Soziale Medien spalten die Gesellschaft ja bekanntermaßen. Die einen können ohne sie kaum leben, andere verteufeln sie und schimpfen darüber, wann immer sich Gelegenheit dazu bietet. Also im Grunde immer. 😉 Eine weitere Gruppe betrachtet sie eher gelassen.
Ich persönlich schwanke bisweilen zwischen B und C. Nein, eigentlich tendiere ich nicht zum Verteufeln, aber manchmal überfällt auch mich ein gewisser Verdruss. Speziell dann, wenn manche Menschen diese Medien für propagandistische Zwecke missbrauchen – völlig egal, von welcher Seite. Ansonsten lässt mich relativ kalt, wer wann wie was gegessen hat oder was wildfremde Leute just in diesem Moment machen. Ich bewege mich in Sozialen Medien in einem überschaubaren Kreis von „Freunden“, von denen einige sogar im realen Leben Freunde sind. Oder Bekannte.
Regelmäßig erhalte ich Mails von einem Medium, in dem man frühere Mitschüler wiederfinden kann. Wenn man das will. 😉 Ich bin auch da Mitglied, und ich habe einige frühere Mitschüler, Schulfreunde, Freunde und Arbeitskollegen wiedergefunden. Mein allererster Freund hat mich sogar eines Tages dort angemailt und wollte sich unbedingt mit mir treffen. Wir telefonierten ein paarmal, ich stellte fest, dass er noch immer ziemlich dominant sei – ich kam kaum zu Wort, was selten der Fall ist -, und mir fiel auf, dass er stets mit mir telefonierte, wenn er draußen unterwegs war. 😉 Er erklärte auch immer, von zu Hause könne er schlecht mit mir telefonieren. Ah, ja. Klar, da saßen seine Frau und seine Tochter. Ich tippte auf eine Midlife-Crisis. Man erinnert sich dabei wohl öfter vergangener Zeiten … 😉
Als ich dann aber eines späten Abends eine Mail von meinem Ex bekam, der mich viele Jahre nicht gesehen hatte, in der stand, er hätte in all den Jahren oft darüber nachgedacht, wie wohl alles geworden wäre, hätte ich mich damals – mit Gründen – nicht von ihm getrennt und dass man ja einiges nachholen könne, dachte ich nur: „Ich hoffe, du hattest beim Verfassen der Mail ein Bierchen zuviel intus.“ Das hätte zumindest einiges erklärt. 😉 Dann antwortete ich. „Daran kann man bereits sehen, dass wir total verschieden sind. Ich habe darüber nie nachgedacht.“ Nein, nicht missverstehen – ich habe das wirklich sehr freundlich geschrieben. Wir telefonierten danach auch noch ein paar Male freundschaftlich, aber getroffen haben wir uns dann doch nicht.
Irritierendes passierte mir mit diesem Medium bereits vor zehn Jahren, als ich auf Wohnungssuche war. Ich hatte mir hier in diesem Stadtteil Wohnungen angesehen, darunter eine, deren Vermieter bereits auf die Anbindung an die im selben Haus lebende Vermieterfamilie hinwies. Man könne ja mal öfter was zusammen machen – das würden sie sogar erwarten. Ich gebe zu, so etwas kann nett sein, aber irgendwie waren wir nicht auf einer Wellenlänge, und ich finde auch eine derartige Erwartung schon etwas befremdend. Sollte so etwas nicht auf freiwilliger Basis geschehen? Ich kann doch keinen Mieter dazu verdonnern, mit mir zusammen im Garten zu sitzen und zu grillen. Oder sonntags bei einem Likörchen im Wohnzimmer über alte Zeiten plaudern. Immer nett, wenn sich eine gute nachbarschaftliche Beziehung ergibt, aber doch bitte freiwillig.
Zum Glück gefiel mir auch die Wohnung nicht, so dass ich gar nicht erst in die Verlegenheit geriet, auf das Angebot einzugehen, das offenbar kein Angebot, sondern eine Erwartung war. Aber wie erstaunt war ich, als ich im Profil des „Bleiben wir doch Freunde“-Mediums in den folgenden Tagen und Wochen ständig Besuch vom Vermieter bekam. Ich fand es ein bisschen gruselig und wollte mein Profil schon löschen, aber zum Glück hörte das Ganze dann irgendwann auf. Offenbar hatte man eine andere Mieterin gefunden. Wahrscheinlich sitzt die gerade mit dem Vermieter im Garten und grillt. 😉
Manchmal aber ist dieses Medium auch richtig nett, denn heute bekam ich eine Mail, in der mir mitgeteilt wurde, wie jemand sich an mich erinnere. Ich staunte – so etwas gibt es dort also auch! Man kann angeben, wie man jemanden so finde. Was ich davon halten soll, wusste ich noch nicht so recht – wozu sollte das gut sein?
Und dann öffnete ich die Mail. Darin stand, ein Kontakt von mir finde mich – aaah, Balsam auf meine bisweilen geschundene Seele! – warmherzig, clever, kreativ und einzigartig! Mal abgesehen von der Sinnhaftigkeit solcher Bewertungen: Das fand ich doch mal toll! Richtig nett. Danke schön!
Aber von wem kam diese Einschätzung? Ich sah mir die Dame an, und dann fing ich laut zu lachen an. Denn: Ich kannte diese Frau gar nicht. Woher kannte sie mich? Ich saß da und grübelte, starrte auf das Profilfoto. Ich kam nicht weiter.
Doch gerade eben, bei einem erneuten Blick auf das Foto, fiel der Groschen: Es ist eine ehemalige Studentin von mir! Jetzt freue ich mich noch mehr – das ist doch richtig nett! Sowas bekommt man nicht jeden Tag mitgeteilt – ich schon gar nicht. 😉 Ich bin meist zu direkt und zu ruppig. Zumindest nach außen. Betrachtet man mich etwas näher, besteht die Möglichkeit, zu sehen, dass das im Grunde nur eine – ziemlich – rauhe Schale ist. 😉
Danke, liebe Noemi – ich werde mich beizeiten revanchieren. 🙂
Euch auch einen schönen, sonnigen Tag und jemanden, der euch etwas Schönes sagt. 🙂
Nachtrag: Ich wollte vorhin auch eine ehemalige Mitschülerin bewerten, die sich keiner großen Beliebtheit erfreute, weil sie einfach unverschämt war. Aber ich muss feststellen, dass diese Bewertungsmöglichkeit eindeutige Mängel aufweist, denn einen Button, auf dem „blöde Blunzn“ steht, gibt’s gar nicht … 😉