Tempi passati oder: Was man in Studentenjobs so erleben kann … (Teil 1)

Während meiner Studienzeit war es noch etwas einfacher, neben dem Studium zu arbeiten, da es noch Diplom- und Magisterstudiengänge (ach, ja, und natürlich die Staatsexamen-Studiengänge …) statt Bachelor und Master gab. Bulimielernen gab es zwar auch, aber nicht in diesem Ausmaß wie heute – in meinem Studiengang war es meist dann angezeigt, wenn man vor den Prüfungen gepennt hatte. Klar, auch wir mussten viel lernen, aber nicht zwingend auf diese nicht sonderlich effektive Weise und hauptsächlich fürs Kurzzeitgedächtnis (so klagten zumindest diverse meiner Studis).

Dieser Umstand ermöglichte uns einfacher als heute, noch nebenher zu jobben, wenn man zum Beispiel in den Urlaub fahren oder eine größere Anschaffung tätigen wollte. Einige meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen – von letzteren gab es vergleichsweise wenig – arbeiteten bei Zentis. Die Arbeit sei okay, erklärten sie, aber sie konnten keine Marmelade mehr sehen, geschweige denn essen, ganz zu schweigen von Nusspli und anderen schokoladenhaltigen Produkten dieses Aachener Produzenten. Eine weitere Kommilitonin jobbte bei „Dansk Vanilli“, einem dänischen Eisladen, in dem sogar die Waffelhörnchen selber gebacken wurden. Näherte sich die Kommilitonin dem Seminarraum, konnte man sie bereits riechen: Ein Duft von Vanille eilte ihr voraus. Ich fand es eigentlich immer ganz angenehm, neben ihr zu sitzen, denn ich liebe Vanille, aber sie klagte, sie könne duschen, bis sie umfalle – sie werde diesen Geruch nicht los und hätte ihn ständig in der Nase. Eine andere Kommilitonin jobbte in einer Frittenbude – eindeutig war der Geruch alten Frittenfetts schlimmer, und am schlimmsten, saß man zwischen Madame „Dansk Vanilli“ und Madame „Aphrodite-Grill“.

Mein erster Studentenjob trug sich ebenfalls im gastronomischen Bereich zu: bei einem bekannten amerikanischen Vertreter der Systemgastronomie mit schottischem Namen. Lange habe ich dort nicht gearbeitet, ich gebe es zu, denn ich war in der schlimmsten der Aachener Niederlassungen gelandet. Dort habe ich auch meine erste Ratte live und in Farbe gesehen, als ich – ich arbeitete an jenem Tag in der sogenannten Lobby – einen bis oben prall gefüllten Müllsack zum sogenannten Müllraum schleppte, dort die Tür öffnete, wobei mir ein unvorstellbarer Gestank und ein größeres Tier entgegenkamen. Es sah aus wie eine sehr, sehr große Maus, und ich schleuderte schnell den Müllsack irgendwohin und knallte dem Tier geistesgegenwärtig die Tür vor der Nase zu. Iiih! Offenbar gefiel es dem Nagetier im Müllraum auch nicht – und das trotz der „leckeren“ Abfälle …

Da unsere Schichtleiterin uns nur herumbosste, habe ich dann am Ende dieser Schicht gekündigt. Die Frau war unmöglich und schrie uns, die ihr Untergebenen, vor den Gästen zusammen, wenn sie meinte, das passe gerade gut. Meist ohne echten Anlass. Mich schrie sie an, als ich ein kleines Mädchen, das sich in der Damentoilette eingeschlossen hatte und des klemmenden Schlosses wegen nicht herauskonnte, vor der Tür stehend beruhigte, weil es weinte und Angst hatte. Ich versprach, jemanden zu holen, der ihm helfen könne, denn ich konnte auch nichts ausrichten, und da schrie mich meine Vorgesetzte vor den Gästen dermaßen zusammen, dass mir vor Wut fast die Tränen kamen. Sie ging dann in die Damentoilette und sprach mit liebreizender Stimme auf das heulende Kind ein.

Als dann später bei Schichtwechsel meine Ablösung nicht kam und nachdem ich dann noch eine Stunde länger hatte arbeiten müssen, war das Maß voll, und da gerade der Vorgesetzte der Schichtleiterin anwesend war, ging ich zu ihm und kündigte. Gleichzeitig beschwerte ich mich über meine direkte Vorgesetzte, die hinzugerufen wurde und die Freundlichkeit in Person mimte. Sie wollte mich als unglaubwürdig hinstellen und sprach mich direkt an, aber ich sagte zu ihr: „Mit Ihnen spreche ich gar nicht mehr!“ Man drohte mir mit disziplinarischen Maßnahmen, aber ich meinte nur: „Hier sind meine Bankverbindungsdaten. Sollte in einer Woche mein Lohn nicht da sein, hören Sie von meinem Anwalt!“ Die Wahrheit war: Ich hatte gar keinen Anwalt. 😉 Aber man gab dann Ruhe und ließ mich ziehen, nachdem ich meine hässliche Dienstkleidung in der Umkleide aus- und meine Zivilkleidung angezogen hatte. Meine Kolleginnen, die alle sehr nett waren, meinten, es sei schade, dass ich schon ginge, aber sie hätten gut gefunden, wie ich es der Schichtleiterin gezeigt hätte, die nun im Hintergrund mit ihrem Vorgesetzten ein offenbar nicht ganz so angenehmes Gespräch führte. Ich hörte nur etwas von „Ablösung nicht gekommen“, „Frau B. kündigt und droht mit einem Anwalt“, „Beschwerden auch von anderen Mitarbeitern“ und „Wenn Sie weiter so vorgehen, stehen Sie bald wieder an der Kasse“ – gut so. Damit hatte ich in dieser Institution gar nicht gerechnet! 😉

Und dann bekam ich tatsächlich einen Scheck zugeschickt …

Mein zweiter Studentenjob fand in den Semesterferien statt, bei einem großen Versand für Wolle und sonstige Handarbeitsutensilien. Ausgerechnet! Es passte zu mir wie eine Nonne ins Bordell passt, denn ich hasse Handarbeiten! 😉 Ich arbeitete in der Spätschicht, was gut war, denn es war mitten im Hochsommer und brüllend heiß in jenem Jahr. Die Frühschicht dauerte nicht nur länger und man verdiente weniger – es war auch hinsichtlich der klimatischen Verhältnisse weniger günstig. Sogar um 17 h, zu Beginn der Spätschicht, die bis 22 h dauerte, war es noch sehr warm, und da ich in der Katalogabteilung zusammen mit diversen anderen Mitarbeitern mit zwei sehr großen und lauten Maschinen arbeitete, war es nicht immer angenehm. An den Lärm, den die beiden Maschinen machten, habe ich mich schnell gewöhnt. Am schlimmsten war, dass die ganze Schicht hindurch WDR 4 lief, in voller Lautstärke, denn die Maschinen mussten ja übertönt werden, um dem anspruchsvollen Programm dieses Senders folgen zu können. 😉

Die erste Schicht war die Hölle. Ich arbeitete am Band und musste große und mit Katalogen prall gefüllte DIN-C4-Umschläge nach Postleitzahlen sortieren, was sehr schnell gehen musste, diese dann in Sechserpacks zusammenfassen und auf einen Packtisch wuchten. Eine sehr monotone Arbeit mit monotonen Bewegungsabläufen. Mit WDR 4 in meinem Rücken dachte ich nach zwei Stunden: „So habe ich mir immer die Hölle vorgestellt.“ Ich sagte es aber lieber nicht laut. Ich wollte nicht als verweichlichte Studentin gelten.  Alles, nur das nicht. Daher hielt ich tapfer durch, obwohl nach drei Stunden meine Gelenke und Sehnen zu knirschen schienen, sobald ich mich bewegte. Ich knirschte meinerseits mit den Zähnen und schaffte die fünf Stunden irgendwie. Ich hatte noch eine ganz besonders verantwortungsvolle Aufgabe: Unser Pensum ging immer bis zu einer bestimmten Postleitzahl. Tauchte die nächste auf, musste ich: „Schicht!“ brüllen, und die Vorarbeiterin schaltete die Maschine, eine riesige Kuvertiermaschine, diverse Meter lang und mit -zig seitlichen Bestückungsstationen versehen, hinter der Station, die die Heißkleberdüse und die Fixierungswalze enthielt, noch ein Fließband, aus. Danach musste die Halle gefegt werden, und dann durften wir zur Stechuhr und uns ausstempeln.

Der Heimweg nach der ersten Schicht ist unvergessen. Normalerweise hätte ich zwanzig Minuten, maximal eine halbe Stunde gebraucht. Aber ich hatte das Gefühl, mein Rücken wäre kurz vor dem Durchbrechen; meine Schultern schmerzten derart, dass ich sie verfluchte, und vom langen Stehen hatte ich das Gefühl, meine Beine wären mit Blei gefüllt. Eigentlich tat alles weh, und ich musste verblüfft feststellen, dass es Muskeln auch an Stellen gibt, an denen ich bis dato nie gemerkt hatte, dass sie existierten. Ich war kurz davor, mich an der Krefelder Straße einfach hinzusetzen und nicht mehr weiterzugehen, aber hätte ich das getan, würde ich wahrscheinlich noch heute dort sitzen – als Aachener Attraktion und Sehenswürdigkeit: „Und dieses Skelett hier sitzt schon seit Jahren an dieser Stelle. Man vermutet, dass es sich dabei um die sterblichen Überreste einer verweichlichten Studentin handelt, die vor Jahren ernsthaft glaubte, sie könne am Fließband arbeiten. Hahaha!“ Alles, nur das nicht. Und so schleppte ich mich auf dem Zahnfleisch nach Hause, wo ich noch duschte und mich dann sofort ins Bett legte, zu nichts mehr zu gebrauchen. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ich nicht ich selbst, und es dauerte etwa zehn Minuten, bis ich es geschafft hatte, aus dem Bett zu kommen … Und damit sollte ich am späten Nachmittag wieder antreten – wie sollte das gehen? Ich war doch erst 21 und fühlte mich wie ein Fossil! Ich habe es aber geschafft, und ab der zweiten Schicht wurde alles viel leichter. Heute denke ich gerne an den Job zurück, denn trotz WDR 4 und der allerersten Schicht des Horrors war es ganz nett dort. Eine freundliche Kollegin hat mir damals sogar ihr Rezept für „Jurkensalat“ gegeben (sie sprach Öcher Platt). War aber nicht so mein Fall – sie tat keine Sahne hinein und auch keinen Dill. 😉

Später habe ich dann in einer privaten Sprach- und Förderschule gearbeitet. Und in einer Studentenkneipe. Was ich als Thekenfrau erlebt habe, würde das hier aber sprengen – lieber in einem „Special“. 😉

Es ist immer ganz gut, sofern möglich, nebenbei zu arbeiten – man weiß unter anderem Geld mehr zu würdigen. 😉

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