„Ali’s got a brand-new car …“ – Abschied von Scotty

Heute hatte ich einen Termin beim Autohaus „meines Vertrauens“. Obwohl dieses Autohaus in der letzten Zeit einiges an Vertrauen meinerseits eingebüßt hat, seit Scotty, mein silberfarbener Toyota Auris, glaubte, seine Ecken und Kanten – und nicht gerade geringfügige solche – immer häufiger zum Ausdruck bringen zu müssen … Man macht sich damit nicht immer beliebt. Ich weiß, wovon ich spreche. 😉

Sicherheitshalber waren meine Eltern mit, zumal sie mir ja Kredit gewähren, den ich peu à peu und zu günstigeren Bedingungen als den vom Autohaus angebotenen zurückzahlen darf. Speziell meine Mutter ist bei solchen Dingen immer sehr hilfreich, da sie sich kein X für ein U vormachen lässt. Ich auch nicht, aber ich habe ja schon beim ersten Mal ein bisschen danebengelegen und vom Autokauf in etwa so viel Ahnung wie ein Hamster von Infinitesimalrechnung. (Wobei ich hierbei zugeben muss, dass möglicherweise der Hamster selbst dabei sogar besser abschneiden würde als ich, denn er würde in seiner Mangelbefähigung sicherlich süßer aussehen als ich. 😉 )

Auch bei Scottys Kauf war Muttern dabei gewesen, und wie erstaunt war ich, die ich ein bisschen beschämt war, dass der Kauf nicht der beste gewesen war, wofür ich mir die Schuld gab, als sie in Sack und Asche ging und meinte, sie hätte mich zu einem Wagen mit gruseligem Getriebe gebracht, da sie mir das Angebot nahegelegt hatte. Und da heute zwei Wagen zur Auswahl standen, die Scottys Kaufpreis mehr oder minder überstiegen, meinte sie: „Ali, nimm ruhig den Automatikwagen, auch wenn der erheblich teurer ist. Mach dir keine Gedanken darum. Immerhin bin ich dafür verantwortlich, dass du einen Wagen mit solch einem unsicheren Kantonisten von Getriebe bekommen hast.“ Ich sah sie überrascht an – so hatte ich das nicht gesehen und sehe das auch jetzt noch nicht so. Und ich widersprach auch gleich: „Nein, das war doch letzten Endes meine Entscheidung. Du kannst doch nichts dafür!“ – „Egal. Wenn dir der Automatikwagen mehr zusagt, nimmst du den, und basta.“

Nun gut. Auch wenn ich die Sache noch immer anders sah. Ich wollte die Autos erst einmal ansehen. Und der Chef persönlich brachte uns hin. Zunächst zu einem Ford Fiesta, einem weißen Dreitürer mit Schaltgetriebe. Ich durfte mich hineinsetzen und befand, dass der Wagen, obwohl er als Standardmodell vorgestellt wurde, doch innen prima sei. Ich brauche keinen Schnickschnack bei der Innenausstattung, der unter Umständen nur fehleranfällig ist. Sobald ich drinsitze, ist ja Innenausstattung vorhanden, die durchaus fehleranfällig ist – wozu da noch ein Übermaß an weiteren Fehlerquellen? (Gut, abgesehen von der nichtvorhandenen Ein- und Ausparkhilfe – die wäre schon nicht schlecht gewesen. Aber will ich Autofahren oder mich auf elektronische Hilfen verlassen, bis sie mich – Fehlerquelle – verlassen? Früher ging es doch auch ohne.)

Allein die Farbe gefiel mir nicht – ich bin kein Fan weißer Autos. Und da es sich um eine Tageszulassung handelte, um ein neues Auto, ein spezielles Angebot des Händlers – im Grunde eine Art „Lockvogelangebot“ –, fragte ich, ob es den nur in Weiß gebe. Nicht alle zu lockenden Kunden mögen Weiß. Und da sagte der Verkäufer: „Nein, den gibt es auch noch in einem schönen Blau.“ – „Blau!“ – „Ja. Mögen Sie kein Blau?“ – „Im Gegenteil! Das ist meine Lieblingsfarbe! Wenn ich dieses Angebot nehme, dann auf alle Fälle ein blaues Fahrzeug.“ – „Ich zeige Ihnen erst einmal den Automatikwagen.“

Als wir zu dem Automatikwagen, ebenfalls ein Ford Fiesta, aber gebraucht, schritten, warnte der Verkäufer bereits vor: „Der ist zwar auch blau, aber es ist ein recht spezielles Blau.“ Und er nannte die Farbbezeichnung: „Der Wagen ist arubablau.“ Ich dachte an die Karibik, wo ich immerhin einmal in meinem bisherigen Leben gewesen bin – nur kein Neid, es war ein All-inclusive-Urlaub -, und ich rief mir die Farbe des Karibischen Meeres ins Gedächtnis. Also ein eher leuchtendes Blau. Und da standen wir auch schon vor dem Automatik-Fiesta, und die Erste, die die Sprache wiederfand, war meine Mutter: „Nun ja, damit wird man wenigstens nicht übersehen.“ Meine Mutter hat ein Faible für Sarkasmus. Habe ich wohl von ihr geerbt.

Ich konnte erst gar nichts sagen, rieb mir die Augen. Die Farbe blendete mich. Sie erinnerte mich an den Glasreiniger in der Sprühflasche, den ich immer verwende. Und an einen echt ekelhaften Likör. Blue Curaçao, um ganz präzise zu sein. Immerhin: Bei Nebel würde ich sicherlich sogar ohne Nebelscheinwerfer und -schlussleuchte zu sehen sein, würde ich mich für diesen Fünftürer entscheiden.

Es sprach einiges dafür und einiges dagegen. Dafür sprach, dass er immerhin 105 PS, während der Standard-Fiesta nur 60 PS hat – aber klar, es ist ein Automatikwagen, und untermotorisierte Automatikwagen sind nur eines: bescheuert. Finde ich jedenfalls. Die Automatik an sich sprach für ihn. Auch die Tatsache, dass es ein Fünftürer ist. Dagegen sprach, dass es ein Gebrauchtwagen ist, dessen Besitzer ihn bei einem Kilometerstand von 8000 km abgegeben hat, er auf einer Autobörse vom Händler gekauft wurde, weswegen ich erneut möglicherweise die Katze im Sack kaufen würde. Der Verkäufer sagte, er könne leider nichts zur Verkaufsmotivation des Vorbesitzers sagen, und ich warf vorlaut ein: „Vielleicht gefiel ihm die Farbe nicht mehr.“ Sogar, als ich im Auto saß, blendete sie mich.

Ein weiterer Nachteil: Es gibt nur ein Jahr Garantie. Für den Schaltwagen fünf Jahre. Aber der Automatik-Wählhebel schien mich zu hypnotisieren, und der innere Schweinehund sprach zu mir: „Bedenke, es ist ein Automatikwagen mit Doppelkupplungsgetriebe! Er hat 105 PS. Du magst Schaltgetriebe nicht sonderlich. Und bedenke, du hast mal einen Unfall und fällst eine Böschung hinunter – mit dieser Farbe wirst du schnell gefunden! Sie ist zwar etwas schrill, aber es ist Perleffekt, den du so magst, und du findest deinen Wagen immer wieder, auch wenn du irgendwann halb senil dein Kennzeichen vergessen hast. Nimm ihn!“

Ich rief den Schweinehund zur Ordnung, riss meine Augen von dem Wählhebel und glaubte beinahe, das Geräusch zu hören, das entsteht, wenn man einen Saugnapf von der Oberfläche, auf die man ihn gepresst hat, ablöst. Dann atmete ich tief durch, stieg aus, warf noch einen Blick auf die vielen Türen des Wagens … Dann noch einen auf die Farbe. Und dann hörte ich mich sagen: „Ich nehme den Schaltwagen. In Blau.“ Huch! War ich das gewesen?

Aber es war mir ernst. Die Vorteile überwogen, auch wenn ich Fünftürer lieber mag, ebenso Automatikgetriebe. Auf der anderen Seite: Ich habe weder Kinder, noch Hunde, für die ich dringend einen Fünftürer brauchte. Und irgendwie werden das Schaltgetriebe und ich uns schon zusammenraufen. Ich kann ja damit fahren, kein Problem. Ich mag es nur nicht besonders. Aber es wird schon werden. 😉 Und zu meiner Freude sah ich dann auch, dass es sich um ein „schnödes“ Fünfganggetriebe handelt.

Und nun wird „Number Two“, wie der Neue bis dato heißt, also ein Ford Fiesta in Blazer-Blau (schönes Dunkelblau), mit nur 60 PS, in Standardausführung und einem Schaltgetriebe sein. Mit nicht-höhenverstellbarem Sitz. Muttern monierte das, aber der Verkäufer meinte zu mir: „Sie sind ja nicht übermäßig klein.“ – „Nein, nur normal klein.“ Da lachte der ansonsten recht gelackt wirkende Mann, und er meinte: „Sorry, das war nicht böse gemeint.“ – „Nee, von mir auch nicht. Ich weiß, dass ich keine Riesin bin. Mir ist wichtiger, dass das Lenkrad in zwei Ebenen verstellbar ist und man den Sitz nach vorn verstellen kann.“ – „Das trifft beides zu.“ – „Na, dann werden wir doch handelseinig.“

Danach folgten die Formalien. Scotty wurde in Zahlung genommen, Number Two soll ab Dienstag mein Auto sein. Ein neues Kennzeichen musste natürlich her. Der immer zugänglicher werdende Verkäufer meinte: „Frau B. – wir schauen gleich mal nach einem Kennzeichen, das Ihnen gefällt. Ihr bisheriges können Sie natürlich behalten, aber dazu müssen wir den Toyota erst einmal stilllegen, und dann dauert das Ganze erheblich länger.“ Ich meinte, so sehr hänge mein Herz nicht an meinem bisherigen Kennzeichen. Nur das „AB“ an zweiter Stelle solle, bitte, bleiben. Und auf Anhieb fand Herr Haase dann etwas, das mir gefiel und reservierte es beim Straßenverkehrsamt gleich. Von vier Ziffern bin ich auf zwei geschrumpft. Eine ungerade Zahl. Ich mag ungerade Zahlen lieber als gerade – keine Ahnung, woher das kommt. 😉 Ich glaube, Herr Haase hatte sich auf eine längere Suche eingestellt, aber ich rief gleich beim ersten Vorschlag: „Nehme ich!“ Herr Haase sah etwas erleichtert aus. Immerhin hatte er Muttern und mich nun schon seit über einer Stunde beim Diskutieren erlebt. Nicht über das Kennzeichen. Mehr so allgemein. Und ich glaube, er fürchtete sich ein wenig, mit seinen Vorschlägen erneute Diskussionen anzukurbeln, warum und wieso überhaupt dies oder das besser sei. Mama und ich führen über die absurdesten Dinge Diskussionen, und Herr Haase kannte so etwas offenbar nicht. Oder er kannte es nur zu gut und fürchtete es. 😉

Dann ging es um die Versicherung. Bis dato, ergo seit dreieinhalb Monaten, ist mein Auto bei einer Coburger Versicherung versichert. Hatte ich online gemacht. Herr Haase bot an, ein gegebenenfalls besseres Angebot zu haben. Bei einer Versicherung aus Nürnberg. Ich grinste und meinte: „Irgendwie lande ich immer bei fränkischen Versicherungen!“ Herr Haase grinste und meinte: „Haben Sie etwas gegen Franken?“ – „Ich? Beileibe nicht! Ganz im Gegenteil!“ Und da meinte er: „Franken ist wunderschön! Waren Sie schon einmal dort? Ich mag die Menschen dort auch sehr gern.“ Mama und ich lachten uns halb schlapp, und ich erklärte dem erstaunten Herrn Haase, er habe eine Vollblutfränkin und ein partiell fränkisches Ruhrgebietsgewächs vor sich sitzen. Da lachte er auch und meinte: „Okay. Ich bin offenbar umzingelt. Aber wir kommen ja auch gut miteinander klar. Oder nicht?“ Vorlaut rief ich: „Also, ich habe keine Einwände.“ Mama meinte: „Heute sind Sie erheblich netter als kürzlich – heute keine Einwände.“ Zum Glück fasste der aus Hannover stammende Verkäufer das richtig auf und lachte mit. Und das wirkte sogar überzeugend. Denn im Erstgespräch kürzlich war er nicht sonderlich nett gewesen. Vielleicht aber hatte er auch einen schlechten Tag gehabt. Und möglicherweise hatte er gedacht, wir wollten Scotty zurückgeben und ausschließlich die Kohle zurück. Macht ja kein Geschäftsmann freiwillig. Er hat dann aber immerhin verstanden, dass wir ein alternatives Fahrzeug durchaus nehmen würden. Und nun herrschte eitel Freude. 😉

Erfreulicherweise musste Number Two gar nicht erst bestellt werden, und ich konnte heute schon einen ersten Blick auf mein neues – und das im wahrsten Sinne, wer hätte das gedacht! – Auto werfen. „Aha, du bist das also“ dachte ich, als ich den durchaus netten, kleinen Gesellen sah, der da ganz unbedarft auf der Rückseite des Autohauses vor einigen Autokumpels stand, die wie er alle zum Verkauf standen. Er ja nun nicht mehr. Er ist verkauft.

Ein wenig peinlich war mir, als Muttern meinte: „Und, Ali? Wie soll dein neues Auto heißen? Scotty geht ja nun nicht mehr.“ Ich schluckte, wollte gerade etwas sagen, das in etwa so geklungen hätte: „Ja, Herr Haase – das kennen Sie sicherlich: Frauen geben Autos gerne Namen!“ Da lächelte Herr Haase und meinte: „Der Name eines Autos ergibt sich in der Regel in dem Moment, da man etwa zehn Minuten mit ihm gefahren ist.“ Ich starrte ihn verblüfft an und meinte: „Geben Männer Autos auch Namen, oder kennen Sie das von Ihren weiblichen Kunden oder Ihrer Frau?“ – „Ach, Frau B. – es ist doch ganz natürlich, dass man Dingen Namen gibt. Das finde ich auch nett.“ – „Ja, ich eigentlich auch. Zumal es die Hemmung vergrößert, den Wagen sorglos in Klump zu fahren!“ Da lachte Herr Haase heftig und meinte: „Sie scheinen mir recht pragmatisch zu sein.“ – „Ich versuche es zumindest Tag für Tag.“

Er bot mir dann noch an, am kommenden Dienstag, wenn ich Scotty ab- bzw. ausliefere und den neuen Wagen abhole, ein paar Runden mit mir zu fahren, damit ich mich an den Wagen gewöhnen könne. Das fand ich prima, und so meinte ich: „Gern. Aber wappnen Sie sich. Oder nehmen Sie am besten einen Sturzhelm mit.“ – „Sehen Sie, das meine ich: pragmatisch. Aber irgendwie glaube ich nicht, dass das notwendig sei.“ – „Ich auch nicht. Aber machen Sie sich auf einiges gefasst!“ – „Mache ich. Aber ich glaube, Sie unterschätzen sich.“ – „Das ist mein Markenzeichen. Und da Sie vorhin erzählt haben, dass Sie drei Kinder haben, werde ich mich besonders in Acht nehmen. Sie können ruhig mit mir und dem Schaltwagen fahren.“ – „Nichts anderes hatte ich erwartet.“ Warten wir es ab … 😉

Und nun sitze ich hier und habe derzeit im Grunde zwei Autos. Wer hätte das gedacht, noch vor einem Jahr? Da war nicht einmal an ein Auto zu denken.

Auf alle Fälle wird der kleine Scotty bis Dienstagmorgen hier vor dem Haus stehenbleiben. Nicht, dass ich auf dem Weg zur Arbeit noch einen Unfall habe …

Und mein neuer Wagen wird sicherlich auch nicht dauerhaft Number Two heißen. Gemäß der Theorie Herrn Haases, ein Wagen erhalte seinen Namen in den ersten zehn Minuten nach erstmaligem Losfahren, läuft Number Two unter Umständen Gefahr, auf ewig „Arschloch“ oder „Saftsack“ zu heißen. 😉 Andererseits werde ich mich sicherlich im Zaum halten, wenn Herr Haase wirklich mit mir mitfährt. 😉

Um den kleinen Scotty tut es mir leid. Ich werde mich sicherlich nicht ganz leicht von ihm losreißen können, wie ich mich kenne. Mein erstes Auto immerhin. 🙂

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.