Ich hatte heute einen wirklich wundervollen ersten Arbeitstag im neuen Jahr. Noch jetzt, da ich hier sitze und schreibe, wundert es mich, dass ich nicht an meinem Schreibtisch eingeschlafen bin. Mehrfach drohte mein Kopf auf die Tastatur zu sinken, und nur die Tatsache, dass ich für die Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen zuständig bin und ein entsprechendes Dokument zur Publikation vorliegen hatte, hielt mich davon ab. Zwar nicht über Gebühr lange, dafür aber mit Nachdruck, da das Dokument derart verheerend vorformatiert und mit Fehlern versehen war, dass ich einem meiner letzten Endes doch gefassten guten Vorsätze leider nicht Folge leisten konnte, sondern mich von Herzen kommend echauffierte und an meinen Haaren riss. Haare? War da nicht irgendetwas? Ach ja, den allerersten guten Vorsatz hatte ich auch schon über Bord werfen müssen, denn da war doch mein Plan gewesen, gleich am zweiten Januar zum Friseur zu gehen. Ging nicht wegen meiner reizenden Erkältung, die man meiner leicht guttural klingenden Stimme noch immer ein bisschen anmerkt. Bad hair day, und das noch zusätzlich dadurch, dass ich – siehe oben – vor Verärgerung über die schlampige Vorarbeit hinsichtlich des zu veröffentlichenden Dokuments auch noch an den Haaren herumzerrte.
Kollegin Janine weilte, wie diverse andere Kollegen, noch im Urlaub, und keiner der Chefs steckte heute seinen Kopf durch die Tür: Ich war ganz allein. Immerhin rief mein Chef mich an und wünschte mir alles Gute für 2016, ich tat dies vice versa.
Nach Veröffentlichung der amtlichen Mitteilungen fiel mir ein, dass ich ja vor dem Urlaub verkündet hatte, ich wolle endlich mal meine Ablage machen. Ablage ist das Schlimmste an meinem Job, öde hoch drei, und ich tendiere dazu, dieses Unangenehme vor mir herzuschieben. Auch heute gelang mir dies wieder hervorragend, denn ich hatte gar nicht genug leere Ordner zur Verfügung. Das kann ja wohl jeder einsehen, nicht wahr? 😉
Endlich ging es heimwärts. Vorher noch einkaufen, aber das ging schnell. Endlich kam sie, die Straßenbahn, und ich ließ mich aufatmend auf einen Sitz fallen – endlich sitzen nach knapp acht Stunden Sitzens -, stellte meine beiden Tüten neben mich. Kurz bevor sich die Türen schlossen, stieg noch eine Frau zu, quasi in letzter Sekunde. Sie hatte zwar schon vor der Bahn gestanden und einsteigen wollen, rang aber noch mit etwas, das an einer langen Leine hing und partout nicht einsteigen wollte: ein noch nicht ausgewachsener Rauhhaardackel, der seine kleinen, krummen Beinchen in den Boden rammte, sich gegen den Zug der Leine stemmte und dazu böse knurrte – es war bis in die Bahn zu hören. Mehrfach biss er protestierend in die Leine, schnappte auch einmal nach dem Hosenbein seiner Halterin, die den unter Protest Kläffenden, sich Windenden und wie eine Natter um sich Schnappenden schließlich entnervt unter den Arm klemmte und im letzten Moment die Bahn enterte. Der Vorteil kleiner Hunde – die kann man sich einfach beherzt unter den Arm klemmen, wenn sie nicht parieren. Ich grinste. Ich wusste Bescheid … 😉
Schon als kleines Kind war ich total vernarrt in Hunde. Mein größter Wunsch – neben einem Pony – war ein Hund. Ich gebe zu, ich setzte nicht ausschließlich faire Mittel ein, meine Eltern zu überzeu…, nein, zu überreden, einen Hund anzuschaffen, aber schließlich waren sie bereit. Mein Vater war mehr als unbegeistert. Er mag Tiere durchaus gern – nur wollte er keine in seinem Haus. Aber er hatte schon bei Stephanies Kanarienvogel „Karlchen“ (der Kanarienzüchter hieß Karl), ihrem Hamster „Ulli“ und meinem Meerschweinchen, das auf den grauenvollen Namen „Susi“ zwar nicht hörte, ihn aber klaglos trug, nachgegeben. (Zu meiner Entlastung sei gesagt: Das Meerschweinchen war quasi aus zweiter Hand übernommen und hieß bereits so … 😉 ) Besser gesagt: Er hatte kapituliert.
Und nachdem die arme Susi nach kurzer, schwerer Krankheit dahingeschieden war, war ich nun wieder völlig tierlos. Stephanie hatte immerhin noch Karlchen. Ulli, der unvernünftige Hamster, hatte sich beim Freilauf im Keller in einer Mauerspalte verkrochen, aus der er nie zurückkehrte. Großes Geheul hatte daraufhin eingesetzt – und da war so ein Hund doch … Nun ja.
Zunächst gab es Differenzen wegen der Rasse des künftigen Familienhundes. Meine Schwester und mein Vater hielten sich völlig heraus, meine Mutter und ich waren uneins. Sie wollte einen Rauhhaardackel, ich einen großen Hund, und nicht etwa irgendeinen. Nein! Ein Dalmatiner sollte es sein! Zu meiner neuerlichen Entlastung sei hier angemerkt: Es war lange vor dem Dalmatiner-Boom der ausgehenden 90er, als der Disney-Klassiker 101 Dalmatiner eine Art Revival erfuhr und gefühlt jeder zweite neu angeschaffte Hund ein Dalmatiner war, der nicht selten im Tierheim landete, weil manche Leute sich einfach so einen Hund zulegen, dessen Rassemerkmale sie nicht die Bohne interessieren – vorher. Dann kommt oft das böse Erwachen. Nein, ich war damals völlig unmanipuliert ein großer Dalmatiner-Fan. Diese großen, eleganten weißen Hunde mit den schwarzen Tupfen fand ich einfach klasse.
Es kam, wie im Grunde von vornherein abzusehen gewesen war: Ein Rauhhaardackel kam ins Haus, denn meine Mutter meinte rigoros, entweder ein solcher oder gar kein Hund. Und da dachte ich mir ganz pragmatisch: „Besser den Dackel an der Leine, als den Dalmatiner beim Züchter.“
Zum Anbeißen war der kleine, acht Wochen alte Fratz, als er bei uns zu Hause einzog! Sein Züchtername „Remo vom Thalhauser Gut“ – denn er entstammte dem R-Wurf – erschien uns unpassend, und so wurde er auf den Namen „Moritz“ getauft. Der passte – wie sich schneller, als uns lieb war, herausstellte – auch viel besser zu ihm.
Auch mein Vater konnte sich beim ersten Aufeinandertreffen mit dem kleinen Wicht dessen welpenhaftem Charme nicht entziehen. Als er von der Arbeit nach Hause kam, ruhte Moritz gerade erschöpft in seinem Korb, denn der erste Tag war ziemlich aufregend gewesen, und da musste der kleine Kerl doch erst einmal ein Nickerchen machen. Als er aufwachte, war etwas anders. Da war doch noch jemand! Zuvor war nur Weibsvolk anwesend gewesen, das entzückt und mit gehobenen Stimmen auf ihn reagiert und mit ihm gespielt hatte. Zumindest zwei davon schienen leicht zu bändigen, die waren noch klein. Die Dritte im Bunde schien eher zu wissen, was sie tat – wie seine Mama. (Und da seine Mama nun nicht mehr da war, hatte er gleich meine Mutter als Ersatz auserkoren – Stephanie und ich würden, was wir damals noch nicht wussten, gemäß Moritz‘ Einschätzung in der Hierarchie unter ihm stehen … 😉 ) Nun aber war da noch jemand mit einer anderen Stimme, viel tiefer. Da musste man doch mal nachsehen, wer da dem eigentlichen Herrn des Hauses in die Quere gekommen war …
Aus Sicht meines Vaters, der mit betont grimmiger Miene – er hatte den Hund ja nicht haben wollen – am Esstisch saß, bog da ein leicht verschlafener Miniaturdackel um die Ecke, der sofort, meines Vaters ansichtig, fröhlich zu wedeln und zu quietschen begann und in seinem eckigen Welpengalopp auf ihn zu eilte. Eine Veränderung tat sich im Gesicht meines grimmig dreinschauenden Vaters auf: Ein leises Grinsen erschien darin, und wir alle waren darüber sehr froh. Er fand den Kleinen wohl auch süß.
Leider, leider passierte auf der Hälfte des Weges dann etwas, das das leise Grinsen sofort wieder schwinden ließ, denn die fröhliche Miene des kleinen Moritz wurde plötzlich nachdenklich, und unversehens ging er in die Knie und ließ völlig hemmungslos laufen, was es zu laufen gab. Das einzig Fröhliche in diesem Moment war das Bächlein, das in den Teppich sickerte. 😉 Mein Vater meinte grimmig: „Das fängt ja gut an.“ Meine Mutter holte einen Aufnehmer und einen Eimer Wasser (beides kam an diesem Tage – und würde auch in den folgenden Tagen kommen – nicht zum ersten Mal zum Einsatz, aber wir verschonten meinen Vater mit dieser Information … 😉 ) und wusch und wischte am Teppich herum, während der kleine Dackel begeistert am Hosenbein meines Vaters hochsprang. Der meinte: „Naja, du bist ja recht niedlich, aber mach nur so weiter! Dann bist du woanders niedlich!“
Recht schnell zeigte sich, dass der kleine Moritz ein kleines Arschloch war. Ein echter Macho und Tyrann mit einem Hang zum Größenwahn. Besser hätten wir ihn „Napoleon“ genannt (man hätte das auch in „Nappy“ abkürzen können … 😉 ), denn genauso gebärdete er sich. Sorry, es war einfach so, und ich sage das auch ganz ehrlich, was ich auch darf, da ich diesen Hund sehr liebte, trotz seiner Marotten. Es lag aber auch zu großen Teilen an uns – dieses doch recht kleine Tier überforderte uns mit seiner Raffinesse und seinem absolut autoritären Gebaren. Vielleicht hätten auch wir uns mal besser mit den Rassemerkmalen des Gemeinen Dachshundes auseinandersetzen sollen. 😉 Denn da hätte unter anderem „raubzeugscharf“ gestanden. Was das bedeutete, musste meine tierliebe Mutter mit großem Kummer feststellen, wenn wieder und wieder tote Vögel, tote Mäuse und anderes totes Getier bei uns im Garten lagen. Moritz killte gnadenlos alles, was ihm vor die Flinte bzw. die Schnauze kam und sich in sein Revier getraut hatte. Sogar seinen besten Freund „Jacky“, einen Zwergschnauzer, mit dem er sich auf der Straße aufs Beste verstand, hätte er bei uns im Garten am liebsten gemeuchelt. Und einmal erwischte ich ihn in Stephanies und meinem Zimmer, wie er vor Karlchens Käfig saß und den armen Kanari gierig ansah … Den hätte er auch gnadenlos kaltgemacht. Zum Glück kam er nicht dran. Zu klein. 😉
Nicht nur, dass er ein erbarmungsloser Killer war: Er grub den gehegten und gepflegten Garten meiner Mutter um, bis dieser wie ein Atomtestgelände aussah. Graben und buddeln konnte er wie kein Zweiter. Kaum angesetzt, hatte er auch schon – immer wieder niesend und schnaufend – ein tiefes Loch gegraben, so dass man nur noch sein Hinterteil mitsamt Schwanz herausragen sah, und alsbald war der ganze Hund verschwunden, und man sah nur noch Erde aus dem Loch fliegen. Nicht selten kam er mit Beute zurück. Wann immer meine Mutter sich beklagte, sagte ich: „Ein Dalmatiner hätte das nicht gemacht.“ (Obwohl ich mir nicht sicher war. 😉 )
Auch erwies er sich als Dieb. Meine Oma erwischte ihn eines Tages im Garten, als er auf dem Rasen stand und etwas in der Schnauze hielt, das er wie wild schüttelte. „Stirb!“ schien er zu denken. Oma ging hin und sah, dass es die Armbanduhr meines Vaters war. Offenbar glaubte der Dackel, es handle sich um ein Lebewesen – das Ticken der Uhr muss ihn wohl zu diesem Glauben gebracht haben. Oma riskierte Kopf und Kragen, indem sie ihm die Uhr entriss … 😉 Meinem Vater haben wir das erst viel später erzählt … Es war besser so. 😉
Auch apportierte er aus den Nachbargärten Putzlumpen, Teddybären und Bälle. Er grub sich unter den Zäunen durch und ging dann selbstbewusst auf Diebestour …
Vom Tisch sollte der Hund nichts bekommen, und das hielten wir auch ein. Nur hatten wir erneut nicht mit der Raffinesse des Tieres gerechnet. „Vom Tisch“ kann man so oder so auslegen. Er sollte nichts vom Tisch bekommen, wenn wir daran saßen und aßen. Aber irgendwann würden wir ja aufstehen …
Eines Morgens, mein Vater war zur Arbeit gefahren, Stephanie und ich zur Schule gegangen, wollte meine Mutter nur kurz Wäsche in die Waschmaschine bringen und diese dann in Betrieb nehmen. „Den Tisch räume ich danach ab,“, dachte sie sich. Und mit diesem Plan eilte sie mitsamt Wäsche in den Keller.
Als sie die Treppe wieder hoch kam, hörte sie das Klappern von Geschirr. „Einbrecher!“ schoss durch ihren Kopf, aber dann dachte sie: „Welcher Einbrecher klaut Geschirr oder setzt sich an den Frühstückstisch?“ Sie lief auf schnellen Sohlen Richtung Esstisch und sah gerade noch, wie Moritz, der mitten auf dem Tisch prangte, voller Begeisterung in die Butter biss! Der Käse, der daneben lag, war bereits zu größeren Teilen aufgefressen, die Leberwurst ebenfalls mit deutlichen Verbissspuren versehen. Bei ihrem Erscheinen sprang Moritz auf den nächststehenden Stuhl hinunter, von diesem auf den Boden und verschwand mit Elektronengeschwindigkeit unter der Couch. Wie hatte er es nur geschafft, auf den Tisch zu kommen? Die Stühle waren für den kleinen Kerl zu hoch, hinaufzuspringen. Meine Mutter stellte ihm eine Falle, musste allerdings geduldig warten, bis er anbiss, denn dumm war er ganz und gar nicht. Doch nicht am selben Tag denselben Streich spielen! An einem anderen Tag ging er ihr in die Falle, als sie scheinbar die Leberwurst auf dem Tisch vergessen hatte und sich vermeintlich zurückgezogen hatte. Moritz vergewisserte sich, dass niemand in seiner Nähe sei, und dann turnte er an der Lehne eines der Stühle hoch, die aus Quersprossen bestand! Setzte die kleinen Vorderpfoten auf die unterste Sprosse, schob die kleinen Hinterläufe hinterher, die Vorderpfoten auf die nächsthöhere Sprosse und machte dann – ungelogen! – eine Rolle vorwärts, um auf die Sitzfläche des Stuhls zu kommen! Von da aus war es ein Leichtes, auf den Tisch zu gelangen … Meine Mutter meinte resignierend: „Der Hund ist mir unheimlich.“ Ich sagte: „Ein Dalmatiner hätte das nicht so gemacht.“ – „Nein. Der wäre ohne Umwege auf den Tisch gekommen.“ Fortan standen unsere Stühle immer weit vom Esstisch entfernt. Mein Vater kommentierte dies mit den Worten: „Jetzt verstehe ich die Redensart ‚auf den Hund gekommen‘ erst richtig. Man unterwirft sich den Launen eines Hundes.“
Wer nun meint, wir hätten es mit Erziehung nicht versucht, liegt falsch. „Sitz“ machte Moritz auf Kommando, „Platz“, „Komm“ und „Aus!“ ebenfalls. Hatten wir ihm alles beigebracht. Machte er auch. Wenn er wollte. Und zwar genau und nur dann. Also nie.
Fassen wir zusammen: Wir hatten uns einen dickköpfigen, eigenwilligen und sturen Macho ins Haus geholt, einen Dieb, einen sportlichen Dieb, zugegeben. Und einen Größenwahnsinnigen.
Denn eines Tages reichten Moritz die läppischen Dinge nicht mehr, die sich in Haus und Garten abspielten … Hinter unserem Garten war damals eine Weide, auf der im Wechsel Pferde und Kühe grasten. Die Pferde fand er wohl langweilig, die sich wegen jeder Kleinigkeit aufregten. Aber die Kühe – eine Herde Färsen –, die fand er toll! Und so wurschtelte er sich wieder und wieder unter dem Gartenzaun durch, lief zu den Färsen, die er durch lautes Gebell aufschreckte und die dann muhend und in Panik davonrannten. Moritz hinterdrein! Mit flatternden Ohren und laut bellend, als riefe er: „Ich bin der König der Welt!“ Oder – zumindest – der König der Kühe.
Immer wieder sahen wir folgendes Szenario: Panische Kuhherde, laut muhend auf der Flucht – dahinter ein vergleichsweise kleiner Dackel, der voller Selbstbewusstsein die Kühe vor sich hertreibt. Wurde es ihm zu langweilig oder hatte er Hunger, kehrte er wieder in den Garten zurück. Mein Vater, der Einzige, vor dem er wirklich Respekt hatte, weil er wohl merkte, dass dieser ihm nicht übermäßig wohlgesonnen war, meinte immer zu ihm: „Du wirst schon sehen, was du davon hast!“
Und mein Vater sollte Recht behalten, denn eines schönen Tages im Frühsommer, als wir sonntags auf der Terrasse frühstückten, ging Moritz erneut seiner Lieblingstätigkeit nach. Laut muhend raste die Herde Färsen vor ihm davon. Hin und her sahen wir sie laufen, dahinter – nur an den fliegenden Schlappohren erkennbar – unser Moritz. Irgendwann gerieten die Tiere außer Sichtweite, und was dabei passiert ist, weiß keiner von uns. Möglich, dass es einer der Färsen, der mutigsten, zuviel geworden war, sie erkannt hatte, vor wem sie da eigentlich flohen; möglich auch, dass Moritz eine der Kühe gebissen hat – wir wissen es nicht, und der Hund wollte bzw. konnte keine Auskunft erteilen, ebensowenig die Kühe.
Als ich gerade in meinen zweiten Toast mit Butter und Schinken biss, sahen wir, dass die Verhältnisse sich umgekehrt hatten: Kleiner Rauhhaardackel rast mit flatternden Schlappohren panisch vor Jungkuhherde davon! Hin und her und her und hin! Und er versucht immer wieder verzweifelt, seinen Garten zu erreichen, aber die Kühe sind schneller, treiben ihn vor sich her. Außer den Ohren sieht man noch wie eine Fahne die Zunge des Hundes, die quasi hinter ihm her flattert, so schnell ist die Jagd …
Irgendwann schafft er es, erreicht den Garten. Schon hört man die Stampede nahen … Er versucht, unter dem Zaun durchzukommen, bleibt aber mit dem Haken seiner Steuermarke fast im Zaun hängen … Aber da naht Rettung!
Ich habe meine Mutter nie wieder so schnell rennen sehen! Sie sprang auf, ihr Stuhl stürzte um, und sie rannte wie von Hunden (!) gehetzt bis hinten an den Gartenzaun, wo unser Hund vergeblich versuchte, unter dem Zaun durchzukommen. Die Hörner der Leitkuh waren bereits im Blickfeld!
Gerade noch rechtzeitig riss meine Mutter Moritz unter dem Zaun durch und ihn auf den Arm, als auch schon die Hörner der erzürnten, laut brummenden Leitkuh sich in den Zaun spießten … 😉 Mein Vater war hocherfreut darüber. 😉 Und meine Mutter stand da mit dem Dackel auf dem Arm, der sich erstmals in seinem Leben schämte und die Kühe keines Blickes würdigte, und sprach beruhigend auf die aufgebrachten Kühe ein, die sich alsbald wieder besannen und den Ort des Geschehens verließen. Meine Mutter kam mit Moritz auf die Terrasse, und er bekam erst einmal etwas zu trinken, da seine Zunge fast bis zum Boden hing und er hechelte, als würde er dafür bezahlt. Mein Vater grinste und meinte nur zu ihm: „Siehste!“
Von jenem Tag an bellte Moritz die Kühe immer nur noch an. Von der Terrasse aus.
Seither hatte ich immer mehr mit größeren Hunden zu tun, darunter diverse Schäferhunde, die Bekannten und Verwandten gehörten. Speziell ein Onkel von mir, der immer Schäferhunde hatte, hat mir einiges in puncto Hundeerziehung beigebracht, und ich habe seither festgestellt, dass es mit großen Hunden oft einfacher ist … Wollte meine Mutter damals wohl nicht so recht glauben. 😉
Mit der Frau heute in der Straßenbahn kam ich noch ins Gespräch. Sie klagte ihr Leid. Wenn sie nur gewusst hätte, was „Dackel“ bedeute, hätte sie sich lieber einen Labrador angeschafft, denn sie hätte einen netten, freundlichen Hund gewollt. Ich grinste und meinte: „Ja, das haben uns nach unserem Dackel auch ganz viele Leute gesagt, und Labradore sind einfach nur ganz wunderbare Hunde. Was halten Sie eigentlich von Dalmatinern?“