Voll „gelinkt“ …

Heute ging ich ohne Tape zur Arbeit. Gestern Abend nämlich fiel mir auf – es war nicht zu übersehen oder gefühlsmäßig zu vernachlässigen -, was ich vorab glatt vergessen hatte, als ich mir gequält und leise wimmernd das Tape vom Arm friemelte: Ich habe ja eine Pflasterallergie … Ich vertrage nicht alle Pflasterklebstoffe. Und den, mit dem mein Kinesio-Tape versehen ist, vertrage ich eindeutig nicht … 😉

Als ich das Tape voller Pein von meinem Arm ablöste, hatte ich Bedenken, die Haut könne glatt ebenfalls den Abgang machen und am Tape hängenbleiben. Daher musste ich millimeterweise vorgehen. Folter und Schmerz! 😉 Wunderschön, diese beiden sich kreuzenden, knallroten Streifen auf meinem ebenfalls streifenweise geschwollenen Arm! Sahen aus wie rotes Tape. Hatte ich mich nicht noch über das öde Weiß dieses wundersamen Stoffstreifens beschwert? 😉 Zum Glück war eine Salbe im Haus, die Abhilfe schaffte, aber mir war klar, dass der Tape-Versuch gründlich misslungen war.

Und so verließ ich das Haus heute nur mit meinem Coolpack, Ibuprofen-Gel und einem festen Verband im Gepäck. Denn mein Arm schmerzt nicht ganz so sehr, wenn ich einen festen Verband um das zickende Ellbogengelenk wickle und einen leichten Druck erzeuge.

Dennoch – ich habe einen Bildschirmarbeitsplatz – war nach nicht allzu langer Zeit Hängen im Schacht. Jedes Mal, wenn ich meine Computermaus bediente – und das muss ich oft -, standen mir nach zwei Stunden Werktätigkeit fast die Tränen in den Augen. Trotz Coolpacks, trotz Ibuprofen-Gels, trotz festen Verbandes. Mein Chef meinte, er könne es nicht mitansehen, und er wollte mich nach Hause schicken. Aber das wollte ich nicht – ich hatte gerade erst drei Wochen Urlaub. Aber was tun?

Kollegin Brigitte hatte den erlösenden Einfall. Sie meinte: „Wechsle die Hand. Maus auf die linke Seite und umswitchen. Musste ich auch schon machen, als mein rechter Arm nach dem Skiurlaub kaputt war. Allerdings hat es Wochen gedauert, bis ich mich dran gewöhnt hatte. Mein Gehirn war einfach nicht so schnell in der Lage, gegenläufige Fingerbewegungen zu gestatten.“

Nun gut – einen Versuch war es zumindest wert. Und ich folgte ihren Anweisungen.

Ich gebe zu, die erste halbe Stunde war wirklich gewöhnungsbedürftig, und diverse – harmlose – Flüche bahnten sich den Weg an die Öffentlichkeit. Ich bin nun einmal Rechtshänderin – wir machen uns als zwangsverpflichtete Linkshänder in etwa so gut, wie sich geborene Linkshänder als zwangsverpflichtete Rechtshänder machen. 😉 Aber dann lief es! Es lief sogar super! Brigitte war verblüfft: „Boah! Bei mir hat das Wochen gedauert! Wie machst du das? Das geht bei dir ja ratz-fatz!“ Wir überlegten hin und her, woran es liegen könne, und sie meinte: „Es gibt wohl Menschen, die nicht so starr auf die angeborene Händigkeit fixiert sind.“ – „Was meinst du, woher das komme?“ – „Keine Ahnung. Ich habe mich jedenfalls sehr schwergetan.“

Dann meinte sie: „Sagtest du nicht einmal, du spieltest ein Instrument?“ – „Ja, Klavier.“ – „Dann wundert es mich weniger – deine linke Hand dürfte erheblich besser trainiert sein als meine.“ Stimmt, beim Klavierspielen muss man als Rechtshänder ja auch mit links in der Lage sein, Triller und mehr oder minder schnelle Läufe zu spielen. Ich erinnerte mich, wie oft ich am Pianoforte gesessen und ausschließlich die jeweilige Partie geübt hatte, die mit links gespielt wurde, denn das dauerte – speziell bei schnelleren Stücken mit vielen Verzierungen – noch erheblich länger als mit rechts. Kein Ohrenschmaus, und das in doppelter Hinsicht, denn nicht nur, dass die Tasten klirrten und disharmonisch Klingendes auslösten, nein, auch die wilden Flüche, die ich dabei produzierte, waren keine Freude für meine Umwelt, wenn mal wieder ein schneller Lauf, Pralltriller, Mordent oder sonstiges musikalische Ornament völlig aus dem Ruder lief und ich schrie, wozu das alles gut sein solle, wenn ich doch nur – zumindest gefühlt – Knoten in meinen Fingern erzeugte! Das sei doch alles Mist! Ich gestehe, es gab Momente, da hätte ich am liebsten das Klavier kurz und klein gesägt. Das natürlich mit rechts. 😉

„Aber ich habe lange nicht gespielt,“, gab ich zu bedenken, „und daher weiß ich nicht, ob das noch irgendwelche Auswirkungen hat.“ Brigitte meinte jedoch, dies sei anzunehmen, da ich ein gewisses „Grundgespür“ für die linke Hand hätte, und mir fiel dann auch wieder ein, dass ich immer vergleichsweise kurze Zeit brauche, bis ich mich wieder ans Klavierspielen gewöhnt und ein sicheres Gefühl dafür bekommen habe. Beidhändig.

Am Computer klappte alles prima, und alles andere machte ich auch vornehmlich mit links. Ich muss nur noch etwas üben, was das Tragen größerer Gewichte anbelangt, nachdem mir heute ein volles Tablett mit Tassen und Gläsern fast aus der Hand gefallen wäre. Ich habe es aber geschafft und alles abfangen können. Ein Kollege, der Zeuge wurde und schon eingreifen wollte, meinte hinterher: „Wow – das sah richtig hübsch aus, wie du das abgefangen hast! Tolle Schrittfolge, wie beim Tanzen! Es sah fast aus wie eine Kür – vor allem diese elegante halbe Pirouette am Schluss! Ein bisschen enttäuschend aber, dass du die nicht auch auf dem linken Bein ausgeführt hast, sondern mit rechts. Das gibt Abzüge in der B-Note!“ Ich grinste ihn gewollt grimmig an. Sehr witzig! Aber wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – alte Bauernregel. 😉

Nur beim Autofahren ist es nicht ganz so angenehm derzeit. Aber da muss ich wohl durch. 😉

Kleiner Epilog: Mein Vater meinte angesichts meiner früheren Verweigerungshaltung bezüglich Klavierübens immer: „Alichen, eines Tages wirst du dankbar sein, dass du Klavierunterricht hattest!“ Er hatte Recht, wenngleich er das wohl eher auf den Umstand bezog, dass ich dann Klavier spielen könne. 😉 Mir nutzt das Ganze derzeit mangels Instruments eher weniger – heute jedoch zeigte sich: Der Klavierunterricht hat mir doch etwas gebracht. 😉 Und künftig wechsle ich einfach regelmäßig die Hand und die Seite, mit der ich die Maus bediene. Vielleicht hilft das ja schon etwas. Und noch ein Gutes hat das Ganze: Mein Chef ist derzeit total rücksichtsvoll und nicht zu fein dazu, allzu Schweres selber zu tragen. Das finde ich wirklich nett. 😉 Und so ist es zumindest einmal nett, voll gelinkt zu sein. 😉

Und wenn jemand – wie schon einmal geschehen – wissen möchte, ob die primäre Nutzung meiner linken Hand andere Hirnareale als sonst stimuliere, sei gesagt: Ich bin momentan sehr ruhig und gelassen. 😉 Ob ein Zusammenhang besteht? 😉

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