Heute ist Montag, und jeder Berufstätige weiß, dass der Montag ein besonderer Tag in der Woche ist. Man quält sich morgens noch mehr als sonst, aus dem Bett aufzustehen, trauert dem soeben vergangenen Wochenende nach, als handelte es sich um einen besonders liebgewonnenen Freund, der soeben zu Grabe getragen wird.
Ich quälte mich heute auch entsetzlich. Eigentlich nichts Besonderes, denn ich quäle mich morgens immer, wenn ich aufstehen muss. Montags ist es – siehe oben – für mich aber wirklich in speziellem Maße das kalte Grauen. Mein Lieblingstag: der Freitag, obwohl auch der Donnerstag schon okay ist – das Wochenende bereits in Sicht. Noch genauer: Sobald am Mittwoch – unter manchen Berufstätigen auch „Bergfest“ genannt, weil man in dessen Verlauf den Gipfel der Woche erklimmt, es sei denn, man bringe sich vorher um – der Feierabend erreicht ist, wird alles leichter. Warum? Keine Ahnung. Hat wohl ähnliche Gründe wie die Empfindung damals zu Schulzeiten, dass die zweite Hälfte der sechswöchigen Sommerferien schneller vorbeizugehen schien als die erste.
Voller Ingrimm, weil die Woche noch so lang war, setzte ich mich ins Auto und fuhr los. Irgendwo auf dem Nordring fiel mir ein Ford Ka auf, der hinter mir herfuhr. Es war etwas Vertrautes an ihm. Als ich an einer roten Ampel anhalten musste, kam der Ford Ka hinter mir auch zum Stehen, und im Rückspiegel sah ich eine langhaarige Blondine mit einer Sonnenbrille auf der Nase. Ähnlich wie ich, nur habe ich kürzere Haare. Es war Janine. Sie winkte, ich winkte retour, und da schaltete auch schon die Ampel wieder um, und ich gab Gas. Schneller als Janine. Wir sind dann aber trotzdem vom Parkplatz aus gemeinsam gen Arbeitsstätte gegangen. 😉
Im Büro war es kurz nach 9 schon ziemlich warm, und wir ließen sofort die Jalousien herunter und rissen – es war ja noch relativ früh am Tage – die Fenster auf. Janine meinte: „Sag mal, sollten nicht eigentlich die Fensterputzer in der nächsten Zeit hier aufschlagen? Das war doch zumindest angekündigt worden!“ Ich meinte nur: „Es ist hier schon so einiges angekündigt worden. Wenn man danach ginge …“ Den Rest ließ ich offen.
Und dann ging ich in die Teeküche. Das hätte ich besser nicht getan, denn sogleich war mein Tag verdorben. Denn über der Spülmaschine prangte ein Cartoon, fein säuberlich aus einer Zeitung ausgeschnitten, in dem ein Junge, ein kleines Arschloch offenbar – ein echtes Arschloch -, anmerkte, die Spülmaschine sei wohl kaputt. Als der Vater fragt: „Warum?“, sagt der Knabe: „Sie ist immer voll!“ Waaahnsinnig witzig also, ein echter Schenkelklopfer. 😉
Mir war sofort klar, wer das Ding da aufgehängt hatte, aber dann kam Janine in die Küche, und ich zerrte sie direkt zum Cartoon: „Sieh mal da!“ Sie ärgerte sich sogleich ebenso wie ich, denn meist sind sie und ich oder unsere Kollegin Daniela es, die die Spülmaschine aus- und einräumen. Speziell in letzter Zeit wurde die Maschine – wenn nicht wir tätig waren – oft nur so ausgeräumt, dass die eigenen zuvor benutzten Utensilien entfernt wurden und der Rest dann an uns hängenblieb, völlig wurscht, ob das Geschirr, das noch in der Maschine stand, auch wirklich von uns benutzt worden war. Da meine Bürotür fast immer offensteht, war mir klar, dass es nur Kollegin Brigitte sein konnte, die sich zwar damit schwertut, anderer Leute Geschirr auszuräumen, diese aber liebend gern „erzieht“. So nicht! Zumal sie es für völlig normal erachtet, dass andere Menschen morgens ihre gefühlt mindestens zehn verklebten, obstversifften Teller nebst Besteck in die Maschine einräumen, die sie nicht ausräumen mochte, weil es nicht ihrer Tätigkeitsbeschreibung entspricht.
Nun, unserer auch nicht. Und ich sehe schon einen fröhlichen Spülmaschinenstreik auf uns zukommen … Mag euch vielleicht albern erscheinen. Erscheint auch mir albern, aber im Büro gelten andere Regeln. 😉
Mich bestürzte das Ganze, da ich Kollegin Brigitte gerade etwas mehr zu mögen begann, was nun weiß Gott nicht immer gegeben war. Wir haben alle unsere Macken und Fehler, und inzwischen war ich so weit, die ihren, die bisweilen besonders schräg anmuten, als ganz persönliche Eigenheit zu akzeptieren, weil sie im Grunde genommen ein lieber Mensch ist. Und dann geht sie hin und grätscht mit diesem dämlichen Cartoon dazwischen! So etwas verstehe ich nicht immer.
Und nachdem sie kürzlich noch eine „Geschirrtuchordnung“ ins Leben rufen wollte, nach der jeder von uns ein Geschirrtuch in einen Fundus spenden sollte und dann reihum die benutzten Tücher mitgenommen und gewaschen werden sollten, habe ich heute beschlossen, mein ganz eigenes Geschirrtuch mitzubringen und auch – wenn schmutzig – wieder mitzunehmen und selber zu waschen. Man kann Dinge auch überreglementieren, und ich sah hier erneute Gefahr eines Brigitte’schen Kontrollzwangs. Da ich ganz eigene Macken habe, brauche ich nicht noch fremde. 😉
(An all die, die keiner Bürotätigkeit nachgehen: Ich beneide euch! Glühend! Ich habe bisher immer in Büros gearbeitet, und da geht es manchmal wirklich so zu, dass man sich fragt: Wo bleibt der Tierarzt mit dem Betäubungsgewehr? 😉 Ich nehme mich da gar nicht aus. 😉 )
Janine und ich waren verärgert, aber das sind wir durchaus öfter, wenn auch mit Grund. Als dann aber auch noch Daniela, eine Seele von Mensch und stets ruhig und gelassen, ankam und sich noch schlimmer über den Cartoon aufregte als wir, wusste ich: Mein Gespür hatte mich wohl nicht getrogen. 😉 Es handelte sich wohl wirklich um eine Form von Büroterror! 😉
Janine meinte, sie müsse darauf dringend eine rauchen gehen. Ich blieb an meinem Platz sitzen. Kaum war Janine weg, stürmte ein junger Mann das Büro und rief betont fröhlich: „Hallo! Hier ist der fröhliche Fensterputzer!“ Ich starrte ihn an, als hätte er mir verkündet, er sei der Sensenmann.
„Können wir mal eben die Fensterbänke freiräumen?“ rief der fröhliche Fensterputzer noch fröhlicher. Ich entgegnete: „Das heißt wohl übersetzt: ‚Könnten Sie mal eben die Fensterbänke freiräumen!‘“ – „Ja, irgendwie schon.“ – „Sie waren für vor zwei Wochen angesagt – da waren hier sämtliche Fensterbänke frei!“ – „Ja, hat sich nicht so ergeben!“ rief der fröhliche Fensterputzer, und ich beschloss spontan, mir diesen Satz zu merken. Wenn demnächst mein Chef mal wieder auf eine Reaktion der von uns Angesprochenen wartet, nichts kommt und ich dann insistierend gefragt werde, als hätte ich einen Fehler gemacht, werde ich einfach sagen: „Ja, hat sich nicht so ergeben!“ Ich wette, mein Chef wird allergrößtes Verständnis dafür haben! 😉
Der fröhliche Fensterputzer half mir dann bei Janines Fensterbank. Ich wünschte, er hätte es nicht getan. Denn er verströmte einen recht unangenehmen Geruch, und ich sah zu, dass ich meine eigene Fensterbank im Blitzverfahren leerräumte, ebenso die Fensterbänke von Janines Chef.
Mein Chef saß in seinem Büro und wartete auf seinen nächsten Termin. Die beiden Mitarbeiterinnen kamen dann auch recht schnell, und ich ging hinterdrein, sagte: „Viel Erfolg bei Ihrem Termin“ und wollte die Tür schließen, als sich die Fensterputzerin, die sich schon zuvor in meines Chefs Büro zu schaffen gemacht und dieses nur kurz verlassen hatte, dazwischenstürzte und mich anherrschte: „Nee! Ich muss da nochmal rein! So geht das nicht!“
Ich gebe zu, ich bin nicht auf den Mund gefallen, aber da sackte mir die Kinnlade fast auf die Brust. Auch mein Chef und die beiden Mitarbeiterinnen waren perplex, und alle starrten sie mich an, als wäre es an mir, etwas zu sagen. Ich riss mich zusammen und meinte zu der Fensterputzerin: „Das ist sehr nett von Ihnen, aber ich denke, erst einmal sollte dieser Termin hier stattfinden.“ Und ich wollte sie sanft zur Tür hinausdirigieren. Doch ich hatte nicht mit ihrer treuen Arbeitsauffassung gerechnet, denn sie schnauzte mich an: „Was soll das denn?!? Ich muss hier die Fenster putzen! Kapieren Sie das nicht?“ – „Schon. Aber hier findet gerade ein interner Termin statt. Würden Sie mir also bitte folgen?“ Sie war so perplex, dass sie mir tatsächlich folgte. Aber draußen sprach sie die dräuenden Worte: „Ich komme wieder! Merken Sie sich das!“
Mir ist jetzt schon angst und bange. Sie war so groß! Und irgendwie irritierte mich auch, dass ihr Kollege sie „Schnucki“ nannte und das ernst zu meinen schien. „Schnucki“!
Ihr seht, bei einer Bürotätigkeit hat man es nicht selten mit albernen Kindergarten-, aber auch echten Bedrohungen zu tun. Unterschätzt daher diese Tätigkeit nie! 😉
Man sollte zumindest ein bisschen psychologisches Geschick und Verständnis dafür mitbringen … 😉 Ob ich mich nicht vielleicht doch lieber selbstständig mache? 😉
Schönen Abend! 🙂