Ich leite diesen Titel mal von einem Zitat aus Shakespeares „Julius Caesar“ ab, in dem es heißt:
„Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein,
Mit glatten Köpfen, und die nachts gut schlafen.
Der Cassius dort hat einen hohlen Blick;
Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich.“
Nun, wie es auch sei – Cassius, jener schlanke Mensch mit „hohlem Blick“, war einer der späteren Mörder Caesars. Offenbar hatte „uns Julius“ den richtigen Riecher gehabt, das Ganze aber politisch inkorrekt auf schlanke Menschen generell übertragen. Schlanke Menschen, die obendrein noch viel lesen und denken. Lassen wir das mal dahingestellt sein … 😉 Ich musste Shakespeares „Julius Caesar“ im Englisch-LK in 11.2 lesen, im zweiten Halbjahr des 11. Schuljahres. Seither beherrsche ich – und das bis heute, was ich selbst erschreckend finde – „Antony’s Speech“ auswendig („Friends, Romans, countrymen, lend me your ears. / I come to bury Caesar, not to praise him. The evil that men do lives after them; their good is oft interred with their bones. So let it be with Caesar […]”). Wenn auch die Beherrschung dieser literarisch weltberühmten Rede doch zumindest zu einem gut war: Sie hat meinen Mitschüler Dirk S., den ich damals ziemlich cool fand, vor dem Sitzenbleiben bewahrt. Denn neben den vielfältigen Analysen, speziell Stilmittelanalysen, die unsere sehr gestrenge Lehrerin, Frau Gutmond, uns aufgab (sie war sehr streng, aber ich mochte sie sehr, da sie wirklich für ihr Fach „brannte“ und fair war), hatte sie uns eines Tages ganz unerwartet zusätzlich die Aufgabe übertragen, bis zur nächsten Stunde die Rede Mark Antons auswendigzulernen. Das fand ich damals ziemlich albern, da wir mit ganz anderen Dingen hantierten und doch nicht in der Grundschule waren. Erst in der nächsten Stunde war mir klar, was sie damit beabsichtigte: Sie hatte denen, die auf der Kippe standen, eine Chance geben wollen, zu zeigen, dass sie wenigstens gewillt waren, etwas für diesen Kurs zu tun. Und das war sehr großzügig.
Nun ist es so, dass manche Menschen, die auf der Kippe stehen, gar nicht mitbekommen, dass sie vor der Ausmusterung befindlich sind. Und so ging es auch Dirk S. an jenem Tage, als er drangenommen wurde, doch die Rede Mark Antons aufzusagen, damit Frau Gutmond wenigstens einen Anhaltspunkt haben möge, ihn nicht sitzenzulassen, was sie nicht wollte, zumal er sich in diesem diffizilen Schwebezustand zwischen zwei Noten befand, da das Schicksal quasi an einem Haar hängt. Und das Haar hat Spliss. Er hatte nicht begriffen, dass er kurz vor dem Kielholen stand, hatte diese in der Tat für einen Leistungskurs unterqualifizierte Aufgabe gar nicht erst gemacht und noch gesagt: „Wir sind ein Leistungskurs, und da sollen wir auswendiglernen! Nee, nicht mit mir!“
Und nun war er dran und konnte keine Zeile. Es herrschte eine ungute Stimmung im Raum, und zunächst sprach keiner ein Wort. Speziell Dirk S. war stumm wie ein Fisch … 😉 Als zwei Mitschüler zu flüstern begannen und somit ein Geräuschhintergrund vorhanden war, raunte ich, die ich hinter Dirk S. saß, ihm zu: „Sprich mir nach! ‚Friends, Romans, countrymen, lend me your ears. […]‘“ Und daraufhin – mit je einer gewissen Verzögerung – bekam Dirk S. es dann auf die Reihe.
Nach der Stunde, als alle ihre Sachen zusammenpackten, meinte Frau Gutmond: „Dirk und Ali – kommen Sie bitte mal zu mir!“ Ach, du Scheiße! Wir sahen einander an, strafften dann aber die Schultern und gingen nach vorn zu Frau G., die streng dreinblickte. Aber irgendwie zuckte es ab und an ein wenig um ihre Mundwinkel. Und dann sagte sie: „Dirk, Sie sind wirklich ein Trottel! Sie sind so intelligent, das weiß ich, und trotzdem stellen Sie sich selten blöd an! Naja, immerhin – so gerade eben noch geschafft, aber ich sage Ihnen eines: Wenn Sie im nächsten Halbjahr nicht Gas geben, machen Sie ein Jahr später Abitur! Wenn überhaupt, denn in Mathe sieht es derzeit wohl auch finster aus.“ Dirk nickte kleinlaut. Dann wandte sich Frau Gutmond mir zu: „Jetzt zu Ihnen, Ali! An Ihnen habe ich eigentlich nichts auszusetzen. Englisch ist Ihr Fach – Sprachen wohl generell. Das ist Ihr Metier, um es mal so zu sagen. Was auch immer Sie später machen werden: Wenn Sie mal dringend Geld brauchen, rate ich Ihnen, sich als Souffleuse beim Theater zu bewerben! Sie haben dazu echtes Talent! Ich finde eigentlich nicht in Ordnung, wenn jemand seine Aufgaben nicht macht, noch dazu, wenn er ohnehin schon auf der Kippe steht. Aber Sie beide haben heute so toll kommuniziert, dass ich mal Gnade vor Recht ergehen lasse, zumal ich vermute, dass Dirk einfach nur eine schlechte Phase hatte. Sollte sich das allerdings nicht ändern, sehe ich schwarz, und dann kenne ich auch keine Kompromisse mehr. Aber Ihre Vorstellung heute hat mir wirklich gut gefallen – Hut ab!“ (Ich fand Frau Gutmonds Vorstellung klasse: Man kann nicht so leise „soufflieren“, und natürlich hatte sie es mitbekommen, aber sie hat es zugelassen, weil ihr „der menschliche Faktor“ wohl so gefiel und sie auch ziemlich sicher war, dass Dirk S. den Schuss vor den Bug verstanden hatte.)
Er riss sich dann auch zusammen, und zwei Jahre später haben wir beide zusammen unser Abi bestanden. 😉 Als ich ihn Monate später im Zug von Oberhausen nach Mönchengladbach traf – ich auf dem Weg nach Aachen, er auf dem Weg zum Bund -, meinte er: „Das habe ich nicht vergessen, Ali, und das fand ich richtig klasse! Immerhin – so kann ich den Bund schon in diesem und nicht im nächsten Jahr hinter mich bringen!“ Ich lachte mich scheckig, und bis Mönchengladbach hatten wir dann generell eine Menge zu lachen.
Der Spruch: „Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein“ ist mir seit damals auch als klassisches Zitat im Hinterkopf geblieben. Ungeachtet seiner politischen Inkorrektheit habe ich ihn seit gestern Abend aber umgemünzt in: „Lasst rauhe Dackel um mich sein“.
Warum? Nun, das ist eine einfache Geschichte. Ihr wisst ja alle um diese bescheuerten Horror- oder Grusel-Clowns, die seit etwa zwei, drei Wochen wieder und wieder in den Medien erwähnt werden. Auch ich habe sie bereits mehrfach erwähnt, weil mich diese Idioten nerven. Man hatte wohl gehofft, dass nach Halloween dieser Trend auf dem absterbenden Ast sein würde, was sich aber als unwahr erwies, denn seither haben sich wohl Menschen, die wirklich kriminell sind, als Trittbrettfahrer auf dieses „Genre“ eingeschossen. Vorgestern trachtete in einer kleinen Stadt in Rheinland-Pfalz wohl ein als Grusel-Clown Verkleideter danach, eine junge Frau, die mit ihrem Hund Gassi ging, zu überfallen. Doch daraus wurde nichts, denn die junge Frau war mit einem echten „Kampfhund“ unterwegs. Einem Dackel. Der fand wohl das ganze Theater so inakzeptabel, dass er völlig furchtlos den Angreifer kurzerhand in die Wade biss (höher kam er ja mangels Körpergröße auch nicht), und das ganz nach Dackelart so heftig, dass die junge Frau die Zeit fand, dem Angreifer mit Schmackes ins Gemächt zu treten, als der noch versuchte, den festgebissenen und garstig knurrenden Teckel abzuschütteln. (Das ist nicht einfach – ich weiß, wovon ich spreche. 😉 ) Nachdem ihm dies gelungen war, rannte er quasi um sein Leben – zusammen mit ihm noch mehrere weitere Gestalten, ebenfalls als Grusel-Clowns verkleidet, die sich wohl im Gebüsch versteckt gehalten hatten.
Ich lachte schallend, als ich diesen Artikel in der Zeitung mit den drei Buchstaben las. Und ich wusste: Kein Wort war gelogen, nichts geschönt, nichts überzogen. Dazu kenne ich Dackel zu gut. Völlig unerschrocken, weil für die Jagd auf Dachse gezüchtet, die als extrem wehrhaft gelten, bei der es wirklich um Leben und Tod geht, weil die Dackel in einem engen Bau auf den wehrhaften Einwohner treffen, tendieren diese von Ahnungslosen immer wieder despektierlich als „Fußhupen“ bezeichneten kleinen Hunde eher dazu, völlig kompromisslos und ungeachtet ihres eigenen Wohlbefindens zu agieren. Und ihre Mission ist klar: Weg mit dem Aggressor! (Nicht selten sind Dackel selber die Aggressoren, wenn man sich mit ihnen nicht so auskennt und sie – „sind ja kleine Hunde und Fußhupen!“ – falsch einschätzt, falsch hält. Das sind zwar kleine Hunde, aber echte Arbeitshunde, und sie sind autonomes Handeln gewohnt, weil sie so gezüchtet wurden, da ihnen im Dachsbau niemand zu Hilfe eilen kann, und sehr intelligent. 😉 )
Zuvor hatte ich schon zwei Artikel gelesen, da Hundehalter beim Gassigehen von „Grusel-Clowns“ bedroht worden waren, sich aber zum Glück zu helfen wussten. Nur ihre Hunde – größere Rassen – waren in einem Falle voller Angst weggerannt oder mussten vom Halter getröstet werden, wie ich gelesen hatte. Und da kommt so ein krimineller „Clown“ auf eine junge Frau mit einem kleinen Hündchen zu, die er für leichte Beute hält – einen Dackel als Begleithund kann man ja nicht ernstnehmen! – und bekommt erst vom vermeintlich wehrlosen Kleinhund mit krummen Beinchen so richtig eins vor den Latz (oder die Wade) und dann, während der wehrhafte kleine Hund noch am Bein des Angreifers hängt, auch noch von der Halterin richtig eins verpasst. Sehr schön! Als selber nicht ganz so großgewachsener Mensch sitzt man dann applaudierend vor dem PC und freut sich einen Ast! 😉
Am besten an dem Artikel gefiel mir die Einleitung, dass Halloween ja nun vorbei sei, aber noch immer Grusel-Clowns Angst und Schrecken verbreiteten. Und dann der Nachsatz: „Allerdings fürchten sich längst nicht alle vor ihnen.“ Der Dackel zumindest nicht.
Da ich mit diversen Dackeln großgeworden bin, weiß ich: Nichts davon ist gelogen. Dackel scheinen bisweilen größenwahnsinnig. Wenn sie außer Sichtweite bellen, denkt manch einer, der den Hund nicht kennt, ein sehr großer Hund werde gleich um die Ecke biegen, denn ihre Stimmen klingen nicht „klein“. Und wenn sie vor einem sitzen und harmlos und wurstartig-klein aussehen und man fast darauf hereinfällt, sie für harmlos zu halten, fangen sie garantiert an, sich zu strecken und dann zu gähnen, wobei sie völlig hemmungslos, wie Tiere das nun einmal tun, die Schnauze aufreißen, so dass man ihnen bis zu den Rachenmandeln blicken kann. Aber bis dahin guckt man meist schon gar nicht mehr … Denn sobald ein Dackel seine Schnauze zum Gähnen aufreißt, ist man tranceartig auf dieses riesige Gebiss fixiert, das etwa ein Drittel des kleinen, wurstartigen Hundes ausmacht und aus erstaunlich großen „Hauern“ besteht. Speziell die Reißzähne beeindrucken sehr. 😉 Mein Vater verglich die Schnauze unseres Dackels Moritz mal mit der Schnauze eines Krokodils und blickte ihn danach nur noch scheel an. Und ich kann nur sagen, dass es richtig weh tut, wenn so ein Dackel ernst macht. 😉
Mich freute das Ganze sehr, und ich dachte so für mich hin: „Hoffentlich lernen einige Leute, dass auch kleinere Lebewesen durchaus nachhaltig agieren können!“ Ich dachte dies auch in eigener Sache, denn ich bin selber nicht hochgewachsen. 😉
Mein Fazit: Wir sollten uns alle einen Dackel anschaffen. 😉