Irgendwie wusste ich schon zuvor, dass es eine Scheißidee sein würde, zum Rasenmähen nach D. zu fahren, da ich derzeit massive Probleme mit meiner rechten Schulter habe. Nachts weiß ich kaum, wie ich mich betten solle, da diese blöde Schulter widerliche Schmerzen erzeugt, die sonstwohin strahlen und derart impertinent sind, dass es einem gleich die Stimmung verschlägt. Lege ich mich linksgelagert: Schmerz. Drehe ich mich auf die rechte Seite: Schmerz. Liege ich platt auf dem Rücken – ich kann in Rückenlage hervorragend schlafen: Schmerz; und so kann ich selbst in Rückenlage nicht schlafen, obwohl diese Schlafposition erst kürzlich gepriesen wurde, da sie der Faltenbildung entgegenwirke. 😉 Fast glaube ich, die Bauchlage wäre derzeit am schonendsten für mich. Aber in Bauchlage kann ich per se nicht schlafen …
Eigentlich hätte ich am Donnerstagnachmittag einen Termin bei meinem Orthopäden gehabt, da es so ja nicht weitergehen kann. Selbst eine Spritze in Elefantengröße hätte mich nicht geschreckt, wenn nur diese Schmerzen endlich abgestellt sein würden. Doch als ich gerade auf dem Weg zur Praxis war, klingelte mein Handy: Die Praxis war dran und teilte mir mit, es tue ihnen furchtbar leid, aber Herr Doktor habe einen Notfall in der Familie und daher überstürzt die Praxis verlassen und die Sprechstunde beenden müssen. Dafür hatte ich selbstredend Verständnis, aber glücklich war ich nicht. Habe nun aber einen neuen Termin am nächsten Donnerstag.
Da meine Eltern derzeit in Franken weilen und ihr Garten in D. sich selbst überlassen ist – keine gute Idee, da die Natur ja frech einfach macht, was sie für richtig hält -, war mir klar, dass das so nicht gehe. Ich fahre zwar regelmäßig hin, aber die letzten beiden Male war ich nach der Arbeit zu spät da, den Rasen zu mähen: Die Nachbarn hätten sich recht herzlich bedankt. Und so sah ich nur nach der Post und goss die Pflanzen, die gegossen werden mussten, während ich mit Sorge das Wachstum des elterlichen Rasens betrachtete, der sich einen Spaß daraus zu machen schien, annähernd vor meinen Augen binnen Minuten an Höhe zuzulegen. (Wahrscheinlich habe ich mir dieses Turbowachstum nur eingebildet, aber ich fand doch erschütternd, wie sehr das grüne Zeug binnen weniger Tage an Länge zugelegt hatte …)
Es führte kein Weg daran vorbei: Ich musste heute hin und mähen – Schulter hin, Schulter her. Das ist so, wie wenn frau sich die Beine rasiert: Einmal damit angefangen, muss man in hoher Frequenz wieder zu Werke schreiten, denn ansonsten droht Wildwuchs. Und wer will das schon? 😉
Nicht allerbester Stimmung, raste ich heute am frühen Nachmittag gen D., vor meinem geistigen Auge das Grauen von in den letzten vier Tagen übersprungartig gewachsenen Grases, denn vor vier Tagen war ich letztmalig in D. gewesen, da irgendein Zähler in meinem Elternhaus abgelesen werden musste und der Ableser netterweise auch am späten Nachmittag des Ablesens willens und mächtig war (ich habe schon anderes erlebt).
Schwungvoll parkte ich vor der Garage, schwungvoll schloss ich die Haustür auf. Weniger schwungvoll betrat ich das Wohnzimmer, und mit angehaltenem Atem trat ich an die Terrassentür: Was würde mich erwarten?
Allzu sehr war das Gras in den vier Tagen nicht gewachsen, da wir einen Temperatursturz erfahren hatten, aber es sah dennoch beängstigend hochgewachsen aus – da musste dringend jemand ran! Doof war, dass jemand ich war. Aber durch Warten würde es nicht besser werden, und so eilte ich gen Garage und holte alles, was ich brauchte, schloss den Rasenmäher, ein Elektrogerät, sorgfältig an, um kurz darauf festzustellen, dass dieser reizende „Abstandhalter“ für die Schnur nicht mit dem Gegenstück zusammenpasste – offenbar war das Originalteil, das ich noch von vorherigen Mähaktionen kannte, defekt und von meinem Vater durch etwas ersetzt worden, mit dem er – aber auch nur er! – hervorragend klar kommt …
Schnaubend warf ich mir die Schnur über die linke Schulter und mähte los … Die elterliche Rasenfläche ist – wenn man es realistisch betrachtet – wahrscheinlich gar nicht so riesig, dafür aber mit vielen mehr oder minder sanften Bögen und diversen Winkeln versehen. Das bedeutet häufigen Schnur- bzw. Schulterwechsel. Fluchend mähte ich meiner Wege …
Zweimal signalisierte mir der Rasenmäher: „Ich kann nicht mehr! Keinen Bock mehr, blöde Trine! Hätteste halt eher gemäht!“ Und er schaltete sich aus … (Ja, toll – ich hätte auch gern eher gemäht, aber zeitlich ging es nicht – blöder Mäher! 😉 ) Überhaupt schien er zu schwächeln, da er nicht den gesamten Schnitt in den Auffangbehälter zu schaufeln gewillt war. (Vermutlich war das Ausmaß des Schnitts einfach zu groß, und zudem hatte es in den letzten Tagen mehrfach geregnet … 😉 ) Und während sich der Mäher ausruhte, ging ich mit einem Rechen daran, den nicht aufgefangenen Schnitt zusammenzuharken. Ein selten blöder Rechen von anno Pief – er bohrte sich aufs Impertinenteste in die Grasnarbe, und das Zusammenfassen des Schnitts war ein ziemlicher Kraftakt. Meine Schulter meldete sich ebenso impertinent, aber ich beschloss, die Einwände zu ignorieren. Es musste die gesamte Fläche gemäht werden – Stückwerk ging bei der Höhe des Grases gar nicht! 😉
Und so mähte ich, bis alles, was höher als vier, fünf Zentimeter war, eliminiert war. Keine Ahnung, wie oft ich den Auffangbehälter ausgeleert habe – ich habe nicht mitgezählt. Aber als ich fertig war, sang meine rechte Schulter vor Freude. Doch nicht nur sie – auch die linke Schulter! Und ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine Opernarie handelte. Um eine ganz bestimmte. Genauer: Es kann sich nur um Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen aus Mozarts Zauberflöte gehandelt haben, eine Sopranarie mit ganz vielen Koloraturen – sehr anspruchsvoll und schwer zu singen, zumal der Tonumfang über zwei Oktaven geht. In etwa so äußerten sich meine Schultern, und ich bin gespannt, ob ich mich morgen normal bewegen kann. Es zahlt sich nicht aus, wenn man die letzten Wochen und Monate hauptsächlich an den Schreibtisch gefesselt war … 😉
Als ich gerade alles wieder in die Garage gebracht hatte, klingelte mein Handy: Meine Mutter war dran, und sie bat mich, doch mal einen Blick auf ihren Buchsbaum-Bestand zu werfen: ob da alles in Ordnung sei, wollte sie wissen. Da ich botanisch-gärtnerisch wohl beim Verteilen der diesbezüglichen Qualitäten entweder vernachlässigt wurde oder nicht anwesend war, war mir zunächst nicht klar, warum ich nachsehen sollte. Aber man lernt ja dazu, und schon fiel mir ein, dass es letztjährig bereits ein Problem gegeben hatte, das sich Zünsler nannte. Beim Zünsler handelt es sich um einen Schmetterling, dessen Larven, vulgo auch als Raupen bekannt, sich auf Buxus spezialisiert haben: den Gemeinen Buchsbaum.
Ich ging hin und begutachtete den Bestand: Vor der Haustür sah ich kahles Gewächs, nur aus einer Buchsbaumkugel ragte oben grünes Blattwerk – alles andere war kahl. Im hinteren Garten ein ähnliches Szenario, und als ich mich über eine der beiden kleinen Zierhecken beugte, schrak ich zurück: Eklige Raupen bahnten sich ihren Weg – gerade riss eine quasi ihr Maul auf, biss in ein Buchsbaumblatt, und binnen Sekunden hatte sie es bereits aufgefressen!
Ich erstattete Bericht, und meine Mutter meinte: „Du musst sie einzeln mit der Hand einsammeln!“ Bitte was? Igitt! Nee! Niemals! Nicht ohne Handschuhe! Ich bin normalerweise nicht so fies vor den meisten Dingen, aber diese Raupen sahen eklig und fleischig aus – nicht ohne Handschuhe … Und – zum Glück sah meine Mutter es nicht – ich trat mit Schmackes gegen die kleine Zierhecke, worauf zahlreiche grünschwarze Raupen gen Boden stürzten. Da ich Handfeger und Kehrblech zur Hand hatte, fegte ich sie rasch auf und verklappte sie im Gartenteich. Nicht nett, aber zumindest freuten sich die Fische … Noch jetzt kribbelt es überall, wenn ich an diese sich windenden Raupen denke – bah!
Als ich dann noch die Terrasse fegte, da einiges an Schnitt daraufgeweht worden war, sprach mich eine Nachbarin an: „Hallo, Frau B. junior!“ – „Hallo, Frau S.! Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu sehr mit dem Rasenmäher gestört! Tut mir leid, wenn doch – das Gras war schon sehr lang. Ich habe leider nicht die Zeit, öfter herzukommen.“ – „Kein Problem, Frau B.! Und Sie haben es jetzt auch geschafft. Mir tat leid, dass Sie so viel Arbeit hatten. So ein Garten macht ja wirklich viel Arbeit. Meine Familie und ich sind auch schon seit geraumer Zeit damit beschäftigt – und immer kommt etwas Neues hinzu. Aber es macht ja auch Spaß.“ – „Ja, wenn man zusammen im Garten arbeitet, macht das wirklich Spaß!“
So hörte ich mich sagen. Und schon dachte ich: „Was, zum Teufel, redest du da?“ Denn Gartenarbeit hat mir noch nie Spaß gemacht, weder im Verbund, noch allein! 😉 Das ist einfach nicht mein Ding. Im Garten sitzen – toll! Im Garten grillen, ein Bierchen dabei – supertoll! Aber im Garten arbeiten? Gar nicht toll! Ich arbeite gern – aber nicht im Garten! 😉
Und doch werde ich alsbald wieder hinmüssen. Mit Gummihandschuhen, um die letzten Reste des Buchsbaums zu retten – sofern möglich …
Euch ein schönes Wochenende! Meine Schultern „singen“ immer noch … 😊