„Ich glotze, also bin ich“

Ich habe hier den Begriff gaffen durch glotzen ersetzt, denn mit dem Gaffen verbinde ich seit einiger Zeit das sowohl maximal stupide als auch ebenso widerwärtige Verhalten, das in direkter Konsequenz von Unfällen auf schamlose Weise mehr und mehr „en vogue“ zu sein scheint. So sehr, dass Rettungskräfte nicht selten die Polizei zur Unterstützung rufen müssen, ihnen den Weg freizukehren, weil offenbar heutzutage nicht wenige Menschen Gefallen daran gefunden zu haben scheinen, verletzte, gar im Sterben liegende – wie erst kürzlich geschehen – Unfallopfer zu fotografieren, zu filmen, zu dokumentieren. Ohne Rücksicht auf Verluste. Mich überkommt da immer maximaler Brechreiz. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, da ich sonst wohl ins Fluchen und Schwören verfallen würde. Und das würde sich nicht nett lesen.

Da ich aber keinen Unfall hatte, sondern nur eine Alltagssituation vorlag, habe ich mich mit mir selber auf das schöne Verb glotzen geeinigt. 😉

Ich hatte heute einen etwas stressigen Arbeitstag, war sehr müde, danach aber noch einkaufen, weil ich musste. Und dann froh, als ich in meine Straße einbog und tatsächlich noch einen einzelnen – oder: den einzigen – freien Parkplatz vor „meinem“ Haus vorfand, parallel zum Bürgersteig.

Nur: Die Lücke war nicht ganz so geräumig, und ich war vorwärts hineingefahren. Da ist Rangieren angesagt, es sei denn, man fährt noch einmal aus der Lücke hinaus, auf eine Höhe mit dem Vordervehikel, um dann rückwärts einzuparken. Aber hinter mir lauerte schon ein anderer Wagen und hatte es auf die Lücke abgesehen. Ich muss nicht dazusagen, dass der Wagen von einem Nachbarn gefahren wurde, der hinten im Hof eine bequeme Garage hat … Nee! Nicht mit mir! Und wenn ich gefühlt hundertmal hin und her rangieren müsste! 😉 Ich war ja auch als Erste dagewesen. 😉 (Normalerweise bin ich gar nicht so, aber in meiner Straße herrscht bei Park-Engpässen so etwas wie „Hauen und Stechen“ …)

Und so rangierte ich auf engem Raum, hin und her und her und hin. Ich kam mir selber bescheuert vor – aber anders ging es nicht, weil der gierige Nachbar noch immer wartete, und immerhin war der Parkplatz direkt vor meinem Haus. Da es derzeit recht oft sturzartig regnet, war das ein eindeutiger Vorteil. Aus dem Haus raus und dann direkt auf das Auto zu, aufschließen, Ballast und sich selber hineinschmeißen – das ist ein unbeschreiblicher Vorteil, wenn die Alternative darin besteht, aus der Haustür zu treten, erst einen Schirm aufspannen zu müssen, um dann hunderte von Metern bis zum Auto schlappen zu müssen. 😉 Langt man dort an, ist man trotz des Schirms partiell durchnässt.

Es ist ungleich schwieriger, vorwärts in einer engen Lücke zu parken, als dies rückwärts zu tun … Aber ich kann das. Und dies vor allem, wenn ich einfach und ungestört vorgehen kann.

Doch heute hatte ich Pech. Ein älterer Herr mit einem Schoßhündchen an der Leine fand mein Tun so interessant, dass er sich auf dem Bürgersteig aufbaute und mir schamlos zusah. Damit habe ich – ich gebe es zu – ein Problem. Er stand auch gar zu schamlos da, wollte wohl als Zeuge fungieren, würde ich den Vordermann oder das Auto hinter mir rammen. (Beide Befürchtungen waren substanzlos, aber es war ein „Herr alter Schule“, und ich bin eine autofahrende Frau …)

Ich merkte zu meinem Ärger, dass ich nervös wurde, als ich sah, wie er da breitbeinig und grinsend stand. Nett hätte ich es gefunden, hätte er mir angeboten, mich einzuweisen – aber das war nicht sein Begehr. Nein – er wollte wohl zusehen, wie ich scheiterte.

Da ich das keineswegs vorhatte, blieb ich erst einmal stehen, zog akzentuiert die Handbremse an. Holte eine Nagelfeile aus meiner Tasche, öffnete die Fahrertür und feilte mir aus der Tür heraus die Nägel, um zu demonstrieren, dass ich viel Zeit hatte und mich das Ganze nicht sonderlich interessierte. Der Typ stand wie angewachsen, obwohl der kleine Malteser an der Leine schon zerrte und weiterwollte. Genauer: Er warf sich ins Geschirr(chen), stand mehrfach auf den Hinterläufen und stemmte sich gegen den Zug der Leine. Ich zog eine Augenbraue hoch und sah den Mann fragend an. Der stand wie eine Statue. Ich seufzte und meinte: „Wollen Sie da noch lange stehenbleiben? Ihr Hündchen möchte weiter.“ Der Mann grinste nur gehässig.

Da blieb mir nichts anderes übrig, als meinerseits gehässig zu grinsen und sein Beinkleid genauer zu betrachten: karierte Shorts, dazu weiße Tennissocken und Sandalen. Ein Blickduell, nur begriff der ältliche Typ gar nicht, worauf ich hinauswollte. Stand weiter wie angetackert und grinste mich fies an. Sagte auch kein Wort.

Da habe ich dann mein Handschuhfach geöffnet. Warum? Keine Ahnung, aber zumindest wollte ich beschäftigt aussehen. Und da sah ich dann im Rückspiegel, wie der karierte Shorts- und Tennissockenträger mitsamt Hündchen davonstochte! Immerhin freute sich das Hündchen und kläffte fröhlich.

Was um alles in der Welt …? Was dachte er denn, würde ich da herausholen? Eine Knarre? 😉 (Gut, hier in der Gegend, in der ich lebe, muss man bisweilen fast damit rechnen … 😉)

Wieder etwas gelernt. Der Typ wie auch ich. Niemals Leute bewusst anglotzen und verunsichern wollen. Aber auch: Niemals Leute anglotzen und nicht einkalkulieren, dass die gar nicht so reagieren, wie man geplant hatte. Für den Karo-Shorts-Typen. Für mich: einfach ignorieren, wer da doof glotzt. Fällt mir bisweilen schwerer. Ist aber möglich, und im Nachhinein kann ich nur sagen: Noch nie stand ich wirklich so präzise parallel zum Bürgersteig. 😉

Dennoch: Es wird Zeit für einen eigenen Stellplatz. 😉

Die Geschichte der Sprache ist eine Geschichte voller Missverständnisse

Ich spreche hier nicht ausschließlich von Anglizismen in der Werbung, obwohl die richtig erheiternd sein können. So habe ich vor Jahren herzlich gelacht, als eine bekannte Parfümeriekette mit einem Slogan warb, der besagte, man solle hereinkommen, um wieder hinauszufinden. Eine tolle Werbung für ein Wirtschaftsunternehmen! „Kommen Sie in unsere Läden, und dann finden Sie wieder hinaus!“ War das Angebot derart unattraktiv?

Noch mehr lachte ich, und ich schwöre, da liefen mir sogar die Tränen übers Gesicht, als ein Slogan en vogue war, der sich Powered by emotion nannte und von nicht wenigen Mitmenschen als Kraft durch Freude verstanden wurde. Zwar ist der Hintergrund wirklich nicht lustig, aber es wirkte so herrlich grotesk, annähernd bizarr, und ich liebe Groteskes. Vor allem dann, wenn jemand sich schlauer als alle anderen wähnte. Und das kann in einzelnen Fällen sogar mich selber betreffen. 😉

Anglizismen sind bisweilen nervend. Speziell das, was man als Denglisch kategorisiert. Eine Sitzung ist keine Sitzung mehr, sondern ein Meeting. Natürlich nicht im Sitzungsraum abgehalten, sondern im Meeting Room. Keynotes, Milestones – das sind alles Dinge, die man auch bequem auf Deutsch ausdrücken könnte. Ich bin alles andere als deutschtümelnd, aber doch der Ansicht, dass man Dinge, die sich kurz, treffend und präzise auch auf Deutsch ausdrücken lassen, auch in dieser Sprache ausdrücken sollte, statt affig-gezwungen englische Begriffe zu verwenden. In einer Firma, in der ausschließlich Deutsche arbeiten.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen – zumindest hierzulande -, die wie unter Zwang englische oder englischähnliche Begriffe in hoher Frequenz absondern, meist ein grauenvolles Englisch sprechen, wenn sie überhaupt in der Lage sind, diese Sprache auch nur in Ansätzen zu beherrschen. Das ist gar keine Arroganz von mir, auch wenn es so klingen mag, aber ich bin „vom Fach“, und mir geht dieser sorg- und skrupellose Umgang mit der Sprache einer anderen Nation bisweilen einfach auf den Wecker. 😉

Doch darum soll es ja nicht ausschließlich gehen. Denn: Auch die eigene Muttersprache scheint bisweilen ein Buch mit sieben Siegeln zu sein. Ich vermute ja, das liege partiell in dieser unsäglichen Rechtschreibreform begründet, die mehr Schaden denn Nutzen mit sich brachte.

Klar, jeder macht Fehler – ich zucke manchmal zusammen, wenn ich alte Beiträge von mir lese. Aber es ist doch noch ein Unterschied, ob man ein Wort, das – vor der Rechtschreibreform – klein geschrieben wurde, nun aber Großschreibung angesagt ist, weiterhin klein schreibt, was nun ein Fehler ist, oder ob man gänzlich sinnlose Begriffe bildet.

Ich treibe mich ja öfter in Kommentarthreads von Online-Zeitungen und -Foren herum, und ich stehe immer wieder vor einem Rätsel. Das Rätsel nennt sich „wohlmöglich“. Was soll das sein? Ich vermute ja, dass es sich um das schlichte Wort womöglich handeln könnte. Es ist sehr wohl möglich, dass dies der Fall ist. „Wohlmöglich“ ist einer der Spitzenreiter der Wortkreationen, bei denen man sich fragt, was der Schreiber sich wohl dabei gedacht haben könnte.

Ganz zu schweigen von dem, was als Deppenapostroph mehr oder minder bekannt ist. Kürzlich las ich mal wieder, wie jemand von den Müller’s schrieb. Ein anderer schrieb, er müsse an jenem Tage noch auf’s Amt. (Gut, da habe ich mich gefragt: „Wozu dieser Deppenapostroph?“ Gleichzeitig aber zwängte sich mir das Bild auf, wie der Schreiber auf das Dach der Behörde klettere …) Warum nicht einfach zum Amt? Ist viel einfacher, und man verhindert auch die Nutzung des Apostrophs. Obwohl ich mir nicht mehr sicher bin, dass nicht jemand noch auf die Idee kommen könnte, zu’m Amt zu schreiben. Und ich glaube, ich übertreibe nicht einmal, seit ich einmal las, dass ein Ladenlokal mit einem Plakat sein riesengroßes Angebot wie folgt bewarb: „Bei uns fehlt es an nicht’s!“

Irgendwie muss es einen Zwang geben, bei einem auf S auslautenden Wort das S ganz automatisch vom Rest abzutrennen. Warum und wieso das so ist, konnte mir bis dato niemand der Gezwungenen plausibel erklären („Aber wenn ein S folgt, kommt da dieses Komma oben hin!“) … Dafür aber im Brustton der Überzeugung. 😉

Obwohl ich inzwischen ansatzweise resigniert habe, was das Thema Deppenapostroph anbelangt. Wie das kam? Ein Aufenthalt am englischen Flughafen Stansted war dafür verantwortlich. An den Schaufenstern der dortigen Filiale einer britischen Drogeriemarktkette prangten Schilder mit der Aufschrift: „Wide choice of perfumes! We also sell mini’s!“

Und damals hatte ich noch geglaubt, der inflationäre Gebrauch des Kommas da oben sei missverstandenes Englisch und aus England nach Deutschland herübergeschwappt. Seit dem Flughafen Stansted denke ich zwar immer noch, es könne so gewesen sein, glaube jedoch an ein Phänomen der Reflexion. Nach Deutschland geschwappt, dort falsch aufgenommen, und dann retour gen England … Oder sollte sich das Phänomen unabhängig in beiden Ländern entwickelt haben? 😉 Wenn ja: warum? 😉 Ich sehe das wirklich erst seit etwa einer Dekade oder geringfügig länger.

Wobei die englische Variante „mini’s“ ja vielleicht auf einem Besuch der Niederlande nebst Erwerbs der niederländischen Sprache gründen könnte, denn dort wird im Plural bei Wörtern, die im Singular auf einem Vokal enden und mit dem Plural-S ergänzt werden, das Plural-S mit einem Apostroph vom Rest des Wortes abgetrennt.

Ganz spannend – vor allem in Kommentarthreads zu durchaus interessanten Artikeln – ist der Gebrauch von Fremdwörtern. Ich vertrete ja die Ansicht und halte das auch für mich selber so, dass man Fremdwörter nur dann benutzen solle, wenn man wisse, wie man diese schreibe. Und – nicht zuletzt – was diese bedeuten. Ganz wichtig, denn erst kürzlich las ich – und das ist kein Scherz, obwohl es so abgenudelt wirkt -, wie jemand schrieb: „Das wird hier alles so hochsterilisiert – das muss doch nicht sein.“ Und ein anderer meinte, man solle doch nicht so lamoriant sein. Im Grunde sei es doch nur eine monitäre Frage. Monitär erfreut sich in den Kommentarthreads dieser Tage ohnehin großer Beliebtheit. Dabei wäre finanziell vielleicht die bessere Wahl gewesen.

Auch schön, wenn man liest: „Der Mop weiß doch ohnehin nicht, was Sache ist!“ Stimmt. Ich besitze einen Mop für die Reinigung meiner Wohnung. Der weiß in der Tat nie, was Sache ist, steht immer nur dümmlich in der Ecke und macht auch immer nur das, was ich will, hole ich ihn aus seiner Ecke heraus. Aber immerhin funktioniert er, wie er soll. 😉

Oder – ganz beliebt – die Pubertät. Da läuft auch einiges schief, denn bei einigen Eltern befinden sich die armen Kinder in der Pupertät. Meinen humoristischen Einwurf, es mal mit etwas weniger Erbsen- oder Bohnensuppe zu probieren, nahm man verständnislos auf, sagte nur, das sei aber auch eine schwierige Phase, und man sei froh, wenn dann wieder alles problemlos und flüssig laufe. Igitt! Bah! Ich hatte gleich Bilder vor Augen … 😉

Ich benutze Fremdwörter wirklich nur dann, wenn ich weiß, was sie bedeuten und wie sie sich schreiben. Aber irgendwie scheint es heutzutage schick, sich mit Begriffen zu brüsten, die man nicht einmal schreiben kann. Und das pflanzt sich dann fort – und irgendwann steht es so im Duden. Ein beliebtes Argument. 😉 Wenn sie nur einmal einen Blick hineinwürfen! Aber das würden diese Leute nicht tun – es handelt sich meist um Menschen, die eh alles besser wissen.

Erstaunlicherweise sind es nicht selten diese Fremdwortnutzer, die dann darauf pochen, dass man sich auf die eigene Kultur und Werte besinnen solle … Das irritiert mich wieder und wieder – warum treten sie dann die eigene Muttersprache (und auch Fremdwörter) mit Füßen?

Ich gebe allerdings zu, dass ich da etwas strenger bin. Nicht unnachgiebig, aber etwas strenger. Denn Sprache gehört auch zur Kultur eines Landes. Obwohl ja heute MINT-Fächer die einzigen zu sein scheinen, denen man Bedeutung beimessen will und Philologien und andere Fächer dieser Art gern lächerlich macht. Wie war das noch mit der Kultur? 😉

„Kind, das ist total entspannend!“ Oder: Warum ich am Bienensterben eine Mitschuld trage …

Heute saß ich einmal mehr im aufgeheizten Büro, und pünktlich gegen Mittag stellten sich auch die Kopfschmerzen ein, die mich sommers in diesem Büro immer ereilen, wenn es draußen warm ist und wir mit geschlossenen Jalousien bei Kunstlicht sitzen und schwitzen müssen, denn unser Büro geht nach Süden und verfügt zum Ausgleich über keinerlei Klimatisierung.

Morgens heißt es daher immer: Fenster weit aufreißen und lüften, bis allerspätestens 11 Uhr. Wirklich allerspätestens, und dann muss alles verrammelt und verriegelt sein, weil es sonst noch heißer wird.

Ich erinnere mich, wie ich vor einigen Jahren mit dem Ex-Kollegen Birger in dieser Situation saß, wir gerade die Fenster aufgerissen hatten, beide extra früh eingetroffen, da es draußen noch angenehm kühl war. Das Büro war noch vom Vortage aufgeheizt gewesen – herrlich, wie die frische Luft in den Raum strömte! „Wir müssen das ausnutzen,“, sagte Birger beschwörend, „denn du weißt: Ab dem späten Vormittag müssen wir wieder alle Schotten dichtmachen.“

Fünf Minuten später sprangen wir simultan von unseren Bürostühlen auf und schlossen in Panik und Eile die Fenster, ließen auch gleich die Jalousien hinunter. Doch es war schon zu spät, der Raum quasi kontaminiert und erfüllt von sehr rustikalem Odeur. Der Bauer, der seinen Hof nicht weit von unserem Arbeitsplatz eifrig unterhält, hatte sich auch gedacht, dass der Morgen so schön und klar sei – kein Regen in Sicht … Was macht man da? Zumindest als Bauer? Ist doch klar! Man fährt mit dem Trecker aufs Feld, an dessen Hinterteil der … Güllewagen befestigt ist und seines Amtes waltet. Ich erinnere mich speziell an diesen Tag sehr ungern, denn in schwüler, feuchter Hitze bei Kunstlicht zu sitzen, ist schon schlimm genug. In schwülheißem Klima, Kunstlicht und einem Bouquet ausharren zu müssen, das so natürlich ist, dass selbst Unwissende und Menschen, die glauben, Kühe seien lila, es eindeutig organisch-landwirtschaftlichen Ursprungs entstammend identifizieren und in einem TV-Quiz bei der Buzzerfrage: „An welches Tier erinnert Sie dieser Geruch?“ sofort wie wild den Buzzer betätigen und: „Schwein!“ in den Raum rufen, woraufhin der Moderator einen dem in Frage stehenden Odeur ähnlichen, da abgestandenen Witz machen würde („Also wirklich – jetzt bin ich aber beleidigt!“ Oder so …), ist so schlimm, dass man sich nur mit Schaudern daran erinnert. Der Geruch in Kombination mit den klimatischen Verhältnissen war lähmend, und das so sehr, dass nicht einmal Birger mit seinem Standardspruch: „Oh! Hier war wohl Müffi, das Geruchsgespenst am Werk!“ aufwarten konnte.

Immerhin roch es heute nicht nach Gülle. Immerhin. Aber die drückende Hitze war unschön, und ich war froh, als ich gegen 16:15 Uhr den Abgang machen konnte. Ich musste noch nach D. zu meinen Eltern – ich hatte versprochen, den Rasen zu mähen. Papa geht es nicht so gut, und er soll sich schonen. Mama ist bis morgen im Krankenhaus. Eigentlich hatte ich schon am Freitag hinfahren wollen, aber da schüttete es wie aus Eimern.

Als ich in Monty, meinen heißgeliebten dunkelblauen und schnuckeligen kleinen Ford Fiesta einstieg, hatte ich den Eindruck, in einem Backofen zu sitzen, bekam nur mühsam Luft, und ich verbrannte mir erst einmal die Hände am Lenkrad. Dann auch noch am Schalthebel – danke schön. Immerhin tat nun nicht nur mehr mein Kopp weh. (Ich bin ja eine Verfechterin der Gegenschmerz-Theorie … 😉 Sprich: Wenn man mit mörderischen Zahnschmerzen dasitzt und für die Umwelt und einen selber nur unerträglich ist, weil die Schmerzen kaum auszuhalten sind, sollte man einfach einen Hammer nehmen und sich ganz zünftig auf den großen Zeh hauen. Oder auf den Daumen. Rechts oder links – völlig egal. Das tut dann so weh, dass man die Zahnschmerzen als gar nicht mehr vordringlich empfindet … Nein! Das ist nur ein Scherz! Quasi ein Gegenscherz! 😉 Niemals würde ich mir bei Zahnschmerzen mit einem Hammer auf irgendwelche Gliedmaßen hauen, auch nicht bei anderen Schmerzen. Obwohl … 😉)

Die Fahrt nach D. mit schmerzenden Händen und einer nur langsam ihren Dienst wirklich effizient aufnehmenden Klimaanlage – erst kam nur sehr heiße Luft, quasi direkt aus der Sahara, nur ohne Sand – war ziemlich stressig. Ich nehme mich da gar nicht aus, hatte auch den Eindruck, heute ziemlich schräg zu fahren – aber nicht wenige Leute fuhren wie die letzten Henker. Auf einer sehr schmalen Chaussee, deren Pflaster quasi aus einer Reihe von Schlaglöchern besteht und auf der zwei SUVs nur mit Zugeständnissen aneinander vorbeifahren könnten (sprich: Einer muss zurücksetzen und auf ein breiteres Stück der Bankette fahren und dort warten, die nicht an allen Stellen gleich breit oder überhaupt vorhanden ist – beileibe nicht!)  und auf der man nur 30 fahren darf, was sogar mir angeraten erscheint, fuhr eine Frau derart dicht auf, dass mir schon danach war, mal ganz pointiert meine Bremse anzutippen. (Aber bei meinem Glück hätte ich jetzt ein kaputtes Auto, also ließ ich es bleiben.) Ich fuhr schon 40, und sie wollte noch schneller, obwohl auf der sehr schmalen Straße reger Gegenverkehr herrschte. Sie hatte sogar noch die Stirn, aufzublenden und wild zu gestikulieren. Ich habe auch eine Stirn, und fast hätte ich mir ebenso gestenreich dagegen getippt, konnte mich aber so gerade noch zurückhalten. Obwohl … Mein Kennzeichen konnte sie ja gar nicht sehen – sie war viel zu dicht an mir dran. 😉 Ich hätte es vielleicht doch tun sollen … 😉

Auf der Strecke nach D., die ich nahm, sonst aber eher selten fahre, war es auch ganz entzückend: Ich fuhr bereits 90, wo man 70 fahren darf, aber trotzdem drängelte da auch jemand hinter mir, ließ an einer Ampel, an der wir stehenbleiben mussten, provozierend den Motor aufheulen. Ich blickte in den Rückspiegel und befand, KFZ-technisch nicht mithalten zu können, jedoch auch, dass in anderer Hinsicht offenbar der Fahrer hinter mir nicht satisfaktionsfähig sei, schalt mich für die Arroganz, hatte aber wohl trotzdem irgendwie recht. 😉 Großzügig ließ ich den Boliden an mir vorbei.

Ich war sehr froh, als ich endlich an meinem Elternhaus anlangte. Mein Vater freute sich sehr, und ich meinte: „Ich fange am besten gleich an. Es ist ja schon nach 5.“ (Und ich schluckte hinunter: „Und so, wie ich Rasen mähe, brauche ich mindestens drei Stunden …“)

Nun, ich habe nur eine Stunde gebraucht. Mit Pausen dazwischen, um den Behälter, der den Grasschnitt auffängt, zu leeren. Der war aber auch schnell voll! Offenbar hatte der Rasen sich extra für mich ins Zeug gelegt und war – so mein Vater – übers Wochenende nochmal heftig gewachsen. 😉

Ich habe das zwar beileibe nicht zum ersten Mal gemacht, aber es war heute wirklich anstrengend. Es war sehr, sehr warm, und mehrfach hatte ich den Eindruck, der Hitzschlag sei nicht fern … 😉

Und ich habe keine Ahnung, wie viele Bienen ich wirklich hingestreckt habe! Denn Klee wuchs zwischen dem Gras, und Bienen scheinen Klee zu lieben. Was ich bisher nicht wusste: Bienen scheinen stocktaub zu sein! Und auch dräuende Vibrationen – quasi bad vibrations – scheinen sie nicht zu bemerken. Nicht, wenn irgendwo Klee wächst. Nicht anders ist zu erklären, dass sich während meines Arbeitseinsatzes gleich mehrfach Bienen immer just auf die Kleeblüte setzten, die ich niederzumähen trachtete. Da es sehr schnell ging, sind mindestens drei Bienen dabei hingeschieden … Bei der mutmaßlich vierten sah ich zum Glück rechtzeitig, wie sie sich niederließ und riss kurzerhand den Rasenmäher in eine scharfe Linkskurve an der offenbar gefühlsarmen Biene vorbei. (Ich hoffe, meine Mutter hing nicht allzu sehr an der staudenartigen Pflanze, die diesem Ausweichmanöver partiell zum Opfer fiel … Im Nullkommanix geschreddert …)

Als ich den Grasschnitt-Behälter zum letzten Male leerte, fluchte ich ein wenig, weil das Ding so elendig vollgestopft und schwer war. Mein Vater meinte milden Mundes: „Alilein, was ist denn? Ich finde Rasenmähen immer sehr entspannend. Man muss nicht nachdenken, man sieht gleich einen Erfolg – und sieh mal, was du alles geschafft hast! Das ist doch schön.“ Mein Vater ist offenbar ein Lebenskünstler. Ich stand da, schwitzte wie ein Schwein, rang mit dem Grasschnitt-Behälter und war obendrein eine Bienenmörderin! Wie soll man da entspannen? 😉

Zum Bienenmord meinte mein Vater nur: „So ist das Leben. Wenn man nicht aufpasst, kann es ganz schnell zu Ende sein.“ Ich meinte: „Papa, das mag zwar sein. Aber Bienen sterben ohnehin schon in besorgniserregender Weise, und das habe – so sagt man – ganz üble Auswirkungen auch auf uns.“ – „Kind – bist du unter die Esoteriker gegangen?“ – „Nein! Um Himmels willen!“ – „Das hätte mich auch gewundert.“ – „Ja, aber mir tut es trotzdem leid.“ – „Mir auch, aber so ist der Lauf der Welt.“ – „Mindestens drei Bienen weniger, nur durch mich, obwohl die eh schon irgendwie unerklärlich dahinsterben!“ – „Man kann es nicht ändern.“

Das stimmt. Aber mir war nicht bewusst, dass Bienen offenbar total taub sind und auch keine Vibrationen verspüren. Ist das vielleicht eine Art Suizid? „Hey, da kommt die Tussi mit dem Rasenmäher! Da stürze ich mich doch gleich mal auf die Kleeblüte, die sie ansteuert! Ha! Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!“ Ob es so sein könnte? Vielleicht eine Art Racheakt? Haben wir Bienen bis dato zu wenig beachtet? 😉

Papa ist ein sehr systematischer Mensch, und so meinte er zu meiner Mähmethode: „Du solltest das große Ganze sehen und mähen. Du mähst immer zwischendurch so kleine Areale – das würde ich nicht machen.“ – „Das mache ich mit Absicht. Das ist überschaubar, und das Erfolgserlebnis ist umso größer. Man hangelt sich von kleinem Erfolgserlebnis zu kleinem Erfolgserlebnis. Das ist so meine typische Vorgehensweise.“ Papa grinste. Dann meinte er: „Sag mal, worüber diskutieren wir hier eigentlich?“ – „Wieso? Das ist doch echt philosophisch.“ 😉

Und vor lauter Begeisterung und um meinem Vater zu zeigen, wie toll meine ureigene Mähmethode sei, mähte ich auch noch das letzte Stück. Papa meinte, er wolle dann doch die Nachrichten im Fernsehen sehen. Ich mähte munter weiter, während er vor dem Fernseher saß. Es war auch noch die Titelmelodei der Nachrichtensendung zu hören. Fast bis zu Ende. Sie riss ganz plötzlich ab, und ich hatte den Eindruck, es reiße etwas an meiner linken Schulter, über die ich mir die Schnur des Mähers gelegt hatte. Gleichzeitig setzte das penetrante Geräusch des Rasenmähers aus. Ich hatte die Schnur durchgemäht … Papa stürzte auf die Terrasse und rief: „Kind, ist alles in Ordnung?“ – „Scheiße, Papa! Ich habe so aufgepasst und doch die Schnur durchgemäht!“ – „Siehst du! Das meinte ich vorhin! Mit meiner Methode ist das Risiko geringer … Naja, aber immerhin funktioniert der FI-Schalter.“ Ja. Zum Glück. 😉

Nächste Woche fahre ich wieder zum Rasenmähen hin. Bis dahin hat Papa die Schnur repariert. 😉 Zum Abschied meinte er zu mir: „Wie hat dich Henrik immer genannt?“ – „Trümmerlotte.“ Papa sagte nichts. Aber er grinste. 😉 Dann meinte er: „Leitest du eigentlich im kommenden Semester wieder ein Seminar an der Uni?“ – „Ja.“ – „Schön, das freut mich. Das kannst du wirklich gut.“

Was wollte er mir damit sagen? 😉 Und: Kann ich nicht auch brillant Elektroleitungen zerstören? Dessen rühmt mich niemand. Warum nur? Kann auch nicht jeder … 😉

Aber mein Vater scheint doch noch Hoffnung zu haben. Sonst würde ich ja nächste Woche nicht wieder zum Rasenmähen hinfahren sollen. 😉

Und das Ganze hatte noch eine nette Begleiterscheinung: Ich sehe gleich viel dünner aus. Ich sollte wirklich öfter den Rasen mähen. 😉

Das Ganze ist mit Augenzwinkern geschrieben und war in Wirklichkeit nicht ganz so. Nur fast. 😉

Euch eine schöne Woche!

Schwache Momente

Ich habe gerade etwas Furchtbares getan. Ich habe eine E-Mail geschrieben.

Gut, das ist eigentlich nichts Schlimmes. Denke ich zumindest, aber man weiß ja nie. Denn letztes Jahr habe ich eine Mail an einen Bekannten geschickt, der Geburtstag hatte – das war wohl nicht so gut. 😉 Dabei hatte ich mir nichts – zumindest ist mir nichts Derartiges bewusst oder bekannt – zu Schulden kommen lassen.

Nun, immerhin war das heute keine Geburtstagsmail – diesbezüglich kann man ja offenbar Fehler machen. Und dennoch war sie überstürzt und im Grunde völlig falsch.

Seit dem Tode meines heißgeliebten Kaninchens Muffin habe ich – abgesehen von Jakobine, der sehr wehrhaften Wellensittichhenne, an der mein Herz hing – kein Tier mehr gehalten. Immerhin versucht, angesichts der Trauer, die tierliebe Menschen umfängt, wenn geliebte Hausgenossen gehen, doch das Positive zu sehen: „Du kannst jetzt immerhin unbelastet in den Urlaub fahren!“

Aber ganz ehrlich: So oft, wie ich die verstorbenen Tiere vermisste, fahre ich gar nicht in den Urlaub, und ich bin mir ziemlich sicher, dass der kleine Muffin von Sonstwo mir schon mehrfach gesagt hat: „So selten, wie du in den Urlaub fährst, zumindest weiter weg, hättest du auch schon das eine oder andere Tier aufnehmen können.“ Und ich bin mir sicher, er fügte hinzu: „Du doofe Kuh!“ 😉 (Nehmt das, bitte, nicht so ernst; ich versuche nur, irgendwie lustig zu sein, obwohl mir gerade gar nicht so danach ist. 😉)

Ich bin mir aber erheblich sicherer, dass ein eklatanter Migräneanfall, der mich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag ereilte, mit Aura und so richtig fies, der Grund für das zuvor Erwähnte war. Genauer: Ich war in der Nacht von Donnerstag auf Freitag, den ganzen Freitag und Samstag völlig out of duty, da ich den zweitschlimmsten Migräneanfall seit Bestehen meiner persönlichen Geschichtsschreibung erleben musste.

Gestern ging es wieder. Und am frühen Abend sah ich dann dummerweise eine Sendung im WDR, genauer die, da Tiere ein liebes Zuhause suchen. Und da war er: Jacky, ein Perserkater!

Ich muss wohl noch vom Migräneanfall betroffen gewesen sein, denn ich würde mir niemals freiwillig eine Perserkatze zulegen. Zu langes Fell, ewig dieses Gekämme! Ich stehe seit dem Bobtail meiner Patentante, der sich so ungern kämmen und bürsten ließ, auf kürzeres Fell. Ich trage selber einen eher halblangen bis kurzen Bob … Kommt auch nicht von ungefähr. Niemals würde ich mir einen Hund mit langen Haaren anschaffen … 😉

Und dennoch klebte ich gestern wie hypnotisiert am Bildschirm, als dieser kleine Wicht vorgestellt wurde. 😉 Dieses grimmige Gesicht gefiel mir, ebenso die anschmiegsame Art, wenn ich auch weder bei Katzen, noch bei Hunden diese platten Gesichter mag und auch weiß, warum. 😉 Wenn ich auch bei Katzen am liebsten Tigermuster oder ein gefleckt gemustertes Fell bevorzuge. Aber dieser schwarze Wicht hatte es mir angetan, zumal er so verschmust war. Zumindest war ich nach dem Migräneanfall mitsamt Aura derart „verschwurbelt“, dass ich offenbar total fern der Welt war.

Denn vorhin habe ich eine Mail an das Tierheim geschrieben, das über sein Wohl und Wehe bestimmt.

Und inzwischen denke ich: „Hoffentlich melden sich ganz viele andere Leute!“ Nicht, weil ich den kleinen Kerl nicht im Hause haben wollte. Eher, weil ich die meiste Zeit des Tages nicht daheim bin. Und ich hoffe, er möge ein „anschmiegsames“ Zuhause finden.

Man sagt ja immer, dass Katzen auch allein im Haus bleiben könnten. Von ihm wurde gesagt, er sei „Wohnungshaltung und Alleinsein“ gewohnt – aber wie scheußlich ist das denn?

Zum Glück habe ich meine Mail derart neutral geschrieben, dass man mich ohnehin nicht auswählen wird. 😉

(Hoffe ich nach meiner sehr selbstsicheren Mail zumindest, die doch so ernstgemeint war, dass es mich ein bisschen schaudert. Ich wollte dem Tier helfen, dachte zwar vor und mit, aber als ich die Mail geschrieben hatte, dachte ich erst ganz richtig an die Folgen …)

Falls nicht, gibt es immerhin einen weiteren Punkt, der „Jackie“ und mich wohl nicht zusammenführt. Es ist die Autobahn, denn ich müsste bis nach Paderborn fahren. (Auf der anderen Seite überlege ich gerade, ob jemand wie „Jackie“ nicht ein Grund sei, auf die Autobahn zu fahren … 😉 Ein so liebes Tier! Zumindest im Fernsehen … Oder vielmehr: immerhin! Auch da war er völlig gelassen. 🙂 )

Wie auch immer es ausgehen mag – und ob der langhaarige, schwarze Geselle meinen Haushalt bereichern mag oder nicht (wovon ich ausgehe): Niemals nach einem heftigen Migräneanfall nebst Aura hingehen und eine Tiersendung ansehen! Ich war heute noch angegriffen durch den Migräneanfall, sprach verschiedene Kollegen mit völlig falschen Namen an, und ich hatte Sehstörungen auf dem linken Auge, dort, wo sich Migräneanfälle stets bei mir entwickeln und abzeichnen …

Wenn ich den kleinen Perserkater auch nicht aufnehmen kann, würde ich mich doch sehr freuen, würde es einer von euch tun: Er sitzt im Tierheim Paderborn, ist rabenschwarz, was manche Menschen unerklärlicher Weise abschreckt, aber offenbar ein echtes Knuffelchen.  Und noch immer überlege ich, ob ich ihn nicht ganz einfach aufnehmen sollte … Mich hindert eigentlich nur die doofe Autobahn … (Ja, ich weiß – versteht auch keiner… 😉 )

Danke und einen schönen Abend! 🙂

Spannende Tage

Hui – das waren ja mal wieder ereignisreiche Tage in der gerade vergehenden Woche! Speziell gestern schlugen die Wogen hoch, als die Ehe für alle tatsächlich beschlossen wurde, dort im fernen Berlin.

Mich erfreut Gleichberechtigung, und hätte ich abstimmen dürfen, ich hätte auch mit Ja gestimmt. Wegen der Gleichberechtigung eben – warum sollte die auch nicht sein? Finde ich zumindest.

Ich wurde eines Besseren belehrt, als ich heute die Online-Ausgabe einer überregionalen Tageszeitung ansurfte. Die Artikel zum Geschehen wohlwollend und begrüßend, da gab es kein Problem. Aber in den entsprechenden Kommentarbereichen fühlte ich mich partiell in ein anderes Jahrhundert bzw. Jahrtausend versetzt. Nicht vor, sondern zurück. Obwohl ich inzwischen ein bisschen Angst bekomme, dass eine Reise in die Zukunft möglicherweise ähnliche Erkenntnisse mit sich bringen könnte wie eine in die Vergangenheit, wenn ich das Gros der Kommentare so betrachte …

„Wider der [!] Natur!“ – „Eine Ehe ist immer darauf ausgelegt, Kinder zu produzieren [!]“ – „Pervers!“ – „Homosexuelle können Ehe ja nur spielen, aber eine echte Ehe ist darauf ausgelegt, Kinder zu erzeugen!“ – „Zum Glück habe ich richtig geheiratet, also in der Kirche – und dem Staat kann ja keiner trauen, da wir alle verraten werden!“ – „Muss ich mich demnächst als Frau rechtfertigen, weil ich mit einem Mann verheiratet bin?“ – „Ehe ist etwas Religiöses! So geht das nicht!“ – „Igitt!“ – „Auch noch Recht auf Adoption – die armen Kinder! Kindesmissbrauch ist damit Tür und Tor geöffnet!“

Und so fort.

Mir wurde ein bisschen schlecht, nicht nur der grammatikalischen Schieflagen, nicht nur dieser unerträglichen Arroganz wegen, selber das Maß aller Dinge zu sein, die aus all diesen Kommentaren sprach. Ich verstehe die Ängste nicht – zum Beispiel die der Frau, die sich davor ängstigt, sich rechtfertigen zu müssen, weil sie mit einem Mann verheiratet ist. Wie kommen Menschen auf so etwas? Was spielt sich in deren Köppen ab? Und nach Luft schnappte ich dann beim befürchteten Kindesmissbrauch – wie unverschämt ist denn das?

Ich machte einen Fehler, der aus einer meiner Schwächen resultiert: Ich kann Ungerechtigkeit und Ignoranz nicht leiden, und mich nervt dieses ewige Bählamm-Gehabe. Man bäht und mäht alles nach, was irgendein anderer vorgibt – irgendein Leithammel. Und wenn der Leithammel sagt: „Hamwa schon imma so jemacht!“ oder: „Hamwa noch nie so jemacht!“, stolpern die Bählämmer munter hinterdrein, ohne mal das eigene Köpfchen zu bemühen. Ihnen geht es ja gut, und es soll, bitte, alles so bleiben, wie sie es gewohnt sind, völlig wurscht, ob andere darüber benachteiligt werden. Denn: Sie sind die Norm. So bähen und mähen sie.

Mein Fehler war, ebenfalls zu kommentieren. Aber ich fand, dass neben den wenigen, die wohl so dachten wie ich, eine Verstärkung nicht verkehrt wäre. Ich halte meine Meinung nicht für das Maß aller Dinge, aber ich finde, zu einer wirklich fundierten Diskussionskultur gehört auch ein ausgewogenes Verhältnis – davon können beide Seiten durchaus profitieren.

Aber was hatte ich getan! Ich weiß gar nicht, wie oft am heutigen Tage mir von echten Experten erklärt wurde, dass es für die Fortpflanzung eines männlichen und eines weiblichen Parts bedürfe – das hatte ich ja auch noch gar nicht gewusst! 😉

Als ich provokant fragte, wie es ein bestimmter Kommentator, der sich bis kurz vor Myokardinfarkt über die „Technisierung der Nachwuchsproduktion“ echauffierte, die die Ehe für alle ja mit sich brächte, es denn mit verschiedengeschlechtlichen Ehepartnern halte, die ungewollt kinderlos seien und daher Gebrauch von der In-vitro-Fertilisation machten, kam von diesem gar keine Antwort. Stattdessen antwortete Horst-Hermann der Erste: „Wer es nicht kann und keinen hochkriegt, soll es lassen – schon den Kindern zuliebe!“

Na, das war ja eine echt wohlbegründete Meinung. Da lachte ich noch und dachte: „Bei den einen funktioniert die Physis, bei den anderen vielleicht nicht so sehr. Dafür vielleicht aber etwas anderes, weiter oben und im Kopp.“ Und ich dachte fürderhin, dass die Welt bisweilen wirklich ungerecht sei, wenn es für Menschen, die derart wohlbegründete Argumente vorbrächten, so viel leichter sei … Aber lassen wir das – ich werde boshaft. 😉 (Obwohl meine Widerparte viel krasser waren – ich weiß nicht, wie oft ich heute im Kommentarbereich der Homosexualität bezichtigt wurde, was mich zwar nicht stört, aber nicht stimmt. Mich stören lediglich Ignoranz und diese Art von Intoleranz.)

Richtig cool wurde es, als ein Mensch in Meister-Yoda-Sprachduktus vorbrachte, die Ehe sei ein religiöses Gebilde. Offenbar hatte er bis dato in einer anderen Galaxie gelebt …

Und richtig erstaunt war ich, als sich ganz viele Kritiker dann zu Sprachwissenschaftlern aufschwangen. Darunter auch zwei Kommentatoren, die sich sonst über exakt dieses Fach lustig machen … Plötzlich warteten sie mit linguistischen Feinheiten auf, den Terminus Ehe betreffend. Ich kommentierte dies entsprechend, verwies auf die inkonsistente Haltung gegenüber ihrer sonstigen in puncto Sprachwissenschaften … und dann ging gar nichts mehr in puncto Kommentar.

Man hat mich gesperrt. Für eine Woche, wie man mir mitteilte. Meiner „subversiven“ Haltung wegen. 😉 Ah, ja. Ich habe niemanden beleidigt, ich war vielleicht sarkastisch, bisweilen ein wenig zynisch – aber das geht ja gar nicht. Mich als „Schwulette“ zu bezeichnen, womit man auch noch völlig daneben lag, ging offenbar schon. Steht immer noch dort. Interessant. 😉

Kaum zu glauben, dass ich das anno 2017 schreibe. Als Kind der 80er wirklich schier unglaublich. Aber schon heute in den Kommentaren fühlte ich mich wie in die Dreißiger versetzt. Bei manchen Kommentaren zumindest …

Erfreulich jedoch, dass sich der Fächerkanon der Sprachwissenschaften offenbar wachsender Beliebtheit erfreut … 😉

Und, jaaa, ihr habt Recht: Ich sollte mich einfach heraushalten. Aber wenn es ungerecht wird, entspricht das Heraushalten so gar nicht meiner Natur … Manchmal denke ich: leider.

Euch ein schönes Wochenende! 😊