Man sagt ja bestimmten Berufsgruppen nach, aufgrund des dauernden Kontakts mit größeren Personenkreisen immer besonders viel zu erzählen zu haben. Das stimmt sicherlich. Aber man muss nicht zwingend Taxifahrer sein …
Als ich das letzte Mal mit einem meiner Ex-Freunde telefonierte, schwelgten wir in Erinnerungen. Zumindest schwelgte er, der unsere damalige Beziehung irgendwie anders in Erinnerung zu haben scheint als ich. 😉 Die erste Zeit war in der Tat toll, aber irgendwann war es sehr, sehr anstrengend und wahrlich nicht sonderlich traumhaft.
Er erinnerte sich an einige nette Dinge. Ich erinnerte mich auch an einige Begebenheiten. Und auf einmal brach ich in lautes Lachen aus.
Er lachte auch, fragte aber sicherheitshalber nach, warum ich so lachte. Und so klärte ich ihn auf.
Vor diversen Jahren, ich lebte noch in Aachen, besuchte ich ihn zum Wochenende immer an seinem neuen Wohnort, in dem er seit seiner damals neuen Stelle lebte. Freitags fuhr ich immer direkt vom meinem damaligen Arbeitsplatz nahegelegenen Bahnhof los, montags fuhr ich frühmorgens wieder zurück.
An einem Freitag fühlte ich mich nicht ganz so gut, als ich losfuhr. Offenbar brütete ich eine Erkältung aus, aber ich wollte dennoch fahren. Immerhin sahen wir einander nur am Wochenende. (Wahrscheinlich war es auch diesem Umstand zu verdanken, dass wir relativ lange zusammen waren. 😉 )
Als ich ankam, meinte mein Ex: „Wollen wir heute noch etwas um die Häuser ziehen?“ Hmmm … Normalerweise hätte ich sofort ja gesagt, aber meine Nase lief, mein Kopf dröhnte, ich hustete etwas und hatte offenbar Fieber. Und so sagte ich: „Nein, ich heute lieber nicht – bin total k.o. Aber geh du nur ruhig – ich lege mich lieber hin.“ Untypisch für mich, und mein Ex sah, dass ich offenbar in der Tat angeschlagen war. Er fragte noch einmal, ob es mir wirklich nichts ausmache, wenn er denn noch ein bisschen rausgehe, um sich mit ein paar Freunden und Bekannten zu treffen. Ich hatte rein gar nichts dagegen – wozu sollte er zu Hause bleiben, wenn ich ohnehin flachlag?
Und während ich mich im Bett einmuckelte, zog er los. Ich las erst ein wenig, dann muss ich wohl eingeschlafen sein.
Irgendwann, es war schon spät, wurde ich wach. Ich hörte Geräusche im Treppenhaus. Da kamen wohl mehrere Leute die Treppe hoch. Und schon hörte ich, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde und mehrere Leute sprachen. Nur eine Stimme hörte ich nicht: die meines Ex, nennen wir ihn Jo. In Wirklichkeit heißt er natürlich ganz anders. 😉
Die Stimmen klangen sehr offiziell und dienstlich. Ich stand lieber auf. Peinlicherweise hatte ich ein – so etwas trage ich sonst nie! – Nachthemd an. Das ist keineswegs meine normale Nachtkleidung. 😉 Dieses hier war auch noch lang. Und … rosa! Ein Geschenk von meiner Oma. Ich trug es nur, weil es sehr warm und mir aufgrund der Erkältung so furchtbar kalt war. Grauenhaft!
Ich lief in die Küche, aus der die Stimmen kamen – und prallte zurück. In der Küche befanden sich vier Personen: drei Polizisten und … Jo. Letzterer lehnte am Herd und grinste. Ich muss es leider sagen: Es war ein leicht debiles Grinsen. 😉
Die Polizisten, eine Frau und zwei Männer, davon einer offenbar in der Ausbildung, denn er beobachtete nur, redeten auf Jo ein, als ich eintrat. Ich rief: „Was geht denn hier vor?“ Und da sahen sie mich an, wie ich dastand in diesem … Nachthemd. Wie peinlich! Andererseits schien sich hier ja offenbar noch jemand anderes nicht gerade mit Ruhm bekleckert zu haben, wenn ich mir Jo so ansah, der noch immer mit leicht schwachsinnig anmutendem Grinsen am Herd lehnte …
„Was ist passiert?“ fragte ich in – ich staunte selber darüber – recht energischem Ton. (Merke: Wenn man in einem peinlichen rosa Nachthemd verschlafen und mit zerzausten Haaren dasteht, mitten in der Nacht, und die Polizei ist in der Küche und starrt einen an, ist es gut, gleich zu demonstrieren, dass man abgesehen von der lächerlichen Bekleidung keineswegs naiv sei. Angriff ist die beste Verteidigung und lenkt bisweilen auch von so mancher Peinlichkeit ab … 😉 )
Der ältere Beamte fragte, ob Jo mein Freund sei und erklärte mir, dass man ihn, der offenbar einen fröhlichen Abend gehabt hatte, „aufgegriffen“ habe, als er gerade versucht habe, die Tür des Nachbarhauses aufzuschließen, was naturgemäß nicht funktioniert hatte, denn der Haustürschlüssel für die Nummer 28 passte nun einmal nicht zur Nummer 26 …
Das war den Polizisten, die auf Streife waren, dubios vorgekommen, und so stiegen sie aus ihrem Streifenwagen und stellten Jo zur Rede. Viel sei nicht aus ihm herauszubekommen gewesen, so der ältere Beamte. Es sei ihm allerdings wieder eingefallen, dass er in der Nummer 28 wohne. Und dort habe man ihn nun hingebracht und wolle seinen Personalausweis sehen. Ob ich wisse, wo er diesen aufbewahre.
„Nun, wahrscheinlich in seiner Brieftasche,“, gab ich zurück, aber die Polizistin, die mir gleich unsympathisch war, schnappte: „Er gibt vor, diese nicht zu finden. Also! Holen Sie sie!“ – „Wie bitte?“ fragte ich und merkte an, dass er seine Papiere stets bei sich trage. (Wahrscheinlich hatte er sie in seiner Stammkneipe liegenlassen … ) Daher könne ich auch nicht helfen.
Daraufhin schnauzte die Polizistin: „Gut, dann durchsuche ich jetzt die anderen Zimmer!“ Und schon stürmte sie los, Richtung Schlafzimmer. Da wurde ich ein wenig sauer – was behandelte sie uns wie Kriminelle? Gab es in dieser Stadt sonst nichts zu ermitteln? Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Und ich sauste hinter ihr her, überholte sie und baute mich im Türrahmen des Schlafzimmers auf und sagte ziemlich verärgert: „Was soll das? Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss? Nein? Dann unterlassen Sie das doch, bitte! Wir haben nichts verbrochen, und mein Freund hat heute – es ist Wochenende – ein bisschen gefeiert. Dann hat er sich mit der Haustür vertan – ist das schon ein Verbrechen?“ Die Polizistin ärgerte sich sichtlich, dass ich sie auf den fehlenden Beschluss hingewiesen hatte – ich war selber ganz erstaunt über mich, aber stocksauer, und da bin ich manchmal relativ geistesgegenwärtig -, und sie suchte sofort einen anderen Ansatz, weil sie wohl das letzte Wort haben wollte. Und so schnauzte sie mich an: „Und Sie wussten nicht, was Ihr Freund macht, wo er ist? Sie lassen ihn allein losziehen? Was sind denn das hier für Verhältnisse?“
Da ich auch gern mal das letzte Wort habe, schnappte ich zurück: „Ja, ich lasse meinen Freund durchaus auch alleine losziehen – das ist eine Beziehung und kein Knast! Wissen Sie so genau, was Ihr Partner gerade macht und wo er ist? Möchten Sie jetzt vielleicht auch noch meine Papiere sehen?“
Das war frech, zeigte aber Wirkung. Sie sagte nichts mehr, starrte mich nur wütend an, wurde aber von ihrem älteren Kollegen, offenbar ihr Vorgesetzter, zurückgepfiffen: „Lass, Eva – sie hat Recht. Komm her.“
Und die Polizistin, die in einem anderen Leben sicherlich einen tollen Wachhund abgegeben hätte, trabte zurück in die Küche, ich hinterdrein. Dort hatte sich nichts verändert – die Situation war unverändert, nur, dass Jo nun speziell mich angrinste.
Ich versicherte der Polizei, dass ich die Situation durchaus im Griff hätte, und da meinte der ältere Beamte: „Er kann ja morgen oder in den nächsten Tagen mit seinem Personalausweis zur Wache kommen und sich ausweisen.“ – „Wie – er kann? Er muss also nicht? Wofür dann die ganze Vorführung hier?“ Ich muss zugeben, ich war wirklich stinksauer, vor allem, weil mein Kopf so dröhnte und ich aufgrund der Erkältung sowieso nicht ganz so gut drauf war. Die Polizistin, die mich die ganze Zeit giftig ansah, wollte schon etwas sagen, aber ihr Vorgesetzter meinte beschwichtigend: „Es wäre schön, es muss aber nicht sein. Es ist ja alles in Ordnung, wie ich sehe.“ Und er warf seiner Kollegin einen Blick zu. Dann verabschiedeten sich die drei Freunde und Helfer.
Sofort erwachte Jo wieder zum Leben, grinste aber immer noch. „Super, Ali! Komm mal her!“ Und er wollte mich in den Arm nehmen. Ich war aber ein wenig angepisst – was für ein Scheiß! „Lass mal, wir reden morgen!“ sagte ich. „Ich bin total fertig – ich will wieder ins Bett.“ – „Na gut. Aber süß, wie du da in dem Nachthemd aufgetaucht bist und die Polizistin zur Schnecke gemacht hast. Damit hatte die wohl nicht gerechnet. Du solltest öfter Rosa tragen.“ Na, toll … Das also war sein Resümee? 😉
Immerhin brachte er mir am nächsten Tag Frühstück ans Bett – hatte offenbar ein etwas schlechtes Gewissen. 😉
Seinen Personalausweis hat er übrigens nicht auf der Wache vorgeführt. Er musste ja nicht. Wahrscheinlich war diese ganze Farce nur dazu gut gewesen, den Polizei-Azubi einzuweisen, wie man mit solchen Situationen umgehe. 😉 Zumindest kommt es mir im Nachhinein so vor. Die Polizistin aber nahm alles sehr, sehr ernst …
Ich glaube, am liebsten hätte sie uns beide verhaftet … 😉