„Is‘ mir doch egal …“

Ich gebe zu, ich hatte in der letzten Zeit recht viel zu tun, weswegen ich meinen neuen Mobilfunk-Vertrag bisher auch noch nicht aktiviert hatte, was ich jedoch heute Abend nachgeholt habe, und das auf interessante Weise … Aber es ging alles gut aus. 😉

An meinem Geburtstag Anfang des Monats hatte ich den neuen Vertrag abgeschlossen bzw. beantragt, auch kurz darauf meine neue SIM-Karte bekommen, zusammen mit anderen Anweisungen, deren Befolgung nicht nur die Aktivierung meines neuen Vertrages, sondern auch die Zusendung meines neuen Smartphones in Zartviolett – welches sich offiziell blau/lavendel nennt – betraf. Aber ich war bisher wirklich nicht dazu gekommen. Und wenn Zeit war, habe ich nicht daran gedacht, weil andere Dinge vorgingen.

Gestern, mitten in einer Besprechung, rief der Mobilfunk-Provider mich auf dem Handy an (zumindest war die Rufnummer später, nachdem ich sie weggedrückt hatte, meinem Provider zuzuordnen). Aber es war ein ganz schlechter Zeitpunkt. Wahrscheinlich wollten sie nachfragen, ob ich noch lebte, und ich pappte einen Zettel an den Monitor meines Arbeits-PC: „Dringend Mobilfunk-Provider anrufen!“ Aber auch heute kam ich in der Mittagspause nicht dazu, und so rief ich nach Feierabend an, als ich bereits zu Hause war.

Zunächst hörte ich mir mehrfach die aufmunternden Werbejingles an, und dann erzählte mir eine Computerstimme, stichprobenartig und zu Schulungszwecken würden manche Gespräche aufgezeichnet. Sollte ich damit einverstanden sein, müsse ich nur ja sagen.

Ich bin keine Jasagerin, und so schwieg ich, als man – offenkundig – mit einem Ja meinerseits rechnete. Ich schwieg – und flog prompt aus der Leitung. Okay! Botschaft angekommen!

Ich rief erneut an, und an der Stelle, da man seine Zustimmung zum Gesprächsmitschnitt geben muss, sagte ich fröhlich und laut: „Ja!“ Sofort wurde ich durchgestellt!

Und es meldete sich ein junger Mann, den ich aufgrund der monotonen Art und Weise, in der er sprach, für einen Automaten hielt. Recht schnell jedoch war mir klar: „Der ist echt!“ Und schon sprudelte ich los …

Der junge Mann wirkte völlig demotiviert, als er nach meiner Auftragsnummer fragte, die ich leider nicht direkt vor mir liegen hatte, weil im Schreiben meines Providers gestanden hatte: „Halten Sie die letzten vier Ziffern Ihrer Festnetz-Kundennummer zur Hand!“ Die hatte ich nicht nur zur Hand – die lagen direkt vor mir, mitsamt letzter Rechnung! Und da werde ich nach der Auftragsnummer gefragt, die zwar auch in meiner Nähe lag, die ich jedoch erst einmal aus dem Provider-Kuvert fingern musste, und so sagte ich: „Fängt schon gut an! Ich könnte Ihnen aus dem Effeff meine Kundennummer nennen, die Sie aber wohl nicht wollen oder brauchen. Einen Moment bitte – ich beeile mich.“ – „Ehrlich gesagt: Is‘ mir völlig egal, wie lange Sie brauchen! Ich habe noch 23 Minuten bis Feierabend!“ – „So lange wird es nicht dauern – da ist sie ja schon!“ Und schon schmetterte ich dem freundlichen jungen Mann die von ihm geforderten Ziffern entgegen.

„Da fehlt noch eine Ziffer …“ kam von ihm, und ich rief: „Sorry, klar – die 1! Tut mir leid, dass ich Sie jetzt noch aufhalte.“ – „Also, im Grunde ist mir das egal – Sie können machen, was Sie wollen. Bis 20 Uhr, denn da habe ich Feierabend.“

Da wurde es mir doch etwas zu doof, und ich sagte, und das ganz bewusst in Ruhrgebietsakzent: „Na, Sie sind mir ja’n Hääaazken! Ich rufe Sie freundlich an, und Sie erklären mir dauernd, dass Ihnen eh alles scheißegal sei! Ich nehme an, Ihr Chef steht nicht direkt hinter Ihnen? Oder hat man Sie gefeuert, und Sie müssen noch den Rest der Schicht ableisten?“ – „Äh, nein, ich wollte eigentlich nur sagen …“ – „Machen Sie sich keine Mühe! Ich verstehe Sie sehr gut! Publikumsverkehr ist bisweilen anstrengend – dafür habe ich Verständnis. Ich bin ja auch sicher nicht die bequemste Anruferin kurz vor Feierabend – ich hatte die falsche Nummer bei der Hand und stelle blöde Fragen. Und mir ist klar, dass Sie sicherlich schon einiges hinter sich haben, heute.“

Da taute der junge Mann auf. „Sie verstehen mich?“ – „Ja, ich habe auch mit Publikumsverkehr zu tun, und das ist nicht immer einfach.“ – „Danke! Ich hatte heute einen echten Scheißtag! Tut mir leid, dass Sie das nun getroffen hat – dabei sind Sie nett, und das waren beileibe nicht alle Anrufer. Ein großer Teil das genaue Gegenteil.“ – „Ich kann Sie sehr gut verstehen. Sie sollten sich trotzdem etwas zusammenreißen – Sie klangen zu Beginn unseres Telefonats etwas … wie soll ich das sagen … naja … gleichgültig, und das ist euphemistisch ausgedrückt. Ich fühlte mich alles andere als willkommen.“ – „Sind Sie ein Testanruf?“- „Nee, ich bin ganz echt – seien Sie froh!“ – „Ja, das bin ich jetzt wirklich.“ – „Wie gesagt: Ich verstehe Sie wirklich gut, aber lassen Sie sich Ihre Genervtheit nicht anmerken. Klar: Den Letzten beißen die Hunde – aber im Zweifel kann der Letzte nichts dafür.“

Der junge Mann taute noch mehr auf, und er meinte: „Es tut mir leid, dass ich so arschig war, zu Anfang des Gesprächs. Sie sind wirklich nett, und wenn Sie die letzte Anruferin für die heutige Schicht sind, habe ich es wohl gut getroffen.“ – „Danke. Wenn wir bis 20 Uhr sprechen, bin ich die letzte Anruferin für Sie. Ich kann Ihnen gern noch ein paar Fragen stellen …“ – „Au ja, gern.“ – „Ich habe tatsächlich noch ein paar Fragen zu meinem neuen Vertrag …“ – „Gern!“

Zwar konnte er mir meine Fragen nicht beantworten, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet, denn mir war klar, dass er mir meine neue Handynummer nicht mitteilen konnte. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man angerufen und zum Teil nicht nett behandelt wird. Es ist ja nur eine anonyme Stimme … Und man hat ja Anspruch auf bevorzugte Behandlung, ganz egal, wie arschig man sich benimmt … 😉

Und so half ich, die Zeit bis zum Feierabend zu überbrücken, und der junge Mann wurde immer fröhlicher. Zum Schluss sagte er: „So, von jetzt an wird das Gespräch nicht mehr mitgeschnitten. Ich danke Ihnen – das war ein sehr nettes Telefonat. Ich dachte erst, …“ – „ … dass die dusselige Kuh nicht einmal die richtige Nummer zur Hand habe! Tut mir leid – Ihr Auftraggeber hatte mir die falsche Nummer im Anschreiben genannt.“ – „Ja, glaube ich Ihnen auch. Sie waren ja ansonsten total fit und wirklich nett und schnell. Erlebe ich auch nicht immer.“ – „Glaube ich Ihnen. Kopp hoch, auch wenn der Hals dreckig ist! Und nicht so lustlos wirken.“ – „Ja, ich weiß. Tut mir leid – Sie waren echt cool!“ – „Ich bin gar nicht cool.“ – „Doch. Heute waren Sie es auf alle Fälle. Danke.“

Ja, das war doch nett. Da werde ich angerotzt mit: „Is‘ mir doch egal!“ Und dann ergibt sich ein nettes Gespräch, in dessen Verlauf ich einen jungen Mann davor bewahre, vor Feierabend noch mit echten Schnarchnasen sprechen zu müssen … 😉

Mir hingegen merkt man inzwischen an, dass ich bisweilen Publikumsverkehr, auch via Telefon, habe, denn als meine Schwester Stephanie mich kürzlich anrief, meldete ich mich mit meinem Nachnamen, den ich ins Telefon säuselte und kurz danach hinterhersäuselte: „Was kann ich für Sie tun?“ 😉 Es hat sich mir wohl eingebrannt … 😉

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