Ich hatte heute einen echt spannenden Tag. Denn heute bekam ich mein neues Auto und musste mich von Scotty trennen.
Ein letztes Mal mit dem unzuverlässigen kleinen „Silberpfeil“ fahren! Diese Bezeichnung ist ein Euphemismus, denn trotz seiner 124 PS bewegte sich der kleine Toyota durchaus nicht immer wie ein Pfeil. Aber darüber berichtete ich ja schon. 😉
Ich gestehe, ich hatte schon gestern Abend Fracksausen. Nach jahrelanger Schaltwagenabstinenz nun ein solcher! Aber man lenkt sich ja ab, so gut es geht. Und ich besuchte ein allseits bekanntes Soziales Medium … Und wen sah ich da online? Jeannette. Meine Auffrisch-Fahrlehrerin. Der hatte ich kürzlich im dortigen Chat schon von meinem neuen Auto erzählt. Und so schrieb ich sie an und berichtete, mir ginge ein wenig die Düse. Eigentlich erhoffte ich mir nur ein wenig Zuspruch, à la: „Keine Sorge, Ali – das wird schon!“
Aber es kam anders, denn sie schrieb, sie hätte am heutigen Tage frei. Ob wir vielleicht zusammen losziehen sollten, wollte sie wissen. Ich dachte: „O je – wahrscheinlich meint sie, du könnest das nicht!“ Ich denke öfter mal so. (Diese Denkweise erleichtert einem das Leben nicht gerade, nur mal so angemerkt. Macht das also nicht nach! 😉 ) Aber sie schrieb, so sei das nicht gemeint. Das würde sie beileibe nicht jedem anbieten. Ich schrieb: „Sicherlich nur den ganz hoffnungslosen Fällen.“ (Ich bin ein Fan von „fishing for compliments“ – ich gebe es zu …) Sie schrieb, daran sei es nun ganz gewiss nicht, nicht bei mir. Nein, sie biete mir das an, weil ich zu den Leuten gehörte, mit denen sie gern Zeit verbringen möge.
Ich war überwältigt. So etwas bekommt man auch nicht jeden Tag zu hören oder zu lesen. Und so schrieb ich, das sei aber nicht meine Absicht gewesen, als ich sie anschrieb – immerhin hätte sie einen freien Tag! Aber sie meinte, sie freue sich, mich wiederzusehen und käme gern mit. Und wenn mir das Ganze Bauchschmerzen bereiten würde: Als „Bezahlung“ oder Entschädigung würde sie sich freuen, wenn wir ein Eis essen gingen und ich die Rechnung übernähme. Ich wäre extrem doof gewesen, hätte ich dieses tolle Angebot nicht wahrgenommen, zumal ich Jeannette wirklich mag.
Und so holte ich sie, von der Arbeit kommend, heute gegen 16 Uhr zu Hause ab. Wir wohnen nicht weit voneinander entfernt, und als ich langsam die Straße entlangfuhr und die Nummer 4 passierte, sah ich sie bereits in ihrem Schalke-Trikot im Hof stehen. Ich hielt ein paar Meter dahinter, und da kam sie auch schon angelaufen, öffnete die Beifahrertür und nahm Platz. „So sieht man sich wieder,“, meinte ich und lachte. Sie lachte auch und sagte: „Das also ist der kleine Wahnsinnige,“, indem sie über das Handschuhfach strich. Ich grinste und meinte: „Möchtest du ihn mal fahren? Mich würde interessieren, was du davon hältst.“
Und so wechselten wir die Plätze und fuhren Richtung Autohaus. Jeannette lachte sich scheckig und meinte: „Ali, wenn noch irgendwelche Zweifel an der Maßnahme bestanden, diesen Wagen zurückzugeben, nehme ich sie dir hier: Das ist das Beste, was du tun kannst! Das Getriebe ist ja wohl ein schlechter Witz!“ Ich grinste und nickte. Wir parkten auf dem Hof des Autohauses und begaben uns ins Innere der Vertretung, wo wir auch alsbald an den Verkäufer, Herrn Haase, weitergeleitet wurden. Ich meinte: „Herr Haase, Sie haben mir gesagt, dass Sie dreifacher Familienvater seien, und da ich mich kenne und Sie nicht irgendwelchen künftigen Traumata aussetzen möchte, habe ich eine Bekannte mitgebracht, so dass Sie mit mir nicht fahren müssen. Das ist Frau B. – sie ist Fahrlehrerin.“
Herr Haase lachte und meinte: „Das ist nun wirklich sehr pragmatisch, Frau B. – aber das hatten wir ja schon letztes Mal. Ich wäre aber auch gern mit Ihnen gefahren.“ – „Das richtet sich auch keineswegs gegen Sie, bitte nicht falsch verstehen!“ – „Nein, keine Sorge.“ – „Nur: Frau B. kennt mich, ich kenne sie.“ – „Frau B.! Ich finde, dass Sie das alles sehr pragmatisch angehen – und das gefällt mir.“ Nun ja. Jeannette lachte.
Erst einmal stand Papierkram an. Ich gab Scottys Schlüssel ab, erwähnte jedoch, dass ich noch ein paar Sachen aus seinem Kofferraum mitnehmen müsse. Kein Problem, beschied uns Herr Haase, und da gab ich ihm auch den KFZ-Brief, sowie den -Schein. 😉 Da ich eine brandneue Versicherung abgeschlossen habe, genauer: das Autohaus das für mich übernommen hat, fragte ich auch, wie das mit der bisherigen Versicherung sei. Gar kein Problem – die Kündigung übernimmt auch das Autohaus. Wie praktisch – so mag ich es! 🙂
Wir gingen zu dem kleinen Toyota, ich nahm alles heraus, was herauszunehmen war, und Jeannette klemmte sich meine Kunststoff-Klappbox unter den Arm, ich den Rest.
Und dann führte man uns zum Neuen. Ah! Zum Anbeißen sah der kleine, blazerblaue Geselle aus! Ich war begeistert – obwohl es ein Ford ist! 😉 Andererseits: Für Ford sieht er verdammt schnittig aus. Noch schnittiger natürlich als Fünftürer, aber so passte es auch, und man kann ja nicht alles haben. Wir betrachteten das Wunderwerk zunächst von außen, packten die Sachen, die wir aus Scottys Kofferraum mitgenommen hatten, in den etwas kleineren neuen Kofferraum. Gingen um das Auto herum. Sofort hatte Jeannette etwas entdeckt, das ihr nicht gefiel: „Das Nummernschild vorn sitzt nicht fest! Das steht in einem etwas komischen Winkel und kippt nach vorn!“ Herr Haase betrachtete Jeannette mit leisem Argwohn – Scheiße, eine Perfektionistin! Aber sogleich verstärkte sich sein gewinnendes Lächeln wieder, und er rief einen Azubi herbei, der mit einem Akku-Schrauber ankam und das Problem behob. Bei seinem Anblick jubelte Jeannette und rief: „Hallo, Mike!“ Die beiden kannten einander, liefen aufeinander zu und drückten sich gegenseitig. Ich grinste Herrn Haase an, der auch grinste. Auf sympathische Weise, wohlgemerkt.
Dann bekam ich eine Einweisung in das neue Auto, der es an nichts gebrach. Ich muss allerdings gestehen, einen Teil habe ich schon wieder vergessen … Und endlich konnten wir dann fahren. Ich bat Jeannette, den Wagen vom Hof zu fahren – da standen überall brandneue Wagen, und das dicht an dicht. Jeannette grinste und meinte: „Das kannst du auch! Aber okay …“ Und wir fuhren erst einmal zur nächsten Tanke, schräg gegenüber dem Autohaus gelegen.
Danach zum Parkplatz der Fußball-Arena. Und dort fuhr ich dann, nachdem wir noch sämtliche Spiegel eingestellt hatten und Jeannette des Lobes voll war und meinte: „Ali! Kopp hoch, auch wenn der Hals dreckig ist! Keine Feigheit vor dem Feind! Der kleine Kerl hier fährt sich total angenehm, und ich bin gespannt, was du gleich sagst!“
Nun ja. Was soll ich sagen? Der kleine Kerl fährt sich total angenehm. Und wenn ich das in puncto Schaltwagen sage, heißt das etwas und ist auch so. 😉 Ich fuhr wie eine Alte! Naja. Fast.
Denn ich verschaltete mich anfangs grundsätzlich dann, wenn ich vom zweiten in den dritten Gang schalten wollte – ich landete erst immer im fünften. Zum Glück funktioniert mein Gehör sehr gut, und ich nahm wahr, dass etwas nicht stimmte. Und das kann man ja alles beheben und korrigieren.
Vom Parkplatz lotste mich Jeannette zur Kurt-Schumacher-Straße – diese Füchsin! 😉 Ich hasse diese Straße! Und so „raste“ ich alsbald in einem Konvoi an Autos voran, bis ich endlich links abbiegen sollte … Wir wollten ja noch ein Eis essen.
Vorher aber übten wir in Bismarck an geeigneter Stelle noch einmal auf meinen Wunsch das Anfahren an einer Steigung. Das habe ich immer besonders gehasst, wenn ich Schaltwagen fuhr … Es klappte hier einfach wunderbar. Und Jeannette, die mich ja zumindest zuvor schon ein bisschen gekannt hatte, war schwer beeindruckt davon, dass ich meinte: „Ich möchte das noch einmal machen!“ Oder: „Das macht ja richtig Spaß! Nochmal!“ Das kannte sie nicht von mir … 😉 Ich übrigens auch nicht.
Dann fuhren wir in Bismarck zu einer Eisdiele. Ich parkte davor ein, als hätte ich nie etwas anderes getan. Und es war sehr nett beim Eisessen.
Dann fuhren wir sogar noch zum „Marktkauf“. Einkaufen. Und ich fuhr Jeannette dann nach Hause zurück. Sie – Fahrlehrerin mit Leib und Seele – nötigte mich dann noch, rückwärts in ihre schmale Hofeinfahrt zu fahren! Eine Situation, die ich normalerweise vermieden hätte. Aber es gab keine freien Parkplätze an der Straße. Blut und Wasser schwitzend, rangierte ich mit schleifender Kupplung und schaffte es problemlos. Man muss sich nur überwinden. 😉
Dann lud Jeannette mich noch in ihre Wohnung ein. Denn sie hat eine Katze, von der sie mir Fotos gezeigt hatte, und da ich Tiere liebe, wollte ich mir das Katzentier auch gern mal ansehen. Ich war begeistert: So ein nettes Tier! Leckte mir gleich die Hand, schnurrte und drückte seinen Kopf so fest an mich, dass Jeannette meinte: „Donnerwetter! Dich scheint sie wirklich zu mögen. Wundert mich aber nicht. Bist ja auch eine Nette.“
Nachdem wir noch den Garten besichtigt hatten – wunderschön verwunschen und doch mitten in der Stadt! – schwang ich mich wieder hinters Steuer und fuhr meiner Wege. Und ich habe den Wagen beim Herausfahren nur einmal abgewürgt und einen Lachanfall bekommen. Aus so blödem Grund hatte ich ihn abgewürgt! Mein linker Schuh war mir vom Fuß gerutscht! Als ich ihn aufhalten wollte, rutschte ich von der Kupplung … 😉 Nun, ich denke, es gibt Schlimmeres. 😉
Zu Hause angekommen, habe ich ziemlich schwungvoll und gar nicht schlecht eingeparkt, stehe mitten vor dem Haus. Wunderbar!
Das einzig Absurde waren die beiden Herren, die hier öfter durch die Straße flanieren, Brüder offenbar, bei denen ich immer den Eindruck habe, sie hätten über längere Zeit zu tief in die Schnapsbuddel geguckt. Sie sind immer freundlich, aber ich verstehe kaum ein Wort, wenn sie mit mir sprechen, an der sie offenbar einen Narren gefressen haben, warum auch immer. Just heute kamen sie des Weges, als ich gerade eingeparkt hatte und meine Sachen aus dem Kofferraum nahm … Ich sah es mit Besorgnis, denn die beiden reden viel. Und lange.
Und so versicherte ich ihnen – zu Anfang -, dass am Donnerstag sicherlich Deutschland das Halbfinalspiel gewönne, worauf ich keine Wetten abschließen würde, aber sah, dass jede andere Antwort falsch gewesen wäre. Der eine der beiden Brüder redete dann lange auf mich ein, und ich nickte und lachte und machte – wie ich hoffe! – einigermaßen passende Anmerkungen, denn ich verstand maximal ein Viertel dessen, was er sagte. Das ist nicht böse gemeint, denn die beiden sind wirklich sehr nett.
Nach etwa einer Viertelstunde kam ein Mann des Weges, den die beiden auch fröhlich grüßten. Der Mann lachte, sah mich an und rief den Brüdern zu: „Nun lasst die nette Frau aber auch mal gehen! Die will doch auch nach Hause!“ Unverständliches von den beiden Herren. Ich kniff dem anderen Mann ein Auge zu und meinte dann: „So leid es mir tut: Ich muss nun wirklich gehen! Aber ich wünsche einen schönen Abend und viel Spaß beim Fußball am Donnerstag!“ Daraufhin nahmen mir die beiden Brüder das Versprechen ab – soweit ich es verstanden habe -, meinen Mann zu grüßen. Mir war klar, die beiden schienen mich zu verwechseln, aber ich versprach alles. Mir wurden nämlich schon die Arme aufgrund des Gewichts meiner Einkäufe lang … 😉
Ein rundum schöner Tag, der so bescheiden angefangen hatte! Und Jeannette und ich gehen demnächst mal einen Kaffee trinken oder ein Bierchen zischen. Das ist nett. 🙂
Was auch immer passieren mag: Morgen werde ich ganz unerschrocken ins Auto steigen und losfahren. Genauer: Ich werde in „Monty“ steigen, wie ich den kleinen Kerl ganz spontan getauft habe, denn a) bin ich ein Fan von „Monty Python’s Flying Circus“. B) „To be the full monty“ heißt auf Deutsch: „ganz großartig sein“.
Und genau das glaube ich jetzt einfach mal. 🙂