Heute fuhren Jana und ich nach der Arbeit gemeinsam los. Der zweite Termin des Niederländisch-Kurses stand an, und diesmal konnte ich problemlos teilnehmen. 😉
Es ist ein kleiner Kurs, denn es gibt nur 7 Teilnehmer, obwohl mehr auf der Liste standen, die heute wohl erstmalig zur Verfügung stand und auf der man die einzelnen Termine abhaken muss. Offenbar hatte die Liste auf mich gewartet. 😉
Während die anderen Teilnehmer alle ihre Haken oder Kreuzchen machten, verkündete Thijs, der Dozent, heute komme noch ein Mann dazu. Wie zu erwarten, waren – abgesehen von Thijs selber – fast nur Frauen im Kursraum. Bis auf einen versprengten Mann, der mit seiner Freundin Niederländisch lernen möchte, da sie beide mit dem Gedanken spielen, sich in „het kikkerlandje“ dauerhaft niederzulassen.
Jana raunte mir zu: „Wahrscheinlich fühlt sich Thijs wohler, wenn noch ein weiterer Mann anwesend ist,“, und ich lachte gedämpft, da man ja nicht gleich durch eine dreckige Lache auffallen möchte. Offenbar jedoch war der Mann verspätet. Und nicht nur das – er tauchte gar nicht auf! Dafür aber hörte ich von Thijs ein erstauntes: „Ach!“, als ich ihm die Liste zurückgab, und da fiel der Groschen. Er hatte mich meines Vornamens wegen, den er wohl für einen männlichen gehalten hatte, völlig falsch eingeschätzt. 😉 Ich grinste ihn an und hob meine Schultern, und er grinste zurück.
Dann wurde wiederholt, was letztmalig behandelt worden war, und Thijs meinte zu mir: „Versuch es einfach – wir sind ja noch ganz am Anfang.“ Ich war ratz-fatz mit dem Übungszettel fertig. Ich hatte ja schon einen halben Niederländisch-Kurs vor vielen Jahren gemacht – offenbar war viel hängengeblieben. Sogar die Uhrzeiten, die meine frühere Aachener NL-Dozentin Marjolein so schmählich vernachlässigt hatte, hauten hin. Es ist nicht so schwer. Und ich bin hier besonders lernwillig, weil ich diese Sprache schon immer lernen wollte – schon von Kindesbeinen an, da ich sie so mag.
Dann ging es – wie Jana mir schon von der letzten Stunde zu berichten gewusst hatte – an die Aussprache. Da hatte ich schon gegrinst, denn noch immer hatte ich ganz plastisch vor Augen, wie Mike, ein Bekannter aus Aachen, der mit meiner damaligen Kurskollegin und guten Freundin Marilu verheiratet und darüber hinaus Niederländer ist, nach den jeweiligen Kursstunden das „ausbügelte“, was uns seiner Meinung nach dort nicht optimal beigebracht worden war. Speziell an unserer Aussprache des für Nicht-Niederländer sehr, sehr heiklen Lautes ui hatte er vieles zu meckern, und es stellte sich heraus, dass er ein echter „Schleifer“ sein konnte. Als ich nach etwa zweistündigem – gefühlt längerem – Üben sämtlicher UI-Wörter, die ihm einfielen, schließlich das Wort uien, Zwiebeln, authentisch aussprechen konnte, hatte ich fast Tränen in den Augen stehen, in etwa so, als hätte ich diese Scheiß-Zwiebeln allesamt geschält und kurz und klein geschnitten. Und an Marjolein hatte er auch zu meckern: „Was hat die euch als Beschwerde im Restaurant beigebracht, wenn das Hähnchengericht nicht schmeckt? De kip is niet lekker? Sagt das nie, niemals, nicht einmal dann, wenn es stimmt, in den Niederlanden! Denn dann könnte man euch für niet lekker halten, denn das heißt auch nicht ganz dicht sein. Ich sehe schon, was Idiome anbelangt, besteht hier großer Aufbesserungsbedarf.“ Wir versprachen und schworen, dass niemals derartige Formulierungen unseren Sprechwerkzeugen entfleuchen würden. Ich zumindest habe mich seither immer daran gehalten, und lieber hätte ich behauptet, jegliches noch so wenig genießbare Gericht wäre eine wahre Offenbarung gewesen, nur um die Wendung niet lekker zu vermeiden. 😉
Auch lernte ich, dass man niemals sagen dürfe, man sei satt. Denn den Begriff gibt es auch im Niederländischen, und er schreibt sich zat. Heißt aber etwas ganz anderes als im Deutschen, nämlich be- oder sturztrunken.
Mike war in der Hinsicht zwar ein echter Einpeitscher, aber offenbar im besten Sinne. Niemals würde ich in Holland äußern, das Essen sei zwar niet lekker gewesen, ich aber trotzdem zat. 😉
Thijs machte es spannend, als es um die korrekte Aussprache ging, und schon präsentierte er uns eine Liste von Wörtern, die wir der Reihe nach laut aussprechen sollten, dazu entscheiden, ob ein Laut lang oder kurz ausgesprochen werde – die Regeln hatte er kurz zuvor erklärt. Und er begann auf der anderen Seite der U-förmig aufgestellten Tische. Ich zählte die Begriffe ab – bei der Nummer 7 würde ich dran sein. O Gott! Passend zu meiner unvergleichlichen Fähigkeit, ständig die Arschkarte, das kürzere Streichholz zu ziehen, stand hinter der Nummer 7 in de tuin, was, so wusste ich noch, im Garten heißt. Ich war die Einzige, die einen Begriff mit diesem für Neusprachler undurchdringlichen ui-Laut hatte! Das war extrem unfair, wie ich fand. 😉 Alle anderen hatten so schöne Wörter und Begriffe, und es half mir auch nicht, dass Thijs auf meine vorherige Frage, wie man den ui-Laut am besten isoliert und nachhaltig übe, gesagt hatte: „Stell dir die Geräusche vor, die Seehunde machen, und dann machst du die nach!“ Sehr schön! Ich finde ja immer, dass der typische Ruf von Seehunden (zeehonden) immer ein wenig so klinge, als übergebe sich gerade jemand. „Ah, ja“, sagte ich und fügte hinzu: „Die Nachbarn werden sich freuen!“ Dann aber dachte ich: „Kopp hoch – nur die Harten kommen in de tuin!“
Gespannt blickte Thijs mich an. Ich räusperte mich, hängte meinen Unterkiefer aus, um einen seehundartigen Laut zu produzieren, und dann fing ich zu sprechen an. Ich bin mir sicher, dass Mike mich noch mindestens eine halbe Stunde lang tuin, uit, uien und weitere Wörter, die, von Muttersprachlern artikuliert, immer so charmant klingen, monoton hätte wiederholen lassen.
Thijs hingegen war begeistert! Er sah mich an, als hätte ich soeben das Rad erfunden, und dann rief er: „Das war perfekt!“ Ich staunte nicht schlecht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Thijs aus Den Haag stammt, Mike hingegen aus Arnhem. Man muss die unterschiedlichen Dialekte, Akzente und Mundarten beachten. 😉
Als wir dann noch in unserem Lehrbuch, das Wat leuk! heißt, was in etwa mit Wie schön/nett/lustig/toll! zu übersetzen ist, obwohl ich der Ansicht bin, dass man dieses Wort gar nicht mit dem Gefühl, das dahinter steht, ins Deutsche übersetzen könne, seit ich Mascha kenne, die insgeheim bei mir auch Leukje heißt (sie sagt es immer mit derartiger Inbrunst, dass selbst toll dieser Inbrunst nicht gerecht wird), mehrere Dialoge per Lückentextauffüllung stemmen sollten, wobei wir den Text von einer CD hörten, muss ich wohl Zweifel bei Thijs ausgelöst haben. Denn als ich mich freiwillig zum Vorlesen des zweiten – sehr formellen – Dialoges meldete und sogar alles richtig hatte, sah er mich nachdenklich an und bat mich nach der Stunde zu sich.
„Das ist nicht deine erste Niederländischstunde gewesen, oder?“ meinte er in seinem reizenden niederländischen Akzent. „Nee,“, sagte ich, „ich hatte mal einen Kurs angefangen, aber der war nicht so gut wie dieser hier, und da habe ich ihn wieder abgebrochen – es machte einfach keinen Spaß. Und sich hinzuzwingen, bringt ja nichts. Aber das ist viele Jahre her.“ – „Wo war das? Kann es sein, dass du an der niederländischen Grenze gelebt hast – oder in der Nähe?“ – „Ja, mittendrin im Dreiländereck. In Aachen. Quasi am drielandenpunt.“ – „Ha! Lag ich doch richtig! Das habe ich sofort gehört! Da sind einige Besonderheiten in deinem Akzent!“ – „O je, das ist sicherlich schlecht.“ – „Nein. Man hört halt nur den Einfluss. Man hört aber auch, dass du offenbar ein annähernd natürliches Gespür für die Sprache hast. Das ist sehr gut. Unbedingt weitermachen.“
Super. Da ich in nächster Nachbarschaft der Provinz Limburg gelebt habe, klinge ich für jemanden, der Hoch-Niederländisch spricht (klingt irgendwie auch ein bisschen bekloppt: Hoch-Niederländisch), sicherlich so, wie es für einen Norddeutschen klingt, der ins tiefste Bayern zieht. Ich grinste Thijs an, der grinste zurück und meinte: „Man hört es ein bisschen an den Vokalen. Aber alles wunderbar und authentisch! Unbedingt weitermachen!“
Ich war überrascht: Ich lebe doch schon so lange nicht mehr in Aachen und sehe auch Mascha nur selten. Was einem alles ganz unbewusst so anhaftet! Sogar in Fremdsprachen …
Offenbar hat der sprachliche Einfluss aus Vaals, Maastricht und Umgebung mehr hinterlassen als die Bemühungen von Mike, der aus der Provinz Gelderland stammt. Glücklicherweise lebt er, denn sonst würde er im Grab rotieren – er fand die Limburgse Mundart immer ziemlich furchtbar … Armer Mike – da hatte er sich solche Mühe gegeben … 😉
Ich werde mich künftig bemühen, doch mehr die Hochsprache zu lernen. 😉 Spaß macht es allemal! 😊
Door permanente oefening kan iedereen zelfs de moeilijkste taal spreken
schön, wenn sich durch das Unterkieferaushängen einem Ruhrpottler gelingt, dieser schönen Sprache näher zu kommen
Ich habe das schon vor Jahren praktiziert – ich lebte ja im Dreiländereck und war sehr, sehr oft jenseits der Grenze in NL, wo ich am liebsten gleich geblieben wäre.
ja dann ……..
als hätte ich es erahnt 😉
Genau.
scheinen doch mehr dort Wurzeln gehabt zu haben, als ich es erst annahm 🙂
Ich habe dort keine Wurzeln im Sinne von Vorfahren (leider!) – ich habe aber mein Herz an NL verloren.
ich dachte das auch nicht im Sinne von Blut – mehr vom Herzen
Dann ist es absolut stimmig! 🙂
Daumen hoch Frau Ali !!!
Ik hou van het „kikkerlandje“! 🙂