Es geht doch nichts über charmante Männer …

Vorgestern war mal wieder einer jener Tage, an denen man sich denkt: „Warum bin ich nicht einfach im Bett geblieben! Ach, ja – da war doch was …“

Ja, genau. „Was“ nennt sich sozialversicherungspflichtige Werktätigkeit, und da ich nunmehr auf einer Stelle sitze, die mir – wenn ich mir ihr Spektrum irgendwann komplett angeeignet habe – sehr gefällt, zumal ich mit vielen Menschen arbeite, quasi als Dienstleisterin, fahre ich durchaus gern zur Arbeit, denn es handelt sich um eine Aufgabe, die mir wirklich Freude macht.

Bei der Arbeit war es prima, wenn auch ziemlich warm, und nur meine blöden Schultern trübten das Gesamterlebnis, denn die tun nach wie vor spätestens nach vier Stunden so weh, dass ich mich stets frage, ob es nicht irgendwo Ersatzteile gebe – zur Not auf dem Schwarzmarkt. 😉 Doch zum Glück beginnt am kommenden Freitag meine Krankengymnastik inklusive Traktionsbehandlung. Da das vom lateinischen Verb trahere kommt, was soviel wie ziehen bedeutet, habe ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben, vielleicht doch noch die 1,70-m-Marke vom Scheitel bis zur Sohle zu erreichen … 😉 Hoffentlich zieht man recht tüchtig an mir. 😉

Als mir mein Orthopäde sagte, dass „Streckübungen“ gemacht werden würden, rief ich freudestrahlend: „Super! Seit ich dieses akute Schulterproblem habe, habe ich meine Kollegin schon mehrfach gefragt, ob sie nicht zufällig eine Streckbank zur Hand habe oder mal an mir ziehen könne. Offenbar merkt man doch selber, woran es fehlt.“ – „Ja, das stimmt – aber so schlimm wie mit einer Streckbank wird es sicherlich nicht, keine Sorge!“ – „Ich mache mir keine Sorgen – ich möchte einfach diese Scheißschmerzen loswerden – ich warte nun seit geraumer Zeit auf das erlösende Knacken, das die Verspannung löst. Aber da kommt nichts!“ Daraufhin meinte er: „Verständlich. Wir sollten uns allerdings auch noch einmal Ihre Rotatorenmanschetten genau ansehen – die Röntgenbilder legen nahe, dass Sie ggf. unter einem Impingement-Syndrom leiden oder ein solches erleiden könnten.“ – „Sie haben freie Hand – Hauptsache, diese Schmerzen gehen weg, denn die machen mich bald wahnsinnig!“ – „Sie gehen jetzt erst einmal zur Physio, und dann sehen wir weiter, ob das ohne OP zu händeln ist.“ – „Wie – OP?“ – „Ja, möglicherweise, aber wir bzw. Sie fangen jetzt erst einmal mit der Physio an. Gibt es in Ihrer Familie jemand mit dem Impingement-Syndrom?“ Ich holte tief Luft und sagte: „Danke, Papa …“ – „Ah, alles klar. Liegt wohl bei Ihnen in der Familie.“  Ja, fand ich auch total rührend … 😉

Meine Stimmung bei der Arbeit verschlechterte sich in dem Maße, wie meine Schultern ihre Sperenzchen steigerten. Trotzdem blieb ich nach außen fröhlich, und nachdem ich alles, was ich hatte erledigen wollen, erledigt hatte, schnappte ich meine Sachen, eilte gen Mitarbeiterparkplatz und stieg in den Backofen, den ich gemeinhin als Auto bezeichne. Verbrannte mir die sensiblen Fingerchen („Frau B., haben Sie auch schon Taubheitsgefühle in den Fingern, die durch Ihre angegriffenen Bandscheiben und mutmaßliches Impingement-Problem ausgelöst sein könnten?“ Danke, Herr Dr. L., dass Sie mir noch weitere unschöne Symptome nannten, von denen ich bis dato nichts ahnte … 😉 ), zuerst am Lenkrad, dann am Schalthebel. Wie gesagt: Backofen …

Einkaufen musste ich auch noch, und so fuhr ich zu einem Discounter in der Nähe. Ich brauchte unter anderem Mineralwasser (natürlich das mit Kohlensäure und nicht etwa medium). Warum – so fragte ich mich – lagert man bei diesem Discounter die 1,5-Liter-Flaschen des sprudelnden Mineralwassers im obersten Regal? Nicht nur, dass meine Bandscheiben, Rotatorenmanschetten und damit Arme einmal mehr Arien sangen, nein. Zu allem Überfluss stürzte auch noch eine 0,5-Liter-PET-Flasche mit Malzbier unerwartet auf meinen linken Fuß. Von ganz oben. Die hatte wohl dort gelegen, wo ich sie mit meinen – noch! – 1,65 m nicht hatte sehen können, nachdem ein Kunde, der zu faul gewesen war, sie dorthin zurückzustellen, wo all die anderen PET-Malzbierflaschen standen, klammheimlich neben die großen Mineralwasserflaschen gelegt hatte. Merkt ja keiner. Nicht wahr? 😉

Als die Flasche auf meinen linken Mittel- und Vorderfuß prallte, um dann davon zu reflektieren – der Einfallwinkel entspricht dem Ausfallwinkel – und danach gewissermaßen mit Effet auf die Zehen zu knallen, erlebte ich einmal mehr einen jener Momente, in denen man erfährt, dass simultanes Lachen und Weinen durchaus möglich ist. Inklusive Fluchen, denn das tat ich, und das nicht nur innerlich. Es tat aber auch wirklich heftig weh, und heute musste ich entdecken, dass sich einer meiner Zehennägel blau verfärbt hat. Ich warte also nun darauf, dass er schwarz wird – es führt kein Weg daran vorbei. Immerhin spare ich so den Nagellack. 😉

Nicht allerbester Stimmung fuhr ich nach Hause, die Kupplung mit größerer Vorsicht händelnd – oder heißt das in diesem Falle füßelnd? –, denn mein linker Fuß schmerzte aufs Possierlichste, ergatterte den vorletzten freien Parkplatz, parkte ein, stieg aus dem Auto und schlug die Fahrertür zu. Dann streckte ich mich erst einmal, um im nächsten Moment vor Schreck gefühlt einen Meter hochzuspringen! Denn ich war unerwartet angesprochen worden, nachdem ich mich ganz allein gewähnt hatte.

Und ich drehte mich um. Erneut erfolgte die unerwartete Ansprache: „Miau!“ Da stand eine Katze, wie aus dem Boden gewachsen!

Sofort waren alle Misshelligkeiten vergessen. 😊 Und ich ging in die Knie und säuselte mit leicht erhobener Stimme: „Was bist du denn für eine süße Kitty?“ Die „Kitty“ kam näher, sehr nah und dengelte ihren Kopp gegen meinen linken Arm. Wäre ich mit Katzen nicht vertraut, hätte ich es fast für eine gewaltsame Aktion gehalten, denn es geschah recht kraftvoll. 😉 Dabei schnurrte das Tier so laut, dass es fast ein vorüberfahrendes Auto hinter uns übertönte. Und es umkreiste mich, dass es enger kaum ging, schnurrte so sehr, dass es wie ein Nähmaschinenmotor klang und knallte alle paar Zentimeter seinen Kopp gegen mich. 😊

Als es rechts an mir vorbeistrich, sagte ich: „Oh! Ich sehe gerade, du bist gar keine ‚Kitty‘! Du bist ja ein ‚Tom‘! [Von tomcat, dem englischen Wort für Kater. 😉]“ Das Schnurren wurde daraufhin noch intensiver, und mit besonderer Verve knallte das Tier seinen Kopf gegen meinen rechten Unterarm.

Knapp zehn Minuten verharrte ich so in Hockstellung, umkreist von dem freundlichen Tier. Es mag bescheuert wirken, dass ich da so lange ausharrte, aber ich liebe Tiere sehr, und es ist für mich immer ein Kompliment, wenn sie zeigen, dass sie mich offenbar als vertrauenswürdig und sympathisch einstufen. (Mein Ex Giacomo meinte vor einiger Zeit mal: „Mit Ali spazieren zu gehen, ist bisweilen eine echte Herausforderung. Garantiert kommt auf dem Spaziergang von irgendwo eine Katze her. Oder ein Hund. Und dann hängt man erst einmal eine Weile fest, weil die Tiere sie so begeistert begrüßen, dass sie immer meint: ‚Wie könnte ich jetzt weggehen?‘ Wildfremde Katzen kommen auf sie zugelaufen, und sobald sie in die Knie geht, klettern sie ihr auf den Arm! Und dann wird man die Tiere nicht mehr los! Ich habe mehrere Katzen wie Hunde neben ihr herlaufen sehen, als hätte sie den Befehl Bei Fuß! gegeben. Und vor Pferden ist man auch nicht sicher!“)

Der freundliche Kater hat mich dann vom Auto – als hätte ich: „(Bei) Fuß!“ gesagt – noch bis zu meiner Haustür begleitet, ununterbrochen schnurrend. Als ich meinen Haustürschlüssel in die Hand nahm, haute er mir seinen Kopf gegen das Schienbein, sprang noch kurz an meinem Bein hoch, ließ sich knuddeln und ging dann seiner Wege. Ich war gerührt – offenbar hatte das Tier gemerkt, dass ich einen nicht ganz so tollen Tag gehabt hatte. Und als ich mich umdrehte, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte, sah ich, wie er auf eine Dreiergruppe Menschen auf der anderen Straßenseite zuschritt. Dazu gehörte ein Kind, das gleich begeistert rief: „Oh! Eine Katze!“ Sogleich beschleunigte sich der Schritt des kleinen „Tom“, und ich sah, wie er zu dem kleinen Mädchen rannte, das bereits in die Knie gegangen war. 😊

Ich liebe Tiere wirklich sehr. Bis auf Insekten und Spinnen. Denen will ich zwar auch nichts, aber ich wünschte, sie würden instinktiv begreifen, dass ich ein Problem mit ihnen habe, das ich selber nicht erklären kann. Es muss irgendein urzeitliches Problem sein, wie ich heute meiner Mutter erklärte, als ich zum Rasenmähen zu meinen Eltern gefahren war, wir auf der Terrasse Kaffee tranken und ich mittendrin laut und reflexmäßig schrie und aufsprang. Eine riesige schwarze Libelle hatte mich angesteuert … 😉 Das geht ja gar nicht! 😉

Libellen und anderen Insekten fehlt einfach dieser Kuschelfaktor, und sie tauchen – anders als der charmante Kater – grundsätzlich in den ganz falschen Momenten auf. 😉

Euch ein schönes Wochenende!

Manche Dinge scheinen ganz plötzlich zu geschehen … Oder: Ali hektisch

In der Tat scheinen manche Dinge, obwohl sie regelmäßig erscheinen oder länger zuvor angekündigt waren und damit quasi wie ein Damoklesschwert über den künftig Betroffenen schwebten, ganz plötzlich auf den Plan zu treten. Bestes Beispiel: die Bahn. Völlig überraschend für das Unternehmen gibt es 4 (in Worten: vier) Jahreszeiten! Mit mindestens dreien hat die Bahn bisweilen ganz große Probleme: dem Sommer, dem Herbst und dem Winter. Im Sommer funktioniert das, was im Winter bisweilen nicht funktioniert – die Heizung in den Bahnen –, unter Umständen hervorragend. Ich selber habe bis dato zwei Fahrten dieser Art mitgemacht, und natürlich geschahen diese im Fernverkehr, als ich von Bayern nach NRW unterwegs war – stundenlang … Wie sehr habe ich die alten Züge vermisst, in denen man noch Fenster hatte, die man öffnen konnte! Dafür funktioniert die Klimaanlage im Sommer dann eben nicht – nur eines scheint zu gehen. Das muss man einsehen. 😉 Und im Herbst fallen Blätter, auch auf die Gleise, und dann, da das immer wieder völlig unerwartet geschieht, auch die eine wie die andere Bahn aus.

Jedoch gibt es auch Dinge, die explizit lange zuvor angekündigt wurden – ganz anders als die Jahr für Jahr völlig überraschend auftretenden Jahreszeiten -, und trotzdem wird man doch aufs Unangenehmste davon eingeholt.

Zumindest geht es mir derzeit so, denn ich muss mein Blog hier um jeden Preis irgendwie datenschutztechnisch korrekt (mit mindestens drei R und hübsch preußisch artikuliert) gestalten, da ja ab übermorgen diese wunderbare DSGVO ihren Einfluss geltend macht. Da ich bis vor wenigen Tagen ziemlichen Stress hatte – und das seit etwa einem Dreivierteljahr -, kam ich eher nicht dazu. Oder so. Denn wenn ich Zeit gehabt hätte, war ich so unvorsichtig, lieber zu entspannen, statt mich der Aufrüstung meines Blogs zu widmen. Selber schuld, nicht wahr? Aber immerhin bin ich gut im Improvisieren und in schnellen, hektischen, letzten Endes aber befriedigenden, Lösungen …

Mein erster Impuls vor zwei Wochen: „Alles klar, ich lösche mein Blog lieber!“ Dann dachte ich: „Geht’s noch? Auf keinen Fall! Ich habe ja noch zwei Wochen …“ Wie schnell zwei Wochen vergehen können, muss ich in derlei Fällen immer wieder genauso überrascht feststellen, wie die Bahnbetriebe jedes Jahr von neuem erstaunt über die Existenz ganz verschiedener Jahreszeiten und damit einhergehenden ganz typischen Witterungsverhältnissen zu sein scheinen. Ich bin mir sehr sicher, dass sehr nahe Verwandte meiner Wenigkeit nun den Vergleich mit der Grille ziehen würden, die im Sommer sang … (Und dies ausschließlich tat.) Oder mit einem meiner Lieblingskinderbücher: „Frederick“, dem kleinen Mäuserich, der, anders als seine Mäusekollegen, keineswegs Getreidevorräte für den Winter anlegte, sondern – aus Sicht der Mäusekollegen – in den Tag hineinlebte (was ich nicht einmal tue). Sie schimpften mit ihm und verstanden nicht, wie man so sorglos sein könne, und sie schalten ihn einen Spinner. 😉 Aber dann kam der Winter, und die Mäuschen, die Frederick trotz seiner vermeintlichen Faulheit an ihren Essensvorräten teilhaben ließen, froren und langweilten sich gar furchtbar in ihrem Bau, als die Vorräte zur Neige gingen. Und da trat der kleine Frederick auf den Plan, der im Sommer keineswegs gefaulenzt, sondern Wörter, Sonnenstrahlen und Farben gesammelt hatte, an denen er nun im Gegenzug die frierenden und sich langweilenden Mäusekollegen teilhaben ließ, die daraufhin gar nicht mehr froren. Und von Langeweile war auch nicht mehr die Rede, zumal Frederick zum Schluss noch ein persönliches Gedicht vortrug. Daraufhin riefen die Mäuschen: „Frederick, du bist ja ein Dichter!“ Und Frederick verneigte sich verlegen und meinte: „Ich weiß es, ihr lieben Mäusegesichter.“ Das ist doch süß, nicht wahr?

Meine Mutter fand dieses Kinderbuch auch immer ganz reizend. Angesichts meiner derzeitigen Situation jedoch denke ich, sie hätte es mir besser nicht so oft vorgelesen, als ich noch klein war. 😉 Irgendwie muss sich das in meinem Hinterkopf festgesetzt haben, und nun arbeite ich im Akkord an der Umsetzung dieser wunderschönen Verordnung in Bezug auf diese Seite hier. Und ich kann euch nicht einmal ein persönliches Gedicht präsentieren, wiewohl ich über Farben sicherlich eine Menge erzählen könnte. 😉

Und auch darüber, wie ich den morgigen Abend verbringen werde. Wahrscheinlich auch die Nacht … 😉

Wenn es so weitergeht, werden wir bald eingebürgert …

Derzeit habe ich ein paar Tage Urlaub, was ich noch immer nicht ganz fassen kann. Mein letzter richtiger Urlaub war vor einem Jahr – exakt heute vor einem Jahr saß ich vormittags im Flieger von Düsseldorf nach Glasgow … Darüber hinaus hatte ich zwar mal einzelne Tage Urlaub, aber weniger zur Erholung, mehr, um Termine wahrnehmen zu können, die mit Erholung wenig zu tun hatten. Zwischen Weihnachten und Neujahr hatte ich auch ein paar Tage frei, aber da musste die Klausur für die Nebentätigkeit erstellt werden. Wie auch immer: Mein letzter erholsamer Urlaub begab sich vor exakt einem Jahr – und sogar der fing wenig erholsam an. 😉

Heute früh erwachte ich und erschrak nach einem Blick auf die Uhr: O Gott – viel zu spät dran! Und schon wollte ich aus dem Bett hechten, als die Erkenntnis, dass ich ja Urlaub habe, sich allmählich in meinem Brägen manifestierte. Mit einem erleichterten Seufzer sank ich wieder zurück in die Kissen und auf meine ramponierten Schultern (mein Orthopäde hat vorgestern einen Bandscheibenschaden in der HWS diagnostiziert und mir Physiotherapie verschrieben …) – wie herrlich, im Bett liegenbleiben zu können, während andere bereits der Fron nachkommen müssen. 😉

Und ich schlief noch eine Runde, soweit es die schmerzenden Schultern zuließen, denn aufgrund der Bandscheibenproblematik walte – so der Orthopäde – dort eine Entzündung ihres Amtes. Nachdem er es gesagt hatte, habe ich auch akzeptiert, dass ich mir diese Schmerzen beileibe nicht – wie zuvor geglaubt – eingebildet hatte. Nach dem vorgestrigen Ersthelfertraining war es besonders schlimm gewesen, aber zum Glück war danach der Termin beim Arzt, der mir zwei Spritzen gab, nachdem er mich geröntgt und mir ein Rezept für die Physio ausgestellt hatte. Und nachdem er, hinter mir stehend, meinen Kopf erst nach rechts, dann nach links gedreht und zu seiner Helferin gesagt hatte: „Rechts 80. Links 80.“ Da er nichts erklärte, meinte ich frotzelnd: „Wenn Sie den Kopf einseitig mit Schwung bis 100 oder darüber hinaus drehen, habe ich danach sicherlich gar keine Probleme mehr.“ Der Arzt lachte und strich mir über die Schultern: „Ich mag Ihren Humor, Frau B.!“ Es machte mich nicht gerade froh, dass er zum Abschied zu mir sagte: „Wir sehen uns in der nächsten Zeit öfter, Frau B.!“

Den weiteren heutigen Tag vertrieb ich mir eher gemächlich, und am frühen Nachmittag ließ ich mir ein schönes, warmes Bad ein – das würde sicherlich auch meinen Schultern guttun. 😊 Ich nahm ein Buch mit, als ich mich in die Eckbadewanne begab. Ich hatte viel Zeit – erst um Viertel vor 6 sollte ich bei Jana sein, denn heute stand ja unser Niederländisch-Kurs wieder an, und wir fahren meist zusammen.

Gegen kurz vor 5 wurde ich wach. In der Badewanne – ich war vor lauter Entspannung eingeschlafen! Mein Buch hat es leider nicht überlebt … Aber zum Glück war es ein Paperback.

Ich schickte Jana eine WhatsApp-Nachricht: Ich würde aufgrund der Umstände, die ich ihr beschrieb und wofür ich mehrere Tränen lachende Emojis erntete, von hier aus direkt mit meinem Auto nach M. fahren. Das tat ich auch, mit Hilfe meines Smartphones, denn ich bin orientierungsmäßig bekanntermaßen komplett unbeleckt.

Ich kam sogar noch vor Jana im Parkhaus an. Als ich gerade zurücksetzte, um einen der Frauenparkplätze zu ergattern (ja, lacht nur, aber dieses Parkhaus ist wirklich spooky!), an denen ich vorbeigefahren war, sah ich gerade noch, wie ein silbergrauer Volvo exakt auf den Platz fuhr, den ich einnehmen wollte! 😉 Ich sah das Nummernschild – Jana! 😉 Und so fuhr ich auf den nächstgelegenen Männerparkplatz, in einer dunkleren Ecke gelegen. Ppphhhh! Ich stieg aus, und da sah ich, dass Jana schon im Weggehen begriffen war. Sie hatte offenbar gar nicht gesehen, wem sie da zuvorgekommen war, und so rief ich ihren Namen. Sie drehte sich um und rief: „Hey! Cool! Wir kommen gleichzeitig an!“ Und schon machten wir uns auf zum Kurs. Jana meinte: „Du musst kurz vor mir angekommen sein – ich habe dich gar nicht gesehen!“ – „Ich war die, die vor dir zurücksetzte, um den Frauenparkplatz noch zu bekommen.“ – „Oh! Du warst das? Sorry, das tut mir leid – ich war so froh, den Platz zu bekommen, denn das Parkhaus ist echt etwas gruselig.“ – „Ich war ja auch schon vorbeigefahren und schon ein Stück entfernt.“ – „Ja, ich hatte zwar gesehen, dass da jemand zurücksetzte, aber du warst in der Tat ein Stück entfernt. Tut mir leid.“ – „Unsinn. Alles in Ordnung.“ Und schon eilten wir gen NL-Kurs.

Als wir den Kursraum betraten, saßen nur zwei Teilnehmerinnen da. Und natürlich Thijs, der sich freute, dass doch noch zwei Leute kamen. Und da heute alles so leger war, sprachen wir über niederländische Bräuche. Wusstet ihr, dass man, wenn man bei Niederländern zum Kaffee ist, exakt nur einen Keks oder exakt ein Stück Kuchen bekommt? Sabrina, die eine der beiden zuvor Anwesenden, sprach mich gleich an: „Ali, du kennst das sicher auch, oder?“ – „Äh, eigentlich ist mir das nicht so bewusst. Obwohl … Moment! Ich glaube, ich habe das schon einmal gelesen – es gibt wirklich nur einen Keks oder ein Stück Kuchen. Ich kann das aber nicht beurteilen, da ich in den Niederlanden selten Kuchen gegessen habe, weil ich nicht so der ‚süße Typ‘ bin.“ (Kekse hatte ich schon gegessen, meist tatsächlich singulär. Auch solche, da mehr als einer unvorbereitet ohnehin weniger ratsam sein könnte. Aber das ist schon länger her … 😉 )

Kurz darauf traf dann noch Birte ein, und der Unterricht ging los. Wir haben heute weniger gelernt als sonst – Thijs schien weniger gesammelt als sonst, was mir schon zu Anfang aufgefallen war, lange bevor er sagte, er habe gestern Nacht schlecht geschlafen. Kenne ich noch aus meiner eigenen Dozententätigkeit. Man wirkt dann etwas fahrig und lässt sich leichter dazu hinreißen, Anekdoten zu erzählen (über Kekse und Kuchen, zum Beispiel 😉 ).

Immerhin lernten wir heute einiges über Personalpronomina, was wir noch nicht wussten. Dann einige Hörverständnisübungen und nette Dialoge. Ebenso einige landeskundliche Aspekte. Sabrina wollte wissen, was der Unterschied zwischen Holland und den Niederlanden sei. Thijs blickte in die Runde und meinte: „Kennt jemand den Unterschied?“ Ich grinste leider ein wenig und war prompt dran. Zum Glück kannte ich den Unterschied, und zum Dank durfte ich dann die ganzen zwölf Provinzen aufzählen, aus denen die Niederlande bestehen. Nach einigem Nachdenken fielen sie mir auch alle ein – die hatte ich alle vor Jahren im ersten NL-Kurs auswendiglernen müssen. So etwas prägt, und dann vergisst man nie wieder Flevoland oder Drenthe. Ganz zu schweigen von Noord-Brabant oder Overijssel. 😉

Ich lernte heute, dass die meisten Niederländer nicht wirklich böse würden, bezeichnete man sie als Holländer. Das kannte ich noch anders, und ich erwähnte, dass einer meiner Bekannten sich noch vor einigen Jahren dagegen verwahrt hätte, als Holländer bezeichnet zu werden. Thijs grinste und meinte: „Ja, das mögen Limburger nicht so gern.“ (Ich stellte fest, dass ich offenbar seit meinem ersten Auftreten und der Bekenntnis, diverse Jahre in direkter Nähe zu Limburg gelebt zu haben, als limburglastig gelte … 😉 ) Aber ich meinte: „Nee! Der kam gar nicht aus der Provinz Limburg – der kam aus Gelderland!“ – „Oh, das ist eher selten.“ – „Ja, aber er reagierte ziemlich angepieselt, wenn er mal wieder als Holländer bezeichnet wurde und hob stets hervor, er sei Niederländer.“ – „Ist ja eigentlich so auch korrekt.“ – „Ja, und dieser Niederländer war stets sehr, sehr korrekt! Wehe, jemand sprach das ui falsch aus!“ Thijs lachte und meinte, derlei Verhalten kenne er eigentlich nur von Limburgern. Ich warf ein, der Gelderlandse jong habe zum damaligen Zeitpunkt immerhin auch schon länger an der südniederländischen Grenze, ergo im Limburger Einzugsbereich, gelebt, woraufhin Thijs noch mehr lachte und meinte, das färbe sicherlich ab. Die Limburger würden ja auch frieten und frietjes zu dem sagen, was im großen Restbereich der Niederlande als patat bezeichnet werde und hierzulande als Pommes oder Fritten bekannt sei.

Als wir dann mehrere Dialoge lesen mussten, meinte Thijs zu mir: „Eigentlich gehörst du in den A2-Kurs. Jana auch.“ – „Um Himmels willen – mir fehlen die notwendigen Kenntnisse in der Grammatik. Ich hoffe, ich darf hierbleiben!“ Und Jana meinte: „Das gilt auch für mich! Ali und ich sind einfach niederländischverrückt, und sie hat auch noch Jahre an der Grenze gelebt – aber uns beiden fehlt das Grammatikfundament. Dürfen wir bleiben?“ Thijs lachte einmal mehr und meinte: „Ja, klar – das ist doch ohnehin selbstverständlich. Ich wollte euch eigentlich nur ein Kompliment machen.“

Wenn es so weitergeht, werden Jana und ich demnächst in den Niederlanden – vielleicht auch in Holland – eingebürgert. 😉

„Du spielst … was?“ – Eine Theorie zum Thema „Erlernen weniger populärer Musikinstrumente von klein auf“ …

Ich spiele seit meinem siebten Lebensjahr Klavier, in Musikerkreisen und gehobener Gesellschaft auch Piano genannt, was vom italienischen Namen dieses Instrumentes kommt, der da Pianoforte lautet. Ein sehr populäres Instrument, mit dem – abgesehen von echten Fans – Generationen von Kindern und Jugendlichen gequält wurden. Keine Frage, ich finde gut, ein Musikinstrument spielen zu können. Auch das Pianoforte, obwohl es – wenn es auch ein sehr schönes Instrument ist – niemals mein Lieblingsinstrument gewesen ist. Lieber wäre mir die Querflöte gewesen, mein Lieblingsinstrument seit früher Kindheit. Schuld daran trägt ein Nachbar meiner frühesten Kindheit, der Erster Geiger in einem Sinfonieorchester war, aber neben der Violine auch Klavier, Klarinette, Saxophon und Querflöte hervorragend spielte. Da sage noch einmal jemand etwas gegen frühkindliche Prägung! 😉

Jenem Nachbarn – abgesehen von meiner Mutter und meinem Vater, die klassische Musik lieben, wobei speziell mein Vater auch dafür Verantwortung trägt, dass ich Klavier zu spielen in der Lage bin – ist zu verdanken, dass ich erste Einblicke in das erhielt, was als symphonische – wahlweise auch sinfonische – Musik bekannt ist. Dafür gibt es ein probates Mittel. Es heißt Peter und der Wolf und ist ein sogenanntes symphonisches bzw. Musikmärchen und wurde von seinem sowjetischen Komponisten, Sergej Prokofjew, dazu geschaffen, Kindern die Instrumente eines Sinfonieorchesters spielerisch vorzustellen und sie mit einem Orchester vertraut zu machen.

Ich habe erst kürzlich eine ältere Version davon auf einem Ableger eines Hauptsenders im TV gesehen. Sie war aus den ausgehenden 90ern und vom Orchester der Deutschen Oper Berlin nebst Loriot als Erzähler gestaltet. Ich war durch Zufall auf diesen Kanal geraten, als das Werk gerade begann, indem das Orchester die Instrumente stimmte und der Kammerton a‘ in der Luft hing, anhand dessen die Instrumente gestimmt werden, und ich blieb prompt hängen. Allein das Stimmen der Instrumente des Orchesters erzeugte bei mir Spannung. Kindheitserinnerungen kamen auf, und so blieb ich die ganze gute halbe Stunde dabei, denn es ist ein wirklich auf auch noch kleine Kinder abgestimmtes Werk und daher entsprechend kurz. 😊 Wer das als kleines Kind durchhält, hat gute Chancen, als Erwachsener eine drei- oder vierstündige Oper ohne größere Schäden durchzustehen. Wenn er denn will. 😉

Als Herr Wuttke Stephanie, seinen Sohn Gernot und mich, damals fünf Jahre alt, damals zu der Aufführung von Peter und der Wolf mitnahm, an der er selber als Bestandteil der Streicher teilhatte, die das Motiv und Thema des kleinen, tapferen Peters spielten, der mit Hilfe seines Freundes, des kleinen, ebenso tapferen Vogels, dargestellt durch – na, was wohl? – eine Querflöte, den Wolf mit einfachen, aber cleveren und garantiert nicht tödlichen Mitteln besiegt, war ich ganz aufgeregt. Mein erster offizieller Konzertbesuch! 😉 (Das dachte ich damals zwar nicht so, war aber dennoch aufgeregt.)

Bis die Vorstellung begann, war noch einiges an Zeit, und Herr Wuttke musste noch an einer Vorabprobe teilnehmen. Er meinte zu uns: „Seht euch das Musiktheater an. Aber macht keinen Ärger. Und um 17 Uhr seid ihr pünktlich hier und auf euren Plätzen.“ Und Stephanie, Gernot und ich rannten durchs Musiktheater und sahen uns alles an. Gernot war nicht zum ersten Mal dort – er kannte sich aus, und wir landeten dank seiner Kenntnisse im Großen Haus sogar hinter der Bühne, wurden mehrfach fortgejagt, aber es gab auch Mitarbeiter, die Gernot erkannten und uns dann einiges zeigten, was mit ihrer Arbeit zu tun hatte. Ich war ja noch klein und fand damals die vielen Türen, die in den Konzertraum des Großen Hauses, ins Parkett und die beiden Ränge führten, am interessantesten. Es war für mich wie ein Ausflug in eine andere, spannende Welt. Viel zu schnell mussten wir ins Kleine Haus, wo Peter und der Wolf beginnen sollte.

Das Kleine Haus war erheblich weniger spektakulär, doch dort harrten andere interessante Dinge. Denn das Orchester stimmte gerade seine Instrumente. Eine gewisse Kakophonie, aber gerade dadurch interessant – es lag Spannung in der Luft. Und schon ging es los. Der Erzähler hob an, die Geschichte zu erzählen, dann wurden die verschiedenen Charaktere vorgestellt – ergo die verschiedenen Instrumente. Und die Geschichte nahm ihren Lauf. Ich fand es spannend, aber als der Wolf, von drei Hörnern intoniert, erschien, wäre ich vor Furcht am liebsten unter dem Vordersitz verschwunden. Drei Hörner, untermalt von anderen Instrumenten und Schlagwerk, die ein sehr unheilschwangeres und unheimliches Motiv spielten. Und schon verzog ich mein Gesicht, aber da tönte von rechts: „Wehe, du heulst! Da ist kein Wolf! Das ist nur Musik.“ Es war Stephanie, die mich da warnte, sie nicht zu blamieren. Dabei hatte ich mich schon beim Motiv des Großvaters, der von einem Fagott dargestellt wird, ein wenig verunsichert gefühlt. Auch das Fagott hatte für mich einen etwas dräuenden Klang … 😉

„Nur Musik“! Ich sah Stephanie an – was sagte sie da? Das ist doch nicht „nur“! Das waren für mich keine drei Hörner – das war ein Wolf, der drohend nahte! Und das Fagott war kein Fagott, sondern ein knorziger, Pfeife rauchender Großvater, bei dem man auch nicht so recht wusste … Die Klarinette eine Katze, die auf samtenen Pfoten einherschlich oder -lief, die so nasal klingende Oboe eine Ente, die Querflöte ein munter zwitschernder Vogel, die so heiter schrammelnden Streicher der kleine, fröhliche Peter, und die Pauken und die Große Trommel waren Gewehrschüsse! „Nur Musik“! Ha!

Auf der Rückfahrt im Auto „fachsimpelte“ ich mit Herrn Wuttke und pries Peter, den Vogel und die Katze – alles Instrumente, die ich mochte. Um die Ente, die vom Wolf gefressen worden war, tat es mir leid (da hätte ich während der Aufführung fast zu weinen begonnen – immerhin war ich passionierte Entenfütterin … 😉 ), und ich war sehr beeindruckt von diesem musikalischen Werk. 😉 Herr Wuttke freute sich, und er meinte zu Stephanie und Gernot: „Wenigstens eine, die offenbar Freude daran hatte – der kleinen Ali hat es wohl gefallen.“

Seit damals frage ich mich jedoch, wie man auf die Idee komme, Instrumente wie Horn, Oboe oder Fagott von klein auf freiwillig zu erlernen. Keine Frage: Sie werden in klassischen Orchestern stets benötigt. Aber – freiwillig?

Mein Ex Richie hat mir mal vor vielen Jahren ein altes Tonband vorgespielt, das er als Kind aufgenommen hatte („Ich wollte damals Toningenieur werden!“). Man hörte ihn – als Kind – sprechen, im Hintergrund seine Eltern. Doch da waren noch andere Laute, die sehr merkwürdig klangen. Und so fragte ich: „Was ist das da im Hintergrund? Es klingt wie ein Nebelhorn oder wie ein Elefant mit schlimmen Verdauungsproblemen.“ – „Das ist mein Bruder Benno. Er hat da gerade Fagott geübt.“ Ich kannte Benno bereits. Er war Fotograf, und ein wirklich guter, ein echter Künstler. Und so fragte ich: „Benno? Fagott? Nun ja, er ist in der Tat ein wenig exzentrisch … Dennoch: Hat er das freiwillig gespielt?“ – „Nee. Er wollte eigentlich Trompete lernen.“ – „Warum dann der Schwenk vom Blech- zum Holzblasinstrument?“ – „Meine Eltern dachten, es sei nur ein Strohfeuer, und so wollten sie ihm keine Trompete kaufen, aber er meinte, in der Musikschule gäbe es Leihinstrumente. Aber alle Trompeten waren bereits verliehen, und es gab nur noch ein freies Fagott.“ – „Das wundert mich nicht!“ – „Was?“ – „Dass das Fagott noch frei war. Wer sucht sich das freiwillig aus? Ich meine … Hör doch mal hin! Das klingt wirklich nach Verdauungsproblemen. Aber gut – es ist sicherlich eine seiner ersten Übungen.“ – „Nee, da hatte er schon ein Jahr Unterricht.“ Ich schluckte. O Gott! Schlimmer als jeder Geigenschüler in der Anfangszeit. Aber – zu Bennos Verteidigung – Fagott ist sehr schwer zu spielen. „Tapfer,“, meinte ich, „wie lange hat er denn durchgehalten?“ – „Danach nur noch knapp ein Jahr – er hatte halt immer noch auf die Trompete gehofft, denn man hatte ihm gesagt, er würde die erste freiwerdende Leihtrompete bekommen, wenn einer der Trompetenschüler aufgäbe. Zunächst solle er doch mit dem Fagott beginnen …“ – „Es wurde aber keine Trompete frei, nehme ich an?“ – „Richtig. Benno selber hätte aber noch länger als die knapp zwei Jahre durchgehalten – er war wirklich fixiert auf die Trompete.“ – „Aber?“ – „Mein Vater hat ihm Geld geboten, wenn er nur mit dem Fagottspielen aufhöre.“ – „Okay, angesichts dieser Foltertöne aus der Kammer des Schreckens oder dem Zoo kann ich deinen Vater verstehen.“ – „Wir haben alle gelitten.“ – „Glaube ich sofort. Wusstest du, dass manche Orchestermusiker das Fagott auch als ‚Furzröhre‘ bezeichnen?“

Mit der Oboe, die mit dem Fagott verwandt ist, verhält es sich ähnlich. Ich habe mal eine Gruppe Oboenanfänger – auch die hatten schon fast ein Jahr Unterricht gehabt – gehört und kann nur sagen: Ja, Übung macht den Meister … Hier muss viel Übung her – extra viel Übung. Aber es sind wirklich schwierig zu spielende Instrumente mit einem heiklen Mundstück – das Erzeugen von Tönen generell, ganz zu schweigen von sinnstiftenden und beabsichtigten solchen, ist nicht von Pappe. Daher frage ich mich auch immer, ob Kinder und Jugendliche Instrumente wie Oboe und Fagott wirklich freiwillig auswählen … Auf diese Idee wäre ich nie verfallen.

Ob sie von den Eltern gezwungen werden? Ob das eigentlich gewünschte Leihinstrument in der Musikschule vergriffen war und man sie mit der Aussicht auf das erste freiwerdende Wunschinstrument in die Doppelrohrblatt-Mundstück-Falle lockte, worunter dann die gesamte Familie zu leiden hat, ebenso die Nachbarn? 😉

Oder ob sie – wie ich – als Kinder in Peter und der Wolf gebracht wurden, wo sie dann die Ente bzw. den Großvater zu ihren Lieblingscharakteren erwählten und die die beiden Figuren darstellenden Instrumente unbedingt erlernen wollten? Oder waren die Eltern Oboisten bzw. Fagottisten, und es verhielt sich so wie früher beim Beruf des Henkers, da nicht selten die Nachfahren den gleichen Beruf erlernen mussten, weil die Erde eh schon verbrannt war und nichts anderes mehr in Frage kam? 😉

Dennoch habe ich mir diese Neunziger-Aufführung sehr gern angesehen. Sehr niedlich, was man beim Kameraschwenk ins Publikum sehen konnte: gebannt auf die Bühne starrende Kinder mit aufgerissenen Augen und offenem Mund. Nett auch die Kommentare, das Lachen – und einmal hörte man Weinen (das tat mir etwas leid), als die Ente, die doch selber schuld war, vom Wolf verspeist wurde … Ich habe mal im Fernsehen einen Orchestermusiker lachend erzählen hören, das lebhafteste Publikum habe man stets bei Peter und der Wolf. Laute Zwischenrufe der Begeisterung oder des Bedauerns, der Sorge und Lachen seien an der Tagesordnung. Aber deswegen sei man als Musiker dabei eigentlich immer gut gelaunt, denn es sei schön, die Begeisterung und das Mitfiebern der Kinder zu erleben.

Das kann ich aus Publikumsperspektive nur bestätigen. 😊 Und wer weiß? Vielleicht sind ja einige künftige Oboisten und Fagottisten im Publikum … Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. 😉

Euch ein schönes, harmonisches Wochenende! 😊

Vielleicht sollte ich einfach wieder in mein Elternhaus ziehen …

Ich habe inzwischen das Gefühl, nach der Arbeit oder am freien Wochenende jeden Tag gen D. zu rasen, wo mein Elternhaus steht. In Wirklichkeit fahre ich nur jeden zweiten Tag. Aber das reicht auch, da ich derzeit wirklich sehr viel zu tun habe. Irgendwie reißt es nicht ab …

Heute war es ziemlich warm, und so strich ich gegen kurz nach 5, als ich im Büro meine Sachen packte, das Rasenmähen. Mochte der Rasen alles andere überragen – nicht bei diesem Wetter und nicht nach diesem Arbeitstag! Aber hin musste ich – der Garten musste gewässert werden. Außerdem musste ich mich erneut als Pest Control betätigen, da ja alle zwei Tage gegen die Plage des asiatischen Zünslers Maßnahmen ergriffen werden müssen, wie man mir im Gartencenter erklärte, als ich aus dem Bereich der ABC-Waffen die C-Variante kaufte (obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob nicht auch B mit hineinspielt – zumindest wurde dies behauptet;  A jedoch auf keinen Fall – das wäre dann doch etwas übertrieben 😉) Außerdem wollte ich endlich diesen vielgepriesenen Algenkalk kaufen, um nach meinen bisherigen Bemühungen den Buchsbaum noch für die Nachbrut zu vergällen. Einen Sack hatten sie im Gartencenter noch übrig, und der freundliche Inhaber des Centers meinte auch, er würde ihn mir durchaus verkaufen, wenn ich darauf bestünde. „Jedoch“, so sein fachmännisches Profigärtner-Urteil, „sind inzwischen schon zahlreiche Kunden angekommen und haben gesagt, dass das überhaupt nichts bringe. Es wurde in der letzten Zeit ein großer Hype betrieben. Es mag nutzen, wenn man vor dem Einfallen der Tiere die Sträucher damit präpariert, aber wenn die Tiere schon da sind, würde ich es nicht empfehlen. Und letzten Endes wirkt sich Kalk auch mehr auf die Bodenqualität aus. Hätten Sie noch kein Vorkommen, würde ich sagen: ‚Probieren Sie es aus!‘ Da Ihre Pflanzen jedoch schon befallen sind … Ich verkaufe Ihnen den Algenkalk, keine Frage – aber ich hatte jetzt schon so viele Reklamationen, dass ich das guten Gewissens nicht machen könnte.“ – „Es erübrigt sich ohnehin – an dem Sack hebe ich mir ja einen Bruch! Vielen Dank für die ehrliche Beratung. Dann kaufe ich doch lieber noch ein bisschen Gift.“ Der Gärtner lachte und meinte: „Klingt toll – dann kaufe ich doch lieber noch ein bisschen Gift! Sind Sie verheiratet?“ – „Mitnichten. Auch nicht verwitwet – ich vermute, Ihre Frage zielte darauf und auf die Tatsache ab, dass Giftmorde überproportional von Frauen begangen werden. Mir geht es aber wirklich nur um die Zünsler … Obwohl … Vielleicht nutzt dieser zentnerschwere Sack ja auch im einen wie anderen Falle. Wirft man ihn auf das, was man nicht oder nicht mehr mag, ob nun nörgeliger Ehemann oder Zünsler, kommt man vielleicht auch ans Ziel!“ Der Gärtner lachte heftig und meinte: „Jetzt weiß ich wieder, wer Sie sind! Sie waren in den letzten Tagen schon einmal hier und haben mich auch da zum Lachen gebracht. Kann man Sie für Veranstaltungen engagieren?“ – „Ich überlege mir das und teile Ihnen dann das Resultat meiner Überlegungen mit – sicherlich komme ich noch öfter vorbei, wenn meine Eltern nicht bald selber wieder für ihren Garten sorgen. Inzwischen gewöhne ich mich beinahe an diesen Zwei-Tage-Rhythmus, in dem ich nach der Arbeit immer nach D. fahren muss, um erneut als Blumenpflegerin, Bewässerungsexpertin wie Schädlingsbekämpferin, in größeren Abständen auch als Rasenmäherin tätig zu werden. Und das, obwohl ich Gartenarbeit nicht sonderlich mag – das geht nicht gegen Sie! Erschreckend, dass ich inzwischen über Buchsbaum und Zünsler besser Bescheid weiß als meine gartenbegeisterte Mutter, die sich mit Botanik und Gartenarbeit ziemlich gut auskennt!“ – „Können Ihre Eltern sich nicht um ihren Garten kümmern?“ – „Im Moment nicht, weil sie nicht vor Ort sind. Sie haben einen Zweitwohnsitz in der Heimat meiner Mutter und sind zweimal im Jahr für längere Zeit dort. Im Herbst-Winterhalbjahr ist das für mich entspannter – da muss man nur Blumen gießen und nach Post sehen. In der warmen Jahreszeit ist es meist stressiger, vor allem, wenn gierige Raupen sich marodierend über einen größeren Pflanzenbestand hermachen …“

Ich kaufte noch eine Portion Gift, das jedoch bienen- und vogelverträglich sei, wie auf der Packung stand, obwohl die Inhaltsstoffe furchterregende Namen hatten. Nun gut, ich bin keine Chemikerin … Dies hier war zum eigenhändigen Anmischen und von einem anderen Hersteller. Dann raste ich zu meinem Elternhaus – es war schon kurz nach 6, und irgendwann wollte ich auch endlich mal zu Hause sein.

Zunächst einmal stand das Wässern der Pflanzen an – einige Rhododendren hingen schon wie ein Schluck Wasser in der Kurve … Zunächst war der Vorgarten dran. Dazu musste ich in die Garage und hatte wohlweislich den kleinen Monty so geparkt, dass er nicht mit dem Garagentor in Konflikt geriete, das  selbstverständlich über einen Elektro-Antrieb verfügt, zumal  mein Vater Ingenieur ist. Und weil er das ist, ist er ein Bedenkenträger und hat grundsätzlich stets sämtliche Ventile sämtlicher Wasserleitungen in Haus und Garage sehr, sehr fest zugedreht, wenn er und meine Mutter längere Zeit nicht da sind – mit Überschwemmungen ist jederzeit zu rechnen. 😉 Ich kämpfe schon immer mit dem Hauptventil im Haus – das in der Garage war noch fester zugedreht …

Ich erinnerte mich prompt an eine Gegebenheit, die etwa drei Jahre zurückliegt. Ich sollte im Haus irgendetwas prüfen, musste dazu auf eine Leiter steigen und ein Ventil über Kopf öffnen. „Kein Problem, Alilein,“, hatte mein Vater gesagt, „du steigst einfach auf eine Leiter, und dann öffnest du das rote Ventil über Kopf – unten im Keller, du weißt schon …“ Das Ventil zu finden, war kein Problem, das mit der Leiter auch nicht. Aber dann – ich hatte das Telefon zwischen Schulter und Ohr geklemmt – bekam ich das Ventil nicht auf, und ich sagte zu meinem Vater: „Wo ist eine Rohrzange? Das Ding geht nicht auf!“ – „Nein, Kind, lieber keine Rohrzange – Laien sollten keine Rohrzange benutzen. Am Ende ist das Ventil hin!“ – „Sonst noch irgendwelche Tipps, wie ich das Ding öffnen kann?“ – „Dreh einfach dran.“ – „Ja, für wie blöd hältst du mich? Was mache ich hier die ganze Zeit? Ich versuche, zu drehen! Das Ding ist wie einbetoniert! Hast du es vielleicht mit einer Rohrzange festgezogen? Mit bloßen Händen doch sicher nicht!“ Ich durfte dann zwar keine Rohrzange benutzen – ich hätte das Ventil ja beschädigen können! -, aber immerhin ein anderes Werkzeug zu Hilfe nehmen. Damit klappte es irgendwann auch, aber ich schnaubte in den Hörer: „Das ist echt eine Zumutung! Nächstes Mal schraubst du das Ding nicht so fest zu, bitte! Du bist doch immer derjenige gewesen, der sich mokierte, wenn Leute Schrauben doll drehten oder Wasserflaschenverschlüsse wie die Berserker festzurrten, dass kaum jemand sie ohne Werkzeug öffnen konnte!“

Dann wollte meine Mutter mich sprechen. Und während wir sprachen, rief mein Vater etwas aus dem Hintergrund – ich sollte noch irgendetwas kontrollieren. „Was denn jetzt?“ – „Papa möchte dich noch einmal sprechen.“ Und schon war mein Vater dran, und giftig fragte ich: „Was nun? Würde ich dir eine Freude bereiten, indem ich noch ein paar Ventile auf- und zudrehe? Oder soll ich nachsehen, ob die Garage noch da ist?“ Das war es dann nicht. Aber etwas ähnlich „Spektakuläres“ … 😉 Ich liebe meinen Vater sehr, aber die Ingenieure seiner Generation sind nicht immer einfach in ihrem Bedenkenträgertum … 😉

Das Wässern des Vorgartens heute stellte – nachdem das Ventil endlich offen war – dann kein Problem dar, und ich ging sehr großzügig vor. Als ich gerade den Schlauch zum linken Teil des Vorgartens zerrte, um dort die Pflanzen zu bewässern, hörte ich hinter mir auf der Straße einen Knall, und kurz darauf schrie ein Kind und weinte bitterlich …

Ich drehte mich um – o Gott, hatte das Ganze mit meiner Turbo-Bewässerung zu tun? Nein, niemand war über den Schlauch gestürzt, der Unfall außer Reichweite geschehen. Aus dem Augenwinkel hatte ich kurz vor dem Knall eine sehr schnelle Bewegung wahrgenommen, und nun sah ich, was es gewesen war: Ein kleiner Junge, etwa sechs, sieben Jahre alt, war voller Übermut mit dem Fahrrad die Straße entlanggerast, wohl seitlich weggerutscht und dann gestürzt, und das so richtig mit Schmackes. Nun lag er da, das Fahrrad halb auf ihm, und er schrie zum Steinerweichen. Ich stellte sofort den Schlauch ab und rief: „Ganz ruhig! Liegenbleiben!“ Und ich rannte zu dem Kleinen, der bitterlich weinend bäuchlings auf dem Boden lag. Im ersten Moment hatte ich mit Kopfverletzungen, hohem Blutverlust und sonstigen Katastrophen gerechnet – es hatte wirklich laut geknallt. Und mein alle zwei Jahre stattfindendes Ersthelfertraining steht doch erst am nächsten Montag wieder an … Und es ist dringend nötig …

„Ganz ruhig liegenbleiben – warte, ich helfe dir,“, sagte ich zu dem Kleinen. Und ich hob das kleine Fahrrad auf und legte es an die Seite. „Ich kann nicht aufstehen,“, jammerte der kleine Kerl, während ich ihn begutachtete. Am Kopf, von hinten und seitlich war keine Verletzung erkennbar, und so sagte ich, die ich weiß, dass Kinder oft – wie auch hier – im ersten Schrecken gar nicht schreien, dies danach umso lauter tun – auch aus Schreck: „Komm, ich helfe dir aufstehen, das kriegen wir hin.“ Und ganz vorsichtig packte ich dem kleinen Kerl unter die Achseln und hob ihn auf, wobei er aktiv mithalf. Dann sah ich ihn mir genauer an, und ich sah, dass zwar nichts Dramatisches passiert war, er aber einige Schürfwunden hatte, von denen ich weiß, dass sie zwar harmlos sind, aber richtig fies wehtun. An beiden Knien, obwohl da nur oberflächlich und ohne Blut, aber an einem Arm eine kleine blutige Schürfwunde, am anderen Ellbogen auch.

„Das tut jetzt sehr weh, das weiß ich, aber es ist nicht so schlimm. Wo wohnst du?“ – „Da hinten,“, jammerte der Kleine, und ich fragte: „Schaffst du es bis dahin?“ Der Kleine nickte. „Deine Mama oder dein Papa sollen das desinfizieren, und dann heilt das auch ganz schnell.“

Ich erschrecke noch jetzt ein bisschen über mich – ich war wohl im Ali-als-Kind-Modus. Ich hätte den kleinen Fratz nach Hause begleiten müssen, obwohl er sagte, er schaffe das allein. Eine tolle Ersthelferin bin ich! Lässt das Kind allein nach Hause gehen! Es tut mir jetzt noch leid – ich kannte das so aus meiner eigenen Kindheit, hätte hier aber doch anders reagieren müssen.

Mein Gedanke war jedoch nicht böse oder unachtsam gewesen: Ich habe – auch im Ersthelfertraining – gelernt, dass Kinder meist viel gelassener auf kleine (!) Verletzungen reagieren, wenn man kein so großes Brimborium macht, sondern ruhig und ganz normal mit ihnen umgeht. Warum mache ich mir jetzt Sorgen? Ach, ja – weil ich den kleinen Fratz nicht allein hätte gehen lassen sollen … Am besten, ich spreche das Ganze im Ersthelfertraining in sechs Tagen an. Sicherlich werde ich verbal in der Luft zerfetzt …

Zur Strafe musste ich dann noch den hinteren Garten bewässern – es wäre alles einfacher gewesen, hätte mein Ingenieurvater mich zuvor mit der Funktionsweise des wasserführenden Systems vertraut gemacht, das er in den letzten Jahren offenbar mehrfach geändert hat … 😉

Als ich zu Hause eintraf, war es nach 21 Uhr, und meine Frisur war etwas zerzaust. Ich hatte mir wohl einmal zu häufig die Haare gerauft … 😉

Zum Glück kommen meine Eltern am Donnerstag zurück. Wäre ich gläubig, würde ich meinem Schöpfer auf Knien danken … 😉

Und noch etwas habe ich gelernt: Nie wieder werde ich unmündige Opfer ihres eigenen überhöhten Fahrverhaltens allein nach Hause gehen lassen. Das spukt mir noch immer im Kopp herum … 🙁

„Ich sehe tote Raupen …“

Ich muss hier ein Zitat aus einem US-amerikanischen Film mit Bruce Willis ein wenig verfremden. Ich bin ein wirklich tierlieber Mensch, und mir tat es ja auch leid, aber diesen gefräßigen und zahllosen Zünslerraupen, die ich zu meinem Entsetzen kürzlich in meiner Eltern Garten entdeckte, wie sie sich völlig hemmungslos über den Buchsbaum, den Ort ihrer Geburt, hermachten, konnte nur Einhalt geboten werden. Und leider helfen da keine liebevoll-energischen Ansprachen. Wäre mir ja auch lieber gewesen, aber hier mussten andere, schwerere Geschütze aufgefahren werden. Nicht einmal ein Wutanfall hätte genutzt. Und so nebelte ich sämtlichen Buchsbaumbestand mit einer Brühe ein, die verboten riecht, aber immerhin gebrauchsfertig in Flaschen mit einer Sprühpistole erhältlich ist. Nicht besonders günstig, man muss Handschuhe tragen, sollte darauf achtgeben, dass man nicht gegen den Wind sprühe – aber sie sei nützlingsfreundlich. Sprich: Sie killt weder Vögel, noch Bienen, noch andere nützliche Insekten.

Vorgestern war die Erstanwendung gewesen, und der freundliche Herr im Gartencenter hatte mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich alle zwei Tage tätig werden müsse, und das am besten abends. Ergo fuhr ich heute gegen 17:30 Uhr los und raste gen D., parkte schwungvoll vor der Garage meiner Eltern und hechtete voller Spannung aus dem Auto, denn im Vorgarten stehen auch drei Buchsbaum-Kugeln, die ich am Freitag behandelt hatte. Wie mochten sie wohl aussehen?

Ich mache es kurz: Sie sahen noch immer ziemlich scheiße aus … Aber aus jeder wuchsen hellgrüne Blättchen! Ich ging erst einmal ins Haus, zog mir die Pest-Handschuhe an und eilte auf die Terrasse, wo ich die Zerstäuber mit Zünslerkiller deponiert hatte. Ich machte mich gleich ans Werk, re-imprägnierte die eine der beiden kleinen Zierhecken. Beim letzten Mal war daraufhin wilde Bewegung in das zuvor ruhige Blattwerk gekommen – so noch Blattwerk vorhanden war. Heute: nichts. Auch bei der anderen kleinen Hecke: nichts. Und ebenso verhielt es sich mit den anderen Buxus-Objekten. 😉 Entweder waren die kleinen Plagen wirklich tot, oder sie hatten hinzugelernt und verhielten sich einfach nur ruhig.

Sogar im Vorgarten. Doch ich entdeckte diverse tote Raupen, die mir zwar nicht alle Viere, aber all ihre Extremitäten – ich habe keine Ahnung, wie viele Stummelfüßchen Raupen so haben – entgegenstreckten.

Einerseits war ich geneigt, laut: „Strike!“ zu rufen, als ich die kleinen Leichen sah, von denen einige sich bereits im Zustand der Zersetzung befanden. Andererseits dachte ich: „Schöne Scheiße, wenn man als Zünsler zur Welt kommt. Zum Abschuss freigegeben.“ Ein bisschen tat es mir leid. Aber die neuen Triebe des Buchsbaums, ja auch ein Lebewesen, die so ganz ohne Verbissspuren aus dem gemarterten Buchsbaumgesträuch wuchsen, trösteten mich.

Ich hoffe, sie trösten auch meine Mutter! 😉

Und wenn ich am Dienstag zum Rasenmähen nach D. fahre, werde ich garantiert Algenkalk über das zwischenzeitlich raupenbefreite Gesträuch schütten. 😉 Als längerfristige Lösung.

Wenn es so weitergeht, entwickle ich – ausgerechnet! – mich noch zur Gartenexpertin. Oder Schädlingsbekämpferin. Aber wie alles im Leben fällt wohl auch das unter die Rubrik: „Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.“ Meine Mutter war zumindest zwischenzeitlich bass erstaunt, wie viel ich über Buxus sempervirens und alles, was damit zu tun hat – ergo auch den Buchsbaumzünsler – wisse. Und das binnen weniger Tage! Nun ja – sie hat ihren Garten noch nicht gesehen … Hier war rasches Handeln gefragt. Rasches, aber nicht kopfloses Handeln. 😉

Am Donnerstag kommen meine Eltern aus Franken zurück. Ich sollte wahrscheinlich Urlaub nehmen und ohne Angabe meines Ziels verreisen … 😉

„Caterpillar Killer“

Heute war ich einmal mehr in D. in meinem Elternhaus bzw. in dessen Garten. Ich kam nicht unbewaffnet.

Eine Schachtel mit annähernd zahllos scheinenden Einmal-Handschuhen hatte ich dabei, falls ich doch die nicht sonderlich einladend aussehenden Larven oder Raupen des Buchsbaumzünslers manuell würde einsammeln müssen. Aber ich hatte auch noch ein anderes Mittel bei mir. Auf der Fahrt zu meinem Elternhaus in einem am Wege gelegenen Gartencenter gekauft. Gebrauchsfertig. Drei Flaschen mit Sprühpistole für knapp 33,- €, insgesamt fast zweieinhalb Liter hochwirksamer – so hieß es! – Flüssigkeit, die neben diversen anderen Schädlingen auch dem gefräßigen Zünsler das Mundwerk legen soll. So hieß es, und ich war wild entschlossen, dem Ganzen Glauben zu schenken.

Meine Eltern haben einen großen Garten, und in diesem befinden sich diverse Vorkommen der Gattung Buxus sempervirens, in deutscher Sprache: Gewöhnlicher Buchsbaum. Eine wunderschöne immergrüne Pflanze, die man ebenso wunderschön zu hübschen Kugeln, Kegeln oder sonstigen Figuren schneiden kann, ohne dass sie es übelnähme. (Als Kleinkind hatte ich im nahegelegenen Schlosspark einen Buchsbaum-Teddybären in mein noch kleines Herz geschlossen. Zwei davon gab es, und der auf der rechten Seite des Französischen Gartens „gehörte“ meiner Schwester, der auf der linken Seite mir. Wahrscheinlich „gehörten“ die beiden in Bärenform gekappten Buchsbäumchen außer uns noch ganz vielen anderen kleinen Kindern … 😉 )

Edward mit den Scherenhänden hatte auch ein Händchen oder – „naturgegeben“ – Faible für Buxus sempervirens. Leider nicht nur er. Auch der sogenannte Buchsbaumzünsler, eine qua Globalisierung aus Ostasien unfreiwillig importierte Art bzw. Neozoon – ähnlich wie der erheblich niedlichere Waschbär hierzulande auch ein Neozoon ist -, ist auf Buchsbaum spezialisiert. Denn seit einiger Zeit fällt er jedes Jahr erneut die von stolzen Gartenbesitzern gehegten und gepflegten Buchsbaumbestände in marodierender Absicht an, obwohl er wahrscheinlich gar nicht marodieren, sondern sich einfach nur ernähren und wachsen möchte, auf dass noch viel mehr Zünsler das Licht der Welt erblicken mögen … Er weiß und kann es nicht anders. Er agiert qua Instinkt. 😉

Es handelt sich um einen vergleichsweise unscheinbaren Kleinschmetterling, der seine Eier in Buchsbaum ablegt und die daraus geschlüpften Raupen ab einer gewissen Lufttemperatur – vergleichsweise niedrig, was viele Gartenbesitzer, meine Mutter eingeschlossen, offenbar nicht wissen, denn sonst hätten sie knapp diesseits der Bodenfrostgrenze schon etwas unternommen  (ich wusste es bis vor einigen Tagen auch nicht, habe mich inzwischen aber schlau gemacht, da ich dem Inferno entgehen möchte, das zwangsläufig ausbrechen würde, würde meine derzeit in Franken befindliche Mutter ihren komplett kahlgefressenen Buxus-Bestand nach ihrer Rückkehr entdecken – der Schock wird so oder so erfolgen …) – aktiv werden, deren Aufgabe darin besteht, ihren Geburtsort kahl- und, wenn kein Laub mehr vorhanden ist, auch die Rinde abzufressen und fressend bis ins Pflanzeninnere vorzudringen, bis sie – leider tun sie das nicht – umfallen. Zwischenzeitlich erfolgt die eine oder andere Häutung, und dann verpuppt sich der grünschwarze Raupenvielfraß, um schließlich – die klassische Metamorphose – als Schmetterling erneut zu schlüpfen, der alsbald neue Eier legt. Und so geht es immer weiter …

Wären es wenigstens schöne und bunte Schmetterlinge, was ja zumindest einen kleinen Ausgleich schaffen könnte! Aber nicht einmal das – es ist wirklich schmachvoll … (Obwohl meine Schwester Stephanie, die erst kürzlich – vor ihrem Urlaub auf einer berühmten nordfriesischen Nordseeinsel, der offenbar alles Ungemach vergessen lässt – heftigen Zünslerbefall in ihrem Garten öffentlich kund- und zu wissen gab, dass die Viecher nun sogar ihre Koniferen angefallen hätten – , mir gegenüber dreist behauptete, das seien „wunderschöne Schmetterlinge“! Ich dachte: „Es stimmt! Schönheit wird offenbar sehr subjektiv beurteilt.“ Immerhin: Offenbar passen sich die subjektiv beurteilten Tiere inzwischen in der nicht heimischen Umgebung an das Nahrungsangebot an … 😉)

Und um den mütterlichen Buchsbaumbestand zu retten oder zumindest Schadensbegrenzung zu betreiben, raste ich heute nach der Arbeit gen D. und machte kurz nach dem Ortseingangsschild nur kurz halt, um die bereits erwähnten drei Sprühflaschen mit – garantiert bienen- und vogelfreundlichem, generell Nützlinge schonendem „Schädlingskiller“ im Gartencenter zu kaufen. Der Herr an der Kasse gab mir Tipps: „Ziehen Sie Handschuhe an, sprühen Sie niemals gegen den Wind, atmen Sie das Zeug nicht ein.“ – „Sind Sie sicher, dass das Bienen, Vögeln und anderen nützlichen Tieren nicht schade, wenn Sie mich schon warnen?“ – „Nein, keine Sorge! Sie sollten es halt nur nicht einatmen. Und die Hände waschen, wenn die damit in Kontakt gekommen sind. Aber ansonsten ist das Produkt biologisch abbaubar.“ – „Nun, das bin ich auch. Mal abgesehen von meinem Zahnimplantat.“ Der Mann lachte und meinte: „Am besten, Sie sprühen ins Zentrum der Pflanzen. Sie müssen die Zweige ein bisschen auseinanderbiegen …“ – „Ach, ich glaube, das wird nicht nötig sein, nachdem ich kürzlich sah, dass da schon zu größeren Teilen Kahlschlag herrscht. Der Vorteil: Da, wo bereits Lichtungen sind, kann man bequem und ohne irgendetwas auseinanderbiegen zu müssen, direkt in medias res sprühen, wo die Viecher sitzen.“

Der Kassierer lachte sich fast schlapp und meinte: „Na, Sie scheinen aber einen goldigen Humor zu haben! Erst das Zahnimplantat, nun noch die ‚Lichtungen‘! Das ist wohl Galgenhumor – das ist ja klasse!“ – „Ich mache mir nur ein bisschen Mut. Sie haben die Pflanzen nicht gesehen.“ – „Auch, wenn sie schon kahl sind, kann das Mittel helfen!“ – „Na, dann beten Sie schon mal für mich! Denn das ist nicht mein Garten und damit auch nicht mein Buchsbaum …“ – „Ich bete für Sie – und denken Sie daran: Alle zwei Tage müssen Sie sprühen!“

Alles klar. Ich muss also auch am Sonntag nach D. … Danke auch! Das zum Thema „entspanntes und ungestörtes Wochenende“!

Im Garten angelangt, zog ich mir sogleich Handschuhe an, packte eine der drei Flaschen mit der Sprühpistole und ließ sie wie einen Colt um meinen rechten Zeigefinger rotieren: „So, ihr kleinen Scheißer! Eure Tage sind gezählt!“ Und schon nebelte ich die beiden kleinen Zierhecken, die ein Beet vor der Terrasse säumen, ein, die da so still und friedlich standen und in denen sich nichts regte. Doch kaum ging der erste Niederschlag auf die kleinen Hecken nieder, begann es, sich in ihnen zu regen, zu winden und zu wuseln – echt eklig! Ich imprägnierte die beiden Hecken, als imprägnierte ich ein neues Paar Schuhe, das ich mir vom Munde abgespart hätte … Dann ging es weiter, quer durch den Garten, und erstaunt nahm ich zur Kenntnis, wie viel Buchsbaum dieser beheimate. Alsbald musste ich die zweite Flasche in Betrieb nehmen.

Angenehmer Geruch hatte ich durch Zufall darauf gelesen, und grimmig dachte ich: „Wenn das hier angenehmer Geruch sein soll, möchte ich nicht wissen, was der Hersteller als unangenehmen Geruch bezeichnen würde! Wäre ich eine Zünslerlarve, würde ich, so schnell meine Stummelbeinchen mich trügen, das Weite suchen!“ Es erinnerte vom Geruch her an das Marder-Abwehrspray, mit dem ich mein Auto imprägniert hatte, als wir hier in der Siedlung gehäuft Marderbefall gehabt hatten … Kein Marder, der etwas auf sich hält, würde in ein Auto eindringen, das derart widerlich riecht. Nachteil: Auch der Fahrer fühlt ähnlich. 😉

Sogar im Vorgarten hat meine Mutter drei kugelförmig geschnittene Buchsbaumpflanzen unterschiedlicher Größe! Die sahen besonders schlimm aus, waren annähernd kahl, und dort sprühte ich besonders intensiv. Als eine Raupe zu Boden stürzte, besprühte ich sie zu Testzwecken besonders heftig mit der stinkenden Brühe und merkte mir den Ort, an dem sie zu liegen gekommen war, bevor ich mich den anderen Objekten zuwandte.

Zehn Minuten später lag die Raupe noch immer dort, wand sich heftigst – offenbar (hoffentlich) in Agonie! Eine zweite Raupe lag daneben und wand sich ebenfalls …

Da tat es mir dann doch ein wenig leid – es sind doch immerhin Lebewesen, die nix dafür können, dass sie derart penetrant sind. Das ist halt ihr Instinkt, und niemand hat sie gefragt, ob sie überhaupt als Ei gelegt werden wollten … Moment! Was dachte ich denn da?!? „Ali, das sind Schädlinge!“ rief ich mir in Gedanken ins Gedächtnis, und wenn es auch nicht schön war, so war es doch vonnöten, um zu retten, was zu retten war.

Nach der Rundum-Intensivimprägnierung fuhr ich dann nach Hause. Meiner Mutter erstattete ich noch Bericht und erwähnte auch die beiden in Agonie befindlichen Raupen, die ich nach dem Effizienztest beobachtet hatte. Und was sagt meine Mutter? „Ali! Die armen Tiere!“

Was hatte ich erwartet? Vor vielen Jahren, als ich noch klein war und zur Schule ging und naturgemäß in meinem Elternhaus lebte, hatten wir mal Mäuse im Haus gehabt. Eine davon im Schlafzimmer meiner Eltern, und meine Mutter hatte zu meinem Vater gesagt: „Karl-Heinz! Stell bitte eine Falle auf – ich kann nicht schlafen, weil diese Maus nachts dauernd herumrennt und irgendwo nagt!“ Mein Vater, der auch keine Mäuse im Haus, geschweige denn: Schlafzimmer, haben wollte, stellte eine konventionelle Falle auf. Fast eine Woche tat sich nichts, obwohl ein Stückchen Speck als Köder in der Falle klemmte und täglich minutiös von meinem Vater ausgewechselt wurde. Das Mäuschen war wohl zu schlau, dranzugehen, wie auch meine Mutter voller Bewunderung mitteilte. Fast klang es, als triumphierte sie.

Doch eines Nachts schnappte die Falle zu, und das so laut, dass meine Mutter davon erwachte. Und sie weckte meinen Vater: „Karl-Heinz! Wach auf! Ich glaube, die Maus ist in die Falle gegangen! Kannst du sie bitte entfernen?“ Mein Vater erhob sich schlaftrunken, machte das Licht an und ging zur Falle. Ja. Das Mäuschen lag darin – tot, mit gebrochenem Genick. Es hatte sich den Speck holen wollen, da es wohl Hunger gehabt hatte.

Mein Vater musste selber schlucken, als er das niedliche kleine Tierchen da so sah, aber er nahm die Falle und wollte sie entsorgen. Doch da erscholl die Stimme meiner Mutter: „Ooch  – das arme, kleine Ding! Du … Mörder!“ – „Kathrin! Du selber hast angeordnet, dass ich eine Falle aufstellen solle! Keiner von uns will Mäuse im Haus! Und trotzdem tut es mir immer leid – es sind ja doch sehr niedliche Tiere. Aber sie machen Dreck, sind unhygienisch, fressen alles an und vermehren sich sprunghaft. Lass nur eine andere Maus im Haus sein – wenn sich dann ein Paar findet, haben wir hier bald Hundertschaften!“

Meine Mutter wusste das selber, wollte auch keine Mäuse im Haus, aber irgendwie war ihr das kleine Ding in all den Nächten, die sie nicht ungestört hatte schlafen können, wohl ans Herz gewachsen. 😉

Doch am nächsten Tag wurde es noch schlimmer, denn beim Frühstück fragte ich nach der Maus. Und da sagte meine Mutter mit Blick auf meinen Vater, dass die Maus tot sei. Sogleich schnellte mein Kopf zu meinem Vater herum, und ich rief ihm empört zu: „Na, toll! Das arme Mäuschen! Wie kann man nur?!?“ Mein Vater seufzte nur resigniert und meinte: „Offenbar bin ich von Irren und Sozialromantikern umgeben – was aufs Selbe herauskommt …“

Inzwischen kann ich meinen Vater verstehen. 😉

Der wichtigste Satz für jede Gelegenheit

Heute bin ich schon relativ früh von der Arbeit aufgebrochen – denn ich musste ja noch nach M., eine der Nachbarstädte, wo Janas und mein Niederländisch-Kurs stattfindet. Heute war der vierte Termin, und ich hatte an den Terminen 1 und 3 nicht teilnehmen können, was mich sehr wurmte, denn einmal muss es doch klappen und ich diese Sprache, die ich seit Äonen authentisch zu erlernen wünsche, wirklich from scratch, von der Pike an lernen. Aber es war nicht zu ändern gewesen.

Heute musste ich allein hin, denn Jana ist im Urlaub. Da ich meinen sogenannten Orientierungssinn kenne – und das trotz eines Navis -, fuhr ich nicht auf dem letzten Drücker los. Das führte dazu, dass ich zu früh vor Ort war. Dabei hatte ich mich sogar einmal ein wenig verfahren, weil das Navi übereifrig gewesen war und die sehr freundliche weibliche Stimme mich an einer Stelle hieß, jetzt links abzubiegen, obwohl die richtige Stelle erst einen halben Kilometer später kam, wie ich feststellte, als ich eine mehr oder minder große Schleife fahren musste und mich dann entgegen den Anordnungen der „Dame“ auf dem linken Geradeausstreifen einordnete, als ich an die Stelle kam, an der ich zuvor auf der Linksabbiegerspur gestanden hatte (bevor ich links abbog und dann die redundante Schleife zu fahren gezwungen war).

Ich vertrieb mir die Zeit damit, dass ich in dem Einkaufszentrum, in dem sich die VHS von M. befindet, ein wenig herumflanierte, mir eine Flasche Mineralwasser kaufte und mir das Einkaufscenter, das ich zuletzt besucht hatte, als ich 15 Jahre alt war, genauer ansah. Es war noch deprimierender, als es damals auf mich gewirkt hatte. Manche Dinge werden einfach nicht besser. Inzwischen sind dort in der Hauptsache Läden, die ihre Waren für 1 Euro oder nur geringfügig mehr verticken – aber immerhin auch zwei Drogeriemärkte, in dessen einem ich das Mineralwasser kaufte. Lebensmittelgeschäfte gibt es dort nämlich nicht; zumindest nicht in der Form von Supermärkten.

Danach ging ich auf den größeren Platz vor – oder hinter – dem Einkaufscenter, um erst einmal eine zu rauchen. Auch das deprimierte mich ein bisschen, und so ging ich zurück ins Einkaufscenter und in den Trakt, da sich die VHS befindet. Ich war noch immer viel zu früh, und da der Seminarraum noch nicht aufgeschlossen war, nahm ich im Wartebereich Platz. Alsbald kam Thijs des Weges, grinste und grüßte. Ich grinste ebenfalls und meinte: „Ich neige zu Extremen: Entweder komme ich gar nicht, oder ich bin viel zu früh!“ Er meinte: „Keine Sorge – du hast nicht viel verpasst!“ Und er schloss den Seminarraum auf und ließ mich sowie eine Teilnehmerin, die heute zum allerersten Mal da war, hinein.

Alsbald kam eine weitere Teilnehmerin, die die Neue und mich irritiert ansah und meinte: „Entschuldigung – ich suche meinen Niederländisch-Kurs …“ Ich rief fröhlich: „Dann bist du hier richtig – hier findet der Kurs statt!“ Sie sah mich noch irritierter an (klar, ich war zweimal nicht dagewesen), aber ich meinte: „Ich war zweimal nicht da! Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an mich. Habt ihr hier eigentlich feste Sitzplätze?“ – „Ja, da drüben sitzen immer die beiden Arbeitskolleginnen [ich hatte mich frevelhafter Weise auf einen anderen Platz gesetzt …] …“ – „Ah! Okay, dann setze ich mich mal um, denn ich bin die eine der beiden Arbeitskolleginnen!“ – „Ach, jetzt sehe ich es! Ja, klar! Du bist Ali! Sorry, ich habe ein ganz grauenhaftes Personengedächtnis! Aber deinen Namen habe ich mir gemerkt, weil man ihn oft für einen Männernamen hält.“ – „Ist doch kein Problem, und ich habe bis jetzt ja auch zu zwei Dritteln gefehlt! Wie soll man sich da ein Gesicht merken?“

Allmählich trudelten auch die anderen Teilnehmer ein, und dann kam auch Thijs dazu, und der Unterricht begann.

Beim letzten Mal hatten sie besondere medeklinkers behandelt, Konsonanten, die umgangssprachlich im Deutschen auch Mitlaute heißen, im Niederländischen eben medeklinkers, „Mitklinger“. 😉 Heute stand Grammatik an, genauer: die Konjugation oder Beugung von Verben. Damit habe ich im Allgemeinen kein Problem, und auch hier funktionierte es – obwohl es im Niederländischen einige Besonderheiten in der Schreibweise zu beachten gilt. Aber einmal mehr stellte ich fest, dass man schon „unbewusst“ viel lernt, wenn man nur lange genug in einer Grenzregion lebt. 😉

Dann lernten wir das niederländische Alphabet, und da kamen Erinnerungen hoch …

Einst, in den Neunzigern, besuchte ich meinen besten Freund Fridolin in seiner neuen Wohnung. Als ich eintraf, lief der Fernseher und dort – eher ungewöhnlich für Fridolin – der „Juniorensender“. Soeben sangen etwa zwanzig Kinder das „Alphabetlied“, wie als Untertitel eingeblendet wurde. Und ich hörte: „Aah, bej, sssej, dej, ej, eff, chchee …“ Hätte es sich um „Die Sendung mit der Maus“ gehandelt, hätte ich sofort geschaltet, aber so sah ich Fridolin an und meinte: „Der ‚Juniorensender‘ ist aber wirklich sehr sozial – das finde ich gut!“ – „Wie meinst du das?“ – „Nun ja, hör doch hin! Sie lassen auch sprachbehinderte Kinder ein nettes Lied singen! Die gehören doch auch dazu – ich finde das klasse, dass man nicht-sprachbehinderten Kindern gleich klar macht, dass andere Kinder, die da ein leichtes Handicap haben, genauso schön singen können!“

Fridolin sah mich lange und ungläubig an. Dann fragte er: „Sag mal, Alilein – wie lange lebst du schon in Aachen?“ – „Wieso fragst du mich das? Vier Jahre!“ – „Welche Länder grenzen hier in der näheren Umgebung an Deutschland?“ – „Was soll das denn? Wir leben hier bekanntermaßen im Dreiländereck Belgien-Deutschland-Niederlande! Warum fragst du mich das? Hältst du mich für doof?“ – „Das nicht, aber für ein wenig geistesabwesend, wenn du meinst, diese Kinder hätten ein sprachliches Handicap. Wo leben wir hier?“ – „In Aachen. Im Drei…länder…eck…,“, sagte ich mit ersterbender Stimme. Und es fiel mir wie Schuppen aus den Haaren, als Fridolin auch schon meinte: „Das sind kleine Holländer! Das ist das Alphabet auf Niederländisch!“ – „Tu mir einen Gefallen – erzähl das niemandem! O Gott – wie konnte ich so begriffsstutzig sein! Natürlich sind das kleine Holländer! Und wie süß sie singen! Aah, bej, sssej, dej, ej, eff, chchee …“

In Erinnerung an diese Peinlichkeit fing ich gleich zu grinsen an. Dummerweise hielt Thijs das wohl für eine Wortmeldung, und so musste ich das gesamte Alphabet auf Niederländisch aufsagen … Beim G hätte mich fast ein Lachanfall ereilt, aber ich hielt tapfer durch. Bis zu dem, was Niederländer als het lange ij bezeichnen, das Ypsilon, das sich im Grunde genauso ausspricht wie het korte ei, das ei …

Glücklicherweise hatte keiner mehr zum Alphabet Fragen, nachdem wir dann noch unsere Namen und Mailadressen mit jedem punt, apenstaartje, streep und streepje  hatten buchstabieren müssen.

Nachdem wir diese Hürde überwunden hatten, galt es, zusammenhängende niederländische Texte zu lesen, und da fiel mir auf, dass keiner so recht wollte und alle auf ihre Unterlagen auf dem jeweiligen Tisch vor sich starrten, mich eingeschlossen. Mir fiel jedoch aus dem Augenwinkel auch auf, dass Thijs‘ Blick stets auf mich gerichtet war, wenn es darum ging, dass eine(r) den Anfang machen sollte. Und so gab es mehrere Situationen, da ich anfing, denn ich kenne die Situation, wenn man als Dozent vorne sitzt oder steht und wünscht, dass jemand sich einfach traue. Und schon legte ich los.

Das werde ich künftig nicht mehr machen, egal, wie Thijs guckt! Denn mein Sitznachbar meinte: „Jetzt traue ich mich nicht mehr.“ – „Wieso?“ – „Du kannst das ja schon.“ – „Nee, nur die Aussprache – den Rest kann ich auch nicht.“ – „Ja, aber …“ – „Dann melde dich doch mal – ich will auch nicht dauernd!“ – „Ja, wahrscheinlich hast du Recht.“ – „Ja, dann hup-hup, Holland!“

So richtig wohl fühlte ich mich danach nicht mehr – bis wir dann jenen Satz lernten … Den Satz, der einfach nur klasse ist und zu jeder unliebsamen Situation passt, die es im Leben gibt.

Dat is niet mijn pakkie-an.

Diesen Satz merke ich mir, und wenn demnächst jemand eine Frage an mich hat, die mit meiner eigentlichen Aufgabe nichts zu tun hat, werde ich ihm lächelnd: „Dat is niet mijn pakkie-an!“ entgegenschleudern. „Das ist nicht meine Aufgabe!“ bzw. „Das ist nicht mein Sachgebiet!“

Umso schöner, als ich heute den letzten Einschreibwilligen eingeschrieben habe. Wer nun noch kommt, hört von mir nur noch diesen magischen Satz. Nicht auf Deutsch. Auf Niederländisch, denn da klingt er so niedlich, dass kaum jemand böse sein kann. 😉

Und eines meiner Lieblingsverben habe ich im Niederländischen auch schon gefunden: aaien. Seit ich weiß, was das heißt, frage ich nicht mehr nach, was an: Schacklin, mach dat Mäh mal ei so witzig sein soll. 😉 Denn aaien heißt streicheln. Das ist doch wirklich süß. 😊

Und so lerne ich im Niederländisch-Kurs auch noch ganz eigene Eigenheiten meiner Muttersprache. 😉 Wie ich auch schon vor geraumer Zeit lernen musste, dass einer der Lieblings-Brotbeläge meiner Kindheit auch aus den Niederlanden stamme, wo er als hagelslag bekannt ist: Kenne ich von klein auf, wusste aber bis vor ein paar Jahren nicht, dass diese Angewohnheit aus Holland kommt. Man nehme eine Scheibe Graubrot, bestreiche sie mit Butter und streue danach Schokostreusel darüber. Aber ganz besondere Schokostreusel, die wie winzige Würmer aussehen: hagelslag eben. 😉

Ich bin gespannt, was ich in dem Kurs noch so alles kennenlerne, was ich für deutsch hielt … 😉