Vom Umgang mit Ämtern und Behörden

Menschen, die mich kennen, wissen, wie sehr ich Behördengänge hasse. Aber wer mag die schon? Schon der Begriff Behörde hat einen, wie ich finde, sehr unangenehmen, drögen Klang – und so geht es meiner Erfahrung nach auch meist bei Behörden zu. Zumindest als „Kunde“.

Ich bin jedoch geneigt, Ausnahmen zu machen. Das Straßenverkehrsamt meines Wohnortes kommt bei mir nicht schlecht weg – bis jetzt. Und das Straßenverkehrsamt in Marl habe ich ja schon einmal für postwendende Bearbeitung eines Anliegens gelobt – die haben was gut bei mir.

Das Finanzamt hingegen ist etwas ganz anderes. Zumindest hier an meinem Wohnort. Nicht ohne Grund schiebe ich das Grauen – die Einkommensteuererklärung – auch so gern vor mir her, beantrage bisweilen sogar eine Fristverlängerung. Gut, das ist in etwa so, wie das Entfernen eines Pflasters möglichst weit hinauszuzögern, um es dann gaaanz langsam abzuziehen. Nicht sonderlich klug also – machen muss man das Ganze ja doch, und je schneller man es hinter sich hat, umso besser. Ist normalerweise auch meine Vorgehensweise. Nur nicht beim Finanzamt. Der Horror ist zu groß. Lieber gehe ich zu einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt … Für viele nicht nachvollziehbar. Für mich schon. Denn bei der Wurzelbehandlung weiß ich, was mich erwartet. Beim Finanzamt gibt es immer wieder neue Überraschungen – und die sind meist unangenehm.

Das Finanzamt an meinem Wohnort ist bekannt dafür, den Begriff Ermessensspielraum für ein Fremdwort zu halten. Kulanz auch – das aber wenigstens zu Recht.

Als ich noch freiberuflich Übersetzungen anfertigte, musste ich irgendwann einmal meine allerersten Rechnungen schreiben. Völlig unerfahren, wie ich war, wies ich darauf Mehrwertsteuer aus – das hätte ich nicht machen dürfen, denn ich war ganz eindeutig Kleinunternehmerin. Eigentlich eher Kleinstunternehmerin. Ich wusste es nicht besser und hätte mich mal lieber vorher schlauer gemacht. Aber man lernt ja dazu …

Als ich diese Rechnungen mitsamt meinen anderen Unterlagen beim Finanzamt einreichte, erreichte mich kurz darauf ein Brief, genauer: ein Nachzahlungsbescheid. Und es war – für meine Verhältnisse – eine relativ große Summe, die ich nachzahlen sollte, und das erstaunlicherweise ganz zügig. Es stand zwar nicht: „Aber zackig!“ daneben, doch die Frist war sehr gering. Und das kurz vor Weihnachten …

Ich rief beim Finanzamt an, war sehr, sehr freundlich und gab mich – nicht ganz zu Unrecht – hilflos. Das passt normalerweise gar nicht so recht zu mir: das arme Butzelchen, das geradewegs auf der Brennsuppe dahergeschwommen ist. Aber manchmal geht es nicht anders, auch hier nicht, wenn ich mich am Telefon auch vor Pein wand. Die beiden Personen, mit denen ich zunächst sprach, waren sehr freundlich, hatten aber leider keine Weisungsbefugnis. (Durch meine weiteren Erfahrungen mit diesem Finanzamt konnte ich dann feststellen, dass die Gesprächspartner, die freundlich waren, allesamt nicht weisungsbefugt waren. Man denke sich seinen Teil dabei. 😉 ) Und mein Sachbearbeiter hatte sich des Stresses wegen zwei Tage freigenommen.

An dem Tag, da er wieder zur Fron kommen sollte, rief ich erneut an, wand mich erneut, als ich das arme, kleine, hilflose Mädchen mimen musste. Und alles war umsonst! Denn mein damaliger Sachbearbeiter war – mit Verlaub – ein Armleuchter, ein unfreundlicher noch dazu. Er meinte, das sei nun mal mein Fehler gewesen. Da hatte er zwar recht, aber ich sah es ja ein, bat lediglich um ein wenig Nachsicht. Auch das war wohl ein Fremdwort, und als ich gar nach einem gewissen Ermessensspielraum fragte, wurde der Sachbearbeiter noch frostiger: „Den gibt es bei mir nicht.“ Aha. Ernüchtert bat ich um Stundung des recht hohen Betrages, aber auch das wurde abgeschmettert, und dies mit den Worten: „So weit kommt es noch! Stunden! Wer sagt mir denn, dass Sie nicht einfach die Stadt verlassen?“ Das war der Moment, da ich den Hörer vom Ohr nahm und ratlos anstarrte. Wie bitte? Dass ich nicht einfach die Stadt verlasse? Der Mann behandelte mich wie eine Schwerkriminelle! Ich blieb möglichst ruhig und entgegnete: „Wer Ihnen das sagt? Ich. Wozu sollte ich die Stadt verlassen? Ich bin nicht kriminell, ich habe lediglich einen dummen Fehler gemacht, den ich selber bereue, und das just in diesem Moment wirklich zutiefst!“

Es half alles nicht. Ich musste bluten, und das an einem Stück – und pronto.

Die Sachbearbeiterin, die mich dann übernahm, war keinen Deut besser. Mir schauderte vor jeder Steuererklärung. Hatte ich Rückfragen, die – wie stets in den amtlichen Schreiben behauptet – selbstverständlich gern beantwortet würden, traute ich mich kaum, Frau Müller anzurufen, denn die pampte mich am Telefon immer an und beantwortete meine Fragen höchst unmotiviert und so, dass ich hinterher keineswegs schlauer war als vor meinem jeweiligen Anruf. Einmal bekam ich eine böse Mahnung bezüglich einer Sache, die ich auf einmal einreichen sollte, die zuvor nie notwendig gewesen war. Ich staunte – vor einer Mahnung ergeht doch ein Bescheid. Oder etwa nicht? Zitternden Zeigefingers wählte ich einmal mehr Frau Müllers Nummer. Und Frau Müller hatte ganz besonders schlechte Laune an jenem Tag und blaffte mich auf meine Frage, warum ich denn diese Mahnung bekommen hätte, nur an, ich hätte ja nun einmal auf den zuvor erfolgten Bescheid nicht reagiert. Welcher Bescheid? Ich hatte keinen bekommen, und da wurde ich dann am Telefon auch ein wenig energischer, wenn ich auch höflich blieb. Da wurde sie dann ganz freundlich. Zumindest zu dem Zeitpunkt, da sie entdeckte, dass der Bescheid zu ihr zurückgekommen war. Ich war kurz zuvor umgezogen, und irgendwie hatte das mit dem Nachsendeauftrag nicht in jedem Falle gut geklappt, wofür ich nun aber rein gar nichts konnte. Sie entschuldigte sich sogar bei mir und versprach, den Bescheid noch einmal an die neue Adresse zu schicken.

Von Bekannten hörte ich dann, dass dieses Gebaren für das hiesige Finanzamt ganz normal sei. Ähnlich schlimm sei das Finanzamt einer Nachbarstadt. Half mir nun auch nicht weiter. Aber nun versteht ihr sicherlich, warum mir vor der alljährlichen Steuererklärung graut … Zumal ich nach der Zusammenlegung der Finanzämter Nord und Süd schon wieder eine neue Sachbearbeiterin habe, die noch strenger als Frau Müller zu sein scheint.

Wunderbar auch meine Erfahrung mit dem Einwohnermeldeamt in D., wo ich bis zu meinem Abitur 15 Jahre gelebt habe. Ich benötigte einen Reisepass, und so ging ich mit meinem Personalausweis zum dortigen Einwohnermeldeamt, wo ich mein Begehr vortrug. Die Dame, die dort das Sagen hatte, fragte mich nach meiner Augenfarbe. Ich orientierte mich an der Angabe, die, da auf meine beiden Klüsen zutreffend, in meinem Personalausweis stand und meinte freundlich: „Blaugrün.“

Diese Angabe schien die Dame zu irritieren, und sie verschwand hinter einem Paravent, hinter dem sich – Vorsicht, Kunde droht mit Auftrag! – wohl einige Kolleginnen und Kollegen vor etwaigen störenden Antragstellern verbargen und bei einem Käffchen saßen. Ich konnte hören, wie sie sagte: „Da draußen ist schon wieder jemand, der behauptet, blaugrüne Augen zu haben!“ Ich stutzte: wieso „behauptet“? Es stand schwarz auf hellem Grau in meinem Personalausweis, ausgestellt in derselben Behörde, in der ich gerade einen Reisepass beantragte! Noch überraschter war ich, als ich die Antwort einer Kollegin hörte: „Gibt’s nicht! Es gibt nur braune, grüne, graue, blaue, blaugraue, graublaue, graugrüne, grüngraue und braungrüne oder grünbraune Augen! Blaugrün gibt’s nicht! Und Grünblau auch nicht!“

Ich staunte. Wieso gab es Grün in sämtlichen Mischverhältnissen, nur nicht in Verbindung mit Blau? Ich verstand es nicht so recht, aber da kam auch schon die Sachbearbeiterin zurück und meinte mit strahlendem Lächeln: „Tut mir leid, aber blaugrüne Augen gibt es nicht.“ Ich sah sie irritiert an, deutete dann auf meine beiden Augen und meinte: „Doch, gibt es. Steht auch so in meinem Perso, den eine Kollegin von Ihnen hier ausgestellt hat. Da ging das ganz ohne Probleme.“ – „Nein, das kann nicht sein.“ – „Doch! Sehen Sie – hier!“ Und ich hielt ihr meinen Personalausweis hin, in dem dick und fett die entsprechende Farbbezeichnung stand. Aber sie blieb hart, schlug mir aber vor: „Braun ginge. Oder Grau. Da könnten Sie sogar zwischen Hell- und Dunkelbraun oder -grau wählen!“ – „Klingt wirklich verlockend, aber es tut mir leid: Damit kann ich nicht dienen. Nur mit Blaugrün.“ Ging nicht, gab’s nicht, und dann musste ich der Dame auf ihr Geheiß tiiief in die Augen blicken. Sie frohlockte: „Die sind ganz eindeutig grün!“ Ja, klar, ich war auch von der Sonne geblendet, die mir seitlich in die Augen schien. Unter der Voraussetzung dominiert Grün, zumal es ja ohnehin die dominante Farbe ist. Aber eben nicht rein grün …

Und so kreuzte die Dame grün/green/vert im Antragsformular an. Ich fragte mit schwacher Stimme, ob es zulässig sei, dass in zwei Ausweisdokumenten ein und desselben Menschen unterschiedliche Angaben stünden. Sie verneinte, und ich fragte, ob ich meinen Personalausweis nun wegwerfen könne, aber da sagte sie: „Aber nein! Den müssen Sie immer bei sich tragen, denn es herrscht Ausweispflicht.“ Da sagte ich lieber gar nichts mehr …

Und am nächsten Tag erfuhr ich von einer Freundin, die ebenfalls einen Reisepass beantragt hatte – wir brauchten einen für unsere Oberstufenfahrt -, im Einwohnermeldeamt in B., wo sie lebte, sei ihre Augenfarbe, Graugrün, nicht gegangen. Ihr habe man gesagt, Blaugrün wäre kein Problem … Ich meinte geschwächt: „Wir sollten beide umziehen. Du nach D., ich nach B.!“ Sie grinste ebenfalls schwach und meinte: „Und nun stimmen mein Perso und mein Reisepass nicht überein. Was steht bei dir? Bei mir steht jetzt Grün.“ Na, immerhin – eine Leidensgenossin. Manchmal versteht man amtliche Bestimmungen nicht so recht, noch dazu so ortsgebundene wie Augenfarben, und ich glaube fast, es ist auch besser, wenn man gar nicht darüber nachdenkt. Heutzutage ist das übrigens nicht mehr so – ich hätte auch Schalkeblau eintragen lassen können, als ich meinen letzten Personalausweis beantragte: Die Sachbearbeiterin hätte sicherlich nicht einmal mit der Wimper gezuckt.

Lustig war es beim Amtsgericht in Aachen, das ich einst besuchte, um aus der Kirche auszutreten. Da funktionierte von Amts wegen alles reibungslos. Die Probleme lagen hier woanders.

Denn als ich morgens um 10 h in die Nebenstelle des Amtsgerichts in der Augustastraße kam, wusste ich nicht, wohin ich mich wenden musste. Kein Hauswegweiser war zu sehen – nichts Derartiges. Und so klopfte ich mutig an die erste Bürotür, die am Wege lag und hinter der ich lautes Lachen gehört hatte. Als ich die Tür öffnete, sah ich vier muntere Bedienstete, die einander Witze oder ihre Wochenenderlebnisse erzählten, und das bei einem Käffchen. Sie brachen ihr heiteres Gespräch ab, als ich einen guten Morgen wünschte und mich für die Störung entschuldigte. Man fragte, wie man mir behilflich sein könne, und ich ging gleich in medias res: „Wohin muss ich, wenn ich aus der Kirche austreten möchte?“ – „Zimmer 17 im ersten Stock!“ kam wie aus der Pistole geschossen, und ich bedankte mich freundlich. Als ich die Tür wieder schloss, bekam ich noch mit, wie einer der vier Männer sagte: „Wie soll das nur weitergehen? Es ist gerade 10 Uhr, und das ist heute schon die Fünfte, die aus der Kirche austreten will!“

Ich stieg die Treppe in den ersten Stock hinauf. So viele Bürotüren! Ich drehte mich im Kreis und spähte eifrig nach Zimmer 17. Da war es – „Kirchenaustritte“ stand am Türschild, und ich blieb davor stehen, um mich noch ein bisschen zu sammeln.

Da öffnete sich eine Bürotür zu meiner Rechten, und ein schon recht alter Mann kam heraus. Er trug einen Hut und hatte einen Spazierstock dabei. Als er sah, vor welcher Tür ich stand, schoss er erstaunlich schnell auf mich zu, fuchtelte mit seinem Spazierstock herum und schnauzte: „Nein! Machen Sie das nicht, Frollein! Diese Tür führt ins Verderben!“ (Du meine Güte, und ich hatte geglaubt, sie führe in Zimmer 17 – Kirchenaustritte! 😉 ) – „Wie bitte?“ – „Sie dürfen nicht aus der Kirche austreten! Das ist der Ort Gottes – man darf nicht austreten, das ist Sünde!“

Ich staunte: Der Mann kannte sich offenbar in der Nebenstelle des Amtsgerichts sehr gut aus. (Und zum „Ort Gottes“ fiel mir nur ein, dass ich, würde ich an diesen glauben, Gott sicherlich überall vermuten würde – nur nicht in einer Kirche … 😉 ) Überdies schien der Herr Katholik zu sein („Sünde!“), ein Zustand, den ich dort ja gerade beenden wollte.

„Sie rennen in Ihr Verderben!“ – „Wie meinen?“ – „Es ist Sünde!“ – „Hören Sie – das geht Sie überhaupt nichts an, und hören Sie sofort auf, mir mit Ihrem Stock vor dem Gesicht herumzufuchteln!“ Ich trat lieber einen Schritt zurück, auf dass der empörte und um mein Seelenheil besorgte Herr mir nicht etwa eines meiner Augen (blaugrün) ausstäche. Der regte sich noch mehr auf – da entzog ich mich doch glatt seiner Autorität! 😉 Und als ich keinerlei Anstalten machte, ihm zu gehorchen, schimpfte er mich ein „dummes Gör“ und schrie, die Menschen seien viel zu oberflächlich. Ausgerechnet. Ich trat ja gerade aus, weil ich nicht oberflächlich dachte, sondern es als oberflächlich und unnötig angesehen hätte, Kirchenmitglied zu sein, wenn ich doch eh an nichts glaubte.

Da sich der Mann nicht abschütteln ließ, musste ich ihn leider meinerseits etwas energischer anreden, und so meinte ich, er solle bitte sofort seiner Wege gehen und mich nicht weiter belästigen. Das tat er dann auch, ging, mit dem Stock drohend, die Treppe hinunter und schrie: „Sie werden schon noch sehen, was Sie davon haben!“ Ich schüttelte mich leicht und klopfte an die Tür von Zimmer 17, wo mich ein höchst amüsierter Bediensteter empfing, der meinte: „Wie ich hörte, haben Sie unseren Amtsschreck auch schon kennengelernt. Der versucht immer, hier zu missionieren und die Leute von ihrer Absicht, aus der Kirche auszutreten, abzubringen. Sie haben sich übrigens tapfer geschlagen – ich musste in anderen Fällen schon eingreifen.“ Na, denn … Und er tat, was zu tun war, und 24 Stunden später war ich konfessionslos. Ging doch. 😉

Mein Leben verlief danach übrigens nicht immer in gewünschten Bahnen. Aber ich glaube nicht, dass es daran lag, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin … 😉

Alles in allem sind Behördenbesuche immer irgendwie … interessant. Manchmal auch amüsant. Aber eher selten.

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