Betriebsausflüge und –feiern sind nicht die einzige Möglichkeit, seine Kollegen richtig kennenzulernen, aber meist die letzte Bastion, zu erkennen, wer wirklich wie tickt. Und man ist bisweilen wirklich sehr überrascht. Manchmal auch nicht, wenn man ohnehin schon einen Eindruck hatte. Als gestern bei unserem diesjährigen Betriebsausflug sich die „Dame“, die ohnehin schon eine „Schleuderschnauze“ hat – wäre sie ein Hund, stammte sie wohl von einem Paar bissiger, nicht resozialisierbarer Elternteile ab, bei denen man annehmen könnte, die Tollwut sei wieder aufgeflammt und sofort zur Flinte greifen würde, wenn man auch sonst sehr tierlieb ist -, zunächst mit der Besatzung des Fahrgastschiffes, mit dem wir auf dem nahegelegenen Rhein-Herne-Kanal unterwegs waren, anlegte, weil sie – ausgerechnet sie! – kein Stück Kuchen mehr abbekam, dann noch mit einem der größten Pazifisten unter den Mitarbeitern über den vermeintlich allgegenwärtigen Rassismus am Arbeitsplatz diskutierte und ins Kreischen geriet, obwohl ihr Gegenüber sehr ruhig und friedlich war, dachte ich zunächst: „Nie wieder Betriebsausflug! Aber kein Wunder – Cindy Blech war ja schon immer so. Armer Herr Grethel!“ Denn Herr Grethel hat es wirklich nicht verdient, sich mit Cindy Blech um des Kaisers Bart streiten zu müssen, zumal da zwei Extreme aufeinanderprallen: Ersterer ein sehr ruhiger, sachlicher und vermittelnder wie freundlicher Mensch, den ich seit meinen Kleinkindzeiten kenne, und das genau so: freundlich, ruhig, sachlich, sehr fachkompetent, verantwortungsvoll-integer und etwas schüchtern. Zweitere eine Fanatikerin, die sich stets benachteiligt fühlt. Ich muss nicht erwähnen, dass Cindy Blech sich mit meinem Ex-Kollegen Birger und dessen Busenfreund sehr gut versteht und man miteinander befreundet ist, nehme ich an … Sie war es auch, die mich mal in der Kantine traf, als ich gerade vom Orthopäden kam und eine Spritze in den Rücken bekommen hatte. Sie konnte es nicht wissen, und wir halten auch immer größtmögliche Distanz zueinander, aber just an diesem Tag piekte sie mir ihren Zeigefinger just in die Stelle, wo man mir die Spritze verabreicht hatte! Als hätte sie es gerochen! Oder kurz vorher mit Birger telefoniert … Zum Glück kann ich mich beherrschen, ansonsten hätte ich ihr eine geknallt. Verdient gehabt hätte sie es nicht nur dafür.
Die meisten Kollegen, die gestern zum Betriebsausflug eilten, waren mehr oder minder normal, wie auch immer man Normalität nun definieren möchte. Es waren von allen Sorten welche dabei: nette, freundliche, großzügige, aufgeschlossene Wesen, Korinthenkacker, Kollegen, die immer so verbiestert wirken, als bissen sie bei der Arbeit auf Hühnerkacke, Spießer [obwohl ich ja der Meinung bin, dass wir alle – zumindest in kleinen, persönlichen Teilbereichen – irgendwo irgendwie spießig seien], Großmäuler und so weiter.
Wir schipperten mit einem etwas in die Jahre gekommenen Fahrgastschiff über den Kanal, passierten eine Schleuse, und ich musste feststellen, nicht viele Kollegen waren schiffs- und schleusenerfahren. Viele standen an der Reling, ah-ten und oh-ten und hielten jeden Flutungsschritt bzw. das Gegenteil mit der Kamera fest. Ich hatte das Glück, von Kindesbeinen an mit dem Passieren von Schleusen vertraut zu sein, da ich mehrfach mit Motoryachten in und um ein großes Gewässer in einem meiner Lieblingsländer, den Niederlanden, unterwegs gewesen war: dem IJsselmeer und diversen Kanälen. Da haut einen so etwas nicht mehr ganz so sehr vom Hocker, und man sitzt mit der Gelassenheit eines alten Bordhundes an Bord und hofft nur, es möge nicht so lange dauern. Spritzwasser von oben? Ha! Ist halt so in einer Schleuse, und wenn man sich an Deck aufhält, ist eben damit zu rechnen. Man muss halt schiffstaugliche Kleidung mitbringen. Glitschige, algenbewehrte Schleusenmauern, bei denen einige Kolleginnen sich ekelten, boten einen mir durchaus altvertrauten Anblick, obwohl ich auch nicht tagtäglich damit zu tun habe.
Wir fuhren bis zu einem Schiffshebewerk, das ein themenbezogenes Museum betreibt, legten dort an, und die, die interessiert waren, konnten das Hebewerk nebst Museum besichtigen. Ich kannte das von verschiedenen Besuchen mit meinem Ingenieurvater bzw. der Schule, und so setzten Kollegin Janine, Kollege Frederik und ich uns in einen angrenzenden Biergarten. Frederik kam auf die glorreiche Idee, drei halbe Liter Pils zu holen. Bereits nach dem ersten Drittel ihres Glases war Janine nicht mehr dieselbe: Sie kicherte unentwegt, und Frederik und ich sahen einander grinsend an. Offenbar vertrug die Kollegin nicht so viel. Wir halfen dann bei der Leerung ihres Glases noch mit. Zum Glück ist es eine sehr nette Kollegin. Mit Cindy Blech hätten wir uns nicht zusammengesetzt.
Glücklicherweise ist die Kollegin nicht leicht aus der Bahn zu werfen, und so tranken wir nach der Rückkehr aufs Schiff noch ein Bier, nachdem wir einen Platz an Deck bzw. dort am Bug ergattert hatten. Die besten Plätze waren bereits belegt, und ich kam auf einer etwas durchfeuchteten Bank ganz vorne kurz vor der Bugspitze zu sitzen. Kollege Frederik kam dazu und meinte: „Ich setze mich zu Ali – da ist es wenigstens lustig!“ Donnerwetter – wie kam ich denn dazu? Wahrscheinlich liegt es an meinen bisweilen etwas derben Sprüchen, dass manche Kollegen mich für einen lustigen Haudegen halten. 😉 In Wirklichkeit bin ich durchaus sensibel – viele wissen das nur nicht. 🙂
Wir legten ab, und dann ging es ohne Probleme bis zur Schleuse zurück. Fast ohne Probleme. Denn zwischendurch fing es zu regnen an, und diejenigen, die die besten Plätze am Bug als Erste besetzt hatten, flohen kreischend unter Deck, auch Kollegin Janine. Frederik und ich blieben als einzige an Deck, und ich meinte kopfschüttelnd: „Alles Schönwettermenschen. Ist doch nur ein bisschen Wasser!“ – „Der harte Kern bleibt eben draußen.“
Vor der Schleuse mussten wir festmachen, und der Schiffsführer gab durch, dass wir mit knapp zwei Stunden Wartezeit rechnen müssten. Sofort ging das große Genöle los, das ich so sehr hasse! Da war von schlechter Organisation die Rede, von Unverschämtheit und Sonstigem. Als wäre die Wartezeit vorherzusehen gewesen! Es gibt nun einmal Vorfahrtsregeln an Schleusen, und mir war es lieber, dass der Gefahrguttransporter „Freya“, der explosive Ladung an Bord hatte, vor uns in die Schleuse fuhr. Mich nervt so ein Verhalten, wenn doch niemand etwas dafür kann. Angesichts der Krakeelerei erklärte der entnervte Schiffsführer dann, es sei zu Fuß nicht so weit, wieder zum Ausgangshafen zu gelangen, nur drei Kilometer, und die, die nicht warten wollten, könnten hier von Bord gehen.
„Drei Kilometer! So weit! Das ist ja das Letzte!“ war von vielen Seiten zu hören, und ich schüttelte nur den Kopf. Ich gehe von der Arbeit nicht selten zu Fuß nach Hause – die doppelte Strecke! Und das mit Spaß.
Erstaunt war ich, als ich sah, wie viele Kollegen das Schiff verließen – es blieben nur sieben zurück. Janine wollte das Stück nicht laufen, so blieb sie auch, daneben mit mir sechs weitere Leute. Der wirklich harte Kern. 😉
Die Entscheidung, an Bord zu bleiben, war das Beste am ganzen Tag, denn wir hatten viel Spaß, tranken Bier, alberten herum und bezeichneten die anderen als Weicheier. Soviel Spaß hätten wir mit dem Rest der Bande sicherlich nicht gehabt. Und wir hätten niemals die bisweilen sehr engstirnige Art einiger Kollegen, von denen man diese niemals erwartet hätte, so offen thematisieren können. Aber es ist gut, zu wissen, wie einige wirklich ticken. 😉
Daher: Fahrt immer fleißig mit zu Betriebsausflügen! 😉 Ich wurde gestern zum „harten Kern des harten Kerns“ ernannt, weil ich nicht nur an Bord, sondern sogar bei Regen draußen geblieben war – wenn das nix ist! 😉
Und ich werde nie wieder über Lehrer meckern, die Ausflügen und Wandertagen schon lange vor deren Durchführung nervös entgegenblicken. Es ändert sich nämlich offenbar nie im Leben etwas wirklich, ganz egal, wie alt die Ausflügler sind. 😉