Heute war so ein richtiger Montag. Morgens regnete es bereits, und es regnete den ganzen Tag und wurde nicht richtig hell. Ich musste mit Straßenbahn und Bus fahren, da ich nachmittags einen Termin beim Arzt hatte, und um dessen Praxis herum ist die Parkplatzsituation einfach nur grauenhaft. Also lieber mit dem ÖPNV fahren. Leider fing aber heute auch die Schule nach den Herbstferien wieder an, und in der Straßenbahn herrschte um 7:15 Uhr ein Geräuschpegel wie im Primatenhaus kurz vor der Fütterung. Da liebt man den Montag doch gleich noch viel mehr …
Chef heute nach dem Urlaub den ersten Tag wieder da. Höfliches Geplänkel, dann sein erster Termin. Aaah – sehr gut, erst einmal richtig wach werden.
Gegen 9 kam Janine dann an, und ab da wurde es zumindest etwas lebhafter. Rasch die inzwischen angefallenen Arbeiten erledigt, dazu Kaffee. Irgendwann dann druckte Janine etwas auf dem Farbdrucker aus, der im Flur steht, und es war auch noch für mich bzw. meinen Chef. Auf dem Flur hörte ich sie mit der neuen Kollegin sprechen, die – ich glaube es zumindest oder habe so ein unbestimmtes Gefühl – nicht so ganz mein Fall ist. Sie ist der Typ „ältere Kindergärtnerin, sehr energisch“ bzw. „Erzieherin alter Schule“ oder „besonders energische Krankenschwester, die keinen Widerspruch duldet“. Schon, als ich sie die ersten zwei Male erlebte, meinte ich zu Janine: „Die hat uns binnen kürzester Zeit im Griff und so eingenordet, wie sie es will.“ Janine meinte nur: „Nee, nicht mit mir.“
„Nee, nicht mit mir“ kam vom Flur zurück, die neue Kollegin im Schlepptau, die sagte, sie müsse mich gleich unbedingt sprechen. Da telefonierte ich gerade, und sie meinte, sie käme dann später noch einmal vorbei. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass irgendetwas im Busch sei, das mir vielleicht nicht so gefallen würde, und so nickte ich nur freundlich.
Kaum hatte sie den Raum verlassen, schloss Janine auch schon mit Nachdruck die Tür zum Flur und meinte: „Du wirst es nicht glauben, aber ich bin gerade überrumpelt worden!“ – „Was ist passiert?“ – „Nun, ich duze mich jetzt mit der neuen Kollegin. Aber – das wollte ich gar nicht. Jedenfalls nicht so schnell! Die ist doch erst zwei Wochen hier, und ich habe so das Gefühl, dass sie nicht so mein Typ ist.“ – „Oh.“ – „Ja. Ich wollte es dir nur sagen, denn möglich, dass sie dir das auch noch aufdrücken will.“
Nicht falsch verstehen, bitte. Ich habe rein gar nichts dagegen, mich mit Kollegen zu duzen, aber ich mag es ganz und gar nicht, wenn ich überfahren werde. Ich habe so etwas schon öfter erlebt, und das endete dann nicht selten damit, dass es hieß: „Ach, Ali, könntest du mal …?“ Auch dagegen habe ich gar nichts. Nur dann, wenn es sich um Aufgaben handelt, die der andere eigentlich machen sollte, aber lieber einen Tag weniger arbeitet und ich dann die Doofe bin, die Aufgaben machen muss, die eigentlich nicht meine sind.
Kurz: Ich bin da sehr vorsichtig, und ich sehe mir Leute erst genau an, bevor ich mich mit ihnen duze. Und ich sieze mich lieber etwas länger, wenn ich neu dazugekommen bin, als als Neuling anderen das Du aufzunötigen. Nennt mich spießig – das bin ich in der Hinsicht eigentlich nicht. Ich mag diese Zwangsverbrüderungen nur nicht so gerne, wenn man sie (noch) gar nicht will.
Als 2013 Kollegin Sybille anfing, war ich diejenige, die sie am längsten gesiezt hat. Nicht etwa, weil ich sie nicht mochte, nur, weil ich etwas zurückhaltender bin. Ich habe auch den Kollegen Frederik ganz lange gesiezt. Ebenso Ex-Kollegen Chuck, obwohl ich beide wirklich mag. Ich brauche eine gewisse Zeit zum Beobachten und Auftauen. Ich muss mir Leute erst eine Weile ansehen. Stelle ich fest, dass sie nett sind, würde ich sie allerdings dann auch bis aufs Knochenmark verteidigen. Den einen vielleicht ein bisschen weniger, den anderen mehr. In der Hinsicht könnte ich glatt ein echter Münsterländer sein. 😉 Denen sagt man auch nach, dass man nicht leicht an sie herankomme. Aber wenn, habe man Freunde fürs Leben.
Janine war auch nicht glücklich mit dieser Zwangsbeduzung, und sie räsonierte: „Ich sage es dir, das wird kein gutes Ende nehmen. Neulich meinte sie ja schon, als sie etwas machen sollte, sie sei ja erst kurz hier – das sollten doch lieber andere machen! Und nun, da ich mich – wenn auch unfreiwillig – mit ihr duze, wird sie sicherlich öfter kommen und sagen: ‚Janine, kannst du mal …? Ich bin ja noch neu und nur vier Tage die Woche hier …‘“
„Hat sie das wirklich gesagt?“ – „Was?“ – „Sie sei ja erst kurz hier.“ – „Ja.“ – „Ach, aber Dienstälteren dann das Du aufnötigen, das kann sie, wenn sie auch ihre originären Aufgaben wegen erst kurzer Tätigkeit nicht ausüben kann! Dabei ist der Sprung ins kalte Wasser doch das Beste, was passieren kann, wenn man Kollegen kennenlernen will! War bei mir jedenfalls bisher immer so.“ – „Ja, sehe ich genauso.“ – „Super. Ich denke aber nicht, dass sie mir das Du anbieten wird. Ich bin ihr gegenüber noch sehr distanziert.“ – „Wollen wir wetten?“
Heute kam ich darum herum. Aber was ist morgen? Nein, ich habe nichts gegen Duzen oder Geduztwerden, ich finde nur etwas verfehlt, wenn die Dienstjüngste es einem aufdrängt, die schon zuvor nicht so positiv aufgefallen ist. Ich weiß gar nicht, wie ich darauf reagieren soll. Oder doch? Ach, ich werde einfach ganz ali-like reagieren, auf ihre mögliche Ansprache erstaunt blicken, zögern und dann sagen: „Ach … Naja, gut. Können wir machen.“ Ja. Ich bin ein Arsch. 😉 Aber ich lasse mich nicht gern überrollen. 😉
Zum Glück musste ich heute früh los, da meine Laser-Kontrolluntersuchung anstand. Im strömenden Regen sauste ich gen Bus, der mich pünktlich an der zentralen Straßenbahn-Haltestelle absetzte. Ich konnte dann auch gleich umsteigen und war pünktlich beim Arzt, bei dem ich dann allerdings noch lange warten musste.
Immerhin gibt es „Wartezimmer-TV“. Und das kann wirklich einlullend wirken, wenn man lange warten muss, denn ich ertappte mich dabei, dass ich später meine Ärztin, Frau Dr. te Haaren, fragte: „Gibt es eigentlich ein Leistungsverzeichnis mit Preisen für selbst zu bezahlende Behandlungen?“ – „Was möchten Sie denn gerne wissen, Frau B.?“ Und es brach aus mir heraus: „Fruchtsäure-Peeling!“ Sie lachte und meinte, ich sollte mal an der Anmeldung fragen …
Ich ahnte es ja schon immer: Ich bin für Werbung sehr empfänglich … 😉 35,- Euro kostet die Behandlung, und ich habe das unbestimmte Gefühl, dass ich in absehbarer Zeit … Aber lassen wir das. Werdet ihr mal älter! Ihr werdet euch noch umgucken! 😉
Frau Dr. te Haaren sah sich die gelaserte Stelle unter meinem Auge an, und sie meinte: „Da sind wohl weiter unten liegende Gefäße zum Vorschein gekommen.“ Hätte ich es nicht selber jeden Tag mehrfach im Spiegel gesehen, hätte ich wohl gesagt: „Geldschneiderei – vielen Dank für die Behandlung.“ Aber ich hatte es ja selber gesehen, und so meinte ich nur auf ihre Frage, ob wir da noch einmal nachlasern sollten: „Ja, bitte.“ Ich klang sehr abgeklärt, wenn ich bedenke, wie sissymäßig ich mich beim ersten Lasern angestellt hatte. Und heute ging es auch schneller, tat aber trotzdem weh. Aber immerhin kostete es nur die Hälfte, da es eine „Korrekturbehandlung“ war. Allerdings fühlte ich mich zunächst auf dem linken Auge ein wenig geblendet, trotz Schutzvorrichtung …
Wenn ich bedenke, dass mehrere Leute meinten, der Stein des Anstoßes sei für sie aus gewisser Entfernung nicht zu sehen, frage ich mich schon, warum ich so viel Geld ausgegeben habe für Schmerzen unter dem Auge … 😉 Aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich – so heißt es zumindest.
Auf dem Rückweg vom Arzt kaufte ich ein, holte danach endlich meine neuen Kontaktlinsen ab, die ich immer im Internet bestelle und die in einem GLS-Shop auf mich warteten – ich sollte dringend mal wieder einen Augenarzttermin machen -, und dann ging ich nach Hause. Endlich Ruhe!
Und da fiel mir auch wieder ein, dass meine Oma Margareta heute Geburtstag gehabt hätte. Und sentimental, wie ich bin, habe ich erst einmal eine Kerze angezündet. Fünf Jahre ist es jetzt her, aber mir kommen noch heute die Tränen, wenn ich daran denke, wie sie gestorben ist. Einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Sie war dement, als sie starb, lange zuvor schon gewesen, und als meine Mutter mir erzählte, sie habe seit neuestem ein Faible für Stofftiere, habe ich ihr eines gekauft. Ein kleines, weißes Lamm, und meine Mutter hat ihr erzählt, das sei von mir. Das lag wohl bei ihr, als sie starb.
Ich hoffe, der morgige Dienstag werde etwas „fluffiger“. Es kann nur besser werden. 😉