Heute saß ich einmal mehr im aufgeheizten Büro, und pünktlich gegen Mittag stellten sich auch die Kopfschmerzen ein, die mich sommers in diesem Büro immer ereilen, wenn es draußen warm ist und wir mit geschlossenen Jalousien bei Kunstlicht sitzen und schwitzen müssen, denn unser Büro geht nach Süden und verfügt zum Ausgleich über keinerlei Klimatisierung.
Morgens heißt es daher immer: Fenster weit aufreißen und lüften, bis allerspätestens 11 Uhr. Wirklich allerspätestens, und dann muss alles verrammelt und verriegelt sein, weil es sonst noch heißer wird.
Ich erinnere mich, wie ich vor einigen Jahren mit dem Ex-Kollegen Birger in dieser Situation saß, wir gerade die Fenster aufgerissen hatten, beide extra früh eingetroffen, da es draußen noch angenehm kühl war. Das Büro war noch vom Vortage aufgeheizt gewesen – herrlich, wie die frische Luft in den Raum strömte! „Wir müssen das ausnutzen,“, sagte Birger beschwörend, „denn du weißt: Ab dem späten Vormittag müssen wir wieder alle Schotten dichtmachen.“
Fünf Minuten später sprangen wir simultan von unseren Bürostühlen auf und schlossen in Panik und Eile die Fenster, ließen auch gleich die Jalousien hinunter. Doch es war schon zu spät, der Raum quasi kontaminiert und erfüllt von sehr rustikalem Odeur. Der Bauer, der seinen Hof nicht weit von unserem Arbeitsplatz eifrig unterhält, hatte sich auch gedacht, dass der Morgen so schön und klar sei – kein Regen in Sicht … Was macht man da? Zumindest als Bauer? Ist doch klar! Man fährt mit dem Trecker aufs Feld, an dessen Hinterteil der … Güllewagen befestigt ist und seines Amtes waltet. Ich erinnere mich speziell an diesen Tag sehr ungern, denn in schwüler, feuchter Hitze bei Kunstlicht zu sitzen, ist schon schlimm genug. In schwülheißem Klima, Kunstlicht und einem Bouquet ausharren zu müssen, das so natürlich ist, dass selbst Unwissende und Menschen, die glauben, Kühe seien lila, es eindeutig organisch-landwirtschaftlichen Ursprungs entstammend identifizieren und in einem TV-Quiz bei der Buzzerfrage: „An welches Tier erinnert Sie dieser Geruch?“ sofort wie wild den Buzzer betätigen und: „Schwein!“ in den Raum rufen, woraufhin der Moderator einen dem in Frage stehenden Odeur ähnlichen, da abgestandenen Witz machen würde („Also wirklich – jetzt bin ich aber beleidigt!“ Oder so …), ist so schlimm, dass man sich nur mit Schaudern daran erinnert. Der Geruch in Kombination mit den klimatischen Verhältnissen war lähmend, und das so sehr, dass nicht einmal Birger mit seinem Standardspruch: „Oh! Hier war wohl Müffi, das Geruchsgespenst am Werk!“ aufwarten konnte.
Immerhin roch es heute nicht nach Gülle. Immerhin. Aber die drückende Hitze war unschön, und ich war froh, als ich gegen 16:15 Uhr den Abgang machen konnte. Ich musste noch nach D. zu meinen Eltern – ich hatte versprochen, den Rasen zu mähen. Papa geht es nicht so gut, und er soll sich schonen. Mama ist bis morgen im Krankenhaus. Eigentlich hatte ich schon am Freitag hinfahren wollen, aber da schüttete es wie aus Eimern.
Als ich in Monty, meinen heißgeliebten dunkelblauen und schnuckeligen kleinen Ford Fiesta einstieg, hatte ich den Eindruck, in einem Backofen zu sitzen, bekam nur mühsam Luft, und ich verbrannte mir erst einmal die Hände am Lenkrad. Dann auch noch am Schalthebel – danke schön. Immerhin tat nun nicht nur mehr mein Kopp weh. (Ich bin ja eine Verfechterin der Gegenschmerz-Theorie … 😉 Sprich: Wenn man mit mörderischen Zahnschmerzen dasitzt und für die Umwelt und einen selber nur unerträglich ist, weil die Schmerzen kaum auszuhalten sind, sollte man einfach einen Hammer nehmen und sich ganz zünftig auf den großen Zeh hauen. Oder auf den Daumen. Rechts oder links – völlig egal. Das tut dann so weh, dass man die Zahnschmerzen als gar nicht mehr vordringlich empfindet … Nein! Das ist nur ein Scherz! Quasi ein Gegenscherz! 😉 Niemals würde ich mir bei Zahnschmerzen mit einem Hammer auf irgendwelche Gliedmaßen hauen, auch nicht bei anderen Schmerzen. Obwohl … 😉)
Die Fahrt nach D. mit schmerzenden Händen und einer nur langsam ihren Dienst wirklich effizient aufnehmenden Klimaanlage – erst kam nur sehr heiße Luft, quasi direkt aus der Sahara, nur ohne Sand – war ziemlich stressig. Ich nehme mich da gar nicht aus, hatte auch den Eindruck, heute ziemlich schräg zu fahren – aber nicht wenige Leute fuhren wie die letzten Henker. Auf einer sehr schmalen Chaussee, deren Pflaster quasi aus einer Reihe von Schlaglöchern besteht und auf der zwei SUVs nur mit Zugeständnissen aneinander vorbeifahren könnten (sprich: Einer muss zurücksetzen und auf ein breiteres Stück der Bankette fahren und dort warten, die nicht an allen Stellen gleich breit oder überhaupt vorhanden ist – beileibe nicht!) und auf der man nur 30 fahren darf, was sogar mir angeraten erscheint, fuhr eine Frau derart dicht auf, dass mir schon danach war, mal ganz pointiert meine Bremse anzutippen. (Aber bei meinem Glück hätte ich jetzt ein kaputtes Auto, also ließ ich es bleiben.) Ich fuhr schon 40, und sie wollte noch schneller, obwohl auf der sehr schmalen Straße reger Gegenverkehr herrschte. Sie hatte sogar noch die Stirn, aufzublenden und wild zu gestikulieren. Ich habe auch eine Stirn, und fast hätte ich mir ebenso gestenreich dagegen getippt, konnte mich aber so gerade noch zurückhalten. Obwohl … Mein Kennzeichen konnte sie ja gar nicht sehen – sie war viel zu dicht an mir dran. 😉 Ich hätte es vielleicht doch tun sollen … 😉
Auf der Strecke nach D., die ich nahm, sonst aber eher selten fahre, war es auch ganz entzückend: Ich fuhr bereits 90, wo man 70 fahren darf, aber trotzdem drängelte da auch jemand hinter mir, ließ an einer Ampel, an der wir stehenbleiben mussten, provozierend den Motor aufheulen. Ich blickte in den Rückspiegel und befand, KFZ-technisch nicht mithalten zu können, jedoch auch, dass in anderer Hinsicht offenbar der Fahrer hinter mir nicht satisfaktionsfähig sei, schalt mich für die Arroganz, hatte aber wohl trotzdem irgendwie recht. 😉 Großzügig ließ ich den Boliden an mir vorbei.
Ich war sehr froh, als ich endlich an meinem Elternhaus anlangte. Mein Vater freute sich sehr, und ich meinte: „Ich fange am besten gleich an. Es ist ja schon nach 5.“ (Und ich schluckte hinunter: „Und so, wie ich Rasen mähe, brauche ich mindestens drei Stunden …“)
Nun, ich habe nur eine Stunde gebraucht. Mit Pausen dazwischen, um den Behälter, der den Grasschnitt auffängt, zu leeren. Der war aber auch schnell voll! Offenbar hatte der Rasen sich extra für mich ins Zeug gelegt und war – so mein Vater – übers Wochenende nochmal heftig gewachsen. 😉
Ich habe das zwar beileibe nicht zum ersten Mal gemacht, aber es war heute wirklich anstrengend. Es war sehr, sehr warm, und mehrfach hatte ich den Eindruck, der Hitzschlag sei nicht fern … 😉
Und ich habe keine Ahnung, wie viele Bienen ich wirklich hingestreckt habe! Denn Klee wuchs zwischen dem Gras, und Bienen scheinen Klee zu lieben. Was ich bisher nicht wusste: Bienen scheinen stocktaub zu sein! Und auch dräuende Vibrationen – quasi bad vibrations – scheinen sie nicht zu bemerken. Nicht, wenn irgendwo Klee wächst. Nicht anders ist zu erklären, dass sich während meines Arbeitseinsatzes gleich mehrfach Bienen immer just auf die Kleeblüte setzten, die ich niederzumähen trachtete. Da es sehr schnell ging, sind mindestens drei Bienen dabei hingeschieden … Bei der mutmaßlich vierten sah ich zum Glück rechtzeitig, wie sie sich niederließ und riss kurzerhand den Rasenmäher in eine scharfe Linkskurve an der offenbar gefühlsarmen Biene vorbei. (Ich hoffe, meine Mutter hing nicht allzu sehr an der staudenartigen Pflanze, die diesem Ausweichmanöver partiell zum Opfer fiel … Im Nullkommanix geschreddert …)
Als ich den Grasschnitt-Behälter zum letzten Male leerte, fluchte ich ein wenig, weil das Ding so elendig vollgestopft und schwer war. Mein Vater meinte milden Mundes: „Alilein, was ist denn? Ich finde Rasenmähen immer sehr entspannend. Man muss nicht nachdenken, man sieht gleich einen Erfolg – und sieh mal, was du alles geschafft hast! Das ist doch schön.“ Mein Vater ist offenbar ein Lebenskünstler. Ich stand da, schwitzte wie ein Schwein, rang mit dem Grasschnitt-Behälter und war obendrein eine Bienenmörderin! Wie soll man da entspannen? 😉
Zum Bienenmord meinte mein Vater nur: „So ist das Leben. Wenn man nicht aufpasst, kann es ganz schnell zu Ende sein.“ Ich meinte: „Papa, das mag zwar sein. Aber Bienen sterben ohnehin schon in besorgniserregender Weise, und das habe – so sagt man – ganz üble Auswirkungen auch auf uns.“ – „Kind – bist du unter die Esoteriker gegangen?“ – „Nein! Um Himmels willen!“ – „Das hätte mich auch gewundert.“ – „Ja, aber mir tut es trotzdem leid.“ – „Mir auch, aber so ist der Lauf der Welt.“ – „Mindestens drei Bienen weniger, nur durch mich, obwohl die eh schon irgendwie unerklärlich dahinsterben!“ – „Man kann es nicht ändern.“
Das stimmt. Aber mir war nicht bewusst, dass Bienen offenbar total taub sind und auch keine Vibrationen verspüren. Ist das vielleicht eine Art Suizid? „Hey, da kommt die Tussi mit dem Rasenmäher! Da stürze ich mich doch gleich mal auf die Kleeblüte, die sie ansteuert! Ha! Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!“ Ob es so sein könnte? Vielleicht eine Art Racheakt? Haben wir Bienen bis dato zu wenig beachtet? 😉
Papa ist ein sehr systematischer Mensch, und so meinte er zu meiner Mähmethode: „Du solltest das große Ganze sehen und mähen. Du mähst immer zwischendurch so kleine Areale – das würde ich nicht machen.“ – „Das mache ich mit Absicht. Das ist überschaubar, und das Erfolgserlebnis ist umso größer. Man hangelt sich von kleinem Erfolgserlebnis zu kleinem Erfolgserlebnis. Das ist so meine typische Vorgehensweise.“ Papa grinste. Dann meinte er: „Sag mal, worüber diskutieren wir hier eigentlich?“ – „Wieso? Das ist doch echt philosophisch.“ 😉
Und vor lauter Begeisterung und um meinem Vater zu zeigen, wie toll meine ureigene Mähmethode sei, mähte ich auch noch das letzte Stück. Papa meinte, er wolle dann doch die Nachrichten im Fernsehen sehen. Ich mähte munter weiter, während er vor dem Fernseher saß. Es war auch noch die Titelmelodei der Nachrichtensendung zu hören. Fast bis zu Ende. Sie riss ganz plötzlich ab, und ich hatte den Eindruck, es reiße etwas an meiner linken Schulter, über die ich mir die Schnur des Mähers gelegt hatte. Gleichzeitig setzte das penetrante Geräusch des Rasenmähers aus. Ich hatte die Schnur durchgemäht … Papa stürzte auf die Terrasse und rief: „Kind, ist alles in Ordnung?“ – „Scheiße, Papa! Ich habe so aufgepasst und doch die Schnur durchgemäht!“ – „Siehst du! Das meinte ich vorhin! Mit meiner Methode ist das Risiko geringer … Naja, aber immerhin funktioniert der FI-Schalter.“ Ja. Zum Glück. 😉
Nächste Woche fahre ich wieder zum Rasenmähen hin. Bis dahin hat Papa die Schnur repariert. 😉 Zum Abschied meinte er zu mir: „Wie hat dich Henrik immer genannt?“ – „Trümmerlotte.“ Papa sagte nichts. Aber er grinste. 😉 Dann meinte er: „Leitest du eigentlich im kommenden Semester wieder ein Seminar an der Uni?“ – „Ja.“ – „Schön, das freut mich. Das kannst du wirklich gut.“
Was wollte er mir damit sagen? 😉 Und: Kann ich nicht auch brillant Elektroleitungen zerstören? Dessen rühmt mich niemand. Warum nur? Kann auch nicht jeder … 😉
Aber mein Vater scheint doch noch Hoffnung zu haben. Sonst würde ich ja nächste Woche nicht wieder zum Rasenmähen hinfahren sollen. 😉
Und das Ganze hatte noch eine nette Begleiterscheinung: Ich sehe gleich viel dünner aus. Ich sollte wirklich öfter den Rasen mähen. 😉
Das Ganze ist mit Augenzwinkern geschrieben und war in Wirklichkeit nicht ganz so. Nur fast. 😉
Euch eine schöne Woche!