Mein Ex Henrik meinte mal kopfschüttelnd zu mir: „Wenn man mit dir ins Tierheim ginge, damit du dir dort einen Hund aussuchst, und wenn dir dann ganz viele Hunde gezeigt würden, alle normal, aber einer dabei wäre, der nur drei Beine hätte, früher verprügelt worden und total verunsichert wäre, wäre sofort klar, welchen du mit nach Hause nehmen würdest, und das sofort.“ – „So?“ – „Ja. Natürlich den mit den drei Beinen. Den, der sicherlich am schwierigsten wäre, und das wegen seiner schlechten Erfahrungen.“
Ich grinste. Er hatte recht. Und so sagte ich: „Naja, warum auch nicht? Denn den würde wahrscheinlich kaum einer berücksichtigen, und er braucht doch auch jemanden, der ihn liebhat. Oder?“ – „Du bist zu gutmütig.“ – „Findest du? Warum sollte man einen dreibeinigen, verunsicherten Hund aus schlechter Haltung denn nicht zu sich nehmen? Gerade der braucht doch besonders viel Zuneigung!“ – „Du bist doch nicht Mutter Teresa!“ – „Nein, und darüber bin ich auch froh. Schon mal was von echter Zuneigung gehört?“ – „Du bist ja verrückt.“ – „Findest du? Ich nicht.“
Keine Ahnung, woran es liegt, aber Underdogs jeglicher Art finden leichter meine Zuneigung. Die, die kämpfen müssen, nicht gleich „everybody’s darling“ sind und es schwerer haben als andere. Die mit Macken, Ecken und Kanten. Und Narben. Vielleicht liegt es daran, dass ich sie einfach verstehe. Es sei denn, sie sind unsympathisch – dann nutzt auch der Underdog-Aspekt nicht. 😉
Man kann es zwar nicht verallgemeinern, aber sind diese ewigen Helden nicht irgendwie langweilig? Die, die die Mehrheit als „Helden“ sieht. Stets erfolgreich, alles glückt, niemals treffen sie eine falsche Entscheidung. Das vermittelt sicherlich ein Gefühl von Sicherheit in ihrer Nähe, aber auf Dauer wäre es zumindest mir zu langweilig. Wo bleibt denn die Herausforderung und, wenn man, trotz schlechterer Ausgangsposition, eine schwierige Situation gemeistert hat, dieses wunderschöne Gefühl, etwas geschafft, etwas Großes geleistet zu haben? Und man wird irgendwie auch kreativer, wenn man nicht von vorneherein optimale Bedingungen hat. Stets viel Geld zur Verfügung zu haben, beruhigt ungemein, aber die Kreativität fördert es nicht unbedingt. 😉
Antihelden sind viel spannender. 😉 Egal, ob menschlich oder tierisch. Finde ich.
Wie oft hört man eigentlich den Satz: „Aber das ist doch nicht normal – man muss doch nach Erfolg streben und sich anstrengen!“ Oder: „Wenn Sie in der Schule besser aufgepasst hätten, wären Sie jetzt nicht Sekretärin/Müllwerker/Friseurin/Hilfsarbeiter …“ Es sind immer die Menschen, die sich selbst als „Norm“ oder „normal“ erachten und auch so betrachtet werden wollen, die so daherreden. Viele hatten einfach mehr Glück, was sie mit Können, Vernunft und dem schönen Umstand, vermeintlich besser in der Schule aufgepasst zu haben, verwechseln. Nicht, dass sie nichts könnten, nein, das auch nicht. Aber oft können sie schon ganz einfache Dinge nicht. Sie sehen oft nicht, was um sie herum los ist, dass es eben oft auch mit Glück zu tun hat, dass sie selber besser dastehen. Gerade heutzutage auf dem Arbeitsmarkt ist Glück durchaus ein sehr wertvoller Begleiter. Und was wissen sie über den Hintergrund der von ihnen so Herabgesetzten, die vermeintlich in der Schule … Lassen wir das.
Und immer diese Pauschalisierungen! Frauen seien angeblich nur an vermögenden Männern interessiert – wenn ich das schon höre! Ganz pauschal. Offenbar bin ich auch da völlig unnormal, und ich kenne auch hinreichend andere Frauen, die da anders ticken und bei denen es nicht auf die Brieftasche ankommt, sondern vielmehr aufs Herz. Statt aber mal hinzugehen und das erfreut zur Kenntnis zu nehmen, bezeichnet man solche Frauen gerne als dumm. Sei’s drum. Ärgerlich ist es trotzdem. Und völlig inkonsequent.
Ich kriege jedenfalls immer die Motten, wenn ich mal wieder höre: „Das ist doch nicht normal!“ Und wenn ich sehe, wie selbstgerecht manche hingehen und alles ratz-fatz in den ihrer Meinung nach passenden Karton packen, als wären sie Möbelpacker. Aber solch einen Beruf würden sie natürlich niemals ausüben. 😉
Wenn ich mich so umschaue, habe ich manchmal – und das ist noch geschönt! – den Eindruck, das Leben werde immer langweiliger, in bestimmte Richtungen kanalisiert, Verbote, Warnungen, Einschränkungen. Und dazu dann diese selbsternannten Volkserzieher! Gruselig finde ich das. Alles hübsch genormt – und bloß keine Abweichungen. Und das Allerschärfste: Nicht selten sprechen die Befürworter dieser Maßnahmen davon, dass jeder Mensch ein Individuum sei. Das hat dann schon etwas Groteskes und bringt mich regelmäßig zum Lachen … 😉
Ich weiß nur eins: Ich bleibe bei meinen „dreibeinigen Hunden“ und den anderen Underdogs. Die sind nämlich wirklich was Besonderes – speziell in Zeiten wie diesen. 😉