Ich bin vor einiger Zeit von der Arbeit heimgekehrt, fand – erstaunlich, denn heute spielt Schalke daheim! – sofort einen Parkplatz vor dem Haus, in dem ich lebe, und bin dann ziemlich genervt in meine Wohnung in der sogenannten Belétage, dem ersten Stock, geeilt. Als ich die Wohnungstür hinter mir schloss, atmete ich auf.
Der Arbeitstag war stressig gewesen, die Rückfahrt ebenfalls – lauter Wahnsinnige unterwegs, mit blauweißen Schals und Autokennzeichen von überall aus dieser Republik. Ich war leicht genervt. In meiner Wohnumgebung dominieren die Farben Blau und Weiß – und wehe, man bekennt sich dazu, Schalke nicht zu mögen! Allein, wenn ich in den Keller gehe, um zu waschen, springt mir sogleich die Kellerraumtür meines Nachbarn Wolski entgegen, auf der Blau und Weiß dominieren, aber auch Gelb und Schwarz vorhanden sind, die für einen Fußballverein stehen, dem man die Pest an den Balg wünscht. Okay, kann ich verstehen – ich mag den BVB auch nicht, absolut nicht. Aber die Bilder an der Kellerraumtür meines Nachbarn sind dann doch etwas … albern. Obwohl ich beide Wolskis mag. Aber das muss mal gesagt werden. 😉
Vor einigen Tagen aber sind neue Nachbarn ins Haus gegenüber eingezogen, das – man höre und staune – sogar über einen Fahnenmast verfügt. Ich fügte auch, und zwar mich in mein Schicksal, nachdem ich aufgeatmet hatte, dass wenigstens diese blauweiße, die halbe Welt zu umspannen scheinende Schalke-Fahne zum letzten Male gehisst und eingeholt worden war. (Immerhin ein blauweißes Objekt weniger.) Denn wer würde da wohl einziehen, wenn nicht ein Schalke-Fan? (Nix gegen Schalke an sich, aber man wird hier ein wenig davon erdrückt, sogar, wenn man aus dieser Stadt stammt und bis vor einiger Zeit selber ein wenig schalkeaffin war.)
Als ich heute früh aufstand und aus dem Esszimmerfenster blickte, fing ich zu lachen an. Es war ein freudiges Lachen. Denn oben am ehemaligen Schalke-Fahnenmast bauschte sich eine Fahne im Wind, die schwarz-weiß-grün war und eine schwarzweiß gestreifte, vertikal ausgerichtete Raute trug, in deren Zentrum ein „B“ prangte. Endlich mal etwas anderes hier! Borussia Mönchengladbach, die ich seit sehr, sehr vielen Jahren als „die wahre Borussia“ bezeichne, da älter als Borussia Dortmund, die ich – ich komme nun mal aus dieser Stadt hier – ganz konsequent ablehne. Eigentlich aber nicht nur, weil ich aus dieser Stadt hier stamme: Der Verein ist (mir) einfach unsympathisch. Und seine Farben, dieses Gelb und Schwarz, erzeugen schon von daher eine gewisse Abwehr in mir, da sie mich an Wespen erinnern. Mit denen stehe ich nicht auf allzu gutem Fuß …
Immerhin: ein netter Tagesbeginn, und ich bin gespannt, wie lange die Gladbach-Fahne hier noch wehen darf … 😉 Die von Dortmund wäre wahrscheinlich maximal zwei Minuten nach dem Hissen unter lautem Jubel heruntergeholt und zerrissen und/oder verbrannt worden, während die Verursacher ihrerseits unter noch größerem Jubel gehisst, aber wenigstens nicht zerrissen oder verbrannt worden wären. Nur eben vielleicht gehisst, auf dass man auch von fern gleich sehe, wer da der Spalter sei. 😉 Meinen schalkeaffinen Nachbarn traue ich alles zu. 😉 (Nein. Ich glaube nicht, dass es derart irre werden würde – aber ansatzweise irre mutet das Fantreiben hier schon manchmal an.)
Derart fröhlich gestimmt, schwang ich mich hinter des kleinen Monty Lenkrad und fuhr – die Musik laut aufgedreht, da ich noch müde war, aber wach werden wollte – gen Arbeit. Ich fuhr früher als sonst, da mit Semesterbeginn damit zu rechnen war, dass der Parkplatz brechendvoll werden, ebenso, weil ich ja um 10 diese Brandschutzübung haben würde und zumindest schon einmal das Tagesgeschäft abgearbeitet haben wollte, bevor ich zum Feuerlöschen schritt.
Ich fuhr die gewohnte Strecke. Da ich früher als sonst fuhr, herrschte erheblich mehr Berufsverkehr. Keine Freude. Da wurde gedrängelt, rechts überholt, innerorts – dabei fuhr ich streckenweise schon fast 70. (Sagt es nicht weiter … 😉 Ich mache das sonst nie.)
Endlich bog ich in die Straße ein, die zum Kreisverkehr führt, dessen zweite Ausfahrt man nehmen muss, kommt man aus meiner Richtung, will man meinen Arbeitgeber erreichen. Der Fahrer vor mir bremste kurz vor dem Kreisverkehr, ich ebenfalls, und ich schaltete in den zweiten Gang herunter. Der Typ vor mir bog in den Kreisel ein, ich, da niemand von der anderen Seite kam, hinterdrein. Und zum Glück verfüge ich über eine recht rasche Reaktionsfähigkeit, denn ich musste direkt voll „in die Eisen“ gehen, denn der Fahrer vor mir bremste abrupt, zog nur geringfügig nach rechts – und blieb stehen! Mitten im Kreisverkehr mit sechs, sieben Fahrzeugen hinter ihm! Ich bin froh, dass der Fahrer hinter mir ebenso schnell reagierte.
Als ich – ich gebe zu, emotional nicht ganz unberührt, was sich an meiner wilden Gestik zeigte – an ihm vorbeifuhr, wobei ich noch partiell über die Mittelinsel des Kreisels fahren musste, weil rechts zu wenig Platz war, sah ich, dass er völlig abwesend auf sein Handy starrte – fern der Welt! Zum Glück musste ich weiterfahren, um den Verkehr nicht zu behindern, denn ansonsten hätte ich meinerseits gehalten und hätte ihm ein paar zünftige Worte an den Kopp geknallt.
Da fahre ich elf Jahre nicht Auto, weil ich Schiss habe und einmal ein schlimmes Erlebnis hatte, an dem ich nicht einmal schuld gewesen war … Und dann überwinde ich mich, fahre wieder, und das auch noch voller Freude – und bin konfrontiert mit noch größerem Wahnsinn als vor elf Jahren! 😉 Es ist ein bisschen grotesk. 😉
Ich dachte mir, nachdem ich dann geparkt und zur Arbeit gegangen war, dass das ja zum Glück eine Ausnahme gewesen sei. Doch als ich heute nach der Arbeit nach Hause fuhr und kurz vor dem Ziel erneut in einen Kreisverkehr fuhr, wurde ich eines Besseren – oder Schlechteren – belehrt. Vor mir eine junge Frau, die in den Kreisel fuhr. Da von links nichts kam, fuhr ich hinterher – und musste erneut heftig bremsen, da die junge Dame ganz unvermittelt hielt. Mitten im Kreisverkehr. Denn rechts an der Straße hatte so ein junger Hänfling gestanden, den sie wohl abholen wollte, der dann auch einstieg, als ich gerade Montys Hupe malträtierte. Das schien die junge Dame zu irritieren, und da gerade niemand hinter uns war, zog ich die Handbremse an, stieg aus und ging zum Wagen vor mir. Das Mädel ließ die Scheibe auf der Fahrerseite herunter, als ich dagegen klopfte, und ich fragte höflich, warum sie nicht einfach die nächste Ausfahrt genommen und drei Meter später gehalten hätte, statt mitten im Kreisel zu halten. Da sagte mir das Mädel: „Aber mein Freund hätte da doch noch weiter gehen müssen!“ Und der Hänfling blickte mich vorwurfsvoll an. Ich fragte: „Ist er gehbehindert?“ – „Nein! Wie kommen Sie darauf?“ – „Weil es dann doch wohl kaum eine Zumutung gewesen wäre, mal drei Meter weiterzugehen! Hätten Sie vor dem Zebrastreifen gehalten, mit Blinker rechts, hätte ich auch verzögert. Aber Sie sind ganz schwungvoll in den Kreisverkehr eingebogen – und dann haben Sie unerwartet und abrupt gehalten! Ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie so vermeidbare Unfälle provozieren? Mann!“ meinte ich erbost, aber immer noch höflich. Das Mädel starrte mich an und meinte dann: „Darüber habe ich gar nicht nachgedacht.“ Ich sagte nur: „Wie auch immer – es hätte knapp werden können.“ Und ich wandte mich zum Gehen. Sie fuhr dann auch weiter, und ich habe dann zum Glück direkt vor dem Haus einen Parkplatz gefunden.
Ich bin bestimmt keine Meisterfahrerin, aber ich versuche zumindest, niemanden zu gefährden. Nach einem halben Jahr intensiven Fahrens ist mir wieder klar, warum ich zuvor so ungern gefahren bin. Obwohl damals alles erheblich harmloser war. 😉
Immerhin habe ich heute das Winterreifenproblem gelöst. Monty bekommt am 07. Oktober neue „Schuhe“. Obwohl es ja bei einem Auto eher „Füße“ sind. Oder? 😉
Der Erwerb der Winterreifen wird ein kleines Loch in mein Budget reißen, da diese wegen der integrierten Reifendruckkontrollsystem-Fähigkeit extra teuer sind. Egal – es muss sein. Und das Loch wird auch nur ein temporäres sein. 😉
Gestern rief ich bei meinem Vertragshändler an. In der Mittagspause. Aber offenbar hatte auch der Vertragshändler gerade Mittag, denn es ging keiner dran. Also schrieb ich – auf der Website des Händlers gab es diese Möglichkeit – eine sachbezogene Mail mit Bitte um einen Servicetermin zum Radwechsel, schrieb auch, ich brauchte Winter-Kompletträder, ebenso den Typ, und das, bitte, in der Niederlassung hier vor Ort. Ich checkte alles noch einmal. Da stand „Frau Ali B.“, mein Begehr nebst Winterreifentypus, sowie die Niederlassung deutlich vermerkt.
Heute früh fand ich eine Mail in meiner Mailbox: „Sehr geehrter Herr B., gerne bestätigen wir den Termin für den 07. Oktober und bestellen die Kompletträder für Sie. Mit freundlichen Grüßen …“
Ich bin es gewohnt, mit „Herr B.“ angeredet zu werden, schriftlich zumindest – mein Name verleitet manch Menschen dazu, obwohl es ein weiblicher Vorname ist. Witzig nur, dass ich gestern, als ich endlich meine neuen Einlagen abholte, auch ganz verwundert angestarrt wurde und man mir sagte: „Wir hatten mit einem Herrn gerechnet,“, als ich meinen Namen nannte. Immerhin meinte man dann noch: „Wir hatten uns schon gewundert, dass die Einlagen so klein seien – so kleine Füße hat kein erwachsener Mann! Ja, wir hatten schon überlegt, ob der Mann, von dem wir glaubten, dass ihm diese Einlagen gehörten, vielleicht kleinwüchsig sei!“ Na, super – vielen Dank! Vielleicht im Zweifel einfach „Tante Google“ bemühen, wenn man einen Namen nicht zuordnen kann? 😉 (Zu den Einlagen gab es eine „Bedienungsanleitung“, und da stand dann auch ganz oben: „Sehr geehrter Herr B.!“ 😉 )
Gut, die hatten aber auch keine Anhaltspunkte gehabt – nur hatte in meiner Mail an der KFZ-Vertragshändler ja ganz deutlich „Frau“ als Anrede gestanden … 😉 Da ich Kummer gewohnt bin, mailte ich freundlich zurück: „Sehr geehrter Herr […], haben Sie recht herzlichen Dank für die rasche Terminbestätigung, auch, wenn ich nicht Herr, sondern Frau B. bin. […]“ Ich konnte es mir nicht verkneifen. Warum auch? Immerhin habe ich ein Recht auf korrekte Anrede … 😉 (Nein, keine Sorge – ich bin keine Korinthenkackerin, aber über 40 Jahre voller komischer Bemerkungen und falscher Anrede trotz eindeutiger Spezifikation verleiten schon einmal dazu, Dinge richtigzustellen … 😉 )
Kurz darauf ereilte mich eine weitere Mail des Sachbearbeiters. Ich las sie – und lachte schallend los. Kollegin Janine meinte: „Was ist denn jetzt los?“ Ich meinte: „Ich scheine den armen Servicemitarbeiter nun völlig verwirrt zu haben.“ – „Den, der dich wider besseres Wissen mit ‚Herr B.‘ anredete?“ – „Genau.“ – „Wieso, was schreibt er jetzt?“ – „Sehr geehrte Frau Ali, bitte entschuldigen Sie die Verwechslung …“ – „O Gott!“ schrie Janine. „Hat er nicht kapiert, was du meintest und jetzt deinen Nachnamen für deinen Vornamen gehalten? Wie doof ist das denn?“
Aber ich winkte ab. Immerhin war die Mail nett gewesen. Und Hauptsache, er würde die richtigen Winterreifen bestellen! 😉 Darauf bestehe ich! 😉
Schönen Abend! 🙂
Scheiße – Schalke hat schon wieder verloren! Die nächste Zeit wird hier nicht leicht sein …