A lone voice in the wilderness

Es gibt Themen, da ist man ganz allein, die einzige Verteidigerin, der einzige Verteidiger auf weiter Flur. Das ist nicht immer einfach – je nach Thema.

Ich bin ja – bisweilen: leider – ein relativ impulsiver Mensch, aber im Grunde rege ich mich in den allermeisten Fällen über stumpfe Ignoranz auf, über Menschen, die wie die Blinden von der Farbe reden, sich gar nicht für ihre Mitmenschen interessieren, aber schlau daherreden und glauben, sie könnten Menschen belehren, deren Situation sie nicht im Mindesten beurteilen können.

Und mich ärgern Vorurteile.

Ich bin anerkannte England-Liebhaberin. Nicht nur England – ich liebe ganz Großbritannien, und ich liebe Irland. (Nicht umsonst befindet sich hier in meinem Header ein Foto aus meinem Irland-Urlaub anno 2014 – alles grün. 😉 Sehr beruhigend. 😉 ) Ich mag aber auch Amerika. In Australien war ich leider noch nie, auch nicht in Neuseeland – ein Traum von mir. 🙂

Man muss nicht alles mögen, das ist mir auch klar. Man muss auch nicht alles kennen. Aber man sollte doch kennen, was man als „unzumutbar“ bezeichnet, als „ekelhaft“ oder „nicht hinnehmbar“. Lästern will gelernt sein. Ich vertrete ja die Ansicht, dass man sich mit den Objekten, die man so belästert, zumindest einmal aus der Nähe befasst haben sollte.

Und doch stelle ich immer wieder fest, dass es Menschen gibt, die sich beispielsweise über Gläubige ganz pauschal lustig machen, ohne selber je mit Religion in Berührung gekommen zu sein. Ich respektiere echte Gläubige, solange sie mich, nichtgläubig, aber früher zumindest auf dem Papier katholisch gewesen, in Frieden und nichtgläubig leben lassen, ohne mir dauernd zu erklären, wie sinnentleert mein Dasein doch wäre. Mich nervt sehr, wenn mich Frömmler und Naivgläubige zu missionieren trachten, im naiven Glauben [!], ich hätte keine Ahnung. Himmel! Ich musste in der Grundschule und auf dem Gymnasium gezwungenermaßen in den Religionsunterricht, ich habe die Kommunion erteilt bekommen, ebenso wurde ich gefirmt, und ich kenne mich durchaus aus. Kein Wunder, wenn man darüber den Glauben wirklich gänzlich verliert, wenn man so tickt wie ich. 😉 Mich nerven aber eben auch diejenigen, die von Hause aus Atheisten sind und sich doof und pauschal über alle Gläubigen erheben, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung von der Materie zu haben. Ich bin der Meinung, dass man nur das wirklich fundiert ablehnen könne, was man auch quasi „studiert“ und betrachtet habe.

Doch weg von Religion – ein finsteres Thema aus meiner Sicht. Das ist ja nun auch wirklich nicht das einzige Thema, auf das das, was ich gerade schrieb, zutrifft. Es geht viel einfacher, und damit zurück zu Großbritannien, Irland und Amerika.

Wie oft habe ich es schon erlebt, dass Leute mir voller Überzeugung erklärten, die englische Küche sei ja wohl das kalte Grauen! Ja, ich gebe zu, bevor ich erstmalig in England gewesen war, hatte auch ich diese Meinung vollmundig vertreten, kam mir auch gar nicht komisch dabei vor – das sagten doch alle! 😉 Und was alle sagen, muss ja wohl stimmen, oder? (Gleiches gilt übrigens für die irische Küche.)

Ich reiste immer öfter nach England, auch nach Irland. Und ich stellte fest, der vielfach als Standardbeispiel für die grässlichen Abgründe der englischen Küche geschmähte Lammbraten mit Minzsauce schmeckt richtig gut! (Ich muss allerdings dazusagen, ich esse gern Lammfleisch, auch wenn ich mir manchmal wie ein Schwein vorkomme, wenn ich mir kleine, wollige Lämmchen vorstelle, die fröhlich neben ihrer Mama über die Weide springen könnten … Wäre da nicht jemand wie ich, der gerne Lamm isst … Aber bei der Denkweise dürfte man wirklich gar kein Fleisch mehr essen, und wenn ich welches kaufe, achte ich wenigstens darauf, dass es aus vernünftiger Haltung stammt. Ja, ich weiß – lahmarschiges Argument, und ich gerate schon wieder an Grenzen. Ich gestehe, ich esse gern Fleisch. Aber zumindest tue ich es nur selten.) Der etwas herbe Geschmack des Lammfleischs harmoniert wunderbar mit dem herben Geschmack der Minze. Minze passt zu Lamm ebenso wie Rosmarin oder Thymian. Alles etwas kräftigere Kräuter, die man mit Bedacht verwenden muss.

Dann immer wieder genannt: Porridge! Ich habe noch nie Porridge in England oder Irland zum Frühstück vorgesetzt bekommen, mir das Ganze nach einem englischen Rezept aber selber mal zubereitet. Und es schmeckte! Diejenigen, die morgens Müesli in sich hineinschaufeln, sollten sich zurückhalten, wenn es um die Schmähung von Porridge geht. 😉

Auch sehr beliebt bei den „Hatern“ der britischen Küche: „Haggis“, gefüllter Schafsmagen und aus Schottland stammend. So etwas gebe es ja nur „auf der Insel“, habe ich schon oft hören müssen. Ich verweise dann immer leise grinsend auf das Lieblingsgericht Helmut Kohls: „Pfälzer Saumagen“. Bis auf wenige differierende Bestandteile und die Tatsache, dass diese in den Magen eines Schweins, statt eines Schafs gestopft und dann in diesem gegart werden, unterscheiden sich beide Gerichte gar nicht so sehr voneinander. 😉

Ich besitze vier oder fünf britische Kochbücher. Ich gebe zu, es gibt darin Rezepte, die mir auch recht unattraktiv erscheinen, aber es gibt auch einige, die ich schon nachgekocht habe und die gar nicht übel waren. Im Gegenteil.

Richtig interessant wird es immer dann, wenn mal wieder jemand lautstark verkündet, wie schrecklich die britische Küche doch sei und ich frage: „Selber schon mal gegessen?“ – „Äh, nö.“ – „Wieso dann das Urteil?“ – „Das sagen doch alle.“ – „Ja, und weil alle das sagen, muss es ja stimmen. Das ist in etwa so, wie wenn man über dich sagen würde, dass du stinkst, obwohl du es gar nicht tust. Zwar hat niemand an dir gerochen, aber alle glauben es und ziehen schon die Nase kraus, wenn sie dich nur sehen.“ Hilft meist und ist ein sehr plastisches Beispiel, wenn es darum geht, für etwas mehr Objektivität zu sorgen. (Man merkt, ich habe lange mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gearbeitet – das werde ich wohl nicht mehr los. 😉 Aber auch ohne das: Ich finde Vorurteile einfach inakzeptabel.)

Die amerikanische Küche ist auch immer sehr vorurteilsbehaftet, denn nicht wenige Menschen glauben, in Amerika gebe es nur Hamburger, Cheeseburger und Hotdogs. Dabei gibt es da so viele unterschiedliche Strömungen, was auch ganz natürlich ist, wenn man bedenkt, durch wie viele Einwanderer die „amerikanische Küche“, die es so als Einheit gar nicht gibt, beeinflusst wurde. Es gibt einige „Hauptströmungen“, von der „New England cuisine“, die als „hearty“, deftig, gilt, der auch der bekannte „apple pie“ entsprungen ist, ebenso wie „baked beans“, über die Southern cuisine, inklusive Cajun und Creole; und natürlich Soul Food, die afroamerikanisch geprägte Richtung, in der neben vielen anderen typischen Zutaten wie Okras viel Mais und Maismehl verwendet wird. Wer Spareribs und Chicken Wings liebt, liebt Soul Food. 🙂 Dann noch Tex-Mex und die kalifornische Küche, die sich mediterraner und asiatischer Einflüsse bedient und bei nicht wenigen figurbewussten Europäern die größte Akzeptanz erfährt.

Als ich das erste Mal in Amerika war, war ich auch ziemlich vorurteilsbehaftet. 😉 Dann kam ich nach Seattle, und die Küche, die ich dort kennenlernte, war ein Gemisch aus verschiedenen Einflüssen. Aber ich war dort genau richtig gelandet, denn es gab dort sehr viel Meeresgetier. 😉 Hummer, Lachs und anderer Fisch bis zum Abwinken und in jedweder Darreichungsform, Krebse, Muscheln – ein Traum! 🙂 Aber auch Steaks, gegrillte Maiskolben mit Butter, Pfeffer und Salz. Coleslaw, turkey, apple pie, roast pork – wunderbar. 🙂

Ganz hervorragend, als ich mit Tante Karen eine clam chowder zubereitete, mit viel Gelächter und Bier. Gut, das Bier wollen wir besser nicht diskutieren, aber die Zubereitung der Muschelsuppe machte viel Spaß.

Gestreikt habe ich nur, als man mich in Seattle in eine Bäckerei brachte, in der man mir „sourdough bread“ als „amerikanische Spezialität“ verkaufen wollte – das gäbe es sonst nirgendwo auf der Welt. Da musste ich widersprechen, indem ich meinte, ich äße in Deutschland jeden Tag Sauerteigbrot. Ich Spielverderberin! 😉 Auch wollte man mir einreden, Bratwurst sei eine ureigene amerikanische Erfindung. Ich meinte lachend: „That’s why it’s called ‘bratwurst‘, a typical English word, like ‘kindergarten’.“ Meine Verwandten stutzten – dann lachten sie. 🙂 Und dann wollten sie mir etwas Gutes, denn sie brachten einmal vom Einkaufen Bier mit, das sie mir als „typical German“ ankündigten – das müsse ich auch kennen. Ich fragte: „What kind of beer is it?“ – „It’s called Low-wow!“ – “Low-wow?” – “Yeah, you ought to know it – it’s German!” Ich staunte, ich kannte kein “Low-wow”. Dann führten sie mir das Dosenbier vor: Es handelte sich um “Löwenbräu”. 😉 Ich lachte und freute mich – das war richtig nett. 🙂 Ich glaube, ihnen war gar nicht klar, dass ich gar nicht aus Bayern stammte … Alle anderen Verwandten, die zu Besuch gewesen waren, kamen aus Bayern. Nur ich nicht. Doch ich fand es total nett, mir ein deutsches Bier mitzubringen.

Aber mir war es eigentlich lieber, ich lernte dort echte amerikanische Gerichte kennen. Ich habe dort übrigens den besten Hamburger gegessen, dem ich je begegnet bin – aber auch handgemacht und nicht von McDoof oder sonst einer Kette. Und echte „homemade“ Tacos.

Mit meinen Studis an der Uni musste ich ja in meinen Seminaren auch „Landeskunde“ machen, und als Einstieg bot sich da immer die britische und amerikanische Küche an. Das hat richtig viel Spaß gemacht, und zum Ende des Semesters machten wir immer ein „international dinner“, auf meinem Mist gewachsen, wo jeder Studi ein für seine Region typisches Gericht mitbringen musste. Ich brachte auch mit, und meist waren es amerikanische Gerichte, denn dank meiner Verwandten und zahlreicher Kochbücher verfüge ich über zahlreiche amerikanische Rezepte. 😉

Landeskunde kann richtig Spaß machen, wenn man sie über das Thema „Essen“ anpackt. Und es werden gleich ganz viele Vorurteile abgebaut. 😉

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