Ich bin ja bekanntermaßen Fan alles Absurden, aber was ich heute von mir gegeben habe, erschien selbst mir derart bescheuert, dass ich mich jetzt noch schäme.
Als meine Kollegin Janine noch im Urlaub war, hatte ich mehrfach auf meinem Weg zum Parkplatz „Ulli“ getroffen, einen Nachbarn unseres Arbeitgebers, der mit seiner weißen Schäferhündin Luna dort spazierenging. Ulli hat irgendwie einen Narren an Janine und mir gefressen, und er bringt uns in regelmäßigen Abständen Gutscheine mit. Meist für eine Einzelhandelskette der Metro Group, wo ich schon lange nicht mehr war, bis vor einigen Monaten allerdings recht oft. Oder aber für eine Schuh-Handelskette, ein Familienunternehmen hier in der Region, in dessen Hauptgeschäft hier in dieser Stadt ich schon als Kleinkind Schuhe gekauft bekam, wenn man mich endlich davon überzeugen konnte, dass nun auch der Ernst des Geschäftsbesuchs angebrochen sei – ich wäre lieber weiter diese tolle Holzrutsche aus dem Obergeschoss ins Erdgeschoss hinuntergerutscht, um dann die Treppe hinaufzurennen und erneut zu rutschen. Was sind dagegen Schuhe! 😉
Und da Ullis Frau bei der Einzelhandelskette der Metro Group arbeitet und er nach seiner Verrentung vom „Pütt“ offenbar einen Nebenjob bei der Schuh-Handelskette hat – oder wie auch immer -, hat er öfter mal Gutscheine. Und netterweise bekommen Janine und ich dann immer welche.
Gestern verfiel erneut ein Gutschein der Einzelhandelskette … Ich komme irgendwie nie dazu, obwohl ich mich immer sehr über diese nette Geste freue. Und jedes Mal, wenn ich Ulli nebst Luna begegne, wird mir angst und bange, ich könnte gefragt werden, was ich mir denn gekauft habe!
Über den Schuh-Gutschein wollen wir lieber den Mantel des Schweigens breiten. Den habe ich nun seit Monaten, ohne ihn einzulösen. Ich habe doch schon so viele Schuhe! (Nicht, dass ich sie alle tragen würde, beileibe nicht … 😉 )
Gestern begegneten Janine und ich dem Ulli-Luna-Gespann, als wir gerade nach Feierabend ausgestempelt hatten und uns gen Parkplatz wandten. Luna preschte begeistert auf mich zu, ich knuddelte sie, während Janine und ein Mitarbeiter unseres Sicherheitsdienstes, mit dem wir uns auch oft unterhalten, in gebührendem Abstand blieben. Hatten wohl beide etwas Angst. Dabei ist Luna eine Seele von Hund und freut sich immer, wenn man sie streichelt und freundliche Worte an sie richtet.
Als Janine im Urlaub gewesen war, hatte Ulli mir zwei Gutscheine über ein breites Warenspektrum für die Einzelhandelskette gegeben. Einen davon hatte ich Janine ausgehändigt. Sie hatte mir bereits gestern gestanden, ihn wohl nicht einlösen zu können, da sie in der Gültigkeitsspanne einfach nicht zu dem Supermarkt käme. Ich hatte gestern ernsthaft vor, noch hinzufahren, aber irgendwann kam ich auf den Trichter, dass ich ja eigentlich nur des Gutscheins wegen hinfahren und dann Gefahr laufen würde, noch viele andere Sachen zu kaufen, die ich eigentlich ja gar nicht unbedingt kaufen wollte. Die Gefahr besteht in solch einem großen Markt … 😉 Und das ist ja auch der gemeine und fiese Trick bei Gutscheinen. Ich sage euch gewiss nichts Neues damit.
Natürlich fragte Ulli sofort, ob wir die Scheine denn schon eingelöst hätten. Ich beugte mich über die freundliche Luna und kraulte sie besonders intensiv. Janine gab zu, es leider nicht zu schaffen, aber sich sehr über den Schein gefreut zu haben, während ich Luna knuddelte und ihr alberne Koseworte in die großen, tütenartigen Ohren brabbelte, woraufhin sie mir über die Nase leckte.
Leider aber entband mich das keineswegs davon, meinerseits zu berichten. Ich lachte und meinte: „Ich fahre gleich noch hin!“ (Ich gestehe, ich hatte es zu diesem Zeitpunkt auch wirklich noch vor, aber irgendwie schwand meine Lust, als ich unterwegs war.)
Ulli meinte: „Ich hoffe, ihr habt wenigstens die Schuh-Gutscheine schon eingelöst! Ihr solltet das auf alle Fälle noch machen!“ Und er äußerte den Verdacht, die Schuh-Kette werde in absehbarer Zeit schließen (müssen). Wie so viele alteingesessene Unternehmen hier. Über 100 Jahre im Geschäft, aber nun – naja, das ist ja nichts Neues.
Janine meinte, sie wolle sich alsbald neue Schuhe kaufen und war somit aus dem Schneider. Ullis Blick ruhte auf mir, und ich fühlte mich verpflichtet, eine Rechtfertigung oder ein Statement abzulassen, und so meinte ich, leider einmal mehr sehr spontan: „Ehrlich gesagt: Seit ich das Auto habe, komme ich gar nicht mehr in die Stadt!“
Ich hatte es nicht einmal ganz ausgesprochen, als mir die Idiotie meiner Aussage auch schon bewusst wurde. „Ich komme nicht mehr in die Stadt, seit ich unabhängig mobil bin“! Hallo? Das ist derart absurd, dass selbst ich es völlig irre finde. 😉
Und so wurde ich dann auch angesehen, und der Kommentar ließ nicht auf sich warten: „Das ist ja eine tolle Ausrede!“ Ulli lachte sich scheckig, ich grinste peinlich berührt, und Luna sprang auf, um mir erneut über die Nase zu lecken. Wahrscheinlich wollte sie mich trösten, weil sogar sie verstanden hatte, wie idiotisch meine Aussage gewesen war. 😉
Ich meinte, noch peinlicher berührt: „Ja, hat denn mal einer von euch in letzter Zeit versucht, hier in der Stadt einen Parkplatz zu bekommen?“ Und ich schwor Stein und Bein, in der allernächsten Zeit mal wieder mit Straßenbahn und Bus in die Stadt zu kommen – um Schuhe zu kaufen! 😉
Als Janine und ich heute das Gebäude Richtung Parkplatz verließen, wurde ich leicht nervös. Immerhin war ich dann gestern doch nicht zum Einkaufsmarkt der Metro Group gekommen … „Janine, verdammt, was konnte man nochmal alles günstiger mit dem Gutschein bekommen?“ – „Was ist denn mit dir los?“ – „Ich habe etwas Sorge, dass wir Ulli begegnen könnten! Was sage ich dann? Irgendwas muss ich mir doch vermeintlich gekauft haben!“ – „Naja, da ich es gestern nicht mehr geschafft habe, habe ich den Gutschein weggeworfen.“
Hektisch wühlte ich in meinem Portemonnaie. Draußen regnete es sowieso, und wir würden nass werden auf dem Weg zu unseren Autos. Vielleicht würde es zwischenzeitlich aufhören, während ich nach dem Gutschein fahndete …
Da war er! Und es gab so viele ganz verschiedene Artikel ermäßigt! Neue Scheibenwischer, wie Janine vorschlug? Unwahrscheinlich, da Ulli, der ein wenig neugierig ist, schon mitbekommen hat, dass ich ein neues Auto habe. Motoröl, Janines zweiter Vorschlag? Aus demselben Grunde nicht machbar. „Glühlampen!“ schrie Janine begeistert, aber ich tippte mir an die Stirn und meinte: „Klar! Ich fahre nach Feierabend noch dorthin, um Glühlampen zu kaufen!“ (Vielleicht wäre das gar keine so schlechte Idee gewesen, nachdem hier gerade eine durchgebrannt ist, aber es erschien mir doch eher unwahrscheinlich. Frauen fahren nicht eigens wegen Glühlampen … lassen wir das!)
Wir einigten uns darauf, dass ich mir ein T-Shirt gekauft hätte. Das erschien glaubhaft, zumal ich sehr, sehr viele T-Shirts besitze, die ich gar nicht alle trage. 😉 Ich lüge nur in echten Notfällen, und dieser mögliche schien mir einer zu sein, da ich niemanden verletzen wollte, über dessen nette Geste ich mich wirklich gefreut habe. Und da muss es schon plausibel sein.
Wem begegneten wir nicht? Klar! 😉 Aber so bin ich gewappnet für die nächste Begegnung. Und für den Fall, dass der nächste Gutschein kommt, weiß ich jetzt schon, dass ich ihn diesmal wirklich einlösen werde, denn ich finde das wirklich sehr nett. Es passt nur zeitlich halt nicht immer.
Welcher Druck doch manchmal auf einem lastet, wenn man von netten Menschen Geschenke bekommt! 😉 Dabei ist es so einfach – zumindest bei mir. Ich freue mich über einen Gutschein mehr als über das, was ich damit kaufen könnte. Mehr über eine selbstgebrannte CD oder DVD als über irgendetwas Hochgejazztes, das man halt so verschenkt, weil’s gut aussieht. Ich freue mich am meisten, wenn jemand sich Gedanken gemacht hat, ob und worüber ich mich vielleicht freuen könnte. Über die Mühe und die Gedanken freue ich mich. Und so freue ich mich auch über einen auf nette Weise verschenkten Gutschein. Und beim nächsten Mal löse ich ihn auch wirklich ein! Versprochen! 🙂