Zwar bin ich kein „Englishman in New York“, sondern eher ein „German girl in Stranraer“. Dennoch schießt der Refrain dieses Liedes mir seit gestern immer wieder und wieder durch den Kopf. In etwa so lange, wie ich hier in Schottland bin. 😉
Ein Wunder, dass man mich überhaupt einreisen ließ! Doch von vorn …
Gestern um 8 h sollte es losgehen, und ich wollte pünktlich bei meinen Eltern sein, von wo aus meine Schwester und ich mit ihrem Wagen zum Flughafen Düsseldorf fahren wollten. Ich fuhr zeitlich passend los, wusste allerdings nicht, dass mehrere neue Baustellen und eine Baustellenerweiterung mich erwarteten – denn sonst wäre ich eine halbe Stunde eher losgefahren …
Kurz: Ich kam zu spät, Stephanie hatte nicht länger warten können, und es war in der Tat schon ein wenig knapp. Ich raste mit einem Taxi gen Flughafen und schaffte es just in time …
Als ich beim Zoll meinen Personalausweis vorlegte, verhielten sich die beiden Beamten gar merkwürdig. Speziell der, der meinen Perso in der Hand hielt und mit Blicken bedachte, als stünde dort unter der Rubrik „Künstlername“: Jack the Ripper …
Und schon fragte er mich: „Wie und wo haben Sie diesen Ausweis gefunden, Frau B.? Der steht als gestohlen im System! Und zwar haben Sie, wenn Sie wirklich Frau Ali B. sind, den Diebstahl selber zur Anzeige gebracht. Äußern Sie sich!“
Ich starrte den sehr autoritär wirkenden Beamten an – in welchem Film war ich denn hier gelandet? Aber die Zeit drängte, und so überlegte ich eilig, was der Herr wohl meine. Dann fiel mir etwas ein …
2014 war mir Anfang Oktober mein Portemonnaie gestohlen worden. Darin: 10,- €, meine Kreditkarte und … mein Personalausweis. Bingo! Das meinte er sicherlich.
Ich hatte damals umgehend die Mastercard sperren lassen, die EC-Karte hatte ich glücklichen Umständen zufolge gerade in der Hand gehalten, als ich angerempelt und mir das Portemonnaie entrissen wurde – mitten im Supermarkt an der Kasse. So musste ich diese nicht auch noch sperren lassen.
Im Anschluss an diesen denkwürdigen Supermarktbesuch am frühen Samstagabend musste ich dann die Polizeiwache in der Stadtmitte aufsuchen, wo ich ungelogen fast 3 Stunden saß, bis endlich die Strafanzeige erstattet und Kreditkarte und Perso zur Fahndung ausgeschrieben waren …
Am nächsten Tag klingelte es nachmittags an der Tür, und ein freundlicher Herr stand davor, der mein Portemonnaie in der Hand hielt: Er habe es in einem Gebüsch gefunden. Genauer: sein Hund. Jemand habe es dort wohl hingeworfen, aber es sei leider nur noch der Perso drin. Ich fand das echt total nett, konnte dem Herrn aber nicht einmal einen Finderlohn geben. Der winkte nur ab und meinte, nein, das sei auch nicht nötig.
Da ich an jenem Sonntag niemanden auf der Polizeiwache erreichte, meldete ich mich gleich am Montagmorgen dort und erklärte, der Ausweis sei mir nebst Portemonnaie von jemandem gebracht worden, der es in einem Gebüsch … und so fort. Der diensthabende Beamte erklärte mir, das sei ja prima, und er werde den Ausweis aus dem System nehmen und nur die Kreditkarte weiterhin zur Fahndung ausgeschrieben lassen. Ich fragte noch zweimal nach, ob damit ausweistechnisch alles erledigt sei, was der Beamte, nennen wir ihn Herrn Ich-habe-Ihren-Personalausweis-aus-dem-Fahndungssystem-genommen, mehrfach bestätigte …
Und nun dieses Theater gestern in Düsseldorf! Zehn Minuten hielt man mich auf, ließ sich die Bordkarte und meine Mastercard zeigen, dann entließ man mich mit dem Ausweis und den Worten: „Ich werde einen Bericht schreiben!“ – „Ich auch,“, dachte ich für mich, denn zumindest gedenke ich meinen Unmut bei der Polizei meiner Heimatstadt zu zeigen. Ich mache zwar, wie alle Menschen, durchaus Fehler; hier nur hatte ich mir wirklich mal nix vorzuwerfen. 😉
Doch es kam ja noch schlimmer … Kaum in Glasgow gelandet, begaben wir uns zum Immigration-Bereich. Ich legte meinen Perso vor, der nette schottische Officer checkte den Ausweis, dann sah er mich spitzbübisch grinsend an und meinte: „So when did you get your ID card back – the computer says it’s been stolen …“ Ich erklärte das Ganze brav noch einmal, diesmal nur auf Englisch. Der Officer nickte teilnahmsvoll, dann fragte er nach einem weiteren persönlichen Dokument, das meine Identität nachweisen könne. Ich gab ihm meinen Führerschein dazu, und er verschwand mit meinen beiden Dokumenten in einem Büro, während ich gestresst von der Hektik des bisherigen Tages auf einen Sitzplatz in der Wartezone sank … Was würde nun werden? (Im Vertrauen: Ich rechnete fest damit, dass sie mich nach Deutschland abschie…, äääh, zurückschicken würden. 😉 )
Ich war wie vor den Kopf geschlagen, doch es kam noch besser: Der Officer kehrte zurück und rief mich zu sich. In der Hand mehrere zusammengetackerte DIN-A4-Blätter und meinen Führerschein. Wo war mein Perso?
Und da erklärte er mir auch schon, dass es ihm sehr leid täte, dass es nicht in seiner Macht liege, aber er Amtshilfe leisten müsse. Die deutschen Kollegen hätten ihn angewiesen, meinen Perso einzubehalten! „Pardon me?“ warf ich kraftlos ein. Wie meinen?
Der Bedienstete spürte wohl, dass ich in einem Zustand größter Irritation befindlich war, und so strich er mir tröstend über den Arm und erklärte mehrfach, es tue ihm so leid, und wenn es nach ihm ginge, würde er mich keineswegs so behandeln. Auch solle ich mich nicht sorgen: Er sei sicher, dass man mich mit meiner Ausweiskombi aus amtlicher Erklärung, weshalb mein Perso eingezogen sei, einer Kopie desselben sowie dem Führerschein in zwei Wochen wieder ausreisen lasse. Ich sagte, das sei sehr nett, und ich wisse, dass er Weisung seitens der deutschen Kollegen habe. Und dann grinste ich und meinte: „My sister, whom I’m travelling with, always said that I would like it here and – once here – would not wish to ever return to Germany. ‚Maybe you’ll stay there since you really cannot leave‘, she said. But I think she meant it in a different way …“ Der Officer lachte heftig und meinte: „That’s a good sort of humour – I like that.“ Na, immerhin. 😉
Und nun sitze ich hier, ohne Ausweis, dafür aber mit einem gewissen Zorn. Weil jemand offenbar gepennt oder geschlampt hat, habe ich keinen Ausweis, dafür Schwierigkeiten, muss unter Umständen nach Edinburgh ins deutsche Konsulat. Und das im Urlaub – das macht Spaß! 😀
Ich werde nie vergessen, wie man mir 2010, als ich diesen Personalausweis beantragte, dringend dazu riet, meine Fingerabdrücke abspeichern zu lassen. Denn im Diebstahlfalle könne man sofort anhand der Fingerabdrücke identifizieren, ob der Ausweis demjenigen, der ihn bei sich trage, auch wirklich gehöre! Das leuchtete mir damals ein …
Offenbar aber hat das System Macken: Man scheint per se nicht erkennen zu können, ob der Inhaber des Ausweises, der so aussieht wie das Bild auf dem Ausweis, dessen Name auch auf dem Führerschein steht, auf anderen Dokumenten, und dessen eigene Schwester erklärt, ja, die Person hier ist identisch mit den Angaben im Ausweis, wirklich der rechtmäßige Inhaber ist. Merkwürdig zwar, aber – okay – da könnte ja jeder kommen … (Obwohl: Es quakt wie eine Ente, es schwimmt wie eine Ente – könnte es sich vielleicht um eine Ente handeln? 😉 ) Aber dafür gibt es doch diese Fingerabdrücke – den immensen Vorteil, der meinen Perso damals ein ganz kleines bisschen teurer gemacht hatte … 😉 Aber da sei ich stets auf der sicheren Seite, so die Dame aus dem Bürgerbüro. Noch heute habe ich ihre Worte in den Ohren … 😉
Nun bin ich ganz gespannt, wie es weitergeht, was noch alles passieren wird. Vielleicht lassen sie mich hier ja nicht mehr hinaus. Oder nicht nach Deutschland hinein … 😉 In diesem Falle: War echt nett mit euch! Und ich werde euch alle sehr vermissen. 🙂
Ansonsten kann ich Schottland nur empfehlen. 🙂