Kennt ihr das auch? Reaktionen, die nicht zur Situation passen, aber doch irgendwie unaufhaltsam aus euch herausbrechen?
Ich habe damit nicht nur in puncto Reden ein Problem. Ich platze öfter mit Dingen heraus, die andere maximal denken, aber niemals aussprechen würden, und dann stehe ich da im zu kurzen Hemd, muss mich öfter entschuldigen, als mir lieb ist. Dabei meine ich es – in vielen Fällen – gar nicht böse, sondern es passiert bisweilen, wenn jemand den Bogen überspannt hat und das nicht einmal bemerkt. Oder – und das ist schlimmer als alles andere – wenn ich einen Menschen wirklich sehr mag, mich über den aber gerade ganz fürchterlich geärgert habe.
Nein, nicht nur beim Reden ist das so. Auch beim Lachen. Wie oft habe ich in Situationen gelacht, da Lachen absolut nicht angemessen war! Aber was kann ich dafür? Es gibt einfach Situationskomik, auf die ich sofort reagiere. Dinge, die so bescheuert sind, dass mein Zwerchfell sofort reagiert. Dinge, die einfach nur „loriotesk“ und so absurd sind, dass ich leider nicht anders kann.
Vor zwei Jahren erwähnte ich unvorsichtiger Weise bei einem Familientreffen, dass ich zwei Tage später zu meinem Frauenarzt müsse. Die alljährliche Krebsvorsorgeuntersuchung stehe an. Ich weiß – kein spannendes Thema, aber was erzählt man denn Tante Maria und Tante Beate sonst, wenn man sie ein gefühltes Jahrzehnt nicht gesehen hat? In einer Runde, die an die typische Besatzung eines Arztwartezimmers erinnert? Noch dazu, da sie begeistert über eigene Gebrechen sprachen? Dumm war nur, dass meine Schwester Stephanie danebenstand, die sich sogleich zu mir wandte und meinte: „Gehst du noch zu Dr. Masowiecki?“ (Sprich: „Masowjätzki“ 😉 ) – „Ja.“ – „Ach,“, schwärmte meine Schwester, „den fand ich ja immer so attraktiv!“ Und sie meinte, er sei einer der attraktivsten Männer, die sie je gesehen hätte, auch wenn er etwas kleiner gewachsen sei. Sofort hörten Tante Maria und Tante Beate zu, und Tante Beate, feinfühlig wie immer, meinte zu mir: „Wäre das nichts für dich, Ali? Du bist doch Single! Und bedenke – ein Arzt!“
Ich griff mir an die Stirn und behauptete, dies geschehe, weil mir so warm sei. In der Tat – die Sonne knallte vom Himmel … Aber da meinte Tante Maria: „Und offenbar auch noch attraktiv! Ali, kannst du nicht ein bisschen mit ihm flirten?“ (Ausgerechnet! Flirten gehört wahrlich nicht zu meinen Stärken – nicht einmal, wenn ich will! Leider … Zu sarkastisch, zu frotzelig, immer etwas unsicher.) Und so gab ich zurück: „Ich bin da Patientin! Und der Mann ist kleiner als ich! Und seht mich an – ich bin ja schon eine Art Zwerg! Ich schätze ihn als Arzt, weil er ein wirklich guter ist. Könnten wir jetzt, bitte, das Thema wechseln?“ Meine weiblichen Verwandten sahen mich an, als sei bei mir ohnehin Hopfen und Malz verloren. Wahrscheinlich hatten sie sogar recht, aber – bitte schön!
Doch kaum war das Thema vom Tisch, kam wieder Stephanie an und schwärmte von Dr. Masowiecki, als hätte sie zu viele Arztserien im Fernsehen konsumiert. Stephanie steht auf Ärzte, ist ja auch mit einem verheiratet. Wie ich zu betonen nicht müde werde: Meine Schwester und ich sind total verschieden. Zum Glück rief meine Mutter dann zum Essen …
Zwei Tage später machte ich mich morgens auf den Weg zu Dr. Masowieckis Praxis. Ich kam auch schnell dran und erklärte, eine der teuren IGEL-Untersuchungen in Anspruch nehmen zu wollen. Seit Mama Krebs hatte, bin ich – zumindest in Teilen – vorsichtig geworden. (Nur das Rauchen habe ich noch nicht aufgegeben, aber ich bin auch bisweilen konsequent inkonsequent.)
Man untersuchte mich zunächst wie gehabt. Dann wurde ich zur – wie Dr. Masowiecki in seinem reizenden slawischen Akzent sagt – „Brrruuust-Sonogrrraphie“ gebeten.
Und da passierte Schauerliches. Denn als ich so dalag und beide Seiten sonographiert wurden, musste ich an Stephanies Geschwärme und die wachsam-anspornenden Worte meiner beiden Tanten denken. Keine Ahnung, wieso das plötzlich durch meinen Kopf ging. Ich weiß nur eines: Die Folgen waren fürchterlich, denn plötzlich brach es aus mir heraus – das Lachen.
Ich versuchte, es zu unterdrücken, aber es klang daraufhin nur mehr guttural, aus der Kehle kommend und mit geschlossenem Mund geäußert, sich dann, als der orale Weg verschlossen war, den solchen durch die Nase bahnend. Ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren, obwohl ich an die grässlichsten Schiffs-, Flugzeug- und sonstige Unglücke dachte – es war furchtbar! Vor meinen Augen meine beiden Tanten und meine Schwester, wie sie voller Verve jemanden anpreisen, der gerade ein sonographisches Instrument auf meine „Brrruuust“ drückt und mir etwas von „kchchlaine Ziiiste liiinks, abäärrr charrrmlos“ erzählt!
Das Lachen schien von überall her zu kommen, ich gab gutturale Geräusche von mir, schnaubte und verfluchte gleichzeitig meine weibliche Verwandtschaft. Die Situation einfach grotesk. Und mitten in diese hinein die Worte Dr. Masowieckis: „Ah! Siiind Siiie aaiiin biiißchään kiiitzliiig! Määärke iiichchch schon! Biiin iiichchch gaaanz voorrrsiiichchtiiig!“
Ich behauptete schnell, total kitzlig zu sein. Das Problem lag jedoch ganz woanders, denn in meinem Kopfkino redeten Tante Maria, Tante Beate und meine Schwester auf mich ein, dass dieser Arzt, der doch nur mein Arzt war, sicherlich total interessant sei. Ein Mensch, den ich nett finde, aber doch bestimmt nicht mehr! Und der hielt mich nun angesichts meiner unaufhaltsamen Lachanfälle für kitzlig, was ich zwar bin, aber doch nicht so! Immerhin sagte er nicht: „Frau B. – ich glaube, Sie haben einen Knall!“ Ich hätte es ihm nicht einmal übelgenommen.
Da ich noch mehrfach lachen musste, meinte er irgendwann: „Siiind Siiee kiiitzliiigste Patiiiäääntiiin, die iiichchch chabe!“ – „Ja, tut mir leid!“ behauptete ich, und zum Glück war die Untersuchung dann auch vorbei …
Letztes Jahr hatte ich mich zum Glück im Griff. Aber als ich heute wieder da war, meinte Dr. Masowiecki: „Aaah! Chaben Siiieee siiichch wohl zusaaammääängeriiissäään. Denn iiichchch waiß ja, dass Siiieee sährrr kiiitzliiig siiind!“ Danke, Stephanie, Tante Maria und Tante Beate! Das wird mir nun ewig hinterherschleichen! 😉
Nur eines von so vielen Beispielen. Als Kind habe ich bereits in der Kirche gelacht, wenn gerade die Kommunion stattgefunden hatte und alles meditativ in sich gehend auf den Kniebänken kniete und es einfach nur albern wirkte, vor allem, wenn man wusste, derjenige dort halbrechts, der ganz besonders devot betete, war einfach nur ein Arschloch vor dem Herrn.
Wenn der Lehrer gerade eine Standpauke hielt und alles atemlos ausharrte und auf das Ende der Predigt wartete.
Die Frage: „Wer war das?“ angesichts eines zerbrochenen Fensters auf sehr rigide Weise gestellt wurde und extrem böse Schwingungen im Raume standen. Wer lachte da? Meist leider ich. Und nicht selten wurde ich für den Übeltäter gehalten. Dabei war einfach die Stimmung zu spannungsgeladen und irgendwie absurd. Da musste ich einfach lachen. Denn – mal zugegeben – solche Situationen entbehren nicht einer gewissen Komik. 😉
Und wenn ich auch als Kind geglaubt hatte, das werde irgendwann abnehmen, muss ich doch heute feststellen: Ich bin einem Irrtum aufgesessen. Meist kommt einem das blöde Kopfkino in die Quere, und dann bricht es aus einem heraus: das apokalyptische Lachen. 😉
Andererseits denke ich mir: Solange es nur das ist … 😉