Die Geschichte der Sprache ist eine Geschichte voller Missverständnisse

Ich spreche hier nicht ausschließlich von Anglizismen in der Werbung, obwohl die richtig erheiternd sein können. So habe ich vor Jahren herzlich gelacht, als eine bekannte Parfümeriekette mit einem Slogan warb, der besagte, man solle hereinkommen, um wieder hinauszufinden. Eine tolle Werbung für ein Wirtschaftsunternehmen! „Kommen Sie in unsere Läden, und dann finden Sie wieder hinaus!“ War das Angebot derart unattraktiv?

Noch mehr lachte ich, und ich schwöre, da liefen mir sogar die Tränen übers Gesicht, als ein Slogan en vogue war, der sich Powered by emotion nannte und von nicht wenigen Mitmenschen als Kraft durch Freude verstanden wurde. Zwar ist der Hintergrund wirklich nicht lustig, aber es wirkte so herrlich grotesk, annähernd bizarr, und ich liebe Groteskes. Vor allem dann, wenn jemand sich schlauer als alle anderen wähnte. Und das kann in einzelnen Fällen sogar mich selber betreffen. 😉

Anglizismen sind bisweilen nervend. Speziell das, was man als Denglisch kategorisiert. Eine Sitzung ist keine Sitzung mehr, sondern ein Meeting. Natürlich nicht im Sitzungsraum abgehalten, sondern im Meeting Room. Keynotes, Milestones – das sind alles Dinge, die man auch bequem auf Deutsch ausdrücken könnte. Ich bin alles andere als deutschtümelnd, aber doch der Ansicht, dass man Dinge, die sich kurz, treffend und präzise auch auf Deutsch ausdrücken lassen, auch in dieser Sprache ausdrücken sollte, statt affig-gezwungen englische Begriffe zu verwenden. In einer Firma, in der ausschließlich Deutsche arbeiten.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen – zumindest hierzulande -, die wie unter Zwang englische oder englischähnliche Begriffe in hoher Frequenz absondern, meist ein grauenvolles Englisch sprechen, wenn sie überhaupt in der Lage sind, diese Sprache auch nur in Ansätzen zu beherrschen. Das ist gar keine Arroganz von mir, auch wenn es so klingen mag, aber ich bin „vom Fach“, und mir geht dieser sorg- und skrupellose Umgang mit der Sprache einer anderen Nation bisweilen einfach auf den Wecker. 😉

Doch darum soll es ja nicht ausschließlich gehen. Denn: Auch die eigene Muttersprache scheint bisweilen ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Ich vermute ja, das liege partiell in dieser unsäglichen Rechtschreibreform begründet, die mehr Schaden denn Nutzen mit sich brachte.

Klar, jeder macht Fehler – ich zucke manchmal zusammen, wenn ich alte Beiträge von mir lese. Aber es ist doch noch ein Unterschied, ob man ein Wort, das – vor der Rechtschreibreform – klein geschrieben wurde, nun aber Großschreibung angesagt ist, weiterhin klein schreibt, was nun ein Fehler ist, oder ob man gänzlich sinnlose Begriffe bildet.

Ich treibe mich ja öfter in Kommentarthreads von Online-Zeitungen und -Foren herum, und ich stehe immer wieder vor einem Rätsel. Das Rätsel nennt sich „wohlmöglich“. Was soll das sein? Ich vermute ja, dass es sich um das schlichte Wort womöglich handeln könnte. Es ist sehr wohl möglich, dass dies der Fall ist. „Wohlmöglich“ ist einer der Spitzenreiter der Wortkreationen, bei denen man sich fragt, was der Schreiber sich wohl dabei gedacht haben könnte.

Ganz zu schweigen von dem, was als Deppenapostroph mehr oder minder bekannt ist. Kürzlich las ich mal wieder, wie jemand von den Müller’s schrieb. Ein anderer schrieb, er müsse an jenem Tage noch auf’s Amt. (Gut, da habe ich mich gefragt: „Wozu dieser Deppenapostroph?“ Gleichzeitig aber zwängte sich mir das Bild auf, wie der Schreiber auf das Dach der Behörde klettere …) Warum nicht einfach zum Amt? Ist viel einfacher, und man verhindert auch die Nutzung des Apostrophs. Obwohl ich mir nicht mehr sicher bin, dass nicht jemand noch auf die Idee kommen könnte, zu’m Amt zu schreiben. Und ich glaube, ich übertreibe nicht einmal, seit ich einmal las, dass ein Ladenlokal mit einem Plakat sein riesengroßes Angebot wie folgt bewarb: „Bei uns fehlt es an nicht’s!“

Irgendwie muss es einen Zwang geben, bei einem auf S auslautenden Wort das S ganz automatisch vom Rest abzutrennen. Warum und wieso das so ist, konnte mir bis dato niemand der Gezwungenen plausibel erklären („Aber wenn ein S folgt, kommt da dieses Komma oben hin!“) … Dafür aber im Brustton der Überzeugung. 😉

Obwohl ich inzwischen ansatzweise resigniert habe, was das Thema Deppenapostroph anbelangt. Wie das kam? Ein Aufenthalt am englischen Flughafen Stansted war dafür verantwortlich. An den Schaufenstern der dortigen Filiale einer britischen Drogeriemarktkette prangten Schilder mit der Aufschrift: „Wide choice of perfumes! We also sell mini’s!“

Und damals hatte ich noch geglaubt, der inflationäre Gebrauch des Kommas da oben sei missverstandenes Englisch und aus England nach Deutschland herübergeschwappt. Seit dem Flughafen Stansted denke ich zwar immer noch, es könne so gewesen sein, glaube jedoch an ein Phänomen der Reflexion. Nach Deutschland geschwappt, dort falsch aufgenommen, und dann retour gen England … Oder sollte sich das Phänomen unabhängig in beiden Ländern entwickelt haben? 😉 Wenn ja: warum? 😉 Ich sehe das wirklich erst seit etwa einer Dekade oder geringfügig länger.

Wobei die englische Variante „mini’s“ ja vielleicht auf einem Besuch der Niederlande nebst Erwerbs der niederländischen Sprache gründen könnte, denn dort wird im Plural bei Wörtern, die im Singular auf einem Vokal enden und mit dem Plural-S ergänzt werden, das Plural-S mit einem Apostroph vom Rest des Wortes abgetrennt.

Ganz spannend – vor allem in Kommentarthreads zu durchaus interessanten Artikeln – ist der Gebrauch von Fremdwörtern. Ich vertrete ja die Ansicht und halte das auch für mich selber so, dass man Fremdwörter nur dann benutzen solle, wenn man wisse, wie man diese schreibe. Und – nicht zuletzt – was diese bedeuten. Ganz wichtig, denn erst kürzlich las ich – und das ist kein Scherz, obwohl es so abgenudelt wirkt -, wie jemand schrieb: „Das wird hier alles so hochsterilisiert – das muss doch nicht sein.“ Und ein anderer meinte, man solle doch nicht so lamoriant sein. Im Grunde sei es doch nur eine monitäre Frage. Monitär erfreut sich in den Kommentarthreads dieser Tage ohnehin großer Beliebtheit. Dabei wäre finanziell vielleicht die bessere Wahl gewesen.

Auch schön, wenn man liest: „Der Mop weiß doch ohnehin nicht, was Sache ist!“ Stimmt. Ich besitze einen Mop für die Reinigung meiner Wohnung. Der weiß in der Tat nie, was Sache ist, steht immer nur dümmlich in der Ecke und macht auch immer nur das, was ich will, hole ich ihn aus seiner Ecke heraus. Aber immerhin funktioniert er, wie er soll. 😉

Oder – ganz beliebt – die Pubertät. Da läuft auch einiges schief, denn bei einigen Eltern befinden sich die armen Kinder in der Pupertät. Meinen humoristischen Einwurf, es mal mit etwas weniger Erbsen- oder Bohnensuppe zu probieren, nahm man verständnislos auf, sagte nur, das sei aber auch eine schwierige Phase, und man sei froh, wenn dann wieder alles problemlos und flüssig laufe. Igitt! Bah! Ich hatte gleich Bilder vor Augen … 😉

Ich benutze Fremdwörter wirklich nur dann, wenn ich weiß, was sie bedeuten und wie sie sich schreiben. Aber irgendwie scheint es heutzutage schick, sich mit Begriffen zu brüsten, die man nicht einmal schreiben kann. Und das pflanzt sich dann fort – und irgendwann steht es so im Duden. Ein beliebtes Argument. 😉 Wenn sie nur einmal einen Blick hineinwürfen! Aber das würden diese Leute nicht tun – es handelt sich meist um Menschen, die eh alles besser wissen.

Erstaunlicherweise sind es nicht selten diese Fremdwortnutzer, die dann darauf pochen, dass man sich auf die eigene Kultur und Werte besinnen solle … Das irritiert mich wieder und wieder – warum treten sie dann die eigene Muttersprache (und auch Fremdwörter) mit Füßen?

Ich gebe allerdings zu, dass ich da etwas strenger bin. Nicht unnachgiebig, aber etwas strenger. Denn Sprache gehört auch zur Kultur eines Landes. Obwohl ja heute MINT-Fächer die einzigen zu sein scheinen, denen man Bedeutung beimessen will und Philologien und andere Fächer dieser Art gern lächerlich macht. Wie war das noch mit der Kultur? 😉

4 Gedanken zu „Die Geschichte der Sprache ist eine Geschichte voller Missverständnisse

  1. malinsalltagsgedoens sagt:

    Also bei der Stelle mit dem „Mop“ und der „Pupertät“ musste ich wirklich losprusten. 😁
    Ich stimme da als angehende Germanistin in allen Punkten mit dir überein. Leider muss ich denjenigen recht geben, die sagen, dass es irgendwann im Duden auftauchen wird, denn je mehr Menschen solche „Fehler“ anwenden umso richtiger werden sie. So wurde bspw auch so etwas wie „ebend“ schon in den Duden aufgenommen. Beängstigend finde ich daher auch dieses scheinbar lustige überall im Netz kursierende „I bims“… frage mich nach wie vor, was das soll?!

    Sehr schöner Eintrag von dir, war schön zu lesen. 🙂

    • ali0408 sagt:

      Liebe Malin, ganz lieben Dank! 🙂

      Ich bin Anglistin, keine Germanistin, weiß aber um die Tatsache, dass der Duden sehr schnell fehlerhafte Aspekte als regulär aufnimmt, und das in Abhängigkeit der Anzahl der „Fehlermachenden“. Will sagen: Je mehr den Fehler machen, desto schneller als regulär im Duden vermerkt! 😉 Daher hat der Duden bei mir auch einen inoffiziellen Beinamen, den ich hier jedoch nicht öffentlich sagen möchte … 😉

      „Ebend“ steht auch schon im Duden? Entsetzlich … Ich merke schon, ich habe lange keinen umfassenden Blick mehr in das Standardwerk geworfen. 😉

      Herzlichen Dank auf alle Fälle für den sehr netten Kommentar – wir sehen die Dinge wohl recht ähnlich. 🙂

      • malinsalltagsgedoens sagt:

        Nagel mich jetzt nicht fest auf das „ebend“, kann auch eins dieser anderen komischen Wörter sein. Da gab’s doch noch eins mit nem unnötigen s hintendran … ich komme gerade nicht drauf. Vielleicht war es auch das. 🤔
        Naja das ist halt die Wechselwirkung zwischen Regelwerk und Sprachgebrauch. Die Idee Sprachgebrauch auch irgendwann als gültig anzuerkennen finde ich an sich in Ordnung, Sprache wandelt sich ja stetig. Aber aufpassen sollte man da schon, ist ja noch ein unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Gesprochene ist ja insgesamt eh Variantenreicher. (Ich habe darin morgen Prüfung, ich bin also voll drin in dem Thema :D)

      • ali0408 sagt:

        Gegen den Sprachwandel an sich habe ich rein gar nichts – wäre auch ziemlich bescheuert, da ich hauptamtlich Linguistin bin. 😉 Ich finde nur ein bisschen einfach, wenn Menschen hingehen und sagen: „Steht ja im Duden!“ Ja, klar steht das da drin, sobald nur hinreichend Menschen zusammengekommen sind, die eine Sache – auch wenn sie noch so zehennägelaufrollend ist – verwenden. Der Duden ist für mich kein stichhaltiges Argument mehr – der Verlag möchte Umsatz machen (was ich wiederum verstehen kann – das ist ein Wirtschaftsunternehmen). Nein, was mich wirklich ärgert, ist die Tatsache, dass viele Leute einfach strunzfaul sind und sich nicht einmal die Mühe machen, zu überlegen, ob z. B. „wohlmöglich“ überhaupt Sinn ergebe. Wahrscheinlich mag ich es einfach nicht, wenn überhaupt gar nicht nachgedacht wird. 😉

        Für Deine Prüfung drücke ich Dir die Daumen! 🙂

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