Knapp am Nasenbeinbruch vorbei – Oder: Zum Glück ist heute „Bergfest“

Wie? Ihr wisst nicht, was Bergfest bedeutet? Dabei ist es so einfach! Bergfest ist der alternative Name für den Tag in der Woche, den ihr als Mittwoch kennt. So heißt der Tag auch offiziell. Bei mir nur Bergfest.

Warum? Weil man von Montag bis zu jenem Bergfest vom Tiefpunkt der Woche, von rock bottom, eben Montag, bis zum Höhepunkt kraxeln musste, dann aber den Gipfel oder die Kuppe erreicht, von der aus alles wieder bergab geht. (Obwohl es auch dabei einige Überraschungen geben kann …)

Bergab bedeutet hier aber nur: Richtung Wochenende. 😉 Und das ist eine feine Sache, so ein Wochenende. Ausschlafen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen – eigentlich könnte das Wochenende viel länger dauern. 😉

An meiner früheren Stelle war der Mittwoch, also das Bergfest, ein noch schlimmerer Tag als an meiner neuen Stelle. Obwohl: Heute war wohl eine Ausnahme …

Denn als ich heute früh aus dem Haus trat, war mein Auto speziell im Bereich der Windschutzscheibe von etwas überzogen, das ich nur als „Schnee, zwischenzeitlich getaut, von Regen überrascht und erneut gefroren“ bezeichnen kann. Es dauerte einige Momente, untermalt von Fluchen, das jedoch vom Brummen des Motors und der Lüftung meines Wagens übertönt wurde, bis ich eine eisfreie Frontscheibe hatte.

Auf der Fahrt zur Arbeit vor mir viele Leute, die offenbar noch nicht wach waren. Und wer – zum Henker – ist hier eigentlich für die Straßenplanung zuständig? An einer Stelle, da vor wenigen Monaten noch heftig baugearbeitet wurde, weswegen wir zum Teil einspurig fahren mussten, ist es nun noch schlimmer als zuvor, was die Spurführung anbelangt.

Etwas genervt langte ich bei der Arbeit an, um zu sehen, dass auf dem Mitarbeiterparkplatz die attraktivsten Parkplätze schon besetzt waren. Ich parkte dann in der Walachei – irgendwo ganz hinten.

Immerhin fing es erst zu schneien an, als ich aus dem Auto ausstieg. Das war doch mal was! 😉 Und Petrus schien sich nicht entscheiden zu können, ob er es nun regnen, schneien oder nicht doch lieber hageln lassen sollte … Ich kam – der Schirm war ganz unten in meiner Tasche – relativ durchnässt an meinem Arbeitsplatz an, wo ich meine Kollegin Kerstin mehr oder minder fröhlich begrüßte.

Sie schien sich in ähnlicher Stimmung zu befinden wie ich, grüßte mich zwar, wie immer, freundlich, meinte aber sofort: „Findest du nicht auch, dass das heute ein Scheißtag sei?“ Ich gab ihr Recht – ich sah es genauso. Ein Tag, an dem man am besten im Bett geblieben wäre. Und schnell stellte ich meine Sachen ab, wurschtelte mich aus meinem schwarzen Parka mit Kunstpelzbesatz an der Kapuze (seit ich ihn besitze, hasse ich Druckknöpfe …), und schon setzte ich mich auf meinen Bürostuhl und stützte meinen rechten Arm auf die Armlehne, als ich meinen Arbeitsplatzdrucker starten wollte.

Es machte nur laut Crack!, und schon segelte ich mit dem Gesicht ganz knapp an der Kante meines Schreibtisches vorbei! Zwischen meiner empfindlichen slawischen Nase und der Tischkante fehlten nur wenige Millimeter, und fast wäre ich zur Gänze vom Stuhl gestürzt und konnte mich gerade eben noch abfangen. Ich nahm noch ein liebliches Klingen wahr, mit dem das offenkundig metallene Teil, das die rechte Armlehne bis dato fest mit dem Stuhl verbunden hatte, irgendwo im Nirgendwo unter Kerstins und meinen Arbeitsplätzen verschwand, wo sich so viele elektrische Leitungen und ein ganzer Kabelsalat die Ehre geben. Ein Wunder, dass noch keine von uns sich darüber zu Tode gestürzt hat! 😉

Da die ganze Aktion etwas lauter vonstattenging, rief Kerstin von jenseits unserer insgesamt vier Bildschirme – jede von uns hat zwei, weil arbeitstechnisch notwendig – laut: „Um Himmels willen – was machst du da?“ Ich wusste es auch nicht so genau, war genauso überrascht wie sie, und als Antwort fiel mir nichts Besseres ein, als die abgebrochene Armlehne zu ergreifen, mich mühsam wiederaufzurichten, um ihr meine Trophäe mit lautem Lachen zu zeigen. Dabei fiel mein Blick auf Kerstins Telefon …

Genau wie ich, verfügt auch Kerstin über ein veraltetes Telefonmodell – dahingehend habe ich mich mit meinem Stellenwechsel eindeutig verschlechtert. Und unsere beiden Outdated-Telefonmodelle haben ihre Besonderheiten: Beide mit einem aufstellbaren Display versehen, wird Kerstins Display nur noch durch ein mehrfach in kleinstes Format geknicktes Blatt Papier aufrecht gehalten, während bei meinem Telefon zwar das Display wie eine Eins steht, dafür aber der Lautsprecher nicht mehr funktioniert, weswegen ich bei einigen Websessions, mit deren Hilfe ich mich in ein mir völlig neues Serviceverfahren einarbeiten sollte, jeweils über eine Stunde lang mit ans linke Ohr gepresstem Hörer dasaß und danach meinen linken Arm erst einmal kaum benutzen konnte, weil ich so eifrig gepresst hatte. 😉

Als Kerstins esels-und-papierbrückengehaltenes Telefon in mein Sichtfeld geriet, lachte ich hemmungslos und kriegte mich kaum mehr ein. Kerstin meinte besorgt: „Und du hattest noch gar keinen Kaffee – wie soll das bloß weitergehen, wenn du welchen getrunken hast?“ So genau wusste ich das auch nicht, nur, dass ich mich künftig ganz vorsichtig auf meinen Bürostuhl setzen müsse – eine völlige Neugewöhnung ist vonnöten, da ja nun die rechte Armlehne fehlt. 😉 Und mit Sorge blickte ich gen Decke: Ob die Neonleuchtenträger auch alle wirklich festinstalliert waren? Wie leicht kann einem ein solches Ding den Schädel spalten!

Kerstin lachte dann auch, als ich meinte: „Sollte mir noch einmal jemand sagen, Arbeiten im Öffentlichen Dienst sei ja völlig sorgenfrei möglich und ohne Risiko, zerre ich den in dieses Büro hier! Wir sind im Grunde von lauter Gesundheitsrisiken umgeben! Sieh dir allein den ganzen Kabelsalat an! Die eine Kollegin stürzt fast zu Tode, weil sie einen offenbar Jahrzehnte alten Bürostuhl hat! Wie leicht hätte ich mit der Nase auf die Tischkante prallen können – und ich muss nicht erklären, was passiert, wenn sich das Nasenbein ins Gehirn bohrt! Spontaner Exitus! Und über dein Telefon müssen wir gar nicht erst reden! Über meines übrigens auch nicht. Ob wir neue bekommen, wenn wir sie mit Schmackes an die Wand werfen?“

Kerstin lachte und meinte: „Gott sei Dank! Du siehst es genauso wie ich und verstehst auch nicht, warum wir mit solch altem Material arbeiten müssen! Die meisten hier finden das ja völlig normal. Aber die haben auch von Anfang an im ÖD gearbeitet – die kennen es nicht anders. Und: Nein, wir bekommen sicherlich keine neuen Telefone, wenn wir diese hier mit Schmackes gegen die Wand werfen. Höchstens zwei ‚neue‘ alte Modelle mit anderen Schwächen. Und nun haben wir uns doch an diese beiden gewöhnt … Aber außer uns beschwert sich auch keiner – die sind das nicht anders gewohnt.“

Ich schon. In der freien Wirtschaft tätig gewesen, wurde mir jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Schade nur, als dann Insolvenz angemeldet werden musste … Zum Glück war ich zuvor schon im ÖD tätig gewesen. So war der Kulturschock dann doch nicht ganz so groß.

Aber nachdem ich die Abteilung gewechselt habe, ist der Kulturschock wieder da – wir haben wirklich die ganz alten Klamotten. Immerhin lockerte es die Stimmung auf – wenn das nix ist! 😉

Ich muss jetzt halt nur immer dran denken, mich vorsichtig auf meinen Bürostuhl zu setzen. Denn einen neuen bekomme ich wegen einer solchen Bagatelle sicherlich nicht. 😉 Völlig ausgeschlossen. 😉

Und in diesem Bewusstsein kann ich nun ganz beruhigt auf das Wochenende hinarbeiten. 😉

Arbeiten im Öffentlichen Dienst hat eindeutig große Vorteile. Wenn man es denn überlebt. 😉

Ja, ich weiß – es gibt erheblich schlimmere Arbeitsplätze. Aber über den ÖD wird immer gesagt, es sei alles so rundherum sorglos abgesichert. Ist es nicht, wie Ihr seht. 😉 Aber – im Vertrauen – mein Beitrag ist nicht so ganz ernst gemeint. Ich habe es wirklich gut – mal abgesehen von den baufälligen Ein- und Vorrichtungen. 😉

48 Gedanken zu „Knapp am Nasenbeinbruch vorbei – Oder: Zum Glück ist heute „Bergfest“

  1. Chaosvater sagt:

    sei froh, dass sie Euch dann nicht noch eine Trommel bringen; Bongo und Mundorgel soll auch gut funktionieren – aber nur, wenn Du einen entsprechenden ‚Gesprächspartner‘ in der Nähe hast 😉 – der Dich auch versteht!

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