So lautet ein altbekanntes Sprichwort. Alternativ dazu kann man sagen, dass die linke Hand nicht wisse, was die rechte tut. Oder umgekehrt. Man kann auch einfach sagen, dass ein Projekt, in das allzu viele Personen eingebunden sind, bisweilen ins Chaotische abdriften könne. Oder so ähnlich.
Heute früh bin ich in der Tat früh aufgestanden, zumindest für meine unmaßgeblichen Verhältnisse. Es war 05:40 h, als ich mich wenig begeistert meiner Schlafstatt enthob und ins Bad schlurfte. Für meine Verhältnisse gruselig – mitten in der Nacht!
Allein daran kann man schon erkennen, dass gewisse Berufe für mich a priori ausgeschlossen waren: Niemals hätte ich Bäckerin werden können, auch nicht Landwirtin. Nachtschwester hingegen schon – Nachtschichten sind kein Problem. 🙂 Ich bin eine sogenannte Eule und funktioniere am allzu frühen Morgen nur rudimentär. Ich existiere quasi nur, meine Augen sind stets in halbgeschlossener Haltung. Und obwohl ich sonst viel rede, spreche ich frühmorgens nur das Nötigste, weswegen mich böse Zungen als „Morgenmuffel“ bezeichnen. Ich bevorzuge die Definition, kein Morgenmensch zu sein. Kurz nach dem Aufstehen bin ich meist nur zu unartikulierten Lauten imstande, da so vieles physisch koordiniert werden muss und ich dabei nicht auch noch rhetorisch ausgefeilte und geschliffene Ansprachen halten kann: Augen öffnen und zumindest zur Hälfte offenhalten, mich aufsetzen, die Beine aus dem Bett wuchten, aufstehen und einen Fuß vor den anderen setzen, ohne irgendwie zu verunglücken. Zweimal schon habe ich mir den kleinen Zeh gebrochen, als ich morgens aufwachte, ein dringendes Bedürfnis verspürte und unkoordiniert und mit halbgeschlossenen Augen einmal gegen den Bett-, beim zweiten Mal gegen einen Türpfosten rannte. Der Vorteil daran: Ich war anschließend hellwach und weiß seitdem, dass man simultan lachen und heulen kann, während man – den blessierten Fuß in der Hand – erstaunlich schwungvoll um die eigene Achse rotiert. 😉
Um 08:00 h hatte ich meinen Termin beim Dermatologen – vulgo: Hautarzt – zum Entfernen eines verdächtigen Pigments an meinem Rücken. Ich erwähnte dies bereits, ebenso meine große Freude darüber. Da steht man doch gleich noch lieber auf …
Gestern hatte ich vorausschauend ein wunderschönes Bad genommen. Ich liebe Baden, und mir war – ich bin diesbezüglich nicht ganz unerfahren – klar, dass ich in der nächsten Zeit, etwa zwei Wochen lang, darauf verzichten müsse. Nur Duschen geht, und das so, dass die entsprechende Stelle nur ja nicht mit Wasser benetzt werde … 🙁
Ich duschte heute früh rasch, machte mich ebenso schnell fertig, auf dass ich wie ein wacher Mensch aussehen möge, und schon ging es los.
In der Praxis war – wie üblich – schon viel Betrieb. Es ist eine Praxis, in der sich nicht nur viele Patienten, sondern auch viele Angestellte, Ärzte bzw. Ärztinnen wie Arzthelferinnen, tummeln, und ich bin bei jedem Besuch gespannt, mit welchem Arzt ich wohl diesmal zu tun bekomme. (Wenn ich es recht überlege, sind alle Ärzte bis auf den Inhaber dieser Praxis weiblich.) Ein Prinzip, das ich eigentlich nicht so mag. Aber diese Praxis ist wirklich nicht schlecht und hat einen recht guten Ruf. Ich hatte zuvor schon zwei andere Hautarztpraxen hier ausprobiert und fühlte mich in keiner so recht wohl. Auf diese hier lasse ich nichts kommen … Oder? 😉
Ich musste einen Schrieb unterschreiben, da ich eine Lokalanästhesie bekommen würde, auf die ich mich schon sehr freute … Und überraschend schnell wurde ich aufgerufen und in den OP geleitet, den ich ja schon vom Lasern dieses winzigen Angioms unter meinem linken Auge kannte … „Fühlen Sie sich wohl, Frau B.?“ fragte mich die sehr nette Arzthelferin, und ich sagte: „Ich fühlte mich schon schlechter.“ Sie lachte und meinte: „Nehmen Sie noch einen Moment Platz,“, indem sie auf zwei Stühle in einer Ecke des OP-Raumes deutete. Ich setzte mich auf den linken, auf den rechten warf ich mit leichter Hand meine Sachen, Jacke und Tasche.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich die Stühle ungünstig positioniert fand, denn der Endpunkt der Sehachse in meinem Falle befand sich hinter der OP-Liege: Da war eine Spritze zu sehen, die kopfüber in einem Fläschchen mit Anästhetikum stak. Fertig zum Aufziehen. Es ist nicht gut, den Patienten so zu positionieren, dass er direkt auf ein schmerzerzeugendes Instrument blickt … 😉 Beim Zahnarzt funktioniert das besser – da stehen und liegen derlei Dinge immer im Rücken des Patienten. Zumindest bei meinem Zahnarzt. So dachte ich und erschrak: Seit wann war ich so ein entsetzlicher Angsthase? Ich ging in mich und stellte fest, dass ich Spritzen, Blutabnahmen und sonstige Dinge dieser Art im Grunde noch nie besonders schön gefunden hatte und ihnen nur mit der Einstellung begegnet war, dass sie sich ja nun einmal nicht vermeiden ließen – und dass es weit Schlimmeres gebe. Und diese Haltung nahm ich auch hier wieder ein. 😉
Nur: Warum dauerte das so lange? Wieso musste ich – mit Blick auf die Spritze – so lange warten? Wo blieb die Ärztin, welche auch immer? 😉
Da kam sie, zusammen mit einer anderen Ärztin. Die eine kannte ich schon, die andere, die hier wohl hauptverantwortlich war, kannte ich nicht. Aber es stellte sich heraus, dass sie mich behandeln sollte …
Beide starrten auf den PC, der meine Patientendatei zeigte – in vielen fröhlichen Farben. Dann meinte die mir gänzlich unbekannte Ärztin: „Also soll an Ihrer linken Wange etwas entfernt werden, Frau B.!“ – „Äääh, wie bitte? An der Wange? Wieso das?“ – „Hier steht: Entzündung neben dem linken Ohr – wenn in vier bis sechs Wochen nicht abgeheilt, Shave!“ – „Äääh, nein. Das sollte beobachtet werden, heilt aber ab. War nur eine Entzündung. Eigentlich soll ein Muttermal am Rücken entfernt werden …“ So sagte ich mit schwächer werdender Stimme. Was hatten die mit mir vor? 😉
Zwei Ärztinnen starrten meine linke Gesichtshälfte an, unter anderem mit einem Dermatoskop, tasteten neben meinem linken Ohr herum, und beide waren einig darin, dass das ja ganz harmlos und fast abgeheilt sei. Ja, sicher – das hatte ich doch auch gesagt … Dann meinte eine von ihnen: „Am Rücken, sagten Sie?“ – „Ja!“
Und schon starrten beide wieder in meine Patientendatei. „Stimmt! Da steht es! Da, sieh mal: Cave: Exzision Muttermal LWS rechts! Ein verdächtiges Muttermal.“ Ja. Deswegen war ich da. Hatte ich auch gesagt. 😉
„Machen Sie bitte mal Ihren Rücken frei!“ Nichts lieber als das – die Spritze wartete ja auch schon. 😉
Und schon starrten die beiden – mit und ohne Dermatoskop – auf meinen Rücken. Und schwiegen. Dann meinte die eine: „Welches meint Frau Dr. Giovanardi denn?“ (Denn diese sehr schwungvolle italienische Ärztin, die mich beim letzten Mal behandelt hatte, hatte die Diagnose gestellt. Warum war sie nicht anwesend?) Die andere meinte: „Es sind ja nicht viele. Vier Stück, drei davon rechts.“ Und man begutachtete die drei rechts und das eine links, kam aber nicht überein, welches nun gemeint sein könne, obwohl das linke ja im Grunde schon per se ausschied, da es eben nicht rechts der Lendenwirbelsäule liegt. Zum Glück kann ich bisweilen recht geduldig sein … 😉
„Frau B., wir wissen nicht so genau, welches jetzt entfernt werden soll. Wir holen Frau Dr. Giovanardi. Es dauert noch einen kleinen Moment, entschuldigen Sie, bitte.“ – „Kein Problem,“, sagte ich lässiger, als mir angesichts der noch immer im Blickfeld befindlichen Spritze zu Mute war.
Zwanzig Minuten später war ich jedoch kurz davor, meine Sachen zu nehmen und zu gehen – wo blieb diese Italienerin? 😉 Doch da kam sie schon und rief fröhlich: „Ah, Frrrau B.! Wie gäht es Ihnen? Tut mirrr leid – därrr Patient vorrr Ihnen warrr etwas närrrvös. Ist kollabiert – wägen eine kleine ´autprrrobe. Als ärrr das Skalpell gesähen ´at, ist ärrr kurrrz umgekippt. Nix Schlimmes, alles wiedärrr tutto a posto!“
Das beruhigte mich, obwohl ich zwischenzeitlich auch noch die anderen schreckensreichen Instrumente erblickt hatte, die für meine im Grunde harmlose Behandlung bereitgelegt worden waren. Ein Glück, dass ich beim Anblick des Skalpells und Nahtmaterials nicht auch gleich „närrrvös“ geworden und kollabiert war. Soweit war bei mir alles „a posto“. Nur leider das blöde Muttermal nicht nur das, sondern auch noch „sul posto“ – noch immer an gewohnter Stelle … Immerhin harrte ich nun schon seit einer knappen Dreiviertelstunde dessen Entfernung, und das nicht gerade begeistert.
Frau Dr. Giovanardi warf einen Blick auf meinen Rücken, sehr gründlich, und dann rief sie der anderen Ärztin, die mich schon beim ersten Mal mit ihrer Kollegin begutachtet hatte, zu: „Allora! Wo iiist Prrrobläm? ´ier iiist die Stelle!“
Und dann ging alles ganz schnell. Ich musste mich bäuchlings auf die Liege legen, und da kam auch schon die Spritze – ein Gefühl wie Weihnachten im Bootcamp, da nur knapp neben der Wirbelsäule, aber zu ertragen. Nur eben nicht angenehm, zumal Frau Dr. Giovanardi, eine Italienerin reinsten Weihwassers, sehr schwungvoll und energisch vorging. Von der Entfernung des störenden Muttermals habe ich so gut wie gar nichts mitbekommen. Dann aber ging es ans Nähen, und da wurde mir ein bisschen schummrig. Nicht, dass es wehgetan hätte – nur ein wenig geziept hat es. Aber die Vorstellung, dass da genäht werde, schien irgendetwas auszulösen, das mir nicht so bekam. Lieber drei Spritzen … Ich ärgerte mich, da ich bis dato nie so zimperlich war, aber mir war wirklich ziemlich schwindlig, und nachdem man mir ein riesiges Pflaster auf den Rücken gepappt hatte, erhob ich mich weit weniger grazil auf meine zwei Beine, als ich das sonst tue (es sei denn, frühmorgens). Und tapfer meinte ich: „Ich habe so gut wie gar nichts gespürt, obwohl Spritzen in den Rücken für mich keine schöne Vorstellung sind.“ Die Ärztin meinte: „Waaas? Sie ´atten Angst? ´at man gar nicht gemärrrkt – da sind Sie eine sährrr gute Schauspielerrrin!“ Na, also – Lob auch noch! 😉
Da mir immer noch etwas schwindlig war, bin ich dann erst einmal ein ganzes Stück marschiert, weil das am besten gegen alberne Kreislaufprobleme hilft, habe noch eingekauft und bin dann mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Da merkte ich auch, dass die Betäubung nachließ, denn als der Straßenbahnfahrer einmal etwas ruckartiger bremste und ich mit dem Rücken gegen die Lehne prallte, war ich kurz davor, den Fahrer zu meucheln. Hölle, tat das weh! Bis zu meiner Ausstiegshaltestelle saß ich mit einem Hohlkreuz da … 😉
Inzwischen hat sich das Ganze gesteigert. Aber egal – Hauptsache, das störende Element ist weg. 😉 Und in zwei Wochen werden die Fäden gezogen.
Was ich heute einmal mehr gelernt habe: Es ist nie gut, wenn zu viele Leute an ein und demselben Projekt arbeiten. Andererseits: Wäre es hart auf hart gekommen, hätte ich sicherlich gesagt: „Wissen Sie, was? Entfernen Sie einfach alle vier Muttermale! Ob ich nun eine oder vier Nähte am Rücken habe, macht auch keinen Unterschied mehr. Was weg ist, ist weg.“
Dennoch: Beim nächsten Mal bestehe ich auf Behandlung durch ein und dieselbe Ärztin von Anfang an. Welche dies auch immer sein mag. 😉
Tatort: Spezialklinik in B.; Tatzeit: Mitte des Jahres 2007, Opfer: Dr. J.; Täter: ich
Und das ging ab: Herr F., hören Sie zu, wir müssen aus Ihrem Rückenmark etwas Substanz entnehmen und diese untersuchen
Ich:klar, nur zu, gibt ja Spritze, damit es nicht weh tut….
Dr.J. leider nicht, aus dem Rückenmark muss man das Zeugs so entnehmen, ohne dass der Patient (also der spätere Täter) narkotisiert wird.
Ich: mutig wie ein Löwe (unter’m Bett schlotternd wie Rumpelstilzchen) Auf denn, Medicus, mache er was er möge, aus er Nummer kommste ja eh nicht raus…
Dr. J.: und es gibt auch nur einen Versuch, nehmen sie eine empryonale Haltung ein.
Jetzt konnte ich mich an diese Position nicht mehr erinnern, es war einfach schon zu lange her.
Und dann haute Dr. J. mir eine schäferhundgrosse Spritze in den Rücken (besser gesagt, in die Wirbelsäule). und ich lag da und durfte mich 10 Minuten (gefühlt 2 Stunden und 15 Minuten) auf keinen Fall bewegen. Anscheinend traf er die Stelle, an die er wollte, nicht auf Anhieb und so suchte er im Blindflug innerhalb meiner Wirbelsäule diese verflixte Entnahmestelle durch Drehen, Heben und Wenden des mittelalterlichen Instrumentes – mir traten derweil Tränen in’s Gesicht. Aber nicht vor Lachen …. und ich hätte ihn auf 17 Fremdsprachen, die mir vorher noch nicht bekannt waren, den Tode wünschen können. Dann gab er auf. Er murmelte etwas von: Das muss später noch einmal in Angriff genommen werden. JA KLAR.
Ich: Dr. J., bedenken Sie bitte, dass ich einen Lehrgang: ‚Lautloses Töten‘ erfolgreich abgeschlossen habe und ich will sie NIE wieder sehen. Weder hier, noch bei der Christmette oder in der Südkurve der schwarz/gelben….. dann…
Mir wurde ca. eine Stunde später eine Spritze von einem mir bisher unbekannten Medicus, so gut wie ohne Schmerzen, gesetzt und die erhoffte Flüssigkeit entnommen. Die Stellung machte ich mir zu eigen. Liegt sich echt gemütlich
Aaah! Mir wurde schon vom Lesen ganz anders …
aber so war es
und ich sah ihn nie wieder
Glaube ich Dir ohne weiteres.
:-))