Es gibt einige Dinge, die ich wirklich auf den Tod nicht leiden kann. So, zum Beispiel, wenn andere Leute mich erziehen wollen, weil ihnen meine Meinung oder meine Lebenseinstellung nicht passt und sie die ihre für das Maß aller Dinge halten. Dass ich Eigenschaften habe, die nicht jedem gefallen – mir oft ja selber nicht -, leugne ich gar nicht. Aber solche Eigenschaften haben andere auch. Das ist nun einmal so, und wenn ich mich wirklich über alles aufregen würde, hätte ich dauerhaft zu hohen Blutdruck. Ich rege mich ohnehin schon viel zu oft auf, meistens aber nicht grundlos. 😉
Nun gibt es aber seit gestern jemanden in meinem Leben, der es ebenfalls zu seiner Aufgabe gemacht zu haben scheint, mich zu erziehen. Und – großer Mist – dem kann ich noch nicht einmal erklären, dass er das, bitte, lassen solle. Ich könnte schon, aber ich fürchte, genauso gut könnte ich versuchen, einen Pudding an die Wand zu tackern. Denn bei meinem neuen Erzieher handelt es sich um Scotty. Mein Auto, das sich seit gestern in meinem Besitz befindet und harmlos aussehend unten auf der Straße vor dem Haus parkt, wo ich ihn heute abgestellt habe, nachdem ich aus D. zurückgekehrt war, wo ich mein Handy bei meinen Eltern abgeholt habe, das ich in ihrem Auto verloren hatte.
Ich war sicherheitshalber bereits um kurz vor 8 losgefahren, denn ich bin noch nicht allzusehr mit Scottys teils interessanten Eigenschaften vertraut, die sich größtenteils daraus ergeben, dass er über keine gängige Wandlerautomatik oder ein Doppelkupplungsgetriebe, sondern ein MMT-Getriebe verfügt, einen mehr oder weniger tollen Kompromiss zwischen Automatik und Schaltgetriebe. Sehr gewöhnungsbedürftig, wenn man das Fahren mit einer Wandlerautomatik gewohnt ist. Die funktioniert stufenlos, schaltet ganz sanft. Scottys MMT-Getriebe habe ich noch nicht ganz durchschaut, da es teilweise etwas inkonsequent wirkt, bisweilen sogar fast unberechenbar, da die Automatik – ich berichtete – beim Anfahren nicht selten zu überlegen scheint, was sie nun als Nächstes tun solle. Ich würde ja vorschlagen, ganz einfach zu schalten, aber die Automatik scheint diesbezüglich recht launisch, zickig und nicht immer meiner Meinung zu sein. Aber wie ich neulich zu meinem Ex-Kollegen Chuck meinte: „Jeder bekommt das Auto, das zu ihm passt.“ Dabei hatte ich heftig gegrinst. Ich hatte es nicht böse gemeint – er hatte nur sehr amüsant über seinen Wagen berichtet, der bisweilen offenbar auch ein etwas „eigenes“ Verhalten an den Tag zu legen schien. Ich hatte sogar gesagt: „Dein Auto scheint auch ein Spinner zu sein.“ Aber auch das hatte ich nicht böse gemeint – im Gegenteil. 😉
Nun muss ich feststellen, dass sich mein eigener frotzeliger Spruch gegen mich gewandt hat! Denn auch ich scheine das Auto bekommen zu haben, das zu mir passt: einen etwas launischen, bisweilen zickigen Zweifler, der zwar manchmal ganz brav das macht, was er soll, im nächsten Moment und bei gleicher Behandlungsweise aber spontan beschließt, sich ganz anders zu verhalten! Ich stelle einige Parallelen zu meinem Wesen fest, und ich entschuldige mich hiermit beim Ex-Kollegen für meinen Spruch. 😉 Wie heißt es so schön? „Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort, für größere lässt er sich etwas mehr Zeit.“ Ich glaube zwar nicht an Gott, aber das Prinzip scheint zu stimmen.
Ich tat also gut daran, etwas zu tun, was mir sonst an einem Sonntagmorgen niemals in den Sinn käme. Ich stand um 7 Uhr auf, machte mich fertig und saß um kurz vor 8 bereits an Bord des zickigen Zweiflers, der von außen so brav und harmlos aussieht. 😉 Er sprang auch ganz willig an, ich setzte etwas zurück, linken Blinker setzen, und schon ging es los. Von gestern gewarnt, trat ich nur sachte aufs Gaspedal, Scotty schaltete brav und fuhr mit einem sanften Brummen los. Sehr schön. Am Ende der Straße blinkte ich rechts und bog ab, etwa zweihundert Meter später erneut rechts. Und ich fuhr auf einen Kreisverkehr zu. Schnell den Fuß vom Gas und verzögern – könnte ja einer von links kommen. Fuß vom Gas brachte nicht viel Verzögerung, und ich musste leicht bremsen, zumal da wirklich ein Auto von links kam. Dann schnell in den Kreisel – ich gab Gas, doch nur sachte, denn ich war ja vorgewarnt. Aber Scotty schien etwas nicht zu gefallen, denn er schaltete spontan und beschleunigte in einer Weise, mit der ich nicht gerechnet hatte. Zum Glück bin ich schon wieder relativ geübt, und so gab es kein Problem, abgesehen von meiner grenzenlosen Überraschung. Ich hatte genauso sachte Gas gegeben wie beim Losfahren vor meinem Haus. Was wollte mir der Wagen mitteilen? Und das mir mit meinem „Bleifuß“, den Jeannette mir attestiert hatte, woraufhin ich konterte, ich hätte eindeutig „westfälische Knochen“, aber nur im rechten Fuß. Ergo schwere Knochen – darin liege meine Tendenz begründet, immer etwas schneller zu fahren. 😉 Jeannette hatte gelacht. Bei Scotty muss ich echt aufpassen – der ist nur etwas für ganz besonders sanfte Gemüter. 😉
Ich fuhr durch Buer, fuhr Slalom durch Hassel mit dieser „genialen“ Straßenführung, und ich fuhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit: 50 km/h. Auf meiner hinteren Stoßstange ein Mini aus Bochum, der unbedingt schneller fahren wollte. Sollte er. Ich nicht, denn ich weiß genau, dass ich diejenige wäre, die geblitzt würde. Ich bin so ein Mensch – ich ziehe so etwas an, ich weiß nicht, warum das so ist. Alle verhalten sich wider die Vorschrift – wer wird erwischt? Ali. 😉 Und wieso sollte ich mich bei dieser Slalomstrecke zu höherer Geschwindigkeit nötigen lassen? Wieso sollte ich das auf jedweder Strecke tun? Der Bochumer Mini-Fahrer war wohl erleichtert, als ich mich schließlich links einordnete – er selber raste wie ein Bekloppter geradeaus weiter. (Zur Strafe hat der VfL heute verloren … ;-))
Und ich bog ab und fuhr mit 70, 80 km/h gen D., wo ich dann zur Überraschung meiner Eltern um halb 9 eintraf. So früh hatten die mit mir nicht gerechnet. 😉 Ich habe dann mit ihnen gefrühstückt, blieb aber nicht lange, da die beiden heute für zwei Monate nach Franken fahren wollten und etwas in Eile waren. Und ich wollte auch zurück.
Ich fuhr los und musste feststellen, dass Scotty erneut wiederholt völlig widersprüchlich agierte. Was wollte er mir damit sagen? „Ich habe einen eigenen Willen und bin eine Zicke – gewöhn dich möglichst schnell dran, Tussi!“ So kam es mir vor. Zog er bisweilen beim Anfahren nicht sofort und trat ich das Gaspedal dann nur ganz sachte etwas mehr durch, schaltete er hektisch und schoss – nicht immer, nur manchmal, wenn ihm danach war – los. Besonders schön beim Abbiegen. 😉 Zum Glück kann ich sehr schnell lenken, und die Lenkung ist bei Scotty wirklich prima. Das ist auch gut so. 😉 Ich glaube, er fährt einfach nicht gerne an. 😉 Ist bei mir ja ähnlich – ich komme morgens auch nur schlecht in die Puschen. Vielleicht sollte ich Scotty mal einen Kaffee anbieten? Bei mir hilft das. 😉
Ist er einmal in Fahrt, schaltet er wie eine Eins. Er scheint gerne schnell zu fahren – zumindest würde ich das jetzt einfach mal so interpretieren.
Zurück durch Hassel, wieder Slalom. In Buer nahm ich mehr oder minder freiwillig mehrere Spurwechsel vor – das, was ich besonders gern mache. Ich fuhr über den Nordring nach Hause. An zwei roten Ampeln fing Scotty wieder mit seinem Gezicke an, ich begann zu fluchen. Durchaus heftig. Seitdem lief er brav wie ein Lämmchen.
Er scheint mich wirklich erziehen zu wollen. Ich frage mich nur: wozu? Denn er ist selber ein wenig inkonsequent in seinen Handlungen. Was also soll ich lernen? Ich gehe davon aus: Toleranz und Akzeptanz. 😉
Aber gegen Ende der Fahrt, als ich den Wagen wieder vor dem Haus parkte, war mir zumindest klar, was ich tun müsse, wenn ich beschleunigen will: ganz sachte Gas geben, dann den Fuß ganz leicht vom Gas und dann ebenso sachte wieder Gas geben – dann nämlich tut er das, was von ihm erwartet wird. Meist.
Morgen ist mein Urlaub zu Ende, und ich muss wieder zur Arbeit. Ich glaube, ich stehe schon um 6 Uhr auf und fahre dann sehr früh zur Arbeit. Sicher ist sicher. Und ich werde morgen mal den „Sport-Modus“ ausprobieren – angeblich fahre der Wagen dann, wie ich in verschiedenen Internetforen erfuhr, die Gänge mehr aus. Führt zwar zu höherem Verbrauch, aber – so die einhellige Meinung in den Foren – das sei nicht wirklich exorbitant. Aber es erhöhe den Komfort. Wird morgen sofort ausprobiert. 😉
Es wird sicherlich ein Weilchen dauern, bis ich mich an die Capricen des kleinen Scotty gewöhnt habe, dessen Namen ich nicht besser hätte wählen können (siehe gestriger Beitrag – da ist es erläutert).
Aber an mich muss man sich auch erst einmal gewöhnen. 😉 Und so hat mich mein „fieser“ Spruch von neulich eingeholt. Auch ich habe das Auto, das zu mir passt: einen zickigen Zweifler. Und ein Spinner ist er auch. 😉