Heute war ein recht langer Tag, und ich habe es erneut nicht geschafft, um 7 Uhr bei der Arbeit zu sein, um ein paar Minusstunden mehr auszugleichen. Aber immerhin habe ich mich um Punkt 8 Uhr 3 eingestempelt, nachdem ich heute erstmalig auf dem Mitarbeiterplatz geparkt hatte, statt auf dem für Besucher. Im Grunde sind beide Parkplätze zu klein, die Parkboxen sehr eng, aber der Mitarbeiterparkplatz ist zumindest ein bisschen besser. Wenigstens gefühlt. 😉 Immerhin war ich eine Stunde früher da, als ich sonst dort aufschlage … 😉
Stolz war ich auf die Rampe gefahren, hatte das Fenster heruntergelassen, meinen Transponder in der Hand, mit dem ich die Schranke zu öffnen trachtete. Beim dritten Versuch gelang es, und die Schranke öffnete sich. Als ich gerade anfuhr, tauchte Angelika Fux auf, eine extrem unsympathische Kollegin, die sich als etwas Besseres fühlt, und sie verließ den Parkplatz so, dass sie mich noch behinderte, indem sie extra dicht an der Schranke und vor meinem Kühler vorbeiging. Gut, dass ich eine recht zügige Reaktionsgeschwindigkeit mein eigen nenne und ebenso zügig bremste, sonst hätte Angelika Fux unter meinem kleinen Monty gehangen, und das will nun wirklich keiner. Auch dann nicht, wenn man Angelika Fux auf den Tod nicht ausstehen kann.
Eigentlich hatte ich etwas weiter hinten parken wollen, aber da waren die attraktivsten Parkplätze erstaunlicherweise schon besetzt. Von den Leuten, die es geschafft hatten, bereits um 7 einzutreffen. Und so parkte ich ganz vorn, mit der Schnauze zur Straße. Einige Plätze links von mir sah ich den BMW meines Kollegen Frederik, und der stand reichlich schief in der Parkbox. Wie einige andere Autos auch, die sich nicht an die Begrenzungen gehalten hatten. Aha! So machte man das hier, wenn man nicht wollte, dass sich jemand so dicht neben einen klemmte, dass er einem die Tür in die Seite haute! Und so parkte ich ebenso großzügig – ganz gegen meine Gewohnheit – neben einem knallroten VW up! ein. Der stand auch mit den linken „Hufen“ weit über die Begrenzungslinie hinweg. Das kann ich auch! 😉 Wie gesagt: So etwas mache ich normalerweise nicht, aber wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage zu sein scheint, trotz hinreichend großen Geländes hinreichend große Parkflächen zu bieten, muss man sich zu helfen wissen. 😉
Der Arbeitstag verlief zäh. Janine und ich waren mehrfach rauchen, und da kein Chef da war, der etwas hätte sagen können, gingen wir – wie früher – meist gemeinsam. Es war eh nicht viel los.
Gegen halb 6 machte ich mich vom Acker. In meiner Tasche hatte ich eine umfunktionierte, ehemalige Tonic-Water-Flasche, in der ein Liter Scheibenwaschflüssigkeit giftig blau vor sich hin schäumte. Selber angemischt, nachdem ich ja kürzlich von meinem letzten Gutschein, den Ulli, der Nachbar und Halter von Luna, der weißen Schäferhündin, spendiert hatte, Scheibenwasch-Konzentrat mit Frostschutzmittel gekauft hatte. Der allererste Gutschein, den ich überhaupt eingelöst habe! 😉
Selbstsicher betrat ich den Parkplatz – seht her, hier kommt die Frau, die gleich Scheibenwaschflüssigkeit nachfüllt! Wenn man bedenkt, dass ich das so viele Jahre nicht machen musste, war das schon etwas Besonderes. 😉 Eine Premiere, gewissermaßen.
Ich schloss den Wagen auf, warf meine beiden Taschen hinein. Ich würde noch ein Stück zurücksetzen müssen. Aber erst einmal den Griff zum Entriegeln der Motorhaube suchen – nicht, dass ich völlig hilflos erschiene! Und auf dem Fahrersitz sitzend, wurschtelte ich vornübergebeugt im Auto herum, tastete unter dem Armaturenbrett links die gesamte Gegend ab. Wo war das verdammte Ding noch?
„Kann ich Ihnen helfen?“ kam da schon eine Frage, und ein jüngerer Mann beugte sich durch die geöffnete Fahrertür. „Haben Sie etwas verloren?“ – „Nein, danke!“ schmetterte ich selbstbewusst, denn soeben hatten meine suchenden Finger den Griff für die Motorhaube ertastet. Ich fragte mich, ob ich so hilflos ausgesehen hatte. Eigentlich eher nicht. Aber ich bedankte mich freundlich, und der junge Mann zog von dannen.
Ein weiterer junger Mann, der ein Stück hinter mir geparkt hatte, stand neben seinem Auto und begutachtete seine Fahrertür mit Argusaugen. Ich habe ungern Zeugen, wenn ich Dinge zum ersten Mal mache, und so wurschtelte ich weiter im Auto herum, in der Hoffnung, er werde gleich fahren. Endlich setzte er sich ins Auto! Aber er fuhr nicht … Stattdessen zückte er sein Handy und las offenbar irgendwelche WhatsApp-Nachrichten oder sonst etwas. So lange wollte ich nicht warten, startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein und parkte zügig aus. Dann fuhr ich ein kleines Stück, stellte mich quer über zwei Parkboxen und machte den Motor aus.
Gekonnt zog ich an dem Griff für die Motorhaube, es machte „Plong!“, und die Motorhaube ging ein Stück auf. Na also – ging doch alles wunderbar! Und schon stieg ich aus, die Flasche mit der giftig blauen, leicht schäumenden Flüssigkeit in der Hand, und trat vor Monty. Schnell die Flasche abstellen und die Motorhaube öffnen und fixieren.
Igitt! Als erstes quoll mir ein ekliges Insekt entgegen, das sich unbemerkt am hinteren Teil der Motorhaube und dicht vor der Frontscheibe, wo sich auch erstaunlich viel Laub befand, wohl verschanzt und wohlgefühlt hatte, bis ich die Motorhaube öffnete. Fast hätte ich diese mit einem lauten Schrei fallengelassen! Aber doch nicht coram publico! „Pull yourself together now – don’t get in a state!“ Diese Worte, eine Liedzeile aus einem Achtziger-Song, schossen mir durch den Kopf. Nicht wie ein Mädchen benehmen, Ali – du weißt genau, was du tust! Im Grunde öffnest du tagtäglich Motorhauben und bist eine echte Expertin, nicht wahr? 😉 Also – reiß dich zusammen, auch wenn dieses hässliche Vieh von Libelle dich gerade anfliegt! Aaaaaaah!
So dachte ich nur und verkniff mir jegliche Schreie, wie ich sie zu Hause loslasse, wenn ein furchterregendes, großes Insekt oder eine fette Spinne mir in meiner (!) Wohnung begegnen oder mich gar anfliegen. (Nicht die Spinne, nur die flugfähigen Insekten. By the way: Wusstet ihr, dass Baumwanzen fliegen können? Habe ich auch erst vorgestern gelernt, als solch ein ekelerregendes Viech mir um den Kopp flog, als ich meiner Palme Wasser gab. Es war wohl von draußen hereingekommen, als ich lüftete – hui, habe ich geschrien! Dumm von der Wanze, auf dem Fußboden zu landen. Ihre letzte Aktion, ich muss es leider zugeben … 😉 R.I.P., hässliche Wanze – wärste mal draußen geblieben, wohin du gehörst! 😉 )
Die Libelle flog davon, als sie merkte, dass ich total cool war und mich gar nicht aufregte. (Mein Herz schlug bis zum Hals.) Ich klappte die Motorhaube lieber ganz auf, zerrte den Halter aus seiner Halterung und fixierte die Motorhaube.
In dem Moment fiel mir der junge Mann im Auto auf. Er hatte von seinem Handy abgelassen und starrte zu mir herüber, sichtlich unruhig. Und unentschlossen. Bereit, sofort aus dem Auto zu hechten und herüberzueilen. Als ich mich über den Motorraum beugte, hörte ich dann auch eine Autotür zuklappen. Und schon stand der junge Mann neben mir: „Kann ich Ihnen helfen?“ – „Nö, eigentlich nicht. Warum?“ – „Naja, wenn eine Frau mal unter eine Motorhaube guckt – dann kann doch was nicht stimmen! Haben Sie einen Motorschaden?“ – „Ich nicht,“, gab ich grinsend zurück. „Ja, aber – warum machen Sie als Frau dann die Motorhaube auf?“ – „Warum ich als Frau die Motorhaube öffne?“ – „Ja! Dann kann doch etwas nicht stimmen! Frauen gucken nie unter die Motorhaube! Wie kann ich Ihnen helfen?“ – „Das ist echt sehr nett, dass Sie fragen. Würden Sie mir bitte mal die Flasche da anreichen?“ – „Flasche?“ – „Ja, die, die da auf der Erde steht. Neben Ihrem linken Fuß. Ich hatte sie da abgestellt, als ich die Motorhaube öffnen wollte. Dazu braucht man ja beide Hände. Ich denke, das würden auch Männer nicht einhändig schaffen.“
Der junge Mann starrte mich irritiert an. Ich grinste und meinte: „Ich will nur Scheibenwaschflüssigkeit nachfüllen – der Tank ist so gut wie leer.“ – „Cool!“ – „Was ist daran cool? Das muss man doch von Zeit zu Zeit machen.“ – „Ja, aber – ich habe noch nie eine Frau so etwas machen sehen! Meine Freundin fragt immer mich, wenn das an ihrem Auto gemacht werden muss. Ich wette, sie weiß nicht einmal, wo der Griff für die Motorhaube ist!“ – „So etwas sollte man doch aber wissen,“, gab ich dreist von mir und wundere mich noch jetzt, dass ich für meine Dreistigkeit nicht monty-python-mäßig direkt von einem Blitz niedergestreckt wurde. Oder vom 16 tons weight erschlagen. 😉
Der junge Mann reichte mir offenen Mundes die Flasche mit dem blauen Gebräu an, und ich öffnete den Verschluss des Scheibenwasch-Tanks und schüttete gekonnt (woher?) den gesamten Inhalt der Flasche hinein, die ich anschließend wieder zuschraubte. Dann kontrollierte ich noch „gekonnt“ den Behälter mit der Bremsflüssigkeit, nickte zufrieden. „Alles in Ordnung,“, sagte ich zu dem jungen Mann, „wenn ich schon mal dabei bin, schaue ich auch noch nach der Bremsflüssigkeit.“ Der junge Mann stand völlig stupéfait da und stammelte: „So etwas ist mir persönlich noch nie passiert! Eine Frau, die unter die Motorhaube guckt und weiß, was was ist! Sie sind ja mal wirklich cool!“ – „Danke schön. Sie leider gar nicht, aber das meine ich nicht böse,“, sagte ich. Da grinste er und meinte: „Das sagen Sie, weil ich immer glaube, es müsse ein schwerer Motorschaden vorliegen, wenn frau tatsächlich mal unter die Motorhaube guckt! Sie finden mich altmodisch, weil ich Frauen das nicht zutraue. Oder zugetraut habe, bis ich Sie hier kennenlernte. Tut mir leid, wenn ich Sie gekränkt haben sollte – ich kenne wirklich keine einzige Frau, die sowas selber macht. Aber ich habe heute etwas gelernt.“
Ich grinste auch und meinte: „Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich habe das heute zum ersten Mal gemacht. Und ich wollte eigentlich keine Zeugen, falls ich mich blöd anstellen würde.“ – „Echt? Zum ersten Mal? Sie sahen eigentlich von Anfang an ziemlich selbstbewusst aus, als wüssten Sie genau, was Sie tun! Wussten Sie ja auch. Nur sitzt das bei mir so drin, dass Frauen generell mit solchen Dingen nix am Hut haben, und da wollte ich Ihnen helfen, was dann nicht nötig war.“ – „Doch! Sie haben mir geholfen. Sie haben mir die Flasche mit der Flüssigkeit angereicht, und Sie haben mich unterhalten. Das fand ich sehr nett. Vielen Dank.“ – „Ihnen auch. Meine Freundin soll das beim nächsten Mal gefälligst selber machen, und meine Mutter auch! Immer haben die mich gefragt!“ Ich lachte. Hoffentlich habe ich nicht zu einem „Ehekrach“ beigetragen. Und ich erklärte dem jungen Mann: „Wissen Sie, ich muss das selber machen. Ich lebe derzeit allein und kann mich nicht auf andere verlassen, was, zugegeben, erheblich bequemer wäre. Also seien Sie nett zu Ihrer Freundin.“ Da lachte er. Wir lachten beide, ich bedankte mich bei ihm für seine Hilfsbereitschaft, und wir wünschten einander einen schönen Abend.
Und jetzt warte ich immer noch auf den Monty-Python-Blitz für meine Überheblichkeit, obwohl ich ja erst selber nach dem verdammten Griff für die Motorhaube suchen musste … 😉
In diesem Sinne: Gebt euch immer so, als wüsstet ihr genau, was ihr tut! 😉