„Wenn es geht, erst nach der Tagesschau!“

Gestern rief mich unerwartet eine alte Freundin, Jadranka, an, und sie meinte: „Ali – das glaubst du nicht! Da sagt der Typ zu mir …“ – „Stop!“ rief ich und fügte hinzu: „Jetzt mal ganz in Ruhe. Was glaube ich nicht – und welcher Typ?“

Jadranka holte tief Luft und schnaubte: „Na, der, den ich seit sechs Wochen date!“ Ich stutzte, staunte und meinte: „Na, da hast du mir immerhin einiges voraus. Ich traue mich das ja gar nicht.“ – „Mag sein, hör einfach zu!“ schrie sie, und ich spürte förmlich, wie sich ihre Haupthaare zu einem Kamm aufrichteten. Nein, ich sah diese kapillargefäßtechnische Metamorphose ganz plastisch vor mir, denn Jadranka hatte seit jeher die – unfreiwillige – Angewohnheit, dass sich ihr Haupthaar sträubt, sobald sie sich über irgendetwas wirklich massiv aufregt. Als ich sie noch nicht so gut kannte, verspürte ich Ehrfurcht vor dem Volumen ihrer Haare, und einmal hatte ich sie gar gefragt, ob sie eine besondere Spülung oder ein anderes „hair treatment“ nutze, was zu großer Irritation und zum finalen Ausruf Jadrankas führte: „Ich benutze keine Spülung! Ich bin einfach nur scheißsauer!“ Und wenn Jadranka scheißsauer ist, sträuben sich ihre Haare unfreiwillig auf eine Weise, die andere Menschen höchst freiwillig mittels Haargels, -wachses oder sonstiger Hilfssubstanzen herzustellen niemals in der Lage wären. 😉

Gestern schien sie sogar doppelscheißsauer zu sein, denn sie schrie derart ins Telefon, dass mein linkes Trommelfell jetzt noch zu flattern scheint. Zumindest höre ich seit gestern ein enervierendes Fiepen – ich hoffe, es ist kein Hörsturz, denn dann ist nicht nur Jadranka auf den Typen sauer, sondern ich auch. 😉

Es habe sich alles ganz nett angelassen, schrie Jadranka ins Telefon, denn der Typ, der sich Fritz nannte, obwohl er wohl wirklich Ernst-Friedrich heißt, wie sie auch erst beim letzten Treffen herausgefunden habe, sei sehr sensibel gewesen. Und es sei ja wirklich wünschenswert, wenn der Partner sensibel sei. So kreischte sie mir ins Ohr.

„Wo ist das Problem?“ kreischte ich zurück. Ich kreische selten, aber gestern ging es nicht anders, denn das widerliche Fiepen in meinem linken Ohr kompromittierte mein ansonsten makelloses Gehör (ich sehe schlecht, dafür höre ich brillant – ein Ausgleich muss ja her). „Sei doch froh!“ schrie ich, aber Jadranka brüllte: „Sei doch froh, sei doch froh! Du weißt ja gar nicht, wovon du sprichst!“

Und dann ging es los … Man verständige sich zumeist über WhatsApp, und nachdem er ihr mitgeteilt habe, er müsse die ganze Zeit an sie denken, sei es im Grunde nur noch an ihr, Treffen vorzuschlagen. Und beim ersten Treffen nach dem initialen solchen, das harmlos in einem Café stattfand, habe er ihr dauernd an die Wäsche gewollt!

Ich lachte und meinte: „Naja, das gehört dazu!“ – „Ja, aber inzwischen habe ich den Eindruck, es gehe nur darum! Schicke ich eine WhatsApp, ob wir telefonieren sollen, kommt nur: ‚Ok.‘ Und dann rufe ich an. Und er ist immer ganz erfreut, aber mal selber auf die Idee kommen … Nee!“

„Vielleicht ist er schüchtern,“, wandte ich ein, wurde aber erneut angekreischt: „Schüchtern?!? Von wegen! Kürzlich habe ich ihn besucht, und wir tranken ein paar Gläser Wein. Danach war von Schüchternheit nichts mehr zu merken!“ – „Naja, du bist hingefahren und hast – obwohl mit dem Auto da – ein paar Gläser Wein getrunken …“ – „Ja, trotzdem!“ schrie Jadranka. „Und dann das Ganze am nächsten Morgen!“

O Gott! Was war passiert? Vorsichtig fragte ich nach …

„Am nächsten Morgen wurde ich früh wach und wollte ihn in den Arm nehmen, als ich sah, dass er wohl auch nicht mehr schlief. Ich beugte mich über ihn und nahm ihn in den Arm. Und dann …“

„Was dann?“ fragte ich neugierig, und Jadranka kreischte: „Da hat der total laut gekreischt! ‚Aaaaaaah!‘ So in etwa!“ Und sie machte es nach. Es klang, als quälte man ein Tier …

„War es draußen hell oder dunkel?“ fragte ich. „Du blöde Kuh! Ich weiß genau, was du damit sagen willst!“ brüllte Jadranka. „Es war dunkel! Er konnte gar nicht sehen, dass ich wie ein Waschbär aussah, weil mein Make-up verschmiert war!“

Ich schüttelte meinen Kopf, weil meine Ohren klingelten. Dann meinte ich: „Na, siehst du. Er hat gar nicht sehen können, dass du total scheiße ausgesehen hast! Es ging gar nicht um dein Aussehen!“ [Da ich außer Ja und Nein, Guten Tag, Gute Nacht, Du blöder, furzender Esel und den Zahlen von 1 bis 10 die kroatische Sprache nicht beherrsche, weiß ich bis heute nicht, was Jadranka daraufhin brüllte, aber es klang beeindruckend, und ich glaube fast, sie erwähnte meine Mutter. Obwohl … Die kennt sie doch gar nicht …]

Jadranka schnaubte dann noch: „Und sein Sohn heißt Franz! Der ist fünf Jahre alt! Wie kann man ein so kleines Kind so nennen! Typisch Deutsche – geben ihren Kindern total altmodische Namen, weil es in ist! Armes Kind!“

„Wann triffst du dich denn wieder mit Fritz?“ fragte ich. „Das weiß ich nicht! Der ist total pedantisch! Als ich auf der Terrasse eine rauchen war, was er schon schändlich fand, habe ich beim Hereinkommen wohl ein bisschen Schmutz an meinen schönen Overknees gehabt und auf den Marmor getragen. Da sah ich schon sein Gesicht – schmerzverzerrt. Und er wies mich darauf hin, doch bitte ein bisschen vorsichtiger zu sein. Aber dann wurde es netter … Halt bis auf den nächsten Morgen. Da meinte er zum Abschied, er würde sich freuen, würden wir abends telefonieren. Und als ich abends per WhatsApp fragte, ob wir telefonieren sollten, schrieb er zurück: ‚Ja, aber wenn es geht, erst nach der Tagesschau!“ Den Rest verstand ich nicht, da sie da schon wieder auf Kroatisch fluchte … Ich verstand nur ganz zu Anfang das Wort „Spießer“, denn das sagte sie auf Deutsch – möglich, dass es im Kroatischen keine Entsprechung gibt … 😉

Auf Deutsch schwor sie dann wieder, dass Dating mit einem Apotheker, einem Buchhalter, Uhrmacher oder sonstigem Erbsenzähler sicherlich anregender sei als mit Fritz! Ich fragte nach seinem Beruf, sie sagte: „Jurist.“ Ich lachte nur … Und da meinte sie: „Du solltest auch mal wieder daten – das ist total cool!“

Ja, Jadranka. Total cool. 😉 Es klingt ungefähr so cool wie eine Blasenentzündung. 😉

62 Gedanken zu „„Wenn es geht, erst nach der Tagesschau!“

  1. Chaosvater sagt:

    das mit den Männern ist schon eine Krux …. da kann man Taxifahrer, Astronaut oder Restmüllentsorger sein – den Damen macht man es nie Recht – also im Sinne von: Gefallen (den Rest behalte ich lieber bei mir)

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