Von Familienfeiern und -treffen

Zu Familienfeiern hat ja manch einer ein etwas gespaltenes Verhältnis. Ich nehme mich da gar nicht aus. Denn auch wenn man doch einer Familie angehört, ist solch eine Feier nicht selten ein Hort des Hauens und Stechens. Wohlgemerkt: im übertragenen Sinne, obwohl manchmal orts- und situationsabhängig auch schon mal im wörtlichen Sinne zu verstehen. Zum Glück aber nicht an der Tagesordnung. Obwohl sich trotz des traurigen Hintergrundes leider recht amüsant las, was ich vor einiger Zeit aus der Zeitung mit den drei Buchstaben erfuhr: Bei einer Trauerfeier am Niederrhein, vulgo: Leichenschmaus, trauerten die Hinterbliebenen wohl so heftig, dass man sich nur durch den Konsum großer Mengen Alkohols zu helfen wusste. Man wollte die Trauer wohl kurzerhand ersäufen.

Nur leider hat Alkohol bisweilen ganz unschöne Nebenwirkungen, von denen eine unter Umständen herabgesetzte Reizschwelle, emotionale Ausbrüche verschiedenster Art, aber auch ausgelebte Aggressionen besonders auffallen. Und leider traten alle diese Nebenwirkungen in der Trauergemeinde auf, und es endete im Chaos, als die Restfamilie sich zu prügeln begann, da es um die Verteilung der irdischen Güter des lieben Dahingeschiedenen ging. Einer der Angehörigen, ein junger Mann, soll sich sogar partiell die Kleider vom Leib gerissen und mit zumindest nacktem Oberkörper versucht haben, das Lokal in eine Achterbahn zu verwandeln, als er sich mit seinen Geschwistern – jeder gegen jeden – prügelte. Dann kam die Polizei, und als diese eingriff und einen der beiden Brüder in einen Streifenwagen verfrachtete, kam es zu einem interessanten Phänomen, das ich bei Streitigkeiten unter Geschwistern, in die sich unbeteiligte Dritte einmischen, schon öfter beobachten konnte: Die Geschwister verbrüderten sich unversehens, und schon ging es gegen den, der schlichten wollte … So auch hier, denn die Schwester des im Streifenwagen Sitzenden stürzte sich auf die Polizisten und versuchte unter Anwendung dessen, was man Gewalt nennt, ihren Bruder zu befreien, während der andere Bruder noch immer im Inneren des Lokals halbbekleidet das Inventar beschädigte …

Im Grunde ist das gar nicht lustig. Aber der Artikel war so verfasst, dass man sich das Grauen und diese Familie lebhaft vorstellen konnte, die sich wohl weniger harmonisch und auch weniger klug aufgeführt hatte – um es mal so auszudrücken. Er las sich einfach so, dass man lachen musste, wenn man zu den Leuten zählt, die zum Lachen nicht in den Keller gehen und einen Sinn für komische Situationen und Schilderungen haben. 😉

Aber auch wenn so etwas gar nicht vorkommt, können Familienfeiern bisweilen wirklich Zündstoff bieten und manchmal eher einem Tanz auf dem Vulkan ähneln. Alte Aversionen und Misshelligkeiten brechen plötzlich – im Kreise derer, die man lange nicht gesehen hat, weswegen aus der Distanz auch alles so harmonisch schien – wieder aus, alte Verhaltensmuster sorgen für ganz alte Gefühle, die in manchem Teilnehmer wieder aufsteigen, und ich spreche hier nicht von irgendwelchen amourösen Gefühlen. 😉 Eher von solchen der negativen Sorte, wenn Cousine Nicole mal wieder spitze Bemerkungen loslässt, so à la: „Hey, hast du etwa abgenommen?“, nachdem sie das Opfer als Kind stets gequält hatte, weil es ein bisschen moppeliger war als sie. (Nein, das ist mir zum Glück nie passiert, aber ich kenne solche Fälle …) Oder Cousine Uschi sagt: „Tolle Haarfarbe hast du! Deckt auch die grauen Haare prima ab! Ich hätte dich fast nicht wiedererkannt!“ (Nein, auch das ist mir zum Glück nie widerfahren, aber ich wurde auf einem solchen Treffen mal Zeugin einer derartigen Unverschämtheit, wobei Cousine Uschi sich mal besser bedeckt gehalten hätte … 😉 ) Dabei sind solche Dinge noch vergleichsweise harmlos in ihrer Unverschämtheit. Schlimmer geht immer. Siehe oben. 😉

Aus solchen Gründen bin ich auch immer ein wenig zwiegespalten, wenn es um Familienfeiern geht. Man muss so oft das Messer in der Tasche zumachen – natürlich auch im übertragenen Sinne. Vielleicht besser: die Faust in der Tasche machen. 😉 Und nein: Meine Familie ist sehr, sehr nett, aber eben eine ganz normale Familie. 😉

Aber es geht auch ganz anders und sehr schön, wie ich kürzlich erfahren konnte. Denn da hatte meine Schwester Stephanie Geburtstag, und den feierten wir mit einem Essen in einem Lokal. Eltern, eine Tante, Stephanie und ich. Aber sie hatte auch noch eine alte Freundin eingeladen, die ebenfalls Stefanie heißt, nur eben mit F. Und Stefanie hatte ihre beiden jüngeren Töchter mitgebracht, die eine 15, die andere 17. Ich war erstaunt, dass die beiden Mädels tatsächlich mitkamen – immerhin waren alle anderen um einiges älter als sie. Aber Nina und Mona waren sehr lebhaft und unterhielten sich prima mit den ganzen „alten Säcken und Säckinnen“. 😉

Stefanie und ich, die einander auch schon von klein auf kennen, obwohl sie eher Stephanies Freundin ist, stellten wiederholt voller Überraschung fest, dass wir offenbar ähnlich denken, ähnlich reden und im selben Moment exakt die gleiche sarkastische Bemerkung abzusondern in der Lage sind. Aber völlig unabhängig voneinander. Und wir bestellten – ebenso unabhängig voneinander – sogar das gleiche Gericht von der durchaus umfangreichen Karte und waren die Einzigen, die nach dem Essen statt eines Digestifs einen Espresso bestellten – im selben Atemzug. Das ging so weit, dass Stefanie irgendwann rief: „Ali, was würdest du dazu sagen?“, als jemand ihr eine Frage gestellt hatte. Ich gab eine Antwort, und Stefanie meinte: „Irre! Das Gleiche hätte ich gesagt! Und es ist ja nun nicht so etwas Einfaches gewesen, das man mit Ja oder Nein beantworten kann. Sag mal – sind wir irgendwie verwandt?“ Ich grinste und meinte: „Nee, glaube ich nicht. Sonst würden wir vielleicht nicht so harmonieren. Du weißt doch: Selbst, wenn man noch so an der Familie hängt – irgendwas ist immer, das manchmal stört.“ (Ich hatte leider völlig außer Acht gelassen, dass meine Mutter neben mir saß … Erst, als sie mir – scherzhaft! – die Dessertkarte übers Haupt zog, fiel es mir wieder ein. 😉 ) Dabei ist es durchaus, wenn auch selten, schon vorgekommen, dass mir eine Person sehr vertraut vorkam, auch wenn ich sie nur wenig kannte. Stefanie kenne ich allerdings schon ziemlich lange, aber solche Übereinstimmungen hatte ich in dem Ausmaß noch nie bemerkt. 🙂

Ein richtig nettes Familientreffen war es! Ob es wohl daran lag, dass drei Personen strenggenommen ja gar nicht zur Familie gehörten? 😉

Darum mein Tipp: Ladet zu Familienfesten und -treffen immer gute Freunde ein! 😉

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