Dies ist Teil 1 eines Beitrages. Ich hoffe, ich komme noch dazu, Teil 2 zu schreiben. Denn vor morgen früh, 8 Uhr, habe ich jetzt schon ziemlichen Schiss … Ich muss es leider zugeben. Lieber eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt – da weiß ich wenigstens, was mich erwartet. 😉
Vor etwas über einem Jahr fing ich nach 11 Jahren freiwilliger Pause wieder mit dem Autofahren an, was ich nie gern getan habe, um es mal euphemistisch auszudrücken, und inzwischen kann ich sagen, dass ich nun schon das zweite Auto besitze. Nein, ich habe den ersten Wagen nicht geschrottet – es wäre vice versa beinahe ihm gelungen, mich zu schrotten. 😉 Zumindest schien er es mehrfach darauf angelegt zu haben – immer dann, wenn sein defizitäres Pseudo-Automatik-Getriebe mal wieder nicht wollte und ich echte und sehr unangenehme Adrenalinschübe erlitt, wenn von hinten andere Autos – einmal sogar ein Sattelschlepper, der im Rückspiegel des fahrunwilligen Autos riesig aussah – heranrasten …
So ging es nicht, und ich retournierte den Wagen an das Autohaus, in dem er gekauft worden war. Ich tauschte ihn zu einem kleinen Aufpreis gegen einen neuen Schaltwagen, den kleinen Monty, einen dunkelblauen Ford Fiesta, der sich benimmt, wie ein Auto sich benehmen sollte: Er macht, was er soll, zickt nicht herum und ist – obwohl er von vorne etwas grimmig aussieht, was an seinen recht schmalen und schrägen Scheinwerfern und dem Kühlergrill liegt – ein nettes, kleines Auto. Gut, in letzter Zeit sprang der Rückwärtsgang ab und an heraus, aber wenn es mehr nicht ist … Der Kleine muss sowieso bald zur Inspektion. 😉
Und so fahre ich seit über einem Jahr ganz tapfer – teils sogar begeistert – wieder Auto, obwohl ich da immer ein echter Schisshase war, wenn auch nicht grundlos. Der einzige Makel: Bis dato habe ich mich mit Händen, Füßen und Erfolg dagegen gesträubt, Autobahnen zu nutzen.
Warum nur, werdet ihr euch sicherlich fragen. Dabei ist das ganz einfach! Ich habe Schiss davor, auf die Bahn draufzufahren … Ich lebe im Ruhrgebiet, und da erschien es mir schon immer sehr unattraktiv, Autobahn zu fahren. Immer rappelvoll, in teils schlechtem Zustand, daher allenthalben Baustellen. Und die Vorstellung, auf eine rappelvolle Autobahn auffahren zu müssen, erzeugt schon jetzt kalte Schweißausbrüche bei mir. Wenn ich an morgen früh denke, wird mir jetzt schon schlecht!
Wer mich etwas kennt, weiß jedoch, dass ich mich stets bemühe, Unzufriedenheit erzeugende Zustände zu beheben. Und ich bin nicht zufrieden damit, dass ich Autobahnen nicht nutze. Wie soll ich je weitere Strecken zurücklegen, wenn ich nicht Autobahn fahre? 😉 Aaaber – da ist dieser Schissfaktor …
Ich beschloss sehr konstruktiv, einfach mit Jeannette, meiner Auffrisch-Fahrlehrerin, Übungsstunden zu machen. Ich finde das okay. Weniger okay: Morgen früh um 8 Uhr holt sie mich ab, und dann geht es los … Letzte Woche war ich noch ganz lässig, wenn ich an den Termin dachte, aber da war es auch noch eine Woche hin … Heute sieht das schon ganz anders aus.
Ja, ich weiß, ihr werdet das nicht verstehen, wenn ihr täglich über die Autobahn fahrt. Dafür habe ich durchaus Verständnis. 😉 Ich kenne allerdings auch diverse Leute – meist Frauen -, die Autobahnen meiden, und das offenbar aus den gleichen Gründen wie ich. Irgendwann hatte es sie alle mal erwischt: Man wollte sie, obwohl sie links blinkend schnell genug fuhren, nicht auf die Bahn lassen. Und Frauen scheinen da bisweilen – nicht immer! – anders zu ticken als Männer. „Nee, danke, da fahre ich lieber gar nicht erst auf die Autobahn!“ So der Tenor mancher Frauen. Auch meiner. Aber ich will Abhilfe schaffen … So geht es doch nicht weiter! 😉
Dabei fing alles ganz harmlos an …
Mit 17 Jahren und nicht weit von meinem Achtzehnten entfernt, begann ich damals erst mit theoretischen, dann recht schnell mit praktischen Fahrstunden. Es lief auch alles prima, der Fahrlehrer nett, wenn auch selber sehr dynamisch und von der schnelleren Truppe. Immer freundlich, konnte er jedoch bisweilen aufbrausen, wenn ein anderer Fahrer sich rücksichtslos verhielt. Zu den Schülern immer freundlich – das kann man gar nicht anders sagen. Herr Meier war ein sehr netter Fahrlehrer. Nur färbte halt seine Art auch auf die Fahrschüler ab. Er war ein schneller Fahrer, fuhr dabei sehr sicher. Seine Schüler waren auch als „dynamische Fahrer“ bekannt – woran das wohl lag? 😉
Er meinte mal zu mir: „Wissen Sie, was mir an Ihrem Fahrstil besonders gefällt?“ – „Nein.“ – „Sie sind eine zügige und dynamische Fahrerin, denken mit und fahren vorausschauend. So sollte es immer sein.“ Ich lächelte und fragte mich, von wem er da gerade spreche … 😉
Irgendwann stand dann auch die Autobahn an, und – ich hatte offenbar einen ganz schlechten Tag gehabt – ich vereinbarte die Stunde für einen Freitagnachmittag um 16 Uhr. Der volle Umfang meiner Entscheidung wurde mir auch erst klar, als ich bereits wieder zu Hause war und stolz erzählte, ich würde zwei Tage später erstmalig die Autobahn unsicher machen. Meine Mutter meinte: „An einem Freitagnachmittag um 16 Uhr? Gab es keinen anderen Termin? Mutig!“ Ich überlegte, dann fiel es mir ein, und ich schrie: „Mist! Wochenende! Feierabendverkehr!“ Und ich rang mit mir, ob ich die Stunde verschieben sollte. Aber dann dachte ich: „Keine Feigheit vor dem Feind!“
Zwei Tage später fuhr ich mit Knien aus Pudding los. Als ich eingestiegen war, hatte ich zu Herrn Meier gesagt: „Wer ist so bescheuert, an einem Freitagnachmittag um 16 Uhr erstmalig in seinem Leben selber auf die Autobahn zu fahren?“ – „Sie, Frollein B. – aber nur Mut! Alles wird gut!“
Und schon fuhren wir zur nächstgelegenen Autobahnauffahrt. Ich war mit einem Automatikwagen unterwegs, und Herr Meier meinte, als wir uns dem Beschleunigungsstreifen näherten: „Sie wissen ja, was zu tun ist, Frollein B.!“ Ja, ich wusste, was zu tun war, blinkte links und trat das Gaspedal auf dem Beschleunigungsstreifen drastisch durch. „Super!“ rief Herr Meier. „So soll es sein, schöner Kickdown!“ Und wir bretterten über den Beschleunigungsstreifen … Und bretterten weiter, denn obwohl links alles frei war, wollte so ein blöder Typ mit einem Ford mir keinen Platz machen …
„Du blödes Arschloch!“ brüllte Herr Meier. „Jetzt lass die Kleine doch endlich auf die Bahn! Du blöder Kerl! Hast wahrscheinlich Spaß daran, eine Fahrschule zu behindern! Du Idiot! Du …! Du … Wichser!“
Das war eine Schwäche meines damaligen Fahrlehrers. Wenn er sich über andere Fahrer ärgerte, regte er sich immens auf. Ich tendiere ja selber dazu, mich bei gegebenem Anlass aufzuregen, aber damals war es so, dass ich trotz meiner eigenen, bisweilen etwas impulsiven, Art mit sedierender Stimme auf Herrn Meier einsprach: „Regen Sie sich, bitte, nicht so auf, auch wenn der Typ ein Idiot ist. Sie machen mir ja Angst, denn ich habe das Gefühl, dass Sie Angst haben, mit mir zu fahren.“ – „Unsinn! Entschuldigen Sie, bitte, Frollein B. – aber es regt mich einfach auf, wenn Autofahrer so arschig sind!“
Als der Typ dann endlich auf die freie linke Spur wechselte, zog ich sehr schwungvoll auf die Bahn, und ich atmete auf. Vor mir ein LKW, und ich blieb dahinter. So war es doch schön, annähernd idyllisch. Und so fuhr ich zufrieden vor mich hin. Was hatte meine Mutter nur gemeint, als sie sagte, an einem Freitagnachmittag sei eine allererste Autobahnstunde aber sehr mutig?
Kurz darauf wusste ich es, denn die Bahn wurde immer voller. Und Herr Meier war gar nicht zufrieden damit, dass ich so begeistert hinter diesem LKW klemmte … Wie es seine Art war, meinte er freundlich: „Frollein B., meinen Sie nicht, wir sollten mal überholen?“ – „Warum? Ich fühle mich sehr wohl hier!“ – „Ja, schön, aber jetzt setzen Sie den linken Blinker, treten das Gaspedal durch, und dann wird überholt, sobald links Platz ist!“
Ich gehorchte. Ich überholte. Er hatte ja recht. Vor dem LKW wollte ich mit viel Raum wieder nach rechts wechseln, weil da gerade so eine schöne Lücke war, aber Herr Meier rief: „Nix da! Sie bleiben schön links! Und Gas geben! Bis ich sage, dass es gut sei.“
Die Autobahn war inzwischen wirklich ziemlich voll, und auf der linken Spur ging es – naturgemäß – besonders zügig zu. Und so kam es, dass ich mit 170 Stundenkilometern über die linke Spur bretterte, den kalten Schweiß auf meiner Stirn. Man hatte das Ganze wohl als eine Art Konfrontationstherapie geplant …
Irgendwann rief Herr Meier: „So, und wir nehmen die nächste Ausfahrt!“ Da war gerade auf der rechten Spur eine bequeme Lücke zwischen zwei Sattelschleppern, und ich blinkte rechts und wollte in die Lücke fahren. Aber Herr Meier rief: „Nee, wir bleiben erst einmal links, und ich sage Ihnen dann, wenn Sie wechseln sollen!“ Ich bretterte weiter links und sah dann rechts der rechten Spur das Schild 300 m, das die Entfernung zur nächsten Ausfahrt anzeigt. Und ich meinte: „Sollte ich jetzt nicht allmählich …“ – „Ich sage Ihnen, wenn Sie wechseln sollen!“
200 m – ich begehrte auf: „Wenn ich jetzt nicht wechsle, fahren wir eben weiter auf der Autobahn! Meinetwegen bis zur Nordsee!“ – „Keine Panik, Frollein B. – ich sage Ihnen, wenn es soweit ist!“
100 m erschien, und da rief Herr Meier: „Jetzt! Jetzt wechseln Sie nach rechts!“ – „Jetzt?“ schrie ich. „Wohin?“ – „In diese Lücke da!“ – „Das ist doch keine Lücke! Das sind zwei LKW, die aneinanderkleben!“ Ich blinkte rechts und zog in die Miniaturlücke zwischen zwei gigantischen Sattelschleppern, wobei ich tausend Tode starb. Aber da rief Herr Meier auch schon: „Weiterblinken – und dann direkt rechts runter!“
Tatsächlich sah es so aus, dass ich direkt von der linken Spur über die rechte Spur bis in die Ausfahrt schwenkte. So fahren nur Wahnsinnige. Und ich in meiner allerersten Autobahnstunde mit Herrn Meier … Das eine schließt das andere allerdings auch nicht aus … 😉
Ich war adrenalingeschwängert, als wir von der Autobahn herunter- und auf einer Bundesstraße nach Hause fuhren. Und eine Art Strafe hat Herr Meier auch noch bekommen, denn rückblickend hat er meiner Einstellung gegenüber Autobahnfahren mehr geschadet, denn genutzt.
Denn ich war auch jenseits der Ausfahrt im von Herrn Meier höchstselbst induzierten „Rausch der Geschwindigkeit“, und ich fuhr viel zu schnell auf der B-weiß-der-Henker-welche-es-war. Irgendwann näherten wir uns einer Ampel, und die schaltete gerade von Grün auf Gelb. Rot würde folgen, aber ich war schon relativ nah dran und dachte: „Gas geben, Ali! Fahr durch!“ Meine Idee war richtig, die Umsetzung jedoch mangelhaft, denn wider meine richtige Idee trat ich auf die Bremse, machte eine Vollbremsung. Herr Meier, der nur sehr selten angeschnallt war, knallte von innen gegen die Windschutzscheibe … O Gott! Wie peinlich! Aber immerhin standen wir.
„O Gott – Herr Meier! Es tut mir so leid! Ich dachte: ‚Gas geben!‘ Und dann mache ich das Gegenteil! Wie furchtbar – das tut mir so leid!“ Herr Meier war cool und meinte, indem er sich über Stirn und Nase wischte und offenbar nachsah, ob etwas blutete: „Ich bin selber schuld! Meine Frau sagt immer: ‚Heinz, schnall dich an!‘ Künftig werde ich ihren Ratschlag befolgen.“ – „Und ich bin schuld!“ – „Nein, keine Sorge, Frollein B.! Sie sind gut gefahren, nur sollten Sie daran denken, jenseits der Autobahn wieder langsamer zu fahren. Aber warten Sie mal …“ Und schon sprang er aus dem Auto und rannte vor dessen vordere Front, grinste, kam zurück, setzte sich hinein und meinte: „Wollen Sie eigentlich auch noch den Motorradführerschein machen, Frollein B.?“ – „Äh, wieso?“ – „Weil Sie es geschafft haben, uns wirklich mittig auf der Haltelinie zum Stehen zu bringen, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich hatte das für relativ unmöglich gehalten – aber Sie haben es geschafft! Unglaublich! Ich dachte, wir würden weit dahinter zum Stehen kommen! Cool, Frollein B.! Zielbremsen können Sie wie keine andere!“ – „Ja, verarschen Sie mich ruhig!“ – „Nein, keine Verarsche, ich meine das ganz ernst! Sie haben offenbar ein gutes Gespür, aber das ja nicht zum ersten Mal. Nur gestatten Sie mir eine Frage: Hatte denn die Vorampel nicht geblinkt?“ – „Welche Vorampel?“ – „Da war eine Vorampel!“ – „Hab ich nicht gesehen, sorry!“ – „Wie hätten Sie auch? Sie sind mit fast 120 daran vorbeigebrettert!“ – „Sie sind mein Fahrlehrer! Warum haben Sie mich nicht gebremst?“ – „Es war ja alles frei – und man lernt am besten durch Fehler!“ – „Stimmt! Habe ich. Sie aber hoffentlich auch, und nun schnallen Sie sich hoffentlich künftig an!“ – „Touché!“
Ich kam mit Knien aus Gummi zu Hause an. Aber nachdem ich meine praktische Führerscheinprüfung bestanden hatte, bin ich oft Autobahn gefahren. Unglaublich aus heutiger Sicht. 😉 Gern habe ich es aber nie getan …
Und morgen muss ich. Meine Knie schlottern schon. Mit Jeannette hatte ich heute noch Kontakt, als ich sie über die Chatfunktion eines bekannten Sozialen Mediums fragte, ob sie mich morgen zu Hause abholen würde. Und – falls ich das Ganze überlebte! – im Anschluss irgendwo in der Nähe meines Arbeitgebers absetzen würde. Und was macht Jeannette? Schreibt: „Falls wir überleben, setze ich dich dort ab!“ Mit einem Smiley mit Heiligenschein versehen … Ich schätze, sie gehe davon aus, dass wir beide überleben werden. Ich bin mir nicht ganz sicher … 😉
Aber im Zweifel hilft mir sicherlich der Satz, den mir im vergangenen Jahr schon diverse Männer in beruhigender Absicht vorbeteten: „Und wenn sie dich nicht reinlassen, fährst du einfach auf dem Standstreifen weiter!“ Ja, danke – das weiß ich auch. Es war lieb und nett gemeint, aber ich will nicht auf dem Standstreifen weiterfahren müssen! Ich möchte ganz ohne Probleme und Notlösungen auf die Autobahn gelassen werden! Ich bezahle immerhin auch Steuern! 😉
Ich hoffe, dass ich morgen dazu komme, zu berichten, dass alles halb so schlimm war … 😉
Einen schönen Abend! 🙂