebacken. Die waren genauso gut wie die, die ich von klein auf gewohnt war, und mein Favorit waren diejenigen, die ich unter der Bezeichnung „Spitzbuben“ von klein auf kenne: die mit einer Füllung aus Himbeergelee. Wann immer Chuck Weihnachtsplätzchen mitbrachte, waren die „Spitzbuben“ sogleich verschwunden, und das zwischen meinen Kauleisten. 😉

In der Kantine meines Arbeitgebers gibt es auch Mohnkuchen. Eine Kollegin schwärmte mir eines Tages davon vor, und so kaufte ich mir einmal ein Stück, obwohl mich schon irritierte, wie dick die „Mohn“schicht war. Meine Oma sparte nicht mit Mohn, der stets angemessen dick und großzügig im jeweiligen Gebäck zu finden war, aber die Schicht in diesem Kuchen war so fett und unappetitlich hellgrau, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Ich war jedoch eingelullt und kaufte wie ferngesteuert das Stück dieses „Mohnkuchens“. 😉

Kaum probiert, war ich entsetzt und fragte: „Was haben die mit dem Mohn veranstaltet – was ist das überhaupt für eine pappige Masse?“ – „Ja, so ist Mohn nun einmal!“ – „Nee. Da hat jemand ein halbes Fuder Vanillepudding mitverarbeitet – das ist doch kein Mohnkuchen!“ Meine Kollegin verstand nicht, was ich zu meckern hatte … 😉 „Das ist Vanillepudding mit ein paar Mohnsamen drin!“ – „Also, ich mag den – das ist der beste Mohnkuchen überhaupt!“ – „Das ist Kuchen mit etwas Mohn drin, aber doch kein Mohnkuchen! In einem richtigen Mohnkuchen hat man eine schöne, schwarze Schicht aus Mohn und ohne diesen ekligen Pudding! Und den Mohn muss man quetschen und dann mit Milch und Butter aufkochen, bis das Ganze eine homogene Masse ergibt!“ Ich hatte die frühkindlichen Mohnlektionen hervorragend verinnerlicht, und theoretisch machte mir in dieser Beziehung keiner was vor! 😉

Praktisch habe ich mich jedoch noch nie an einem Mohnkuchen versucht, käme jedoch nie auf die Idee, das Ganze mit Vanillepudding zu strecken – behüte! Das wäre Frevel und quasi eine Gotteslästerung. 😉

Vielleicht sollte ich es einfach mal selbst versuchen. Was mich daran hindert, sind mehrere Dinge: A) Ich backe generell nicht gern, b) habe ich immer vor Augen, wie angespannt meine Mutter, die wirklich gut kochen und backen kann, immer war, wenn sie einen Mohnkuchen oder -striezel anfertigte, vor allem, wenn meine Oma anwesend war, c) backe ich nicht gern. Ach, hatte ich das schon erwähnt? 😉

Überhaupt schmeckt Mohn – sofern gut verarbeitet – sehr gut, ist aber total unpraktisch: Man muss sich danach grundsätzlich etwa dreimal die Zähne putzen, weil man beim ersten und zweiten Mal trotz großer Gründlichkeit und peniblen Spülens nicht alle Mohnfitzel erwischt hat. Daher mein Tipp: Mohnprodukte – ähnlich wie Thunfischbaguettes – immer nur dann essen, wenn ihr nicht mehr in die Öffentlichkeit geht oder gar ein Date habt. Oder nur mit geschlossenem Mund lachen. Aber man wirkt dann so verkniffen … 😉

Und ansonsten: Immer nur quetschen. Nicht mahlen. Und niemals ein Fertigprodukt verwenden! 😉

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