Ich lasse mir keine grauen Haare wachsen – ich doch nicht!

Nein, ich bin nicht über Nacht verschärft cool geworden und echauffiere mich nun nicht mehr über Dinge, die im Grunde nicht der Rede wert sind. Das wäre dann doch etwas viel verlangt. Sollte dies doch einmal der Fall sein, ruft bitte sofort den Rettungsdienst, denn dann bin ich wahrscheinlich zumindest klinisch tot. 😉

Aber graue – und lange – Haare lasse ich mir dennoch nicht wachsen. Das wäre ja noch schöner!

Ergo war ich heute – endlich – beim Friseur. Meine Haare waren mal wieder viel zu lang, und morgens fluchte ich immer ganz reizend, wenn die Dinger mal wieder nicht so liegen wollten und sich nicht so formen ließen, wie ich ihnen das oktroyieren wollte. Diverse Strähnen waren sogar derart dreist, sich nach außen zu ringeln, obwohl ich sie nach innen föhnen wollte. Dabei habe ich gar keine Locken, sondern – zu meinem Leidwesen – ganz glatte Haare. Aber offenbar auch mit einem ganz eigenen Willen versehen, und das kann ich morgens vor der Arbeit gar nicht leiden, wenn ich auch sonst ausgemachter Fan eines eigenen Willens bin. Aber nicht bei meinen Haaren! Da bin ich eigen. 😉

Geschmack ändert sich bekanntermaßen mit den Jahren. Als kleines Kind hatte ich unbedingt lange Haare gewollt, und das äußerte ich auch gegenüber jedem, der es wissen wollte … oder auch nicht. Am häufigsten meiner Mutter gegenüber, die damals die Entscheidungs- und Handlungsgewalt innehatte, was das Äußere meiner Wenigkeit anbelangte. (Daher war ich auch häufig in karierten Trägerröckchen unterwegs, von denen ich nur eines wirklich mochte. Übrigens: Träger sind sehr unpraktisch, da die beim Spielen und Rennen immer von der Schulter rutschen … Und offenbar haben diese Trägerröckchen meine Vorliebe für Karomuster begründet. 😉 ) Und so geschah es immer wieder, dass ich, gerade als meine Haare zwar nicht lang, aber zumindest „länglich“ waren und sich eine Tendenz zum Längerwerden abzeichnete, brutal zum Friseur geschleppt wurde, der mir einen „süßen“ Rundschnitt verpasste, der mich immer wie einen kleinen Jungen aussehen ließ, ein kleines „Ding“, das sich zwischen Engel und Teufel nicht hatte entscheiden können, denn ich sah mit dem reizenden Haarschnitt in Hellblond zwar wie ein Engelchen aus, was mein Wesen jedoch Lügen strafte. Und viele Leute meinten, wenn ich gerade kein kariertes Trägerröckchen, sondern Hosen trug: „Der ist ja süß!“ So etwas kann schlimmstenfalls zu Identitätsproblemen führen. 😉

Auch als Jugendliche war mein Traum immer eine lange, blonde Mähne. Gut, blond bin ich ja, aber meine „Mähne“ sah immer ein bisschen so aus, als hätten Motten darin gehaust. Meine Haare sind einfach zu dünn, und – ich hatte es meiner Mutter ja nie glauben wollen – ich sah damit wirklich ziemlich bescheiden aus. Aber der Weg zur Erkenntnis ist ja meist ein längerer, anders als meine Haare, und so dauerte es auch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. 😉

Heute trage ich einen „Bob“, eine Frisur, die in den Zwanziger Jahren, den „Roaring Twenties“, einer Ära, in der ich immer gern gelebt hätte, zur Trendfrisur wurde und schon mehrere Renaissancen erlebt hat. Es hat wirklich lange gedauert, bis ich begriff, dass lange Haare mir nicht stehen, und so ist mein Bob an der längsten Stelle auch nur knapp kinnlang.

In den letzten Jahren hat sich nicht nur mein Geschmack, sondern auch meine Haarfarbe geändert. Was früher mittelblond mit ganz hellen Natursträhnen war, ist heute „aschblond“. So nennt es Tonja, meine Friseurin. Ich hingegen habe sie schon mehrfach gefragt, ob denn auf meinem weisen Haupt viele graue Haare zu sehen wären. Sie grinst dann immer und sagt: „Kaum eines, eigentlich sehe ich gar keines. Mal im Ernst: Bevor Sie zum Schneiden und Strähnen hierher kommen, tönen Sie sich doch die Haare – oder? Ich kann wirklich kein echtes graues Haar ausmachen.“ Bei meiner Ehre – ich töne oder färbe niemals selber! Meine Schwester hatte mal nach einem missglückten Do-it-yourself-Versuch grüne Haare – seitdem lasse ich die Finger von derlei Dingen, obwohl ich in meiner Schulzeit recht viel experimentiert habe. Sogar mit Henna, was ein ebenso furchtbares wie irreversibles Ergebnis nach sich zog, zumindest für eine gewisse, viel zu lange Zeit, weshalb mein Vater mich ebenso lange „Füchschen“ nannte. Nie wieder!

Aber auch Aschblond ist nicht schön, kommt aber – so Tonja – spätestens ab Dreißig. Und so lasse ich meine Haare regelmäßig bicolor strähnen. Heute war es, neben dem dringend nötigen Nachschnitt, mal wieder soweit.

Manchmal frage ich mich ja schon, ob Menschen, speziell Frauen, die ansonsten ganz normal ticken, irgendwie zu Masochisten mutieren, wenn es um ihr Aussehen geht. Mir graut im Grunde vor jedem Friseurbesuch, und ich rechne stets mit Sanktionen, seit ich in einer Stadt in der Nähe von Düsseldorf, in der ich vier Jahre lebte, wiederholt von meiner dortigen Friseurin richtig zusammengestaucht wurde, weil ich meine Haare nicht regelmäßig in einer Windelweich-Pflegespülung badete! Sie sah mich immer verächtlich an, hielt meine Haare hoch, als handelte es sich um Sondermüll, und dabei sagte sie, wobei sie jedes Wort auszuspucken schien: „Sie haben ja immer noch keine Pflegespülung benutzt, obwohl ich das angeordnet hatte! Dann müssen Sie sich auch nicht wundern, wenn Ihre Haare irgendwann den Geist aufgeben!“

Die ersten drei Male stand ich unter einer Art Schock. Nicht nur, dass man mir ankündigte, meine Haare seien alsbald offenbar dem Teufel geweiht, nein. Offenbar war ich in einem Friseursalon gelandet, der sich für Masochisten und andere Menschen eignet, die sich gerne erniedrigen lassen. Dazu gehöre ich nicht. Und was sollte das heißen: angeordnet? War ich beim Arzt, der anordnet, man solle nicht mehr rauchen, weil ansonsten die Lunge über kurz oder lang den Geist aufgäbe? Ich fürchtete mich vor dem Friseurbesuch mehr als vor dem Zahnarzt …

Ein viertes Mal fand nicht statt, aber der Wechsel brachte auch nichts, denn im nächsten Friseursalon vor Ort hielt man erneut meine völlig normalen Haare mit gespreizten Fingern und angewidertem Gesichtsausdruck hoch, als hätte ich mich zuvor damit in einem Hundehaufen gewälzt. Und erneut erging die Tirade, die ich ja schon gewohnt war. Offenbar ist Ratingen für Menschen, die nicht so viel Zeit haben, ihre Haare zwar nicht in Unschuld, aber mit einer Spülung zu waschen, besser noch: einer Haarkur zu unterziehen, wenig geeignet. Zumindest dann, betrachtet man die merkwürdige Attitüde einiger Friseure vor Ort, die dem Kunden ein schlechtes Gewissen einjagen, um dann möglichst viele Sonderleistungen an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Damals – ich trug die Haare halblang – dachte ich doch einmal wieder darüber nach, meine Haare einfach dem Wildwuchs auszusetzen, da ich mich vor den Ratinger Friseuren fürchtete, zumal bei meinem letzten Besuch bei einem vor Ort die Friseurin zu mir sagte: „Im Alter dunkeln halt auch blonde Haare nach,“, als ich fragte, warum meine Haare immer dunkler würden. Ich hatte die Dreißig knapp überschritten. 😉 Ich hoffe, friseurtechnisch möge sich dort einiges geändert haben …

Heute ist alles viel besser. Ich bin in einem wirklich netten Friseursalon, in dem noch niemals eine der Friseurinnen versucht hat, mir ein schlechtes Gewissen einzureden bzw. mir ein überteuertes Pflegemittel aufzuschwatzen oder gar unter Drohungen an den Mann zu bringen. Besser: an mich.

Meine Haare werden so geschnitten, wie ich das möchte, die Strähnchen sind immer sehr gut, wenn ich auch wieder und wieder an die Frage gelange, ob es das wirklich wert sei, wenn ich einmal mehr nach einer halben Stunde Strähnenapplikation eine weitere halbe Stunde lang unter dem „Climazon“-Wärmegerät sitze, das die Einwirkzeit der Farbe um die Hälfte reduzieren soll, mir aber der Schweiß ausbricht und ich jedes Mal, wenn die Zeit abgelaufen ist, von dem widerlich lauten Signal des Geräts fast einem Herzinfarkt anheimfalle …

Danach wird es angenehmer, denn dann werden die Haare gewaschen, mein Kopf ergo wieder heruntergekühlt, und wenn ich Glück habe, gibt es auch noch eine Kopfhautmassage. Am schnellsten ist das Schneiden, das geht ratz-fatz. Nur danach werde ich noch gefühlte Stunden geföhnt, toupiert und in Form gezupft, bis der Bob so sitzt, wie er bis zum nächsten Friseurbesuch nie wieder sitzen wird. (Toupieren! Als hätte ich morgens die Zeit dazu! 😉 )

Immerhin habe ich nun für etwa sechs Wochen Ruhe. Dann muss wieder geschnitten werden. Wenigstens in netter Atmosphäre, vor allem, seitdem meine Ex-Chefin den Friseur gewechselt hat, denn wir hatten längere Zeit denselben. Das muss nicht sein. Da lasse ich mich doch noch lieber von Friseurinnen, die meine Haare wie Sondermüll behandeln, erniedrigen … 😉

6 Gedanken zu „Ich lasse mir keine grauen Haare wachsen – ich doch nicht!

  1. Heide sagt:

    Tonja würde keine bösen Worte sprechen Und wäre auch nicht korrumpierbar für eine falsche Mischung für zb grüne Haare
    Bzgl der Ex-Chefin
    Ich habe gestern auch meine weiblichen George Cloonie Aspekte überarbeiten lassen
    In diesem Sinne wünsche ich dir ein schönes Wochenende

    • ali0408 sagt:

      Tonja kann auch andere Worte. 😉 Aber daher kommen wir auch recht gut miteinander klar. 😉 Dennoch: Ich bin froh, dass ich meinen Friseur wieder „für mich“ habe. 😉

      Erfreulicherweise ist bei mir wirklich kaum etwas Graues zu sehen – nicht einmal am bis gestern schon ziemlich herausgewachsenen Ansatz. Sicher kommt das dann bei mir irgendwie ganz plötzlich über Nacht oder so … 😉

      Dir auch ein schönes Wochenende! 🙂

      • Heide sagt:

        Du junges Mädchen… Und auch noch mit blonden Haaren ausgestattet
        Da habe ich alte Frau.?
        Übrigens ging erst letztes Jahr los
        Also freu dich 😜

      • ali0408 sagt:

        Dann sind wir beide diesbezüglich offenbar Spätzünder – ist doch prima! 🙂 Sollte ich wirklich, was ich nicht glaube, mit einem Schlag ganz viele graue Haare bekommen, wirst Du den Schrei sicherlich bis zu Dir hören können … 😉

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