Absolutely out of time …

Heute früh fand ich mal wieder den Weg aus dem Bett nur sehr, sehr schwer – eine einzige Qual. Gestern Abend hatte es wunderbarer Weise noch zu regnen begonnen, und das nach Tagen brüllender Hitze, die ich leider nicht gut vertrage. Und obwohl ich die Fenster aufriss, wurde es in der Wohnung nicht wesentlich kühler. Einzig Myriaden an Nachtfaltern und Schnaken – igitt! – stürmten meine vier Wände. Kein Wunder – die wollten dem Regen entfliehen. Ich gebe es zu: Ich bin bei Insekten bisweilen ein wenig „mädchenhaft“, und speziell Schnaken, die im Englischen auf den wohl Sympathie erzeugen sollenden Namen daddy longlegs zwar nicht hören, aber doch so bezeichnet werden, verursachen größeres Unbehagen in mir. Wahrscheinlich deswegen, weil sie immer so trunken dahertaumeln und – ich weiß nicht, warum – an mir offenbar einen Narren gefressen haben, denn sie fliegen mich dauernd an oder gar hinter mir her! Wahrscheinlich sind sie echte danger-seeker und viel cooler, als sie aussehen, denn ihre Anhänglichkeit hat meist zur Folge, dass Leichen meinen Weg pflastern, so leid es mir tut. Und seit gestern Abend tut mein rechter Arm auch wieder mehr weh, denn ich erzielte einige „Asse“, als ich die Nachtfalter-/Schnakeninvasion mittels einer Fliegenklatsche und kraftvoller Aufschläge wie beim Tennis drastisch eindämmte. Wie gesagt: Es tut mir wirklich leid, aber, bitte, bleibt doch draußen! 😉

Da ich die Fenster lieber wieder schloss, blieb es in meiner Wohnung viel zu warm. Und ich schlief sehr schlecht.  Und fühlte mich morgens, als mein Handy mich weckte, nicht bereit, sofort aufzustehen.

Recht spät raste ich dann mit Monty gen Arbeitsplatz, parkte dort und traf auf dem Parkplatz noch Janine und unsere Kollegin Saskia, die auch gerade eingetroffen war. Alle drei mit einem Ford. 😉 Wir hatten auch sonst etwas gemeinsam, sahen wir doch alle drei ein wenig „zerknittert“ und demotiviert aus, speziell Saskia, die auch meinte: „Ich bin heute gar nicht aus dem Bett gekommen! Und irgendwie habe ich den Eindruck, meine Augen seien auch jetzt noch halbgeschlossen. Ein Wunder, dass ich den Weg zu Mylènes Schule gefunden habe! Die macht heute einen Ausflug.“ Ich meinte: „Mir wäre jetzt auch mehr nach einem Ausflug!“ Und Saskia sagte: „Och, wenn wir drei losziehen würden, wäre das sicherlich lustig.“ Das glaubte ich auch, aber die Pflicht rief. Leider. Saskia ist nämlich auch eine sehr Nette, vor allem so gelassen. Manch einer, speziell Menschen, die sie nicht kennen, würde ihre Gelassenheit sicherlich als Phlegma missverstehen, aber das wäre in der Tat ein Fehler.

Es war einer der langweiligsten Tage der letzten Zeit, und ich fragte mich einmal mehr, warum alles immer so ungleichmäßig verteilt sein müsse. Entweder ist die Hölle los, oder man langweilt sich. Wenigstens war es erheblich kühler.

Das Tagesgeschäft war recht schnell erledigt, und die Ödnis nahm ihren Lauf. Es rief nicht einmal jemand an – das ist ein wirklich ganz schlechtes Zeichen. 😉

Gegen Mittag stand ich auf, um eine Zigarette rauchen zu gehen. Seit Neuestem sollen Janine und ich nicht mehr zusammen gehen – irgendjemand scheint sich beschwert zu haben. Und so wechseln wir uns ab. Als ich gerade draußen stand und den Blick auf die grüne „Wildnis“ auf der Südseite des Gebäudes genoss, sah ich einen Hund den Weg entlanglaufen. Hinterdrein lief jemand, den ich kannte. Das war doch mein Kollege Peter aus der Finanzabteilung! Er stochte hinter dem Hund her, dessen Leine er lose in der Hand hielt. Der Hund preschte leinenlos vor ihm her, drehte sich um, als wollte er sagen: „Nun mal zackig – wir sind doch nicht zum Spaß hier!“ Er bellte sogar auffordernd, und ich musste lachen. Da war jemand noch sportlicher als Peter, der wirklich sehr sportlich ist. 😉

Ich rief: „Hallo Peter! Da hast du wohl deinen Meister gefunden!“ Peter drehte bei, winkte und kam auf mich zu. Der Hund, ein Australian Shepherd, genauer: der schönste Australian Shepherd, den ich je gesehen habe, hielt inne und schien zu seufzen. Immer diese Unterbrechungen! Da will man seinem Naturell frönen und laufen, was das Zeug hält und den Begleiter ebenfalls zum Laufen anhalten – und dann steht da so eine doofe Tussi und stört! 😉

Aber er besann sich dann und stürmte auf mich zu. Peter rief: „Ali – keine Angst! Der tut nichts!“ Ich rief zurück: „Ich habe keine Angst! Sehe ich aus, als hätte ich Angst?“ – „Nee, eigentlich ganz und gar nicht.“ Und da kam Nestor, wie der sehr agile Geselle heißt, auch schon an, wedelte freundlich mit dem Schweif und schnupperte an mir. Und – dem Himmel sei Dank! 😉 – er schien mich zu mögen. Ließ sich gleich streicheln und war sehr freundlich. Ein echter Diplomat! Dafür, dass ich seine hübsche Trainingsrunde gestört hatte, benahm er sich wie ein echter Gentleman. Da hatte er mir einiges voraus. 😉 Dafür gab es auch Lob.

Noch mehr Lob, als ich ihn genauer betrachtet hatte: Was für ein schöner Hund! Eine wunderschöne Fellzeichnung, längeres Fell – und dazu knallblaue Augen! Irre – das sah total schön aus. Blaue Augen mag ich ja sowieso sehr gern, nicht nur bei Hunden. 🙂 Vor allem, wenn sie richtig kräftig blau sind.

Und die ganze Gestalt war sehr schön – er reichte mir bis knapp unters Knie, war nicht zu groß, aber auch nicht zu klein, eher quadratisch gebaut. Ich war voll des Lobes, und Peter war so stolz, als handelte es sich um einen eigenen Sohn. „Man sieht, dass bei dieser Art der Rasse Huskies eingezüchtet wurden, nicht wahr?“ – „Spätestens dann, wenn man sich die Augen ansieht. Irre! Aber er scheint auch recht selbstbewusst zu sein, und das kenne ich auch von Huskies.“ – „Ja, ne? Der ist total selbstbewusst.“ – „Vor allem vorhin, als er dich aufforderte, doch mal gefälligst ein bisschen hurtiger zu laufen!“ – „Ja, klar! Dass musstest du natürlich auch gleich sehen!“ 😉

Wir unterhielten uns, und Nestor legte sich pittoresk und medienwirksam-fotogen ins Gras. Er sah annähernd aristokratisch aus, wie er dalag und die Umgebung betrachtete, als handelte es sich um seine ureigenen Ländereien. Peter betrachtete das Tier mit Stolz, und ich sagte: „Ohne Witz – das ist einer der schönsten Hunde, die ich je gesehen habe. Der sieht aus wie gemalt.“ Kaum hatte ich es ausgesprochen, blickte Nestor aristokratisch herüber und wedelte sachte mit dem Schweif. „Und intelligent ist er auch noch – offenbar hat er verstanden, was ich gesagt habe,“, meinte ich, und Peter sagte: „Er ist mir manchmal fast ein bisschen unheimlich, denn er ist wirklich sehr intelligent. Manchmal sitzt er so vor mir und sieht mich an, fast nachdenklich, und eigentlich erwarte ich täglich, dass er dann sage: ‚Die Weltlage bereitet mir Sorge. Was meinst du dazu?‘“ Ich lachte mich scheckig. Aber ich verstand, was er meinte. Ich bin mit Hunden sehr vertraut, und bei manchen rechnet man wirklich fast damit, dass sie jeden Moment in menschlicher Sprache zu sprechen beginnen und diskutieren wollen. 😉

Ich verabschiedete mich dann von Peter, und Nestor, der natürlich auch verstanden hatte, dass nun der Abschied eingeläutet sei, kam rasch zu mir, warf mir einen Blick aus diesen weiche Knie erzeugenden blauen Augen zu, leckte mir kurz über die Hand, und dann verschwanden die beiden um die Ecke.

Als ich zu Janine ins Büro zurückkam, meinte ich nur: „Janine, wir sind völlig unzeitgemäß! Quasi altmodisch!“ – „Wieso das?“ – „Seit diese neue Hausordnung verabschiedet wurde, die Hunde im Gebäude verbietet, kommen hier absurder Weise immer mehr Kollegen mit Hunden an! Es ist echt an der Zeit, dass du dir endlich eine Französische Bulldogge anschaffst, die du so magst. Ich brauche zwar etwas länger, mich für eine bestimmte Rasse zu entscheiden, aber Fakt ist: Wir sind altmodisch! Neuerdings kommen so viele Leute mit Hunden. Und wir hinken hinterher!“ Und ich erzählte von Nestor, dem Selbstbewussten mit den kniebezwingenden Augen.

Janine holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück: „Du und ich, wir können höchstens ab der Rente davon träumen, endlich – in deinem Falle: endlich wieder – einen Hund zu haben.“

Sie hat wohl recht. Und nachdem das Renteneintrittsalter immer weiter nach hinten verschoben wird, wird es wohl auf einen Chihuahua, einen Zwergpinscher, -spitz oder -dackel hinauslaufen. Größere Hunde kann man in diesem tatterigen Alter ja kaum noch halten. Großer Mist! Ich mag eigentlich größere Rassen lieber … 😉

Aber man wird ja selten gefragt, was man so wolle … 😉

Schönen Abend! 🙂

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