Methusalem heißt sie, gehörte meiner im Dezember 2011 leider verstorbenen Oma (von mir aus hätte sie ewig leben sollen) – meine Waschmaschine. Sie hat mir seit meiner Studienzeit in Aachen treue Dienste geleistet und war – wie auch meine Oma – hart im Nehmen, durchhaltefähig und zäh. Man muss ihr Alter bedenken.
Eigentlich hatte meine Schwester Stephanie sie quasi von meiner Oma „geerbt“, die damals allerdings noch lebte. Sie hatte sich lediglich eine neue, komfortablere Maschine gekauft. Als Stephanie dann aus Aachen wegzog und ich ihre Wohnung übernahm, die durch im Wohn- und Schlafzimmer leicht schiefe Wände und Fußböden charmierte, auf denen man Murmeln hätte spielen können, sowie eine Dusche, die etwa einmal im Jahr den Besuch eines Installateurs zwingend erforderlich machte, überließ sie mir netterweise die Waschmaschine, die wunderbar funktionierte – ein echter Standard-Frontlader. Kein Schnickschnack, ein einfaches Modell. AquaSpar-System? Was ist das? Aber Schonschleudern – neben vielen anderen Programmen -, das konnte sie auch schon.
Vorher hatte ich immer in den Waschsalon gemusst, wollte ich waschen. Oder meine Eltern besuchen. Aber ich finde es immer etwas komisch, die Eltern zu besuchen und dann einen Riesensack Schmutzwäsche mitzubringen. Das sieht immer ein bisschen so aus, als führe man nur der Wäsche wegen hin …
Über die Besuche im Waschsalon werde ich sicherlich mal separat etwas schreiben – das war bisweilen ziemlich interessant. Manchmal auch schräg oder gar eklig. Aber darüber nicht an dieser Stelle.
So war es ein immenser Fortschritt, nun in der eigenen Küche waschen zu können. Luxus pur für mich kleine Studentin: kein elendes Schleppen mehr zum Bahnhof (Besuch bei den Eltern) oder in den Waschsalon, der nicht direkt vor meiner Haustür lag.
Jahrelang wusch die Maschine zu voller Zufriedenheit in allen möglichen Temperaturen und Programmen. Sie zog von Aachen mit mir ins Niederbergische Land, arbeitete auch dort hervorragend – die Luftveränderung hatte ihr nicht geschadet. Und von dort zog sie schließlich in diese Stadt und in dieser noch zweimal um.
Hier, wo sie und ich jetzt leben, fing sie an, etwas wunderlich zu werden – aber das ist im Alter wohl normal. Vielleicht nimmt sie es auch übel, dass sie hier im Keller stehen muss, statt in Küche oder Bad, ihren bisherigen Aufenthaltsorten. Also in meiner Nähe. Vielleicht vermisst sie das oder fürchtet sich allein im Keller, wo ich mich nicht oft aufhalte. Möglich ist alles.
Bereits im Spätherbst/Winter 2013 – ich wohnte noch nicht lange hier – schien sie etwas depressiv zu werden. Eines Samstagnachmittags hatte ich sie mit 60-Grad-Wäsche in Betrieb genommen, war dann noch rasch einkaufen gegangen und dann in meine Wohnung zurückgekehrt. Ich saß im Wohnzimmer, als ich plötzlich kreischende Geräusche und ein Poltern hörte, das von unten zu kommen schien. O je! War meine alte Nachbarin etwa gestürzt?
Ich rannte die Treppen hinunter. Bei der Nachbarin alles in Ordnung. Da dachte ich an die Waschmaschine und rannte in den Waschkeller. Aber was war das? Da hing meine Maschine absturzgefährdet über der Kante des Podests, auf dem sie sonst immer brav und ganz gerade gestanden hatte! Was war passiert?
Mir wurde klar, dass ich großes Glück gehabt hatte. Die Maschine hätte auch vom Podest stürzen können, Keller überschwemmt – das war zum Glück nicht geschehen. Und so wuchtete ich mit großem Kraftaufwand das schwere Ding wieder zur Gänze zurück aufs Podest. Sowas hatte sie noch nie gemacht! Fühlte sie sich im Keller einsam? Vernachlässigt? Hatte sie sich umbringen und zu Tode stürzen wollen? Man weiß es nicht.
Ich vermutete, dass sie durch eine Unwucht in Bewegung geraten war und sich hüpfend auf die gefährliche Kante zubewegt hatte. Machte die Sache aber auch nicht besser. Mir graute vor dem nächsten Waschgang. Wer wusste, was dabei passieren würde … Und ich achtete doch schon immer beim Beladen darauf, Unwuchten zu vermeiden. Offenbar lässt sich so etwas aber nicht immer vermeiden.
Mein Vater kam und schaffte durch eine am Podest fixierte Vorrichtung Abhilfe. Danach wusch meine Maschine brav und unbewegt. Sie hatte ja nun auch Aufmerksamkeit bekommen. 😉
In der letzten Zeit fing sie jedoch etwas zu zicken an. Brach Waschprogramme mittendrin ab, und ich musste dann durch die Wahl anderer Programme zusehen, wie ich die Wäsche sauber bekam. Klappte bis dato.
Aber heute hat sie sich etwas Neues ausgedacht. Als ich in den Keller kam, um die Wäsche aus ihrem Bauch herauszuholen, gab sie vor, das Programm zu Ende geführt zu haben. Aber die Maschine hatte gelogen! Denn sie hatte nicht abgepumpt und auch nicht geschleudert. Ich musste manuell das Schleuderprogramm anwählen, und das zog sie dann auch durch. Allerdings drangen merkwürdige Geräusche aus ihrem Inneren, die ich von ihr noch nie gehört hatte. Sang sie eine Art Sterbearie?
Immerhin war der Schleudergang schließlich beendet, und ich wartete mehr oder minder geduldig darauf, dass ich die Tür öffnen konnte. Das dauert nach Beenden des Wasch- und Schleuderprogramms etwa eine Minute. Aber das Lämpchen, das immer dann erlischt, sobald die Tür geöffnet werden kann, leuchtete mir frech entgegen und wollte nicht ausgehen! Die Maschine verweigerte die Herausgabe meiner Wäsche!
Mir wurde etwas mulmig, und ich sah mich schon beim Nachbarn klingeln, um diesen um Hilfe zu bitten, meine Slips und sonstige Dessous aus der Maschine zu befreien. Der hätte sicherlich seine helle Freude daran gehabt. Ich weniger. Ich bin absolut nicht prüde, aber dass ausgerechnet der Nachbar meine Dessous sehen sollte, gefiel mir ganz und gar nicht. Und so überlegte ich, ob ich vielleicht eine Brechstange besäße. Nein. Und mir widerstrebte auch, die Maschine mutwillig noch mehr zu beschädigen.
Ich probierte einige Tricks. Keiner funktionierte – höhnisch leuchtete mir das Lämpchen weiter entgegen, als wolle es sich über mich lustig machen. Ich gab auf und versuchte es mit einem weiteren Schleudergang. Und siehe da! Als der beendet und das Programm durchgelaufen war, hatte die Maschine Erbarmen und gestattete die Wäscheentnahme. Ich war erleichtert.
Ein bisschen traurig bin ich – ich muss mich wohl von meiner alten Weggefährtin trennen. Aber sie ist sehr alt, und das ist der Lauf der Welt. Trotzdem – wir haben gemeinsam so viel durchgemacht … 😉
Und nun werde ich wohl googeln und nach einem neuen Modell Ausschau halten. Am besten mit AquaSpar-System.