Da ich selber ein Schottland-Newbie bin, fällt es mir leicht, Tipps zu geben. Alteingesessene Schottlandreisende setzen meist zuviel voraus, erwähnen verzückten Blickes – ergo mit gen Himmel gedrehten, leicht glasigen Augen und entrückter Attitüde – oft Dinge, die dem Schottland-Neuling völlig unbekannt sind, da er ja noch nie vor Ort war. Und dann wundern sie sich, wenn dieser nicht gleich dieselbe Begeisterung zeigt wie sie … 😉 Man muss selber hinreisen, damit das Virus wirkt. 😉
Ich gebe zu, ich hatte anfangs ein wenig Angst, dorthin zu reisen. Nicht richtig Angst, aber ein bisschen skeptisch war ich schon. Immerhin habe ich in meinem Verwandten- und Bekanntenkreis diverse Schottland-Fans. Und die sind auch alle Mittelalter(markt)-Fans, was bei mir – ich muss es zugeben – Unverständnis zutage treten lässt. Mag sein, dass es daran liegt, dass ich mich während meines Studiums im hauptfachzugehörigen Unterbereich Mediävistik etwas intensiver mit dem Mittelalter beschäftigen musste. Zumindest erschien mir diese Ära aufgrund meiner Studien eher wenig erstrebenswert – so schnell stand man als vermeintliche Hexe auf dem Scheiterhaufen, war man als Frau nur etwas eigenwilliger oder „nicht willig“, starb an einer schlicht vereiterten Zahnwurzel (so man überhaupt noch Zähne besaß) oder an einer heutzutage als Bagatelle betrachteten fiebrigen Erkältung. Von anderen missliebigen Aspekten ganz zu schweigen. Nicht umsonst gehört das Mittelalter speziell im anglophonen Bereich zu den dark ages … 😉
Obwohl ich schon seit meiner Kindheit irgendwie auch ein Faible für Schottland habe – immerhin war ich schon sehr früh ein ganz treuer Fan von Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt, und die, die das Ganze kennen, wissen, dass die dritte zu lösende Aufgabe in Schottland spielt: in der dreieckigen Burg Plumpudding Castle. Ich bin mir ziemlich sicher, dass schon im Kleinkindalter einige Weichen gestellt wurden, was mein späteres Studium und meinen Jahresurlaub 2017 anbelangt … 😉
Heute bin ich blutenden Herzens und mit Tränen in den Augen aus dem Lande der Scots heimgekehrt – ich wäre so gern dort geblieben! Obwohl es anfangs gar nicht so einfach war. Nicht der Scots und auch nicht meinetwegen. Es gab einfach ein paar logistische Probleme, aber davon berichtete ich ja schon. 😉
Ich gebe es ungern zu: Schottland hat auch mich infiziert. Mehr noch als Irland, und das hat schon eine Art Sucht ausgelöst. 😉
Daher nun ein kleiner Leitfaden für all diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, Schottland erstmalig eine Chance zu geben. Obwohl das schon die falsche Perspektive ist, denn es ist umgekehrt: Schottland gibt euch eine Chance! 😉
Fangen wir an …
1. Vergesst alles, was ihr im Englischunterricht – egal, ob in der Schule, an der VHS, Uni oder sonstwo hinsichtlich englischer Aussprache gelernt habt! Man bringt euch dort die Hochsprache bei bzw. das, was als Received Pronunciation bekannt ist. (Den Begriff Oxford English solltet ihr ohnehin aus eurem deutschen wie englischen Wortschatz streichen. In UK gibt es diesen Begriff nicht, und in Deutschland meint man mit Received Pronunciation das Englisch, das als Standard und Hochsprache gilt und das überall verstanden wird.)
Es ist ja schon in England so, dass nur im Süden in Ansätzen so gesprochen wird, dass Ottonormalverbraucher mit Englisch als erster Fremdsprache sich relativ problemlos verständigen kann. Je weiter ihr nach Norden reist, desto schwieriger wird es. Bevor ich nach Schottland reiste, war die typische Mundart in Leeds, Manchester und Newcastle-upon-Tyne schon eine kleine Herausforderung, obwohl ich die englische Sprache fließend beherrsche, weil es mein Job und meine Berufung ist – zumindest fand ich das immer. 😉
Kürzlich habe ich mich in Schottland mit einem Ehepaar aus Carlisle – im äußersten Norden Englands und kurz vor der schottischen Grenze gelegen – unterhalten, fließend, ohne Rückfragen meiner- oder ihrerseits. Ja, ich merkte anfangs gar nicht, dass sie aus Nordengland kamen, obwohl ich das sonst sofort höre! 😉 Ich war schon eine knappe Woche in Schottland gewesen, nicht mehr der Südengland-Weichei-Englisch-Sissy – wir parlierten wechselseitig fließend über das Wetter, den Beruf und gegen Ende auch noch Politik (und das, ganz ohne zu streiten! 😉 ) und die wechselnden gesellschaftlichen Werte – es wurde richtig philosophisch! In Portpatrick an der Küste der Irischen See, und das so nett, dass der weibliche Part des Ehepaares meinte: „I’ve never met a German with such a lovely North of England accent!“ Ich brach in Gelächter aus – ich hatte mich den beiden offenbar doch nur angepasst, und das ganz unbewusst. Ich war froh, dass jemand englisches Englisch sprach, denn das schottische Englisch ist um einiges krasser. 😉 Und erst, nachdem die nette Dame den North of England-Aspekt erwähnt hatte, fiel mir auf, dass sie „us“ nicht mit einem kurzen A-, sondern dem kurzen U-Laut aussprachen: „uss“ – ganz typisch für Nordengland.
Mein Tipp: Wenn ihr nordenglische Mundarten nicht auf Anhieb versteht, es aber möchtet: Fahrt nach Schottland! Dann geht es ganz schnell. Und wenn ihr dann über die Grenze südlich gen Nordengland reist, habt ihr gar kein Problem mehr. 😉
Fakt ist, dass – wie in jedem anderen Land – auch in Schottland ganz verschiedene Akzente und Dialekte üblich sind. Eines ist nur wichtig: Ein ou wird – dort, wo ich mich dieses Mal aufhielt -, keineswegs wie ein au artikuliert, sondern wie ein langes U. Etwa wie in Ute.
Und wenn ihr irgendetwas nicht versteht, was durchaus häufig der Fall sein kann: Scots sind – zumindest im Gros – sehr nette Menschen. Sagt einfach: „Pardon me?“ oder „Sorry, I did not get you properly“. Es wird dann sofort wiederholt. Und das auch so lange, bis ihr es verstanden habt – oder auch nicht -, denn: Sie sprechen keineswegs langsamer oder für Received Pronunciation Sissies besser verständlich. 😉 Aber es gibt den Punkt, da ihr euch wechselseitig verstanden habt. Ein Kompromissspiel. Meist ist der Kompromiss auf eurer Seite. 😉
2. Castles: Plumpudding Castle habe ich natürlich nicht gesehen, aber dafür eine größere Anzahl anderer Castles. Braemar Castle war wunderschön, auch The House of Dun, Glamis Castle – und auch einige Ruinen wurden von uns besucht. Merke: Castle bedeutet nicht immer „funktionsfähiges Schloss mit Interieur“. 😉
3. Schottland ist das Land des Whiskys. Es gibt zahlreiche distilleries. Ich habe diesmal eine besucht und eine Führung mitgemacht. Mit einem Whisky taste. Seitdem habe ich beschlossen, Whisky eine Chance zu geben. 😉
4. Überall werdet ihr die Silhouette einer Hunderasse sehen, die ich sehr liebe, weil sie als sehr eigenwillig und rough and tough bekannt ist: Wir sprechen vom Scottish Terrier. Kurzbeinig bzw. wie es – speziell bei Jägern – so fachkundig niederläufig heißt. Sprich: Das Tier hat kurze Beine. Wie ein Dackel. Hierzulande ist meist die schwarze Variante bekannt, und das als Pendant zum weißen Tier der Whiskymarke Black and White. Wenn ihr diese Hunde irgendwo seht: Das sind echte Schotten, wie man schon am Gesicht erkennen kann, da sehr eigenwillig und stolz. Und das macht sie für mich zu ganz echten Sympathieträgern. 🙂
Mit Verlaub: Ich habe keinen einzigen Scottie dort live gesehen! Und, bitte: Die Schreibweise ist immer -ie! Ganz wichtig, denn in Schottland wird sehr viel, was man im „normalen“ Englisch mit Y schreiben würde, mit -ie geschrieben! 😉 (Ich überlege, ob ich mein Auto, den kleinen Monty, nicht besser in Montie umbenennen sollte … 😉 )
5. Edinburgh war der Punkt, der mich nachhaltig mit dem Schottland-Virus infizierte. Daher ist von Glück zu sprechen, dass man mir meinen Ausweis bei der Einreise abnahm und diesen konfiszierte. Denn ohne diese Maßnahme wäre ich wohl gar nicht nach Edinburgh gefahren, musste es aber nun, da sich just dort das deutsche Generalkonsulat befindet. 😉 Da meine Schwester Edinburgh schon kannte, reiste ich mit dem Zug dorthin, und es war das Beste, was mir an diesem Tag passieren konnte. Zweimal bin ich über jedweden Firth in dieser Gegend – den Firth of Tay und den Firth of Forth – gefahren, einmal frühmorgens und einmal am späten Nachmittag. Beide Male glitzerte die Sonne auf dem Wasser, was im Grunde doof klingt, aber einfach nur wunderschön aussah. Ich wünschte, ich hätte es fotografiert! 🙂
Übrigens: Sollte euch euer Ausweis vor oder in Schottland verlorengehen, als gestohlen gemeldet oder sonstwie abhanden gemeldet werden: Keine Angst vor dem Generalkonsulat! 😉 Es befindet sich in Edinburgh, 16 Eglinton Crescent, und ihr erreicht es ganz leicht, wenn ihr bis zum Bahnhof Haymarket fahrt. Von dort aus sind es nur ein paar Straßen, und dann seht ihr schon die EU- und die deutsche Fahne flattern. Wenn es gerade windig ist. Ansonsten hängen sie schlapp vor dem Gebäude. Ganz wichtig: Um Punkt 9 Uhr öffnet das Generalkonsulat, denn es ist eine deutsche Behörde. 😉 Ruft vorher an und lasst euch nicht verunsichern, wenn ihr nach eurer E-Mail confirmation gefragt werdet. Sagt einfach, ihr hättet am Tage zuvor angerufen und wäret ein Notfall! 😉
Drinnen ist ohnehin alles wie in einem Hühnerkäfig – vor allem die Enge und die Hektik, die dort herrschen. Aber ich bekam meinen Notfallausweis nach nur einer Stunde Wartens, ausgehändigt vom Türsteher, der mich zu mögen schien – zumindest meinte er wiederholt, ich wäre wohl die Lockerste von allen, was mich wunderte, da die Stimmung dort vor Ort eher angespannt war. Klar, ich hatte auch wenig zu verlieren, nachdem mein Ausweis weg war. 😉
Edinburgh war schuld, dass das Schottland-Virus auch mich anfiel, denn zuvor war alles ganz normal wie in Irland gewesen. Aber ab Edinburgh ist wohl etwas mit mir passiert. 😉 Ich weiß nicht, was es ist, aber seitdem bin ich Schottland-Fan. 😉 Es lag wohl daran, dass ich eine Stadtrundfahrt mitmachte und danach die Royal Mile und so viele weitere Straßen hinauf- und hinunterlief. 🙂
6. Besucht distilleries! Auch, wenn ihr Whisky gar nicht mögt: Macht eine Besichtigung mit – das gehört zur Allgemeinbildung! Ich habe heute am Vormittag, kurz bevor mein verspäteter Flieger startete, mehrere liebliche Single Malts gekauft. (Möglich, dass die Flüge in Glasgow exakt aus diesem Grunde verspätet starten … 😉 )
7. Porridge. Wird von Deutschen gern als typisch englisches Frühstück bezeichnet. Völlig falsch! Das ist das typisch schottische Frühstück, und das aus Zeiten, da ein derartiges Frühstück das Beste war, was der Tag geben konnte. Schotten sind – anders, als man so gern sagt – keineswegs geizig. Sie mussten nur immer wirklich haushalten. Es gab nicht viel, und sie hatten nichts. Und dafür ist Porridge doch ein sehr schönes Frühstück. 🙂 Es macht zumindest satt und wird heutzutage auch mit Milch gekocht und mit Honig oder Beerenkompott serviert.
Zumindest hat meine Schwester es immer so gegessen. Ich habe mich lieber ans Full Scottish Breakfast gehalten, mit bacon, baked beans, poached eggs, black pudding, tomato and mushroom. Und natürlich Toast und jam.
8. Wegbeschilderung ist auch nicht so das, was man gewohnt ist. Bisweilen wird auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen, und dann endet man irgendwo im Nirgendwo, weil die Beschilderung nicht konsistent war. Einfach weiterfahren, zur Not wenden – dann kommt ihr dort an, wohin ihr wollt.
9. Fliegt stets über Edinburgh! Niemals über Glasgow, denn aufgrund der fehlerhaften Wegbeschreibung ist es einfacher über Edinburgh, was sich übrigens Edinbrrra ausspricht, mit einem sehr massiven Zungenspitzen-R. 😉
10. Seht euch alles an.
11. Fliegt nie wieder zurück. 🙂 Schottland ist einfach nur wunderschön. 🙂
Ich wünsche euch viel Spaß! 🙂